Genügt das bloße Betrachten im Internet zur Strafbarkeit nach § 184b StGB? Anmerkung zu OLG Hamburg vom 15.02.2010

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 07.05.2010

Die Entscheidung des OLG Hamburg, Urteil v. 15.02.2010 - 2 - 27/09 REV hat vor einigen Wochen erhebliches Aufsehen in der Netzöffentlichkeit erregt, auch hier im Blog. Die Redaktion der Zeitschrift MMR hat mich gebeten, eine Anmerkung zu verfassen. Die im Heft 05/2010 erschienene Urteilsbesprechung wird nun freundlicherweise vom Verlag auch für die Blog-Öffentlichkeit freigeschaltet, so dass ich meine Auffassung hier zur Diskussion stellen kann. Hier der Link:

OLG Hamburg: Vorsätzlicher "Besitz" kinderpornografischer Internetdateien auch ohne bewusste Speicherung auf der Festplatte, mit Anmerkung von Henning Ernst Müller, MMR 2010, 342.

 

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18 Kommentare

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Meines Erachtens ist Ihre Argumentation schlüssig und überzeugend. Hier wird mal wieder versucht, die Strafbarkeit über den Wortlaut hinaus auszudehnen, weil man meint, der Gesetzgeber habe etwas anderes gewollt als er geschrieben hat und man das bloße Betrachten für strafwürdig hält.

Die Entscheidung was strafwürdig ist, muss aber der Legislative vorbehalten bleiben.

Wollen wir hoffen, dass gegen das Urteil des OLG Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde.

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De lege ferenda sieht der Richtlinienentwurf gegen Kinderpornografie v. 29.3.2010 neben Netzsperren insb. die Strafbarkeit des zielgerichteten Bildbetrachtens im Rahmen eines „bewussten Zugänglichmachen“ i.S.v. Art. 5 Ziff. 3 vor (KOM[2010]94 endg., 8, 17).

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Nachtrag: Angesichts der Stabilität aktueller Betriebssysteme und konservierenden Suspend-Modi lassen sich Arbeitsspeicherinhalte über Monate ununterbrochen nutzen, sodass von einer besonderen „Flüchtigkeit“ heute nicht mehr die Rede sein kann. Einer Tatbestandsverwirklichung steht somit etwa weder die Verwendung von „no-cache“-Metatags (vgl. AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 16.12.2005 – 944 Ls 2214 Js 97/04 – 571/05, MMR 2006, 345) noch die Bildbetrachtung im gegen Datenexport gesicherten Internetcafé entgegen.

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Es tut mir "leid" aber ich habe keinerlei Verständnis für die pädophilen Geschichte, weder im Internet,Kirsche oder zu Hause!!

ich bin auch noch nie auf solche Seiten gestoßen obwohl ich viiiiiiel Surfe und habe es echt satt das bei einem solchen Thema es so schwer ist ein Gesetz zu entwickeln welches dafür sorgt___das es schwieriger wird solche Dinge im Netz zu verbreiten. Immer wird jedes Blatt nochmal &nochmal gewendet bis der XY-User wieder ein Schlupfloch findet, über das er seine Neigung zur Normalität macht bzw. sich Mitwisser/Täter ran-holt!

Denke doch mal das 97% aller Menschen so etwas verabscheuen dann dürfte es doch kein Problem sein;da einen Riegel vorzuschieben??! Mit dem dann auch 100% von 97% zu Frieden ist.

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@4

Dass die Internet-Breitbandanschlüsse in Deutschland in den letzten 10 Jahren eine enorme Verbreitung gefunden haben (und damit die Möglichkeit zum leichten Tausch fast beliebigen Materials), ist bekannt; im gleichen Zeitraum ist das Hellfeld sex. Übergriffe auf Kinder jedoch nicht gestiegen, sondern leicht zurückgegangen. Und dies ist kaum auf eine gesunkene Anzeigebereitschaft zurückzuführen.

Vielleicht interessieren Sie sich für ein paar wissenschaftliche Erkenntnisse (zugegeben: kleine Stichprobe), die bei der Bewertung des hier diskutierten Delikts hilfreich sein können.

"Men who access images of child pornography and are caught are very unlikely to progress to acts of child sexual abuse, a Zurich study has found"

http://www.swissinfo.ch/eng/Child_porn_viewers_unlikely_to_abuse.html?ci...

"Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin "BMC Psychiatry" berichten, scheint der Konsum von Kinderpornos kein Risikofaktor für sexuelle Gewalttaten zu sein."

http://www.kinderschutz.ch/cms/de/node/408

Zeitgeist, das sollten wir gelernt haben, ist ein schlechter Ratgeber in der Kriminalpolitik. Es ist natürlich traurig, dass es sexuelle Gewalt an und gegen Kinder gibt; nur in einer "perfekten Gesellschaft" gäbe es sie nicht.

Etwas grundsätzlicher dazu (falls zu sehr off-topic, bitte löschen):

Paradoxerweise gibt es die Besitzstrafbarkeit des Materials noch garnicht so lange. Über den eher fragilen Strafzweck haben wir schon beim Strafverbot der Jugendpornographie diskutiert. Wenn nun noch die Empirie den postulierten Strafzweck des "abstrakten Gefährdungsdelikts"  nachhaltig widerlegt, steht dieser tendenziell auf eher noch wackeligeren Füßen. Für die anderen angeführten Strafzwecke, der Nachfrageinduktion, gibt es methodisch leider keine einwandfreien wissenschaftlichen Belege, man könnte also sagen, die angeführten Strafzwecke existieren vor allem in der Vorstellung. Über die eher fantastischen Entstehungs-/Verbreitungs-/Produktionszahlen derartigen Materials gibt es an anderen Stellen hinreichend substanzielle Zweifel. Bleibt noch der eher metaphysische Emotionalisierungs-Slogan, ein Missbrauch würde durch jedes Ansehen derartiger Bilder wiederholt oder fortgesetzt. Was das genau bedeuten soll, können die Urheber solcher Formulierungen leider selbst im Detail nicht genau erklären. Schließlich stellt sich die Frage nach der Würde des Kindes; das vielleicht im Material garnicht identifizierbar zu erkennen ist. Und es schließt sich die Frage an, ob das Strafrecht das Mittel zur Würde-Durchsetzung aller Menschen sein kann.

Die Gedanken-Bilder, die die Worte "Kinderpornographie" beim Diskutieren solchen Materials hervorrufen, emotionalisieren, und sie zeigen vielleicht bei einigen Menschen eine eigene Resonanz in ihrem Gefühlsleben. Der darauf aufgebaute ebenso emotionale Kampf scheint manchmal ein Kampf gegen eigene, mit Schrecken entdeckte Empfindungen zu sein. So etwas dürfe nicht sein. Und man dürfe es nicht sehen. Und man darf eigentlich auch garnicht richtig darüber diskutieren.

Ich mag einer verschwindenden 2-%-Minderheit angehören. Ich konsumiere kein solches Material, mich interessiert es nicht, ich wende mich entschieden gegen jede Form von Gewalt, auch gegen Kinder, und auch die Gewalt sexueller Ausprägung. Und ich stehe auch zu den bestehenden Schutzaltersgrenzen (vielleicht 1 oder 2 Jahre nach unten korrigiert). Aber dennoch bin ich der Meinung, dass die Rechtfertigungen zum Strafverbot dieses Materials -und allem, was daran hängt-, nicht ausreichen, und es aus dem Strafgesetzbuch (und erst recht das Jugendpornographieverbot) gestrichen gehört.

Man frage sich, was passieren würde, wenn wir die Formulierung umkehren, von "niemand dürfe", sondern "jeder müsse einmal" solches Material anschauen, und dann darüber sprechen.

Was dies vielleicht fördert, ist das, was allen Beteiligten helfen dürfte: die Unkultur des Be-Schweigens durch eine Kultur des Be-Sprechens, des Hinsehens und des Redens, der Aufklärung zu ersetzen.

Und zu lernen, mit eigenen, ambivalenten Gefühlsreaktionen, die vielen vielleicht selbst unheimlich sind,  umgehen zu lernen. Und zu sagen: Ja, es gibt so etwas, es wird es allerwahrscheinlichkeit auch weiterhin geben, aber wir können hinsehen und darüber sprechen. 

Just my two cent.

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@anonymus#3

soweit ich weiß, arbeiten die von Ihnen beschriebenen "suspend-modi" so, dass der Inhalt des Arbeitsspeichers (automatisch) auf der Festplatte gespeichert wird. Dies wäre (auch hnsichtlich des Vorsatzes) ähnlich zu beurteilen wie der Browser-Cache.

