BGH: Haftung bei ungesichertem WLAN-Anschluss Privater

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 14.05.2010

Neues vom BGH zu diesem Thema, das wir schon mehrfach im Blog hatten: Privatpersonen können auf Unterlassung, nicht dagegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen im Internet genutzt wird. Das hat der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden.

Die Klägerin ist Inhaberin der Rechte an dem Musiktitel "Sommer unseres Lebens". Mit Hilfe der Staatsanwaltschaft wurde ermittelt, dass dieser Titel vom Internetanschluss des Beklagten aus auf einer Tauschbörse zum Herunterladen im Internet angeboten worden war. Der Beklagte war in der fraglichen Zeit jedoch in Urlaub. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit das Berufungsgericht die Klage mit dem Unterlassungsantrag und mit dem Antrag auf Zahlung der Abmahnkosten abgewiesen hatte. Der BGH hat angenommen, dass eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung nicht in Betracht kommt. Auch privaten Anschlussinhabern obliegt aber eine Pflicht zu prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen vor der Gefahr geschützt ist, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes kann jedoch nicht zugemutet werden, ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Ihre Prüfpflicht bezieht sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.

Diese Pflicht hatte der Beklagte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs verletzt. Er hatte es bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen des WLAN-Routers belassen und das Passwort nicht durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort ersetzt. Ein solcher Passwortschutz war auch für private WLAN-Nutzer bereits im Jahre 2006 üblich und zumutbar. Er lag im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer und war mit keinen Mehrkosten verbunden.

Der Beklagte haftet deshalb nach den Rechtsgrundsätzen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten (nach geltendem, im Streitfall aber noch nicht anwendbaren Recht fallen insofern maximal 100 € an). Diese Haftung besteht schon nach der ersten über seinen WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Hingegen ist der Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hat der Bundesgerichtshof verneint, weil nicht der Beklagte den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht hat. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehlte.

BGH – I ZR 121/08  (Urteil noch nicht gepostet)http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2010&Sort=3&nr=51934&pos=3&anz=104

Urteil vom 12. Mai 2010

 

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7 Kommentare

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Die Beschränkung auf 100€ würde doch nur deswegen - nach derzeitiger herrschender Rspr. - greifen, da es sich um ein einzelnes Musikstück handeln, oder? ich kann mir nicht vorstellen, dass der BGH nun die Begrenzung auch für eine große Anzahl an Stücken bzw. z.B. ein aktuelles Album angewendet haben möchte. Zur Reduzierung der Massenabmahnung sicherlich begrüßenswert...

 

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PH schrieb:
Die Beschränkung auf 100€ würde doch nur deswegen - nach derzeitiger herrschender Rspr. - greifen, da es sich um ein einzelnes Musikstück handeln, oder? ich kann mir nicht vorstellen, dass der BGH nun die Begrenzung auch für eine große Anzahl an Stücken bzw. z.B. ein aktuelles Album angewendet haben möchte. Zur Reduzierung der Massenabmahnung sicherlich begrüßenswert...

Tja, das ist es zumindest, was man derzeit auf diversen Websites aus der Sache herausliest, schade, dass der BGH da nicht mehr ausgeführt hat.

 

Aber mal wirklich: Ist der Fall gravierender, nur weil man ein ganzes Album verteilt? Es ist weiterhin nur "Ein Klick", es ist weiterhin oft nur ein kleiner "dummer" Schüler, den genau diese Wanrschussregelung zur Raison rufen aber vor dem Ruin bewahren sollte.

Ein solcher Ruin ist - gerade bei Zusammenstellungen wie den doch sehr beliebten  Top100-Charts - bei der dann der Ermittlungsservices die Datensätze gleich mal an x (x>1) Kanzleien weitergibt (Bei Interesse: http://www.netzwelt.de/forum/allgemeine-filesharing-diskussionen/97552-m... ) - vorprogrammiert. Dann kommt gleich ein Haufen(!) netter Post in's Haus, bei dem jeder RA meint, nicht an die 100EUR-Grenze gebunden zu sein. Das ist ein Ruin, selbst wenn - nach diesem Urteil - mit einer Schutzbehauptung der Schadensersatz abgewendet werden kann.

Grüße
Mat

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Danke für die Kommentare - insb. zu den "100 Euro." In der MMR wird übrigens eine Urteilsbesprechung erscheinen - nicht von mir.

