LAG Mainz: Chef muss nicht Bußgeld des Fahrers zahlen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 29.04.2010

Oft klagen Berufskraftfahrer über den immensen Druck, den ihre Chefs ausüben und so letztlich veranlassen, dass OWis durch die Fahrer begangen werden. Da kann man schon auf die Idee kommen, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall das Bußgeld zahlen soll. Das LAG Mainz, Urteil vom 26.01.2010 - 3 Sa 487/09 hat hierzu aber entschieden, dass dem nicht so ist. Es ging um einen Fahrer, der über 8000 Euro als Bußgeld zahlen musste! Aus den Gründen:

"...Der Kläger hat das Vorliegen eines Ausnahmefalles im Sinne des BAG-Urteils vom 25.01.2001 - 8 AZR 465/00 - nicht schlüssig dargetan. Vielmehr ist es dem Kläger zumutbar gewesen, sich den (vom Kläger behaupteten) Anordnungen seines Arbeitgebers (bzw. des "Junior-Chef" M. S. und des Disponenten Sch.) zu widersetzen. Insoweit ist es anerkanntes Recht, dass entgegenstehende Anordnungen seines Arbeitgebers den Arbeitnehmer (Fahrer) grundsätzlich nicht entlasten und (auch) daher nicht zu einem Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Erstattung einer verhängten Geldbuße führen. Nach näherer Maßgabe der auf Seite 5 des Bußgeldbescheides zitierten Rechtsvorschriften aus dem Fahrpersonalgesetz, der Fahrpersonalverordnung und der Verordnungen (EG) Nr. 561/06 und Nr. 3820/85 ist der Kläger als Fahrer im Straßenverkehr selbst dafür verantwortlich gewesen, dass es nicht kommt zur:

- Überschreitung der Tageslenkzeit,

- Überschreitung der zulässigen Lenktage,

- Verkürzung der Wochenruhezeit,

- Überschreitung der Lenkzeit innerhalb von zwei Wochen,

- Verkürzung der Fahrtunterbrechung,

- Überschreitung der zulässigen Lenkdauer und

- Verkürzung der Tagesruhezeit.

 

Die im Bußgeldbescheid zitierten Bußgeldvorschriften dienen der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie dienen (auch) dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer. Beachtet der Berufskraftfahrer diese Vorschriften, muss er angesichts des materiellen Arbeitsrechts (§ 626 BGB; § 1 KSchG; § 273 BGB; § 612a BGB) und angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG) keine rechtlichen Nachteile im und für das Arbeitsverhältnis (etwa in Form einer Kündigung) befürchten. Den rechtstreuen Arbeitnehmer schützt die Rechtsordnung. Aus diesem Grunde ist es vorliegend dem Kläger zumutbar gewesen, sich unzulässigen, von Arbeitgeberseite erteilten Anordnungen (- sollten diese erfolgt sein -) zu widersetzen.

 

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB hat der Kläger nicht hinreichend dargetan, so dass seinen Beweisangeboten nicht nachzugehen war. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer derartigen sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung trägt derjenige, der sich auf § 826 BGB beruft. Der jeweilige Anspruchssteller hat die Voraussetzungen der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung darzulegen und zu beweisen. Von diesem Grundsatz ist zutreffend das Arbeitsgericht ausgegangen. Es hat diesen Grundsatz auch zutreffend auf den vorliegenden Fall angewendet und dabei die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers für die Umstände, die die Sittenwidrigkeit der Schädigung ausmachen, weder überspannt, noch erheblichen Vortrag des Klägers außer Acht gelassen. Muss allerdings eine Partei Umstände darlegen (und beweisen), die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, so können ihr zwar Darlegungs- und Beweisprobleme entstehen, da Beweisermittlungs- und Ausforschungsanträge nicht zulässig sind. Es ist jedoch anerkanntes Recht, dass die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auf generalisierenden Risikozuweisungen beruht und daher nicht (ohne weiteres) vom Einzelfall abhängig gemacht werden kann. Das Vorbringen des Klägers erweist sich (auch) nicht unter den Gesichtspunkten einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast bzw. einer sekundären Behauptungslast der an sich nicht beweispflichtigen Partei als schlüssig. Der Kläger hat keinen Vortrag geleistet, der weiter gehendere Darlegungen bzw. Einlassungen oder Vorlegungspflichten der Beklagten hätte auslösen können. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Kläger hier ja gerade nicht außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufes steht. Davon, dass der Kläger keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, kann nicht ausgegangen werden. Es geht vorliegend eben nicht um Umstände, die zu dem dem Einblick des Klägers entzogenen Bereich der Beklagten gehörten. Das Verhalten, das jeweils zu den verhängten Bußgeldern geführt hat, betrifft eigene Handlungen des Klägers und eigene Wahrnehmungen des Klägers. Davon ausgehend hätte der Kläger näher dazu vortragen können und müssen, welche Termin- oder sonstige Vorgaben und Arbeitsanweisungen ihm jeweils wann für die fraglichen Fahraufträge im Juni 2008 und Anfang Juli 2008 erteilt worden sind. Damit entfällt im Streitfall ein Ersatzanspruch des Klägers nach § 826 BGB, weil er keine konkreten Anordnungen von Beklagtenseite dargelegt hat, die zwangsläufig zu Überschreitungen der zulässigen Lenktage, der Wochenruhezeit, der gesetzlichen Lenkzeiten und Lenkdauer sowie zur Verkürzung von Ruhezeiten und Fahrtunterbrechungen führen mussten. Aus diesem Grund muss es bei der erstinstanzlichen Klageabweisung verbleiben.

 

3. Dahingestellt bleiben kann, ob der in der Geldbuße (nebst Gebühr und Auslagen) liegende Vermögensnachteil überhaupt als Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB angesehen werden kann. Diesbezüglich bestehen Bedenken im Hinblick auf das Wesen und den Zweck der Geldbuße (und den damit notwendigerweise verbundenen Nebenkosten, wie Verwaltungsgebühr und Auslagen). Das Wesen der Geldbuße im Sinne des OWiG besteht wohl darin, dass ihr die Aufgabe zukommt ein bestimmtes staatliches Ordnungsgefüge (hier: Regelung des Verhaltens im Straßenverkehr) in seinem Bestand zu bewahren. Gerade im Bereich des Straßenverkehrs ist dieses Ordnungsgefüge notwendig für die Erhaltung eines sicheren und rücksichtsvollen Miteinanderauskommens der Verkehrsteilnehmer. Das Bußgeld soll den jeweiligen Täter davon abhalten, in Zukunft geahndete oder gleichartige Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften zu begehen. Ihm soll eine nachdrückliche bzw. eindringliche Pflichtenmahnung erteilt werden und ihm soll das finanzielle Risiko einer Zuwiderhandlung bewusst gemacht werden. Würde die Rechtsordnung dem Täter einen Anspruch darauf zubilligen, von den finanziellen Belastungen, die mit der Verhängung eines Bußgeldes verbunden sind, freigestellt zu werden, dann würde die Geldbuße den mit ihr verfolgten Zweck verfehlen. Es bestünde die ernste Gefahr, dass das Prinzip der Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung in Frage gestellt würde...."

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