@Bjoern#4

Sowohl der sexuelle Missbrauch als auch die Herstellung von Kinderpornographie sind Straftaten, die auch m. E. keinerlei Verständnis verdienen. Darin sind sich sicherlich fast alle einig (ich schätze mehr als die von Ihnen genannten 97%). Und ein Verständnis ist hier auch nicht Diskussionsgegenstand. Es geht aber darum, (auch) an dieser Stelle das Gebot der präzisen Gesetzesbefolgung einzufordern, das gerade im Strafrecht besonders bedeutsam ist ("nullum crimen sine lege"). Durch weniger "Verständnis" lässt sich zudem das Problem ebensowenig aus der Welt schaffen, wie durch Gesetze, die es verbieten.  Die Vorstellung, man könne durch ein Gesetz 100% des verbotenen Verhaltens verhindern, ist illusorisch. Auch die Strafandrohung gegen Mord verhindert nicht, dass weiterhin gemordet wird.

Gesetze, die es schwieriger machen, Kinderpornografie im Netz zu verbreiten, existieren schon. Weitere Vorschläge haben meist den Nachteil, dass damit auch andere Freiheiten betroffen sein würden, die Verbreiter von KiPo aber leicht auf andere Medien ausweichen können (was sie zum großen Teil jetzt schon tun). Um eine Analogie zu bemühen: Um etliche Straftaten effektiver zu verfolgen bzw. zu erschweren könnte man noch viel mehr  Straßen und auch Wohnungen per Video überwachen. Aber solche Kontrollen haben ihre Schattenseiten...

@Guest#5

Ihr Hinweise darauf, dass der Konsum von KiPo nicht direkt verknüpft ist mit so genannten "Hands on"-Taten, ist durchaus zutreffend. Der Zusammenhang zwischen medialen Konsum und Begehung von Straftaten ist insgesamt äußerst komplex. Es gibt allerdings (wie auch bei Gewaltvideos) eine Gruppe von Personen, bei denen der Konsum Taten und Rückfälle befördern kann, während bei einer anderen (größeren) Gruppe der Pornografiekonsum offenbar nicht zu eigenem Missbrauchsverhalten führt. Hier wird, wie Sie sich denken können, intensiv geforscht mit bislang auch durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Auch hier eine - natürlich nur begrenzt treffende -  Analogie: Die meisten Menschen können Alkohol in Maßen vertragen, ohne davon besonders beeinträchtigt zu sein, aber  für eine wesentlich kleinere Gruppe von Menschen - Alkoholiker - ist Alkohol äußerst gefährlich und führt zum Rückfall in die Sucht. Bildet man nun einen "Durchschnittswert" von allen, dann kommt heraus, dass Alkohol relativ ungefährlich ist.

Ich glaube nicht unbedingt an einen "heilsamen" Effekt eines verpflichtenden "Hinsehens" und "darüber sprechen" - es muss auch nicht jeder mal zu schnell gefahren sein, um die Gefährlichkeit zu beurteilen. Die Gesellschaft hat das Recht, Sexualkontakte mit Kindern zu verbieten und zu bestrafen, um Kinder vor Beeinträchtigung ihrer sexuellen Selbstbestimmung durch Erwachsene zu schützen. Auch ein Verbot von Kinderpornografie, deren Herstellung sexuellen Missbrauch beinhaltet, ist legitim. Dazu bedarf es aber klarer gesetzlicher Grenzziehungen, die nicht per Richterrecht ausgedehnt werden dürfen. 

Beste Grüße

 

Henning Ernst Müller schrieb:

soweit ich weiß, arbeiten die von Ihnen beschriebenen "suspend-modi" so, dass der Inhalt des Arbeitsspeichers (automatisch) auf der Festplatte gespeichert wird. Dies wäre (auch hnsichtlich des Vorsatzes) ähnlich zu beurteilen wie der Browser-Cache.

 

Das ist so pauschal schlicht falsch:

Die Einstellungen lassen diverse Varianten zu, die
zu mannigfaltigen Ausgestaltungen im Einzelfall führen
können.

Wenn etwa "suspend to ram" aktiviert ist, wird nicht auf
der Festplatte gespeichert, sondern im flüchtigen RAM.

