Piusbruder Williamson zu Geldstrafe verurteilt

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 16.04.2010

Mit dem Erdbeben der Missbrauchsdebatte verglichen scheint der Skandal, den Piusbruder Williamson vergangenes Jahr in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen ausgelöst hat, wie ein mittlerweile fast vergessenes Gewittergrollen.  Williamson hatte geäußert , er glaube nicht an die Ermordung von Juden in Gaskammern. Aufgrund der Verbreitung des Interviews im Internet wurde dieses auch in Deutschland bekannt und anlässlich der Wiederaufnahme der Piusbruderschaft in die Kirche, stieß es auf Empörung. Dies gab Anlass für einen Strafbafehl wegen Verstoßes gegen § 130 Abs.3 StGB:

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost._

Gegen den Strafbefehl hatte Williamson Einspruch eingelegt, der Prozess fand heute vor dem AG Regensburg statt, einen Prozessbericht enthält u.a. der Tagesspiegel (hier). Immerhin wurde die Strafe von 120 auf 100 Tagessätze reduziert.

Abgesehen von den moralischen Fragen, kann und muss auch über rechtliche Fragen diskutiert werden. Williamson war offenkundig bewusst, dass die Äußerung in Deutschland strafbar ist. Diskussionswürdig erscheint aber die Frage, ob hinsichtlich der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens (in Deutschland) wirklich Vorsatz bestand. Schließlich gab er das Interview einem schwedischen Fernsehsender, so dass eine Sendung in Deutschland nicht unbedingt auf der Hand lag. Dass ihm nach dem Interview eine mögliche Internetverbreitung bewusst wurde, dürfte den Vorsatz zum Zeitpunkt der Tat nicht begründen. Andererseits bestand da noch womöglich die Gelegenheit, eine Internetverbreitung zu untersagen. In den nächsten Tagen werden wir noch erfahren, wie das Gericht argumentiert. Möglicherweise legt Williamson auch noch Berufung ein, aber dies würde der Piusbruderschaft dann erneut unerwünschte Schlagzeilen einbringen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

8 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

"Diskussionswürdig erscheint aber die Frage, ob hinsichtlich der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens (in Deutschland) wirklich Vorsatz bestand."

Es ist ein bißchen mehr: Zunächst stellt sich die Frage, ob objektiv eine Inlandstat vorliegt (§§ 3, 9 Abs. 1 StGB). Wenn ja, ist zu fragen, ob hinsichtlich aller Elemente, die zur Bejahung der Inlandstat geführt haben und des übrigen objektiven Tatbestands (also nicht nur hinsichtlich der angesprochenen Eignung) Vorsatz vorlag. Siehe zu einem ähnlichen Fall:

http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=KG&Datum=16.03.1999&Aktenzeichen=1%20Ss%207%2F98

0

Sehr geehrte/r Herr/Frau OG,

da das Interview in Zaitzkofen/Bayern geführt wurde, ist die Frage der Inlandstat keineswegs so relevant, wie Sie annehmen. Zaitzkofen ist in Deutschland, objektiv besteht deshalb an einer Inlandstat kaum ein Zweifel. Herrn Williamson wird auch durchaus bewusst gewesen sein, dass er "in Deutschland" handelt, diesbezüglich liegt also Vorsatz vor. Deshalb ist auch ihr "ähnlicher Fall" nicht ähnlich. Dort ging es um das Zeigen des Hitlergrußes in einem polnischen Fußballstadion.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

PS.: Wenn man so liest, was sich für Geistes Kinder im AG Regensburg zur Verhandlung angesammelt haben (Quelle), wird einem nicht nur leicht übel.

Hoppla, daß die Äußerung in Deutschland gemacht wurde, wußte ich nicht. Ohne genauere Kenntnis des Falles war ich davon ausgegangen, daß das Interview in Schweden gegeben wurde. Aber ändert das alles? Ich glaube nicht. Mein Einwand verliert nur an Überzeugungskraft, geht aber weiterhin auf dasselbe hinaus:

Die Äußerung gegenüber den Journalisten erfolgte zwar in Deutschland, aber dies ist noch nicht die tatbestandsmäßige "öffentliche" Leugnung oder Verharmlosung. Öffentlich wurde sie erst durch die Ausstrahlung in Schweden. Auch diese ist noch nicht tatbestandsmäßig, da nicht im Inland. Erst die Weiterverbreitung in Deutschland ist der Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit. Insoweit besteht die Parallele zu anderen Fällen des "Hineinwirkens" nach Deutschland, wie im Fall des Hitlergrußes im polnischen Stadion bei zeitnaher Fernsehübertragung.

Ich glaube deshalb nicht, daß die hier in Frage stehende Zurechnung allein den subjektiven Tatbestand betrifft, so daß man, wenn man will, schnell auf den bedingten Vorsatz zusteuern kann.

