Anwendungsprobleme bei 15a RVG

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 08.05.2010

Wer gehofft hatte, dass mit § 15a RVG – abgesehen von der Frage, ob die Vorschrift auch für sogenannte „Altfälle“ gilt – alle Fragen im Zusammenhang mit der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr abschließend geklärt sind, muss sich nicht zuletzt durch die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 18.03.2010 – 8 W 132/10 – eines Besseren belehren lassen. Wird nämlich im Rechtsstreit zwar die Geschäftsgebühr eingeklagt, im Rahmen eines späteren Vergleichsabschlusses jedoch diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung getroffen, stellt dies nach dem OLG Stuttgart keine Titulierung der Geschäftsgebühr dar mit der Folge, dass die Verfahrensgebühr ungemindert festzusetzen ist. Anders hatte das OLG Saarbrücken im Beschluss vom 04.01.2010  – 9 W 338/09 – entschieden, welches davon ausging, dass bei einem Vergleich mit einer Erledigungsklausel auch über die eingeklagte vorgerichtliche Geschäftsgebühr eine Regelung getroffen ist und hinsichtlich dieser ein Vollstreckungstitel nach § 15a Abs. 2, 2. Alternative  RVG vorliegt.

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4 Kommentare

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Ich halte das entgegen Koll. Dr. Mayer nicht wirklich für ein Anwendungsproblem des § 15 a RVG, sondern für den klassischen Schnitzer der Stuttgarter Kostenrichter, bei einem Vergleich das, WORÜBER sich die Parteien vergleichen, mit dem zu verwechseln, WORAUF sie sich vergleichen. Dass dieser Fauxpas dem OLG bei § 15 a RVG passiert, will nichts heißen: Keine Norm ist davor gefeit, Gegenstand krasser Fehlentscheidungen zu werden. Man kann natürlich trotzdem alles irgendwie "begründen"; man könnte zum Beispiel zur Rettung des Beschlusses vom 18.03.2010 bei einer am Buchstaben klebenden Deutung des § 15 a RVG anführen, es heiße es in Abs. 2 schließlich, dass "wegen" des betreffenden Anspruchs ein Vollstreckungstitel bestehen muss... - Aber was heißt schon "wegen"?

Der Beschluss führte, wollte man ihn ernstnehmen, zu absurden Ergebnissen: Wenn sich die Parteien, wie häufig bei gütlichen Einigungen, auf einen bloßen TEIL der vorgerichtlichen Gebühren mitvergleichen, müsste man bei Ausübung der Stuttgarter Auslegungskünste zum Schluss kommen, ein Teil sei tituliert und ein Teil nicht. Dann viel Vergnügen im Kostenfestsetzungsverfahren!

Rechtsanwalt M. Bender, Karlsruhe

 

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Die Stuttgarter Richter stehen mit ihrer Ansicht nicht allein - vgl. Hinweise auf mehrere obergerichtliche Beschlüsse u.a. des OLG Frankfurt/M. in http://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php?40949-Geschäftsgebühr-mit-Vergleich-tituliert sowie OLG Karlsruhe, B. v. 15.04.2010 in 13 W 159/09, juris (dort stellte sich der Anspruchsberechtigte auf den Standpunkt, dass streitige materiellrechtliche Einwände nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen sind).

Bewertet man den Vergleich über die eingeklagten Ansprüche (also auch die ungeminderte Geschäftsgebühr) ggf. als (Teil-)Erlassvertrag, dann mag die Geltendmachung der ungeminderten Verfahrensgebühr in der anschließenden Kostenfestsetzung treuwidrig erscheinen.

@Rpfleger St. Schmeding:

Schrecklich, dass die von Dr. Mayer eingestellte Entscheidung kein Einzelfall blieb! Die Verwechslung dessen, WORAUF sich die Parteien vergleichen, mit dem, WORÜBER sie sich vergleichen, wird nicht dadurch geadelt, dass sich der Irrtum durch die ganze OLG-Achse Stuttgart-Karlsruhe-Frankfurt zieht.

Es bleibet dabei: Wenn über "die Klagforderung", die "streitgegenständlichen Ansprüche" (oder mit ähnlichen Formulierungen) ein Vergleich geschlossen wird, geht auch der materiell-rechtliche Kostenanspruch flöten. Eine Frage der "Treuwidrigkeit" wirft das m. E. nicht auf. Es handelt sich um schlichte Rechtsanwendung, dann im Kostenfestsetzungsverfahren eine Anrechnung vorzunehmen.

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Hallo Herr Bender,

ich teile grds. Ihre Ansicht, gleichwohl bergen Vergleiche dank § 15a RVG so ihre Tücken und Überraschungen - z.B. gilt es zu beachten, ob die Geschäftsgebühr voll oder anrechnungsgemindert mit eingeklagt worden ist und möglicherweise auch ob der Gegner ebenfalls vorgerichtlich vertreten war. Dies dann in einer "verträglichen" und handhabbaren Kostenquotelung unterzubringen erfordert ein ausgeprägtes Kostenbewußtsein. Eine abschließende Kostenregulierung im Vergleich würde dem entgegen-wirken. Dies ersparte nebenbei auch gelegentlich als Fortsetzung des Rechtsstreits anmutende Auseinandersetzungen im Kostenfestsetzungsverfahren.

Bedenkenswert im Ausgangsfall mag das folgende Zitat aus der Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zur Anrechnung der Geschäftsgebühr für eine vorgerichtliche Tätigkeit auf die Verfahrensgebühr für eine nachfolgende gerichtliche Tätigkeit vom August 2008 sein:

"Es ergibt sich aber bereits aus allgemeinen prozessualen Grundsätzen, dass ein rechtshängiges/rechtskräftig entschiedenes (Streit- oder Festsetzungs-)Verfahren einer gleichzeitigen/erneuten Entscheidung in derselben Sache entgegensteht."

Quelle: http://www.drb.de/cms/index.php?id=489

 

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