MMR-Blog: Applaus für Googles neue China-Politik?

von Danckert, veröffentlicht am 29.03.2010
MMR

Sicherlich ist die Entscheidung von Google, sich der Zensur durch die Chinesische Regierung nicht mehr unterwerfen zu wollen, zu begrüßen.Scheinheilig ist dieser Schritt trotzdem, denn Google betreibt mittels seiner Filterfunktion eine eigene Art von Zensur, wie auch die jüngst durch die Firmen Foundem, Ejustice.fr und Ciao ausgelösten Untersuchungen der EU-Kommssion zeigen.

Unter den Suchmaschinen ist Google mit einem Marktanteil in Deutschland von ca. 90 % der größte Kontrolleur im Internet und entscheidet, wer welche Information erhält. Google entscheidet also auch über die öffentliche Meinungsbildung und Meinungsvielfalt. Besonders besorgniserregend ist diese Tatsache, weil Google seine vorherrschende Meinungsmacht nach wie vor ohne jegliche staatliche Eingriffsmöglichkeit ausnutzen kann. Der Rundfunkstaatsvertrag stellt hier eine geeignete Basis dar, dies zu ändern.

 

Der Beitrag „Vorherrschende Meinungsmacht von Google – Bedrohung durch einen Informationsmonopolisten?“ von Danckert/Mayer in der April-Ausgabe der MMR (MMR 2010, 219) befasst sich mit diesem Thema. Sie können den Beitrag vorab hier lesen und auch mit den Autoren diskutieren.

 

 

HINWEIS:
Die Zeitschrift MultiMedia und Recht (MMR) wird ab sofort zu aktuellen Themen Beiträge vor Drucklegung im Multimediarecht-Blog des Verlags C.H. Beck diskutieren lassen. Die Autoren der Beiträge stehen hierfür als Gastexperten zur Verfügung.

Dieses Angebot der MMR für Ihre Leser ist neben dem Newsdienst MMR-Aktuell und der MMR-Homepage ein weiterer Baustein im Onlineangebot rund um die Zeitschrift.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

18 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Ist es nicht auch etwas scheinheilig als westlich geprägter Mensch so ein Vorhaben, also die Zensur Chinas, selbst zu kritisieren?

Die Chinesen wissen von der Zensur. Lief da letzten Monat täglich in den Nachrichten als ich dort war.

 

Aber hier in Deutschland muss man immer hören "Die Zensur Chinas ist Teufels Werk." Aber ich sehe voraus, dass unsere Politik in Zukunft sich auch das Recht rausnehmen wird zu entscheiden, was "wir" sehen dürfen und was nicht. Da gab es doch sogar letztes Jahr eine große Debatte um Kinderpornos und verschiedenste Politiker wollten ihr Vorhaben ausweiten. Sagte Herr Uhl der CSU nicht sogar, dass wir von China in dem Bereich lernen könnten?

Es ist nunmal Chinas Rechtssystem. Daher nehme ich mir auch nicht das Recht heraus andere Rechtssysteme zu kritisieren, denn ich werde genau diese Rechtssysteme nur mit der Moral kritisieren, die ich selbst in Deutschland gelernt habe.

 

 

Zum Beitrag selber kann ich leider nichts sagen, da ich nur JUS-Abonennt bin. Hört sich aber sicherlich sehr interessant an.

Sehr geehrter Herr Wrobel,

der Beitrag kann kostenfrei über die angegebenen Links abgerufen werden. Ich freue mich über weitere Kommentare.

 

Hallo Herr Dankert, hallo liebe Blog-Leser,

zu Beginn möchte ich Ihnen, Herr Dankert, und Ihrem Kollegen für den schönen Artikel danken.

Um einige Punkte der Diskussion aufzugreifen: Zensur sollte nicht unterstützt werden, komme sie aus China, von Google oder der EU.

Offen bleibt die Frage wie wir sie verhindern oder ihr entgegenwirken.

So stellt sich doch die Frage, wie Google es geschafft hat zu solch einer marktbeherrschenden Stellung zu kommen? Ein weiter Weg von Anfang (gegen 1997?) bis heute. Lob und Anerkennung müssen und haben wir Internetnutzer diesem genialen Konzept gezollt. Keine andere Suchmaschine hatte ein derart ansprechendes Auftreten. Keine Werbeflächen oder Boulevardnachrichten die einen ungewollt anspringen, schöne klare Ergebnisse, kurzum eine echte Neuerung für damalige Verhältnisse.

Die Konkurrenz hat hier eindeutig geschlafen und die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Es gab (und gibt?) keinen ernst zu nehmenden Konkurrenten, für die Frauen und Männer die nicht böse seien wollen.

Als probates Mittel gegen diese Vormachtstellung ist meiner Meinung nach nur ein Umdenken der Verbraucher (ich fühle mich stark an den Energiemarkt erinnert) ein. So kann ich nur hoffen, dass ein Umdenken zu mehr Freiheit und Wettbewerb statt finden wird und man auch über Anbieter auf anderen Gebieten als Gas, Wasser und Strom nachdenkt.

Der Gesetzgeber alleine kann meiner Meinung nach nicht alleine Google wieder ins Lot bringen, dazu bedarf es mehr.

 

Viele Grüße

 

ta

0

Sehr geehrte/r Frau/Herr "ta",

 

Sie haben sicherlich recht, dass der Gesetzgeber alleine nichts ausrichten kann. Aber um zu gewährleisten, dass beim Internetnutzer überhaupt ein Umdenkprozess einsetzen kann, muss doch der grundgesetzlich verankerte freie Informationszugang über Suchmaschinen mit vorherrschender Meinungsmacht zunächst gesichert werden. Und dies ist nur durch die auch in meinem Beitrag geforderte staatliche Regulierung möglich.

Hallo Herr Danckert,

Sie sprechen mit Ihrem Artikel einen in der Tat wichtigen Themenkomplex und wichtige rechtliche Fragestellungen.

Ich persönlich verfolge auch mit sorge die Entwicklung googles zu einem „Informationsgiganten" ziehe allerdings bezüglich der reinen Suchmaschine etwas andere Schlussfolgerungen als sie in Ihrem Artikel.