Übrigens sympathisiere ich keineswegs mit Piusbruder Williamson und seinen verblendeten Anschauungen. Ich stehe allerdings der Vorschrift § 130 Abs. 3 StGB kritisch gegenüber und halte jedenfalls die Eingrenzungsfunktion aller ihrer Tatbestandsmerkmale für wichtig.

 

0

Sehr geehrter Herr OG,

ich sehe § 130 Abs.3 StGB durchaus auch kritisch (kann und soll man Dummheit und böswillige Äußerungen, mit denen sich die Äußerer selbst für eine ernsthafte Diskussion disqualifizieren, tatsächlich strafrechtlich verbieten?), halte ihn aber (unter Einhaltung des Merkmals der Eignung zu öffentlicher Friedensstörung) und unter Berücksichtigung der deutschen Geschichte für noch verfassungsgemäß.

Zu Ihrer Position zu §§ 3, 9 StGB: Diese Position halte ich nicht für vertretbar. Das Gesetz unterscheidet zwischen Ort der Handlung und Ort des Erfolgs. Beides genügt für sich als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit. Da Williamson in Deutschland gehandelt hat - und zwar im Landkreis Regensburg, ergibt sich die Anwendung des deutschen Strafrechts. 

Selbstverständlich muss nun auch der tatbestandsmäßige Erfolg in Deutschland eintreten, d.h. die Äußerung muss in Deutschland verbreitet worden sein. Dies ist objektiv gegeben. Es bleibt m.E. an Fragestellung übrig, was ich bereits im Ausgangsbeitrag angeführt habe, und worauf (wie ich den Mitteilungen entnehmen konnte) sich auch die Verteidigung stützte: Die Frage, ob ein Vorsatz der Verbreitung in Deutschland und der Eignung zur öffentlichen Friedensstörung gegeben war.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

In diesem Fall ist noch nicht einmal das Tatbestandsmerkmal der Leugnung erfüllt. Er hat nur seine persönliche Glaubensüberzeugung kundgetan.

Abgesehen davon, Geschichte hin, Geschichte her: Ein solcher Paragraph hat in einem demokratischen Staat nichts zu suchen.

 

0

Nachtrag nach zwei Jahren: Das OLG Nürnberg hat mit Beschluß vom 22.02.2012 - 1 St OLG Ss 240/11 - das Verfahren eingestellt, weil die im Strafbefehl in seiner konkreten Fassung bezeichnete Tat weder objektiv noch subjektiv einen Straftatbestand erfüllte: http://openjur.de/u/268271.html

Das OLG Nürnberg machte also ernst mit der oben von mir genannten "Eingrenzungsfunktion aller Tatbestandsmerkmale", ebenso wie die kürzlich veröffentlichte BVerfG-Entscheidung vom 09.11.2011 - 1 BvR 461/08 (http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=1%20BvR%20461/08).

0

Sehr geehrter Herr OG,

in der Tat enthielt der Strafbefehl nichts dazu, auf welchem Weg der tatbestandliche Erfolg (die Verbreitung in Deutschland) objektiv eingetreten sei. Dies ist ein (krasser) juristischer Fehler. Darauf hat das OLG Nürnberg zutreffend Bezug genommen. Mir war der Wortlaut des Strafbefehls/der Anklage  nicht bekannt, sondern lediglich die Tatsache, dass das TV-Interview über die Internetseite des Fernsehsenders verbreitet worden war (und dadurch natürlich auch vielfach gespiegelt wurde - ich habe es selbst in Deutschland am Computer aufrufen können). Dass diese Tatsache im Strafbefehl gar nicht angeführt wurde, wusste ich nicht. Zentrale Aussage aus der Entscheidung des OLG-Nürnberg:

Es werden Passagen aus dem vom Angeklagten gegebenen Interview zitiert mit dem Hinweis, dass der Angeklagte damit habe rechnen müssen, dass der Inhalt des Interviews auch in Deutschland bekannt werden würde. Es wird aber nicht mitgeteilt, dass der Inhalt des Interviews tatsächlich veröffentlicht und in Deutschland auch bekannt wurde. Es finden sich keine Ausführungen zu Zeit und Ort einer etwaigen Veröffentlichung, ebenso wenig zum Veröffentlichungsmedium und zum Verbreitungsweg.

Das ist eine deutliche "Klatsche" gegen die Staatsanwaltschaft und das eröffnende Gericht, allerdings könnten die fehlenden objektiven Tatsachen in einem neuen Anklagesatz ergänzt werden. Das soll wohl nun auch geschehen. Ich denke, dann wird wieder dieselbe (Vorsatz-)Problematik im Raum stehen, nämlich ob Williamson mit der (obk´jektiv eingetretenen) Verbreitung in Deutschland gerechnet hat.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Kommentar hinzufügen