Ebenso verfehlt ist Ihre Bezugnahme zum Browsercache.
Denn je nach Konfiguration wird auch dieser nicht
auf der Festplatte sondern im RAM (zB Ramdisk) zwischengespeichert.
Dies ist insbesondere bei aktuellen Systemen, die auf Leistung
optimiert sind, auf Grund der Speicherausstattung von mehreren
Gigabytes eher der Regelfall als die Ausnahme. Hinzu kommen
Unterschiede in der Umsetzung des Cache durch den jeweiligen
Browser.

Wie dies sich also im Detail darstellt, lässt sich *niemals*
verallgemeinert entscheiden sondern immer nur Einzelfallbezogen.
Deshalb sind Pauschalwertungen wie Ihre zum Browsercache oder
zu den Suspend Modi nicht vertretbar.

Derartige allgemeinplatzartige Wertungen offenbaren eine bedenkliche
Unkenntnis der technisch vielfältigen Grundlagen und eine hieraus
abzulehnende Leichtfertigkeit in der juristischen Anwendung.

RA Wiesel

 

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Der komfortabelste Suspendmodus, der unter den MS-Betriebssystemen Standby oder schlicht "Energie sparen" (S3 oder Suspend to RAM oder STR) genannte wird, und den Sie voraussichtlich mit Ihrem Notebook benutzen, wird im Gegensatz zum Modus "Ruhezustand" oder Suspend to Disk - zeitsparend - keine Speicherung auf der Festplatte vorgenommen. Mit einem stabilen Betriebssystem werden so Arbeitsspeicherinhalte (Hauptspeicher oder Grafikspeicher) über Wochen oder Monate nutzbar, ohne dass eine Speicherung auf der Festplatte erfolgt, sofern kein virtueller Arbeitsspeicher benutzt wird.

Nach der Auffassung des BGH ergibt sich gerade aus dem manuellen Löschen des Browsercache die bewusste Besitzbegründung (BGH, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 StR 430/06, NStZ 2007, 95). Dies lässt nur wenig Raum, für die vom 1. Strafsenat des OLG Hamburg vertretene Auffassung von der Straffreiheit bei beabsichtigter Unmittelbarkeit einer Löschung. Aber auch die Zugrundelegung eines notwendigen Bewusstseins von der Speicherung im Rahmen des Browsercache könnte gegen das Abstellen des 2. Strafsenats auf eine stets vorliegende Speicherung im Arbeitsspeicher sprechen. 

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Dieses Verständnis harmonisiert mit dem urheberrechtlichen Verbreitungsbegriff (vgl. §§ 44a, 69c Nr. 1 UrhG; offen gelassen z.B. von BGH, Urt. v. 20.1.1994 – I ZR 267/91 – Holzhandelsprogramm, CR 1994, 275 [277]). Für die Textform gem. § 126b BGB reicht eine Speicherung im Arbeitsspeicher wegen der – vorliegend nicht in Betracht kommenden – Schutzbedürftigkeit des Empfängers hingegen nicht (vgl. LG Karlsruhe, Urt. v. 8.8.2007 – 13 O 76/07 KfH I). Sofern der Gesetzgeber bei anderen Inhaltedelikten ein abweichendes Verständnis beabsichtigt, muss er dies durch den Wortlaut deutlich machen (a.A. zum Sichverschaffen einer staatsgefährdenden Anleitung gem. § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB-E BT-Drs. 16/12428, 18).

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Entscheidend ist, dass die Rechtsprechung auch in den anderen Tatmodalitäten eine Speicherung im Arbeitsspeicher ausreichen lässt (zum Verbreiten BGH, Urt. v. 27.6.2001 – 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55; zum Zugänglichmachen LG Karlsruhe, Beschl. v. 23.3.2009 – Qs 45/09, CR 2009, 543).

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Alleine das mutmaßliche Betrachten als strafwürdig herauszustellen, stößt an die Grenzen der technischen Realität. Denn es wird ja nicht das Betrachten als solches festgestellt, sondern der reine Abruf von Daten, dokumentiert v.a. im sog. Browsercache.