Kern der Diskussion dürfte sicherlich die Frage nach dem gesetzgeberischem Handlungsgebot darstellen, die Sie mit dem Hinweis auf die „Gatekeeper-" und/oder „Torwächterfunktion" googles in Bezug auf das was im Internet gefunden wird bejahen.

Diese Frage steht wiederum in engem Zusammenhang mit der Frage nach der Meinungsmacht, die Sie leider nur ein wenig „lapidar" direkt in der Einleitung mit dem Begriff der Marktmacht in Zusammenhang stellen und darüber dann auch bejahen.

Da google als Suchmaschine nur mittelbar auf die Meinungsbildung einwirken kann, denn die Suchergebnisse selbst sind ja i.d.R. keine redaktionelle Leistung von google, bedeutet eine bloße Vormachtstellung in der Marktmacht im Suchmaschinensegment aber nicht auch gleichzeitig eine Meinungsmacht.

Natürlich ist es richtig, dass auch die „gezielte" Auswahl von Suchergebnissen und deren Darbietung eine Meinung und auch die Berichterstattung in anderen Medien manipulieren kann. Sie führen hierzu auf, dass nahezu die Hälfte aller Zusatzquellen über google recherchieren, mit dem Hinweis auf eine entsprechende Studie. Nun ist allerdings der Journalist durch den Pressecodex dazu verpflichtet sorgfältig zu recherchieren. So heißt es im Pressecodex unter Ziffer 2:

Ziffer 2  –  Sorgfalt
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

 

Das die Verwendung von goolge bei der Recherche eine wichtige Möglichkeit darstellt, soll mit diesem Zitat nicht widerlegt werden. Doch das Internet ist, wie Sie ja selber schreiben, gar nicht vollständig als Ganzes fassbar und in seiner Struktur und Zusammensetzung prinzipienbedingt organischen Schwankungen von Inhalt und Umfang unterworfen. Dass heißt, zum einen stellt sich das Problem, überhaupt mit hinreichender Genauigkeit feststellen zu können, inwieweit alle relevanten Inhalte berücksichtigt werden. Darüber hinaus unterstellt Ihre Argumentation ein wenig kritisches Vorgehen bei der Recherche sowohl bei „durchschnittlichen Internetnutzern" als auch bei Journalisten. Das die recherchierten Quellen von Journalisten allerdings auf Ihre Richtigkeit hin im Sinne des Pressecodex sorgfältig überprüft werden, davon sollte man eigentlich ausgehen dürfen. Jedenfalls dürfte die bloße Herkunft von 50 % der Zusatzquellen auf Basis einer Google-Recherche allein nicht für eine Meinungsmacht sprechen. Denn die übrigen 50 Prozent stellen durchaus ebenfalls noch eine beachtliche Zahl dar. Ferner werden wohl auch in den google-Ergebnissen verschiedene Meinungsspektren abgebildet. Das es in diesem Zusammenhang auch Kurse zur „Google-Webseiten-Optimierung" gibt, die auch zu direkt nachvollziehbaren Erfolgen in den Suchergebnisdarstellungen führen, sei hier nur erwähnt. Die Vorgehensweise von Google&Co ist also vielleicht nicht ganz so undurchsichtig wie man immer meint. Die Frage sollte im Zusammenhang mit den übrigen Medien und den Tätigkeiten der Journalisten lauten, ob diese hinreichend kritisch mit den Themen umgehen, die sie behandeln.

Allerdings sind Manipulationen wie in dem von Ihnen aufgeführten Fall natürlich problematisch. Hier könnte man allerdings vielleicht ja doch mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln gegen google vorgehen. Denn in der Unterdrückung kritischer Informationen gegen google könnte ja eine Wettbewerbsbehinderung zu sehen sein.

Neben google gibt es trotz der Marktmacht noch eine Unzahl verschiedener weiterer Suchmaschinen (http://www.dmoz.org/World/Deutsch/Computer/Internet/Suchen/Suchmaschinen/) die also auch eine umfassende Recherche (größtenteils) unabhängig von google erlaubt. Das Informationsangebot ist damit doch relativ groß. Da es sich bei den Angeboten ja um eine freiwillige Auswahl durch den Nutzer handelt kann bei Unzufriedenheit mit dem Google-Suchergebnis oder bei einer Querrecherche durchaus google-unabhängig weitergesucht werden. Im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit sollte daher auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nicht vergessen werden. Damit ist eine gesetzliche Regelung eben nur dann zu erwägen, wenn es kein geringeres, gleichgeeignetes Mittel zur Erreichung des Zweckes gibt.

Hier käme aber beispielsweise im Rahmen der Medienerziehung eine Einarbeitung in die Lehrpläne der Schulen, um schon Schülern den kritischen Suchmaschinenumgang zu vermitteln und so zu einer besseren Meinungsbildungsfähigkeit des "durchschnittlichen Internetnutzers" beizutragen.

Auch wäre vielleicht eine öffentlich-rechltiche Suchmaschine als Alternative vorstellbar, ebenso wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Insbesondere, wenn in diesem Zusammenhang bei der Veröffentlichung von Internetbrowsern ein Verbot zur automatischen Koppelung mit einer spezifischen Suchmaschine ausgesprochen wird. Zusammen mit einer Suchmaschinenauswahl - ähnlich wie bei der Browserauswahl unter Windows - wäre das sicher ein rechtlich einfach zu regelndes und aprobates Mittel um einer tatsächlichen Meinungsmacht von google oder einer anderen marktbeherrschenden Suchmaschine vorzubeugen.

Die in Ihrem Artikel angegebenen Maßnahmen - Insbesondere Indexierungsvorgaben und Suchvorgaben - müssen sich ihrerseits selbst dem Vorwurf der (Vor-)Zensur stellen, denn wer bestimmt wiederum, was eine „relevante" oder „bedeutsame" Internetseite ist, vor allem in Hinblick darauf, dass das komplette „Internet" - zumindest derzeit - gar nicht vollständig abbildbar ist? 