Sorry bin weder in der Rechtssache noch in der Technik tiefgründig im Thema und habe ja auch das Urteil noch nicht in seiner ganzen Pracht lesen können. Nur mal so eine Idee vorab:

Der BGH hat laut Pressemitteilung entschieden:

"Auch privaten Anschlussinhabern obliegt aber eine Pflicht zu prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen vor der Gefahr geschützt ist, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes kann jedoch nicht zugemutet werden, ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Ihre Prüfpflicht bezieht sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen."

Für den gewerblichen Anbieter dürfte das doch wohl erst Recht gelten bzw. verschärft.

Was machen bitte jetzt Hotels mit ihrem Zimmer-WLAN-Anschluss, Starbucks, gewerbliche Anbieter öffentlicher Hotspots etc.?

Falls das, was ich vermute zutreffen sollte, werden wir wohl in Deutschland demnächst eine WEB-Zugangskontrolle mittels Zertifikat (z.B. neuer Personalausweis) einführen müssen!

Ich hoffe noch, dass ich die Causa und die Auswirkungen des Urteils bisher nur falsch einordne!

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Mittlerweile gibt es auch die schriftliche Begründung des Urteils vom 12. Mai:

http://abmahnwahn-dreipage.de/Mitteilung/BGH%20Urteil%20vom%2012.%20Mai%202010,%20Az.%20I%20ZR%20121_08.pdf

Wenn Privatpersonen einen WLAN-Anschluss in Betrieb nehmen, sei es "zuzumuten zu prüfen, ob dieser Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschützt ist, von außenstehenden Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden." Dieser Pflicht sei der Beklagte  nicht nachgekommen. Er habe die "zum Kaufzeitpunkt marktüblichen Sicherungen" nicht wirksam eingesetzt.  Der Beklagte hatte den aufgedrucken, individuellen WPA-Schlüssel der Fritzbox nicht geändert. Er hätte laut BGH diese 16-stellige, auf der Unterseite der Fritzbox vermerkte Zeichenkombination, sofort durch ein "persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort" ersetzen müssen.

Gibt es weitere Kommentare zu dieser Begründung?

Hoteliers haften ggf. für ihr offenes WLAN. Sie müssen vor eMule das Netzwerk absichern. Sie haften bei jugendgefährdenden Medien bei eMule ggf. auf Schadensersatz.

Der Senat erklärt nicht die Unanwendbarkeit von § 10 TMG. Er hätte im Übrigen nach Überleitung von den eBay-Fällen auf § 8 TMG abstellen müssen.

Ein Abstellen auf das wohlverstandene Eigeninteresse, das LAN zu schützen, schließt nicht aus, dass Dritten bei Flatrate über WLAN-Router der Internetanschluss - ohne Beeinträchtigtes Eigeninteresse der Datensicherheit - zur Verfügung gestellt wird.

Der Senat stellt zur Verneinung einer Vorabkontrolle bei Unterlassungsansprüchen nicht mehr auf das Verbot allgemeiner Prüfungspflichten nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG ab, sondern auf § 10 TMG mit eigenem Regelungsgehalt für Unterlassungsansprüche. Aber § 10 S. 1 Nr. 1 TMG würde auch einer Haftung bei Verletzung besonderen Prüfungspflichten im Sinne der Entscheidungen "Internet-Versteigerung I-III" entgegenstehen.

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Auch stellt sich die Frage, warum eine urheberrechtliche Verkehrspflichtverletzung die eigenhändige Erfüllung eines urherberrechtlichen Verletzungstatbestandes voraussetzen soll (Rdnr. 13).

- Dies ist nicht in der vom Senat als Beleg immaterialgüterrechtlicher Verkehrspflichten zitierten Entscheidung "Kopiergeräte I" der Fall gewesen, in der lediglich an das Aufstellen von Kopiergeräten angeknüpft wurde.

- Es widerspricht dem Wesen der hier in Rede stehenden Verkehrspflicht, die gerade auf der eröffneten Gefahr beruht, dass Dritte den Verletzungstatbestand erfüllen, also eMule nutzen.

- Auch bestehen Wertungswidersprüche angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgenseite: UWG-Mitstörerhaftung (-) und Immaterialgüter-Mitstörerhaftung (+) im Gegensatz zu UWG-Verkehrspflicht (+) und Immaterialgüter-Verkehrspflicht (-)

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