Es ist praktisch beliebig möglich, selbst kundigen Internetnutzern unbeabsichtigte Daten zu übermitteln - seien es "Klassiker" wie versteckte Frames (mit Auto-Refreshs, um den Traffic hochzuhalten) oder eben "moderner" mit JavaScript. Auch diese Daten laden in einem typischerweise aktivierten Browsercache und - abhängig von Betriebssystem, Swapping (Auslagern von Arbeitsspeicher auf die HD) usw. usf. - auch anderen Stellen einer HD. Eine Abgrenzung von gewollten Datenabrufen ist schwierig bzw. oft gar nicht möglich. Das Thema Ramdisk halte ich an dieser Stelle für fernliegend, da Windows und OSX von sich heraus keine solche anlegen und z.B. Swapping in eine Ramdisk (Arbeitsspeicher in den Arbeitsspeicher auslagern) keinen Sinn hätte.

Genügten Daten im Cache als Beweis, bestünde für jeden Internetnutzer die prinzipielle Gefahr, in das Visier der Strafverfolgung wegen angeblichen Besitzes von Kinderpornographie zu gelangen. Und wie dann ein Gegenbeweis aussehen könnte, das ist mit schleierhaft.

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Sehr geehrter Herr Wiesel (#10)

Ihren Vorwurf der Leichtfertigkeit kann ich ehrlich gesagt kaum nachvollziehen, und mir nur damit erklären, dass Sie hier nicht mitgelesen haben. Ich habe lediglich auf den Einwand von "Anonym (#7)" geantwortet, der wohl meinte, heutzutage sei ein Arbeitsspeicher nicht mehr flüchtig. Wenn es denn so ist - so meine Auffassung auch zu den sonstigen technischen Details einer Hintergrundspeicherung - , dann kann dies objektiv zwar Besitz begründen, aber subjektiv wäre es ebenso zu bewerten wie bislang der objektive Besitz durch Speicherung im Browsercache auf der Festplatte: Auch bei solchen Speicherungen  kann man beim Normaluser eben nicht von "bewusster" (also vorsätzlicher) Speicherung ausgehen. Man kann doch bei dem typischen KiPo-Surfer nicht Ihren überlegenen Sachverstand  voraussetzen. Das Vorsatzproblem  hinsichtlich technischer Hintergrundspeicherungen, die regelmäßig nicht vom User bewusst veranlasst oder bemerkt werden (und dies ist hier erstmal "pauschal" zu bewerten; dass es bei einem technisch versierten KiPo-Surfer anders aussehen mag, bleibt dahingestellt), also dieses Vorsatzproblem ist es doch, das das OLG Hamburg, m. E. zu Unrecht, zu der Schlussfolgerung brachte, vorsätzlicher Besitz liege schon beim Betrachten vor. Ihre Meinung dazu haben Sie doch hier schon dargelegt, und sie entspricht doch ganz der meinen, oder haben Sie Ihre Auffassung geändert? (edit 20.05. 10.00 Uhr)

@anonym #11:

Wofür "entscheidend"? Für Ihre Auffassung? Für die Richtigkeit der Auffassung des OLG Hamburg? Ich habe auch die Rechtsprechung des BGH zum Verbreiten (wie einige andere Strafrechtler) kritisiert. Dass wissenschaftliche Kritik in der Praxis letztlich manchmal folgenlos bleibt, weiß ich auch. Ist für mich aber kein Grund, darauf zu verzichten.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Zu Markte getragene Dünnhäutigkeit der Lehre, die ganz selbstverständlich sprichwörtlich über sich nur den "blauen Himmel" verspürt, ist sicherlich alles andere als ein Ausweis argumentativer Stärke in der Sache und vermag den Blick für die durch den Beitrag in der MMR aufgeworfenen Fragen nicht zu vernebeln, wie z.B. den vermissten Abgleich mit dem Zivilrecht und der Laiensphäre.

Es ist doch bemerkenswert, dass selbst nach Zurechtrücken technischer STANDARDBEDINGUNGEN jedenfalls bei Notebooks, ein immerhin halbherziger Rückzug von der objektiven zur subjektiven Tatseite erfolgt. Auch dies führt nicht weiter:

Es ist kriminologisch lebensfremd anzunehmen, dass die betroffene Tätergruppe in der Regel technisch unbedarft ist. Allen anderen hilft ein Blick auf die länger andauernde Aktivität der LED der Festplatte. Deren Rechner werden bei der typischen Nutzung von Filesharingsystemen rund um die Uhr - ohne Ausschalt- oder Boot-Vorgänge - laufen. Sie müssen technisch verschlungene Wege beschreiten, um an die Schriften gem. § 11 StGB zu gelangen. Überdies sind sie im Wettlauf mit den Strafverfolgungsbehörden gezwungen, sich mit Proxi-Diensten und Festplattenverschlüsselung auseinanderzusetzen. Diesbzgl. technische Informationen sind für "jedes Kind" im Internet unmittelbar abrufbar.