Ich fände es auch interessant anzudenken, ein Prüfgremium einzurichten, dass von staatlicher Seite her, die den Suchmaschinen zugrunde liegenden Algorithmen auf Manipulierbarkeit hin untersucht und kontinuierlich Stichproben macht und damit dann eine Art TÜV erteilt. Dabei sollten aber Inhaltliche-Kriterien nur eine Rolle spielen, wenn sie quantifizierbar sind und objektiv darstellbar. Denn was macht man beispielsweise, wenn über 100 gleichberechtigte Ergebnisse gefunden werden? Welche Reihenfolge wählt man? Ein gewisser Spielraum muss hier natürlich verbleiben. Eine Bewertung der Ergebnisse nach Relevanz und damit ein subjektiver Faktor ist wohl unvermeidbar. Das nur 10 „beste" Suchergebnisse zu jedem Thema im Internet gefunden werden, die ja ganz praktisch auf einer Seite Platz finden, ist wohl eher utopisch.

Mich würde zu der Thematik also zusammenfassend primär interessieren, inwieweit tatsächlich eine Meinungsmacht durch google besteht und nicht nur eine Marktmacht. Sollte man tatsächlich wissenschaftlich einwandfrei belegen können, dass Internetsuchmaschinen mit gewissen Marktanteil auch eine Meinungsmacht ausüben, dann besteht auch tatsächlich ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Ausweitung der Vorschriften auch auf Internet-Suchmaschinen. Bisher bin ich allerdings noch nicht davon Überzeugt.

Sollte festgestellt werden, dass Handlungsbedarf besteht. So muss zunächst ein möglichst vollständiger Katalog von möglichen rechtlichen „Gestaltungswerkzeugen" verfasst werden, damit aus diesem dann auch das geringste, am besten Geeignete umgesetzt wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch kurz darauf hinweisen, dass andere Rechtsgebiete wie beispielsweise der Datenschutz, der Urheberschutz und das Wettbewerbsrecht eine umfassende Rolle schon allein bei der Datenerfassung und der Auswertung spielen. Ein kompletter Ansatz einer Regelung, der auch die anderen von google angebotenen Dienste mit umfasst ist daher, wenn man eine rechtliche Regelung forciert, ratsam.

Vielen Dank jedenfalls für den guten Einstiegsartikel in die Problematik. Ich freue mich auf eine weitere, fruchtbare Diskussion.

oh

0

Sehr geehrter Herr Huq,

 

vielen Dank für Ihre kritische Stellungnahme zu unserem Artikel.

 

Ich möchte Ihnen allerdings widersprechen, dass die beherrschende Marktmacht im Suchmaschinenmarkt nicht auch mit der Meinungsmacht korrespondiert. Denn es ist doch letztlich ohne Belang, ob Google selbst redaktionell tätig wird oder nur auf fremde Meinungen verweist. Im Ergebnis kommt es darauf an, ob und welche Meinungen im Internet gefunden werden. Und da sind Suchmaschinen mit beherrschender Marktmacht eben die Torwächter mit der Macht zu entscheiden, welche Meinung aus Sicht des Internetnutzers existiert und welche nicht. Wenn nahezu 90 % aller Suchanfragen über eine bestimmte Suchmaschine gestellt werden, so wie es bei Google in Deutschland der Fall ist, dann besteht kein Zweifel daran, dass bei diesen Anfragen auch nach politischen, kulturellen, gesellschaftlichen, etc. Meinungen gesucht wird. Infolgedessen besteht der enge Zusammenhang zwischen Marktmacht und vorherrschender Meinungsmacht.

 

Danke auch für die Informationen zum Pressecodex und Ihren dazugehörigen Ausführungen. Ich möchte insofern nur klarstellen, dass wir keine Journalisten und ihre Art zu recherchieren kritisieren wollten. Insbesondere ist zu beachten, dass es bei dem von uns zitierten Studienergebnis um die Recherche über Zusatzquellen handelt. Eine Feststellung dahingehend, dass Journalisten Google als Primärquelle bei ihrer Tätigkeit nutzen, haben wir gerade nicht getroffen. Infolgedessen stimme ich Ihnen auch zu, dass die Aussage, dass von Journalisten 50% der Zusatzquellen über Google recherchiert werden, nicht auf eine vorherrschende Meinungsmacht schließen lässt. Dennoch zeigt sich anhand der von uns zitierten Studie, dass nicht nur der Nutzer, welcher privat im Internet nach Informationen sucht, sondern eben auch Journalisten, also eine Personengruppe, die beruflich mit der Suche nach Informationen und Meinungen beschäftigt ist, Google bei ihrer Internetrecherche nutzen.

 

Hinsichtlich der von Ihnen erwähnten allgemeinen Handlungsfreiheit und dem Hinweis, dass es alternative Suchmaschinen gibt, möchte ich klarstellen, dass es uns nicht darum geht, Google oder andere Suchmaschinen mit vorherrschender Meinungsmacht zu verbieten, sondern diese zur Sicherung der Informationsfreiheit zu regulieren. Dass dies auch erforderlich ist, zeigt der Vergleich mit den Rundfunkanbietern. Auch bei diesen gibt es für den Nutzer eine breit gefächerte Auswahl. Dennoch hat der Staat hier seine grundgesetzlich verankerte Verpflichtung zur Sicherung der Meinungsfreiheit und –vielfalt ernst genommen und im Rundfunkstaatsvertrag entsprechende Regulierungsmöglichkeiten normiert.

 

Zuletzt möchte ich anmerken, dass ich Ihren Vorschlag einer Medienerziehung in Schulen sehr interessant finde. Auch dies sollte vielleicht einmal politisch und juristisch diskutiert werden. Ich bitte allerdings vorsorglich darum, hierfür ein anderes Forum / einen anderen Blog zu nutzen.

Sehr geehrter Herr Mayer, sehr geehrter Herr Danckert,

ich bin zugegebenermaßen entsetzt über Ihren tendenziösen Artikel, vor allem jedoch über die darin getätigten falschen Behauptungen.

