Netzsperren gegen Kinderpornographie - neuer Anlauf über die EU?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 29.03.2010

Das in den Blogs herrschende informationsrechtliche Thema im vergangenen Jahr waren die geplanten Netzsperren (Stopp-Schilder) gegen Kinderpornographie im Internet. Die damalige Familienministerin hatte mit ihrem Vorstoß erfolgreich ein Gesetz lanciert, das die große Koalition noch kurz vor Ende der Legislaturperiode gegen erhebliche auch rechtswissenschaftliche Kritik verabschiedete. Mittlerweile liegt dieses Gesetz "auf Eis", es wird einfach nicht angewendet. Immerhin ein gewisser Erfolg der "Netz-Gemeinde", vermittelt durch die neue Regierungspartei FDP. Allerdings stehen auch die ehemaligen Befürworter CDU und SPD seit der Wahl nicht mehr hinter dem Gesetz.

Was damals schon gelegentlich angeführt wurde (hier und hier), wird jetzt, dafür mehren sich Anzeichen, konkreter: Über die EU sollen genau diejenigen Netzsperren, die sich also in Deutschland bislang vernünftigerweise nicht durchsetzen ließen, nun doch eingeführt werden (siehe hier den Bericht auf Internet-Law und hier einen weiteren). Problematisch: In Europa wird mehrheitlich unter "Kinder"-Pornographie auch die Jugendpornographie (14-17jährige) gezählt.

Nach allem was wir wissen, wird es wesentlich schwieriger, gegen die EU-Politik zu opponieren: Es existiert keine europäische länderübergreifende Öffentlichkeit, die hier mobiliisert werden könnte. Kritik an europäischer Politik wird meist nur aus nationalen Motiven laut.

PS.: Nach diesem Artikel der EU-Kommissarin Malmström in der FAZ, sagt diese immerhin, es solle den Einzelstaaten überlassen bleiben, wie sie das Ziel erreichen. Zitat: 

"Die Kommission schlägt vor, dem Beispiel einiger Mitgliedstaaten zu folgen, wo dies bereits geschieht und nationale Mechanismen einzuführen, um den Zugang zu Kinderpornographie zu blockieren. Die Mitgliedstaaten sollen selbst entscheiden, auf welchem Weg sie dieses Ziel am besten erreichen."

Aktuelle Informationen und Diskussionen auch auf netzpolitik.org


 

 

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5 Kommentare

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Der AK Zensur vernetzt sich schon seit einiger Zeit mit ähnlichen Gruppen in der EU. Ich bin sicher, dass das funktionieren wird und der geldverschwendende Unsinn gestoppt werden kann.

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Die Piratenpartei hat bereits ein ansehnliches europäisches Netz und wird dieses nutzen. Laquadratur du net stellt eine weitere Plattform dar welche sich sicher auch mit AKZensur kurzschließen wird, auch wenn dort bislang eher ThreeStrikes und in der Folge ACTA ein Thema war. Laquadratur stellt regelmäßig französischsprachige und Englisch/Deutsch übersetzte EP-Dokumente zu Verfügung und hat einige personelle Aktivposten/Ressourcen anzubieten.

Gerade in Schweden hat Malmström mit den Piraten Gegner, sitzen doch schon zwei schwedische im EP.

 

Wir werden sehen. Malmström hat sich ja ausgerechnet Deutschland als ersten Gesprächspartner herausgesucht. Die Frage ist wer "für uns" daran teilnehmen wird. Wenn man aus der Erfahrung schlau geworden ist wird man den Ball flach halten - zumindest bis nach der NRW-Wahl.

 

Grüße

ALOA

http://www.laquadrature.net/en

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Hier der (deutsche) Originaltext des Richtlinienentwurfs (pdf).

Der hier interessierende Artikel 21 kommt erst auf Seite 27:

"Artikel 21
Sperrung des Zugangs zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten
1. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit der Zugang von
Internet-Nutzern zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten,
gesperrt wird. Die Zugangssperrung erfolgt vorbehaltlich angemessener
Schutzvorschriften; insbesondere soll sichergestellt werden, dass die Sperrung auf
das Nötige beschränkt wird, dass die Nutzer über die Gründe für die Sperrung
informiert werden und dass Inhalteanbieter im Rahmen des Möglichen darüber
unterrichtet werden, dass sie die Entscheidung anfechten können.
2. Unbeschadet des Vorstehenden trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen
Maßnahmen, damit Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten, aus
dem Internet entfernt werden."

In Artikel 2 (a) wird als "Kind" jede Person unter 18 Jahren definiert.

In Artikel 2 (b) wird als "Kinderpornografie" definiert:

"(i) jegliches Material mit Darstellungen eines Kindes, das an realen oder
simulierten eindeutig sexuellen Handlungen beteiligt ist, oder
(ii) jegliche Darstellung der Geschlechtsorgane eines Kindes für primär
sexuelle Zwecke; oder
(iii) jegliches Material mit Darstellungen einer Person mit kindlichem
Erscheinungsbild, die an realen oder simulierten eindeutig sexuellen
Handlungen beteiligt ist oder jegliche Darstellung der Geschlechtsorgane
einer Person mit kindlichem Erscheinungsbild für primär sexuelle
Zwecke; oder
(iv) realistische Darstellung eines Kindes, das an eindeutig sexuellen
Handlungen beteiligt ist oder realistische Darstellung der
Geschlechtsorgane eines Kindes, unabhängig von der tatsächlichen
Anwesenheit des Kindes, für primär sexuelle Zwecke
"

Das bedeutet: Angebote wie Pornografie mit volljährigen Darstellern, die wie Teenager aussehen ("kindliches Erscheinungsbild"), werden in diesem Entwurf (oben iii) als Kinderpornografie bezeichnet und sollen von den Sperren erfasst werden.

 


Theoretisch gilt doch hinsichtlich des Tätigwerdens der EU noch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Wird in diesem Fall der Einfachheit halber darauf verzichtet, oder kann die EU-Kommission irgendeine "Rechtsgrundlage" vorweisen?

 

 

Es scheint mir noch einen weiteren interessanten Inhalt zu geben. Man erinnere sich an die Diskussion im Blog zum Entscheid des OLG Hamburg ab wann den KiPo in den "Besitz" gelangt ist (Arbeitsspeicher usw.).

Censilia hat hierfür eine Lösung (Seite 8):

....der bewusste Zugriff auf Kinderpornografie, um Fälle zu erfassen, in denen das Anschauen von Kinderpornografie auf Webseiten, ohne die Bilder herunterzuladen oder zu speichern, nicht den Straftatbestand des „Besitzens“ oder „Beschaffens“ von Kinderpornografie erfüllt....

 

Grüße

ALOA

 

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