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Sehr geehrter Herr/Frau anonym (#14),

zur Klarstellung des Streits um  objektive /subjektive Voraussetzungen der Strafbarkeit: Wenn  man bei automatischen Speichervorgängen inzwischen regelmäßig von entsprechendem Vorsatz ausgehen könnte, wäre es für das OLG HH ein Leichtes gewesen, den Angeklagten wegen der auf seiner Festplatte gespeicherten Bilder zu verurteilen. Aber der ganze Streit über den "Besitz im Arbeitsspeicher" beruht doch darauf, dass man dies eben nicht konnte/kann. Und der "Vorsatz" ist der wesentliche Unterschied zwischen strafrechtlicher und zivilrechtlicher Haftung. Auf dieses "vermisste" Thema bin ich im Blog schon eingegangen (zB zum UrhG), in der Anmerkung wäre es schlicht fehl am Platze. Das OLG HH hat eben nicht argumentiert, dass bei den heutigen technischen Bedingungen (die Sie als Standard bezeichnen), der Arbeitsspeicher nicht mehr flüchtig sei, sondern hat argumentiert, Besitz sei schon unabhängig von bewusster dauerhafter Speicherung gegeben (bitte einmal nachlesen!).  Diese Auffassung habe ich in meiner Anmerkung kritisiert. In der Sache entspricht mein Ansatz auch der Auffassung von RA Wiesel (vgl. hier), weshalb ich ehrlich verwundert war.

Zur Tätergruppe: Selbst wenn es darin technisch Versierte gibt, und die Angabe, man habe nicht gewusst, dass die Bilder gespeichert werden, häufig unzutreffende Schutzbehauptungen sein mögen, bleibt ja das Problem des konkreten Nachweises von Vorsatz im einzelnen Fall, was die Praxis durchaus erkennt.  Im Strafrecht genügt im Gegensatz zum Zivilrecht nicht die Feststellung, der Angeklagte sei technisch so versiert, dass er  "hätte erkennen können" oder "hätte wissen müssen" - dies sind Fahrlässigkeitskategorien.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Ich halte es für - gelinde gesagt - bedenklich, wenn das o.a. Posting vom 18.05.2010, 17:36 Uhr sich von der ursprünglichen Fassung

[...] Besitz liege schon beim Betrachten vor. Ihre Meinung dazu würde mich interessieren.

sich nachträglich wie von Zauberhand am 20./21.5.2010 in die aktuelle Fassung verwandelt

[...] Besitz liege schon beim Betrachten vor. Ihre Meinung dazu haben Sie doch hierschon dargelegt, und sie entspricht doch ganz der meinen, oder haben Sie Ihre Auffassung geändert?

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Lieber Herr/Frau anonym (#16),

was ist so bedenklich, wenn ich später gesehen habe, dass sich Herr Wiesel im anderen Strang schon so deutlich geäußert hatte, dass ich dann die Aufforderung an ihn, seine Meinung zu posten, ändere? Diese Aufforderung ginge doch dann ins Leere. Ich habe nun noch einen Update-Hinweis angefügt.Wenn Herr Wiesel seine Meinung noch einmal deutlich machen will, kann er dies doch jederzeit tun.

Aber eigentlich wollten wir doch über die Sache diskutieren, oder?

Gruß

Henning Ernst Müller

Der nachgebesserte, formal runde "Update-Hinweis" (edit 20.05. 10.00 Uhr) ist inhaltlich nicht nachvollziehbar, weil das in Rede stehende Update weder in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang mit Ihrem einschlägigen Posting vom selben Tag um 10:03 noch in der mir vorliegenden Fassung vom selben Tag von 13:31 (!) erfolgt ist.

Ich habe allerdings diesmal keine qualifizierten Zeitstempel (§ 9 SigG) eingesetzt.

;-)

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