Sie rufen nach dem Gesetzgeber, der eine angeblich bei Google bestehende „Meinungsmacht“ einschränken und regulierend auf den Suchindex von Google Einfluss nehmen solle. Es steht Ihnen natürlich frei, mehr Regulierung zu verlangen. Äußert man jedoch wie in Ihrem Artikel eine Meinung im Rahmen eines rechtlichen Diskurses, sollte man diese argumentativ auch belegen können und sich dabei an wahre Tatsachen halten. An diese eigentlich selbstverständliche Regel halten Sie sich jedoch nicht. Um nur ein Beispiel zu nennen:

Sie behaupten, Google habe Informationen im Internet zum eigenem Vorteil gefiltert. Eine solche Behauptung ist starker Tobak. Gespannt auf die Begründung wartend, führen Sie anhand eines einzigen Falles aus, im April 2009 hätten sich „Internetseiten des deutschen Google-kritischen Journalisten und Buchautors Armin Fischer plötzlich und ohne jeglichen Hinweis auf die Gründe des Verschwindens nicht mehr in den Suchergebnislisten von Google“ befunden. Hierdurch habe Google Herrn Fischer „mundtot“ machen wollen.

Dieser Vorwurf wäre in der Tat ungeheuerlich. Er ist allerdings schlicht und ergreifend unwahr.

Entgegen Ihrer Behauptung war die Webseite von Herrn Armin Fischer jederzeit im Google Suchindex enthalten. Dies sollten Sie wissen, weil Sie selbst es waren, der Herrn Fischer im Mai 2009 in dieser Angelegenheit gegenüber Google anwaltlich vertreten hat. Wir haben seinerzeit sowohl auf Ihr Schreiben als auch ein nachfolgendes Schreiben von Herrn Fischer erwidert und dargelegt, dass Google keineswegs Suchergebnisse manipuliert, auch nicht in dem von Ihnen genannten Fall. Die Seite wurde entgegen Ihren jetzigen Ausführungen nicht aus dem Index entfernt. Nicht einmal Ihr Mandant hat im Übrigen behauptet, seine Seite sei aus dem Index entfernt worden. Warum Sie in Ihrem Artikel nun wider besseren Wissens das Gegenteil behaupten, bleibt rätselhaft, denn auch heute sind die Seiten von Herrn Fischer nach wie vor über Google auffindbar.

Dass Sie darüber hinaus den Eindruck erwecken wollen, als habe Google die Seite gesperrt, weil Ihr Mandant „Google-kritisch“ sei, setzt dem Ganzen die Krone auf. Eine Manipulation von Suchergebnissen anhand ihres meinungsbildenden Inhaltes findet bei Google nicht statt, auch nicht in dem von Ihnen vorgestellten Beispiel.

Nicht von der Hand weisen möchte ich ausdrücklich, dass Google als Vermittler von Informationen bei der Bildung von Meinungen eine wichtige Rolle spielen kann. Aber die Behauptung, Google zeige Suchergebnisse nicht an oder benachteilige sie im Ranking, weil Google die Meinungen der verlinkten Seiten nicht passe, ist schlicht falsch und ich empfinde diesen haltlosen Vorwurf als geradezu bösartig. Googles Ziel ist es, Informationen auffindbar zu machen, und nicht, sie zu verstecken oder gar ein Auffinden zu verhindern. Ein solches Verhalten wäre in der Tat - zumal in einer Demokratie - mehr als bedenklich. Ein solches Verhalten würde jedoch auch sofort abgestraft werden. Vielleicht nicht durch eine Aufsichtsbehörde, wie Sie Ihnen vorschweben mag. Nicht durch staatliche Eingriffe in den Suchindex. Sehr wohl würden sich jedoch Millionen von Nutzern – zu Recht! - zu Wort melden. Laut, durch Bekunden von Missfallen. Oder leise, indem sie einer anderen Suchmaschine den Vorzug geben.

Für Google ist Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit nicht nur ein Wort, sondern ein Auftrag. Diesen Auftrag nehmen wir ernst. Dass wir diesen Auftrag auch in Deutschland ernst nehmen, werden Sie selbst überprüfen können, wenn Google Ihren – „Google kritischen“! – Artikel indexiert und zugänglich macht (vorausgesetzt, Sie stellen ihn auf einer frei zugänglichen Seite ins Netz).

Dr. Arnd Haller, Rechtsabteilung, Google 

0

Sehr geehrter Herr Dr. Haller,

 

Ihr Kommentar zu unserem Artikel nimmt interessanterweise keine Stellung zu dessen Kernaussage, nämlich dass seitens des deutschen Gesetzgebers aufgrund der Missbrauchsmöglichkeiten durch Suchmaschinen mit vorherrschender Meinungsmacht ein regulatorisches Tätigwerden erforderlich ist, um die Meinungsbildung und Meinungsvielfalt im Internet sicherzustellen.

 

Statt dessen unterstellen Sie uns Autoren, dass wir uns nicht an wahre Tatsachen (gibt es bei Google unwahre Tatsachen?) gehalten haben. Diesen Vorwurf weisen wir als haltlos zurück. Sie nennen für Ihre Unterstellung das Beispiel des Journalisten Armin Fischer. Wir werden die streitige Auseinandersetzung zwischen Herrn Fischer und Google allerdings weder in diesem noch einem anderem Blog öffentlich und detailliert diskutieren. Wir stellen insofern allerdings klar, dass die von uns genannten Tatsachen in unseren Akten durch entsprechende Beweise dokumentiert sind und dass eine gerichtliche Klärung dieser Streitigkeit durch Herrn Fischer lediglich aus Kostengründen nicht verfolgt wurde. Zudem haben wir uns selbst davon überzeugen können, dass die täglichen Zugriffe auf die Internetseiten des Herrn Fischer von mehreren Tausend auf fünf bis zehn pro Tag sanken, nachdem die Internetseiten plötzlich nicht mehr bei Google im Suchindex erschien. Außerdem ist es doch sehr verwunderlich, dass Google Deutschland trotz einer eigenen deutschen Rechtsabteilung und trotz eines Unternehmenssitzes in Deutschland uns an die Google Inc. in den USA verwiesen hat.

