Anwaltliche Schweigepflicht versus wirtschaftliche Prozessführung

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 23.04.2010

Wird ein Rechtsanwalt von mehreren Klägern beauftragt, ihre Forderungen, denen jeweils ähnlich gelagerte Lebenssachverhalte zugrundeliegen, gegen denselben Beklagten geltend zu machen, ist die kostengünstigste Vorgehensweise die, die Klagen der Kläger zu bündeln und im Wege der subjektiven Klagehäufung in einem Verfahren gegen den Beklagten geltend zu machen. Allerdings führt diese Vorgehensweise dazu, dass der eine Kläger vom anderen erfährt, auch etwaige spezielle Verhältnisse eines Beteiligten werden durch die Geltendmachung aller Forderungen in einem Verfahren den anderen offenbar. Das LAG München hat im Beschluss vom 15. Juli 2009 -10 Ta 386/08 - sich auf den Standpunkt gestellt, dass in einer solchen Konstellation der Anwalt verpflichtet ist, die Forderungen im Wege subjektiver Klagehäufung geltend zu machen. Hieran sei er auch nicht aus Gründen der anwaltlichen Schweigepflicht gehindert. Diese Würdigung geht meines Erachten eindeutig zu weit. Es muss der persönlichen Entscheidung des jeweiligen Klägers vorbehalten bleiben, ob er hat darin einwilligt, dass seine Angelegenheit im Wege subjektiver Klagehäufung in einem Verfahren mit den Ansprüchen anderer Beteiligter geltend gemacht wird oder ob er es vorzieht, seinen Anspruch in einem eigenständigen Verfahren zu verfolgen.

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4 Kommentare

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Die verschiedenen Kl. waren Kollegen auf derselben Baustelle. Die sind jetzt alle zufällig zu demselben Anwalt gerannt und wissen noch nichts voneinander??

Vielleicht sollte man im beck-blog wegen zu offensichtlicher Befangenheit nicht gerade Anwälte als "Experten" für anwaltliches Gebührenrecht einsetzen ...

(Natürlich kann jeder Kl. es "vorziehen, seinen Anspruch in einem eigenständigen Verfahren zu verfolgen"  -  aber nicht auf Kosten des Bekl., das ist doch der Punkt.)

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Erstens findet im arbeitsgerichtlichen Verfahren 1. Instanz keine Erstattung der Anwaltskosten durch den Beklagten statt, und zweitens es geht um die generelle Aussage im Leitsatz 6 des Urteils. Was wäre wenn jeder Kollege zu einem anderen Anwalt gegangen wäre, könnte dann nicht auch das Argument kommen, bei Beauftragung eines gemeinsamen Anwalts wäre es kostengünstiger? Wo bleibt dann die freie Anwaltswahl?

Der Leitsatz schränkt die freie Anwaltswahl in keiner Weise ein, denn er setzt bereits die Mandatierung desselben Anwalts voraus. Auch in diesem Fall muss es selbstverständlich  der persönlichen Entscheidung des jeweiligen Klägers vorbehalten bleiben, welchen Weg er wählt. Das setzt aber voraus, dass er über die Alternativen und deren Kostenfolgen aufgeklärt wird. Dies war offensichtlich nicht der Fall. Angesichts der Umstände des Falles darf man annehmen, dass sich die Kläger anderenfalls - zumindest als Selbstzahler - für den günstigeren Weg entschieden hätten (gleiches Risiko - geringere Kosten), so dass es im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, wenn der Anwalt nur die Kosten erstattet bekommt, die er bei korrekter Aufklärung erzielt hätte.

Ärgerlich ist es, dass es überhaupt zu der Entscheidung und dem tatsächlich missverständlich formulierten Leitsatz kommen musste, und hier denke ich, dass eine dezente Kollegenschelte in Richtung des "Gebührenoptimierers" angebracht wäre. Man sollte es nicht übertreiben und PKH-Kunden keine teureren Wege als Selbstzahlern empfehlen.

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Das OVG Lüneburg, B. v. 5.2.2009 in 9 OA 349/08 und das OVG Münster, B. v. 20.01.2010 in 12 E 1642/09 vertreten in der Kostenfestsetzung mit Blick auf den Beschluss des BVerfG vom 19.12.2001 in 1 BvR 814/01 eine gegenteilige Ansicht. Danach scheide die Anwendung des § 15 Abs. 2 RVG bei getrennter Klageerhebung aus. Die Frage einer subjektiven Klagehäufung wird dabei allerdings nicht erörtert.

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