 

Weiter erlauben wir uns, Sie darauf hinzuweisen, dass unser Artikel eine Bedrohung für die Informationsgesellschaft aufzeigt, welche von Google ausgeht. Selbst wenn das in unserem Artikel erwähnte Beispiel des Journalisten Armin Fischer nicht zuträfe, würde dies nichts an der latenten Bedrohung ändern, dass Google – trotz Ihrer anders lautenden Beteuerungen – eine Filterung der Suchergebnisse im eigenen Interesse missbrauchen kann.

 

Sie führen zudem aus, dass das Verstecken von Informationen durch Google zur Folge hätte, dass sich Suchmaschinennutzer beschweren oder schlicht den Suchmaschinenanbieter wechseln. Die Voraussetzung für derartige Proteste ist jedoch, dass der Nutzer überhaupt weiß, dass es Informationen gibt, die vor ihm versteckt werden. Eine Selbstregulierung ist aufgrund dieses „Teufelskreises“ wohl ausgeschlossen.

Sehr geehrter Herr Danckert,

 

ich halte es für etwas fragwürdig, einen so weitgehenden Vorwurf, dass Google seine Machtposition bereits missbraucht hat, lediglich mit einem Fall zu belegen, der zudem noch einen eigenen Mandaten betrifft. Welchen Anschein dies bei Lesern zu erwecken vermag, brauche ich wohl nicht näher auszuführen. Ich kenne selbstverständlich den Fall Armin Fischer nicht und kann daher auch nicht beurteilen, ob an den Vorwürfen etwas dran ist oder nicht. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es in der Vergangenheit bereits viele Geschehnisse gegeben hat, bei denen vorschnell der Missbrauchsvorwurf gegen Google erhoben wurde. Ich denke da z.B. an italienische Verlage, die aus der Google News Suche heraus wollten und dies mittels robots.txt bewerkstelligen wollten. Kurze Zeit später kam der Vorwurf, Google wolle sie dafür bestrafen und habe sie jetzt auch aus der Websuche ausgeschlossen! Das war aber schlicht die Folge der Verwendung ihrer eigenen robots.txt-Datei. So gibt es zahlreiche Fallen, in die ein Websitebetreiber geraten kann. Ich habe kürzlich erst einen Bericht über einen Google-Mitarbeiter in den USA gelesen, der zugeben musste, dass aufgrund seiner Fehler beim Umbau seiner privaten Seite diese aus dem Index geflogen ist. Lange Rede, kurzer Sinn: Ein Rückgang von Besucherzahlen kann vielfältige Ursachen haben, die zumeist beim Webseitenbetreiber selbst zu suchen sind.

 

Auch wenn ich manche Aktivitäten von Google ebenfalls kritisch sehe (und darüber schreibe, ohne dass meine Webseite aus dem Index ausgeschlossen wurde), eines muss man klar sagen: Bislang hat meines Wissens weltweit noch kein Gericht einen Missbrauch der Marktmacht von Google feststellen können und Versuche dazu gab es. Wir scheinen derzeit hier also nicht wirklich ein drängendes Problem zu haben, auch wenn ich Ihnen allerdings recht gebe, dass bei Google sicherlich ein Missbrauchspotential besteht. Deshalb ist es völlig richtig, hierzu eine Diskussion zu führen und über Sicherungsmechanismen nachzudenken.

 

Ich glaube nicht, dass sich ein Verhalten von Google, Seiten wegen seiner Meinung auszuschließen, verbergen ließe. Betroffene würden hier über andere Webseiten über ihr „Schicksal“ berichten und sehr bald eine Lawine lostreten. Diesbzgl. muss ich Herrn Dr. Haller also zustimmen. Das Nutzerverhalten würde zu einer Art Selbstregulierung führen.

 

Google muss zwangsläufig Seiten aus seinem Index ausschließen, z.B. Spamming-Seiten. Was allerdings wiederum Spam ist und damit eine Seite, die für Nutzer keinen Mehrwert bietet, ist zunächst Sache von Google. Hier könnten am Rand natürlich Fälle auftreten, in denen Google zu weit geht. Diesen Handlungsspielraum von Google näher abzustecken, dafür bin ich auch. Aber bislang gibt es diesbzgl. noch fast keine Gerichtsverfahren.

 

Dr. Stephan Ott, Links & Law

0

Sehr geehrter Herr Dr. Ott,

 

ich stimme Ihnen zu, dass sich die Diskussion um das Missbrauchspotential von Suchmaschinen und die Regulierungsmöglichkeiten drehen sollte. Wie in unserem Artikel dargestellt, gibt es im wirtschaftlichen Bereich bereits bestehende Mechanismen. Daher beschränkt sich unsere Forderung auf (derzeit nicht vorhandene) Regulierungsinstrumente zur Sicherung der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit im Internet. Da es keine entsprechenden Regulierungsmöglichkeiten gibt, gibt es – zumindest nach unserer Erkenntnis – auch noch überhaupt kein Gerichtsverfahren, welches sich mit dem Thema beschäftigt haben könnte.

 

Auch wenn Sie die Dringlichkeit des von uns aufgezeigten Bedrohungsszenarios anders einschätzen, befürworten Sie die von uns angestoßene Diskussion. Wie könnten Sie sich denn eine Lösung des Problems vorstellen?

.....nämlich dass seitens des deutschen Gesetzgebers aufgrund der Missbrauchsmöglichkeiten durch Suchmaschinen mit vorherrschender Meinungsmacht ein regulatorisches Tätigwerden erforderlich ist, um die Meinungsbildung und Meinungsvielfalt im Internet sicherzustellen.....

 

Das kann er vielleicht gar nicht.

Letztlich geht es ja um Indexierung und Gewichtung. Da könnte man ebenso versuchen dpa, Reuters und AFP mit einer entsprechenden Regelung dessen was die Abonenten (nämlich die Presse) geliefert bekommen "soll" zu versehen.

Die Grenze zwischen der Sicherung von Meinungsfreiheit und dem einführen einer Meinungsmache oder einer Zensur ist m.E. nicht sonderlich groß.

 

Um es anders zu formulieren: wenn der Staat zum einen beginnt zu erklären wie Meinungsfreiheit im Netz aussieht (also Vorgaben macht) und zweitens hinterher auch noch hingeht und das kontrolliert(!), dann haben wir am Ende vermutlich das Gegenteil von Meinungsvielfalt. Dann sind wir China. Wie wir alle wissen gibt es das, was nicht auf ARD und ZDF bei Tagesschau und Heute läuft auch nicht - und was im ZDF läuft bestimmt im Zweifelsfalle Roland Koch.

 

Grüße

ALOA

0

Es gibt eher wenig Grund ein Bedrohungszenario aufzubauen. Mit Datum vom 16.3.2010 wird vermeldet das Facebook Google bei Zugriffszahlen überholt hat(1). Dazu gibt es die Meldung vom 11.3.2010 das Twitter vom Social Network zum Newsfeed mutiert(2, 3).

Die Versorgung ist m.E. auch durch derartige Konkurrenten gesichert, auch wenn sich manche selbst das Wasser abgegraben haben wie z.B. Technorati.

Darüber hinaus müsste eine Handlung (eben) wie im Ö/R -Bereich aussehen. Der Staat hätte wenn, dann eine "Grundversorgung" sicherzustellen. Das hatten die Franzosen bekanntlich schon unter Chirac 2006 im Auge, wenn auch unter unter dem Gesichtspunkt USA/Englisch vs. Französisch/Kontinent. Das Projekt hatten den Namen Quaero(4) mit einer Suchmaschine welche entstehen sollte und den Namen Exalead trug bzw. trägt(5).

Regelung: nein, denn das ist m.E. nichts anderes als Zensur (so überhaupt machbar, was ich verneine)

Handlungsbedarf wenn, dann über ein "staatliches" Angebot, welches jedoch eben nicht diesen Restriktionen des Staates unterworfen werden darf. Sonst haben wir den institutionalisierten JMStV als "bessere" Suchmaschine welche "umfassender" informiert.

M.E. sollte die Angst vor dem was der Staat an Meinungsmacht halten kann ebenso wach sein wie das, was Google in Konkurrenz zu anderen verursachen könnte.

 

Grüße

ALOA

 

(1) http://ne-na.de/facebook-berholt-google-bei-zugriffen-social-network-gr-...

(2) http://derstandard.at/1267743813213/Twitter-mutiert-zu-Newsfeed-statt-So...

(3) http://barracudalabs.com/downloads/BarracudaLabs2009AnnualReport-FINAL.pdf

(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Quaero

(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Exalead

0

Sehr geehrter Herr Danckert,

 

ich sehe Ansatzpunkte nicht darin, Suchmaschinen vorzuschreiben, wie sie das Ranking einer Webseite zu bestimmen oder wie sie ihren Index zu erstellen haben. Entsprechende Überlegungen dürften mit der Berufsfreiheit kaum zu vereinbaren sein. Ich fände es aber begrüßenswert, wenn wir bzw. die von einem Ausschluss Betroffenen zumindest etwas mehr Transparenz der Entscheidungen von Google bekommen würden. Damit meine ich aber sicher nicht eine Offenlegung der Funktionsweise des Algorithmus. Wäre aus Ihrer Sicht z.B. eine unabhängige Kontrollinstanz, die Beschwerden prüft, oder ein an enge Voraussetzungen geknüpfter Auskunftsanspruch des von einem Ausschluss Betroffenen, um den Grund dafür zu erfahren, eine Richtung, in die man denken sollte? Bei all dem sollte man aber immer im Auge haben, dass derzeit das System - bis auf allenfalls seltene Ausnahmen - sehr gut funktioniert und man sich daher sehr genau überlegen sollte, ob und was man gesetzlich vorschreiben soll.

 

Sie schreiben, eine Klärung des Falles Armin Fischer sei nur aus Kostengründen unterblieben. Dann müssten Sie ja eigentlich schon unter der jetzigen Rechtslage Ideen gehabt haben, wie dieser zu gewinnen ist. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, AGG, Analogie zu RStV, GWB? Würde §§ 19, 20 GWB nicht auch einen Anspruch bei einem Ausschluss einer Seite wegen einer Meinung geben?

0

Wenn, könnte man versuchen das Recht auf eine grundsätzliche Aufnahme (einer Meinung/Seite) in einen Index abzuleiten. Wobei dann der Suchindex als Gatekeeper mehr oder minder einem öffentlichen Raum (m.E. dem Internet selbst) gleichgesetzt würde. Wobei Meinungsfreiheit aber das Recht auf freie Meinungsäußerung darstellt - und weniger das Recht auf sagen wir "hinreichend einfache Auffindbarkeit" selbiger.

Ich sehe jedoch keine Handhabe für eine Ranking-Platzierung. Das würde bedeuten, das man Kriterien dafür ansetzt.

 

Ich schlage hier aber einmal einen ganz anderen Bogen und verweise auf die allfällige Diskussion über die Netzneutralität. Die Überlegungen gerade in Bezug auf Ranking und Auffindbarkeit aber auch Meinungsfreiheit überschneiden sich in dieser Beziehung teilweise. Der Unterschied besteht dabei lediglich in Bezug auf die Art des Gatekeepers (Google vs. Netzbetreiber) und der Beschränkung (Indexierung vs. Geschwindigkeit/Volumen/Paketart).
Bei der Netzneutralität ist es damit ein tieferliegendes Problem, denn es geht nicht mehr um die Auffindbarkeit sondern auch um die Erreichbarkeit als solchem.

 

Beispiele:

http://de.wikipedia.org/wiki/Netzneutralit%C3%A4t#Verletzung_der_Netzneu...

* T-Mobile verhindert Skype auf iPhone

* Filesharing-Übertragung wird/wurde z.T. nur gedrosselt erlaubt oder sogar unterbunden (zwangsweise ungeachtet des Inhaltes)

 

 

0

Mit Interesse habe ich den Artikel zur „vorherrschenden Meinungsmacht“ bei Google aufgerufen. Das Thema versprach eine Annährung an den bislang im Kontext von Telemedienangeboten nicht näher geklärten Begriff der „vorherrschenden Meinungsmacht“. Am Ende muss ich aber feststellen, dass dieser Artikel bei mir mehr Fragezeichen hinterlässt, als Fragen klärt.

 

Es bleibt vollkommen unklar, wie und woraus die Autoren den für ihre Lösung des angeblichen Problems bedeutenden Ausgangspunkt herleiten: Die Autoren unterstellen schlicht, dass Google ein Angebot sei, das über „vorherrschende Meinungsmacht“ verfüge. Eine Begründung für ihre Unterstellung liefern die Autoren jedoch nicht. Das wäre meines Erachtens aber zwingend erforderlich gewesen, bevor hier vorschnell nach dem Gesetzgeber gerufen wird.

 

Bislang – das räumen auch die Autoren sogleich in der ersten Fußnote ein – wendet der Gesetzgeber den Begriff „Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht“  nur im Zusammenhang mit der rundfunkrechtlichen Konzentrationskontrolle an. Dahinter steht das verfassungsrechtliche Konzept zur Absicherung der Meinungsvielfalt gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, eine Vormachtstellung bestimmter Gruppen oder Akteure zu verhindern, wenn durch diese Stellung der Prozess der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung nachhaltig beeinträchtigt zu werden droht. Um von möglicher Meinungsmacht eines Suchmaschinenangebots sprechen zu können, wäre also zunächst erforderlich gewesen, sich überhaupt mit der Übertragbarkeit des dahinter stehenden Konzepts auf diese nicht-publizistische Angebotsformen auseinanderzusetzen. Der alleinige Bezug auf den überragenden Anteil bei Nutzern von Suchmaschinen kann nicht ausreichen, um schon auf eine Relevanz für den Meinungsbildungsprozess zu schließen.

 

So ist in den Kommunikationswissenschaften bislang noch nicht geklärt, ob und wie stark eine Suchmaschine zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. Die Autoren gehen aber noch einen Schritt weiter und unterstellen, dass die Kriterien des BVerfG zur Bestimmung der Wirkintensität eines Meinungsbildungsprozesses (Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft), die für klassische Rundfunkangebote bejaht werden, auch durch Suchmaschinenangebote erfüllt seien. Das ist schon mit Blick auf das publizistische Kriterium der „Aktualität“ fraglich. Suchmaschinenanbieter präsentieren in ihren Ergebnislisten keine eigenen Inhalte, sie erstellen keine strukturelle Abfolge, die einem „Programm“ vergleichbar wäre etc. Das Suchergebnis ist auch nicht das Produkt journalistischen Schaffens. Weiter wird eine „Suggestivkraft“, also die besondere Wirkung, die die Kombination von bewegten Bildern und Ton hervorruft, von Suchmaschinenangeboten, die primär textliche Ergebnisse ausgeben, wohl erst recht nicht unterstellt werden können. Die Autoren liefern jedenfalls auch dafür keine Begründung.

 

Als Mitautor der in diesem Artikel zitierten Studie „Suchmaschinen als Gatekeeper der öffentlichen Kommunikation“  des Hans-Bredow-Instituts (HBI) verwundert und stört es mich zudem, dass die HBI-Studie (bzw. statt der Studie sogar nur die Pressemitteilung zur Studie (!)) in diesem Zusammehang als Beleg für eine Aussage herangezogen wird, die dort in dieser Form nicht aufgestellt wurde. Ein Anspruch, mit dem ein Content-Anbieter gegenüber einem Suchmaschinenanbieter die unentgeltliche Aufnahme in den Suchmaschinenindex und damit in die Suchergebnisliste durchsetzen könnte, verneint die Studie (entgegen der Zitierung in Fn. 11 des MMR-Beitrags).

 

Ein Handlungsgebot des Gesetzgebers, bereits regulierend einzugreifen, besteht nach Einschätzung der HBI-Studie (derzeit) zudem nicht. Vielmehr wird davor gewarnt, auf den Regulierungsbereich von Internetangeboten tradierte Deutungsmuster heranzuziehen und kurzschlüssig Ideen aus dem Rundfunkbereich auf den Internetbereich zu übertragen. Mit diesen Hinweisen und den Handlungsvorschlägen der Studie setzen sich die Autoren des MMR-Beitrags aber nicht auseinander. Die Autoren leiten aus einem einzigen Fall einer angeblichen Diskriminierung ab, dass ein „gesetzgeberisches Handlungsgebot“ bestehe und schlagen gesetzliche Vorgaben vor.

 

Es wäre meines Erachtens aber zunächst geboten gewesen, verfassungsrechtlich zu untersuchen, ob und aufgrund welcher Umstände überhaupt diese Handlungspflicht des Gesetzgebers zur Regulierung von „beherrschenden Suchmaschinenanbieter“ ausgelöst worden sein könnte. Ohne vorherige Klärung dieser sehr schwierigen verfassungsrechtlichen Ausgangsfrage, kann meiner Meinung nach aber jedenfalls jeder Ruf nach dem Gesetzgeber nur als vorschnell bezeichnet werden.

0

Was die vorherrschende Meinungsmacht u.a. angeht füge ich noch folgende Anmerkungen hinzu:

A) Das Internet ist nicht die einzige Informationsquelle. Wenn, dann kann es also nur um eine vorherrschende Meinungsmacht "im Internet" gehen. Und das auch nur dann, wenn man unterstellt, das ein Online-Auftritt anderweitig nur sehr schlecht erreichbar ist oder/und nicht anderweitig gefunden werden kann. Der BGH hatte im Paperboy-Urteil (1) einmal ausgeführt: "Ohne die Inanspruchnahme von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks (gerade in der Form von Deep-Links) wäre die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im World Wide Web praktisch ausgeschlossen." Das kann, muss aber kein Hinweis darauf sein. So lange das Internet nur eine von einer zunehmenden Anzahl von Informationsquelle ist, dann sinkt damit die Problematik einer Einschränkung der Meinungsfreiheit.

B) Nach Machhill wurden 2005 an die 550 Mrd Internet-Seiten gezählt. Die Suchmaschinen indexieren nicht alle bzw. nur einen Bruchteil dessen. Google soll damals 3Mrd indexiert haben (und 1999 16% des Netzes, Machhill 2002; dazu kommt noch das Recall-Problem). Das erschwert ein "Recht" auf Indexierung bzw. die Umkehrung einer Herleitung eines verletzens eines Rechtes wenn nicht indexiert wird.

Wenn überhaupt könnte man darüber nachdenken eine "Indexierung auf Verlangen" (und das quasi letztrangig) einzuführen mit einer Formulierung analog vielleicht dem §2 (Nichtdiskriminierung) der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung.

 

Nichtsdestotrotz halte ich es mit Arne Laudien. Die Ausführungen zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit durch nicht aufnehmen in einen Internet-Index sind mir zu dünn. Sekundär-Einträge über andere (indexierte) Webseiten sind weiterhin möglich und so würde imho auch jeder Eintrag indirekt aufgenommen werden. Da steht also m.E. der Streisand-Effekt dagegen. Je bekannter eine solche Maßnahme desto heftiger eine Berichterstattung darüber.

Grüße

ALOA

 

(1) http://www.jurpc.de/rechtspr/20030274.htm

 

0

@ aloa5:

Zwischen der Sicherung von Meinungsfreiheit und der Einführung von Meinungsmache oder gar einer Zensur besteht nach unserer Ansicht sehr wohl ein großer Unterschied. Dies ergibt sich allein aus den unterschiedlichen Zielrichtungen: die Sicherung der Meinungsfreiheit soll den freien Zugang zu Informationen gewährleisten, diesen also erstmalig und dann dauerhaft ermöglichen. Die Zensur bezweckt dagegen aber eine Beschränkung der verfügbaren Informationen.

 

Auch ihrer aufgrund des Vergleiches der Zugriffzahlen von Google und Facebook entwickelten Ansicht, dass kein Bedrohungsszenario aufgebaut werden muss, stimmen wir – wie der Artikel wohl unmissverständlich verdeutlicht – nicht zu. Die Bedrohung ist bereits vorhanden, ein Szenario muss nicht erst aufgebaut werden. Darüber hinaus ist ihr Beispiel nach unserer Ansicht wenig aussagekräftig, da bei Facebook weit überwiegend private Inhalte (und die dann auch nur dann frei zugänglich, wenn die Profilinhaber dies explizit zulassen) veröffentlicht werden, während bei Google eben auch (und bei Google News ausschließlich) publizistische Angebote gefunden werden können.

 

Regulierung ist für Sie nichts weiter als Zensur. Selbst wenn man dieser Ansicht zustimmt, sollte gründlich abgewogen werden, ob man die Zensur lieber in die Hände eines privaten, rein wirtschaftlich orientierten Weltmarktunternehmens oder in die des eigenen Staates, der von einer demokratisch gewählten Regierung geleitet wird, gibt. Wir bevorzugen die staatliche Regulierung.

 

Zuletzt möchte ich bitten, die (unzweifelhaft äußerst interessante) Diskussion zur Netzneutralität in einem anderem Forum zu führen.

 

 

@ Dr. Stephan Ott:

Eine unabhängige Kontrollinstanz, welche Beschwerden prüft, und Auskunftsansprüche sind sicherlich diskussionsfähige Regulierungsmöglichkeiten. Sie gehen uns aber nicht weit genug, da es sich um rein reaktive Maßnahmen handelt, die von jedem einzelnen Betroffenen (ggf. kostenintensiv) wahrgenommen werden müssten. Da es uns um die Sicherung der in Art 5 GG niedergelegten Meinungsbildungsfreiheit geht, halten wir ein proaktives Einschreiten des Gesetzgebers zum Schutz aller Bürger für erforderlich. Daraus folgt dann unsere Forderung nach einer Ergänzung des Rundfunkstaatsvertrages.

 

Trotz allem Verständnis für Ihre Nachfragen werden wir den Fall des Herrn Armin Fischer hier nicht weiter kommentieren.

 

 

@ Arne Laudien:

Es ist nach derzeitiger Kenntnis unbestritten, dass Suchmaschinen wie Google keine eigenen publizistischen Angebote zur Verfügung stellen. Ebenfalls unbestritten dürfte aber sein, dass die Grundlage von Suchmaschinen wie Google auch publizistische Angebote – und bei Google News sogar ausschließlich – sind. Und durch diese Nutzung macht Google sich diese Angebote als solche (nicht inhaltlich) zu Eigen. Das allein reicht für die Bejahung von Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft.

 

Die Begründung für Googles vorherrschende Meinungsmacht ist in unserem Artikel selbstverständlich enthalten. Sie folgt aus der beherrschenden Marktmacht von Google im Suchmaschinenmarkt in Deutschland.

 

 

@ Dr. Arnd Haller:

Wie bereits in unserer ersten Stellungnahme zu Ihrem Diskussionsbeitrag ausgeführt, werden wir den Fall des Herrn Armin Fischer in diesem Blog nicht weiter kommentieren.

 

Sie nehmen zudem zu dem in unserem Artikel genannten Beispiel „Siemens“ als Suchbegriff Stellung. Den Inhalt ihrer Ausführungen hierzu teilen wir nicht, werden aber auch dies nicht weiter kommentieren, da sich unser Suchbegriffbeispiel „Siemens“ auf die bereits vorhandenen Regulierungsinstrumente im Kartellrecht bezieht. In diesem Blog möchten wir jedoch die sich aus der vorherrschenden Meinungsmacht von Google ergebende Bedrohung der Meinungsbildungsfreiheit im Internet und die daraus folgenden Handlungsgebote des deutschen Gesetzgebers diskutieren.

Google ist allenfalls ein gefühltes Monopol. Es gibt leistungsfähige Alternativen, die nur aus reiner Gewohnheit nicht oder nur genutzt werden. Monopolartig wird es höchtens beim thema Adwords/Adsense.

Dazu kommt, dass der Algorythmus hinreichend durchschaubar und auch manipulierbar ist, so dass man genau so gut die Bedrohung der Meinungsfreiheit durch Seo`s sprechen könnte.

 

0

Kommentar hinzufügen