Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP liegt vor

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.03.2010
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtLeiharbeitTariffähigkeitCGZP|3609 Aufrufe

Das LAG Berlin-Brandenburg hat jetzt den Beschluss der 23. Kammer vom 7.12.2009 zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP veröffentlicht (23 TaBV 1016/09, dazu bereits BeckBlog vom 7.12.2009). In den Gründen heißt es:

... Die Tariffähigkeit der CGZP scheitert jedenfalls an ihrer Satzung.

§ 2 Abs. 3 TVG setzt voraus, dass der Abschluss von Tarifverträgen zu den satzungsgemäßen Aufgaben der Spitzenorganisation gehört. Nach § 1 Abs. 1 der derzeit gültigen Satzung vom 8.10.2009 vertritt die CGZP die tariflichen Interessen ihrer Mitgliedsgewerkschaften als Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG und schließt für deren Mitglieder Tarifverträge mit Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden ab, die oder deren Mitglieder als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) zur Arbeitsleistung überlassen wollen. Der Abschluss von Tarifverträgen gehört damit, wie von § 2 Abs. 3 TVG gefordert, zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben. Er ist nicht auf die Überlassung der Leiharbeitnehmer bestimmter Berufsgruppe oder an Unternehmen bestimmter Wirtschaftsbereiche beschränkt. Der Zuständigkeitsbereich ist insoweit nicht begrenzt. Er erstreckt sich auf die Überlassung von Arbeitnehmern aller Berufsgruppen an Unternehmen aller denkbaren Wirtschaftszweige.

Eine derart weitgehende Zuständigkeit konnte in der Satzung nicht wirksam festgelegt werden. ...

Zum Zeitpunkt der Satzungsänderung vom 8.10.2009 hatte die CGZP als Mitglieder die CGM, DHV und GÖD. Keine von ihnen hatte den Abschluss von Tarifverträgen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung als Aufgabe in ihre Satzung aufgenommen. Das schließt jedoch eine Zuständigkeit in diesem Bereich nicht aus. Zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Wahrnehmung der Mitgliederinteressen durch Abschluss von Tarifverträgen. Die Aufgabe besteht unabhängig davon, ob die Mitglieder in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber ihres Beschäftigungsbetriebes stehen oder dort als Leiharbeitnehmer eingesetzt werden. Sie wird aber durch die Festlegung auf bestimmte Wirtschaftszweige bzw. Berufsgruppen eingeschränkt. Für die CGM ist dies gemäß § 1 Abs. 3 der Satzung der Bereich der metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie, des Metallhandwerks, der Elektroindustrie und der sonstigen Metallbetriebe. Für die DHV ist es gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung der Bereich der kaufmännischen und verwandten Berufe. Für die GÖD sind es gemäß § 5 Abs. 1 der Satzung der öffentliche Dienst sowie die privatrechtlich organisierten Dienstleistungsbetriebe und Organisationen. Die Zuständigkeit der Vereinigungen zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer ist auf diese Bereiche beschränkt.

Die DHV könnte demnach Tarifverträge für Leiharbeitnehmer in kaufmännischen und verwandten Berufen abschließen. Die CGM wäre z.B. dann zuständig, wenn ein Betrieb der Metallindustrie sich auch als Verleiher betätigt und seine Arbeitnehmer anderen Metallbetrieben zur Arbeitsleistung überlässt. Entsprechendes gilt für die GÖD. Sie ist nicht deswegen für die Arbeitnehmerüberlassung uneingeschränkt zuständig, weil der Bereich der privatrechtlich organisierten Dienstleistungsbetriebe und Organisationen in ihre Satzung aufgenommen worden ist. Zwar gehören Zeitarbeitsunternehmen im weiten Sinne auch zu dem Bereich der Dienstleistung. Nach ihrem Unternehmenszweck und der besonderen Anforderungen an die Arbeitsverhältnisse der Leiharbeitnehmer bilden sie aber einen eigenen Wirtschaftszweig (vgl. BAG Urteil vom 24.3.2004 - 5 AZR 303/03 - in AP Nr. 59 zu § 138 BGB). Dementsprechend sind sie auch in eigenen Verbänden organisiert. Die Zuständigkeit der GÖD für die privatrechtlich organisierten Dienstleistungsbetriebe geht aber nicht so weit, dass sie auch die Arbeitnehmerüberlassung als eigenen Wirtschaftszweig erfassen würde. Die Auflistung in § 5 Abs. 1 der Satzung zeigt, dass die GÖD ihre Zuständigkeit von den Beschäftigten im öffentlichen Dienst ausgehend auf private Dienstleistungsbetriebe und Organisationen ausdehnt. Sie will damit ihre Zuständigkeit auch in den Bereichen erhalten, die ursprünglich dem öffentlichen Dienst zugeordnet waren oder ihm benachbart sind. Dazu gehören die Zeitarbeitsunternehmen nicht.

Eine gemeinsame Zweckverfolgung der CGM, DHV und GÖD auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung findet ihre Grenzen durch den in ihren Satzungen festgelegten Zuständigkeitsbereich. Die Zuständigkeit der CGZP geht darüber weit hinaus. Sie schließt zwar nach § 1 Abs. 1 der Satzung vom 8.10.2009 Tarifverträge für die Mitglieder ihrer Mitgliedsgewerkschaften. Es erfolgt aber keine Beschränkung auf deren Zuständigkeitsbereich. Vielmehr erfolgt der Abschluss mit Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden unabhängig davon, in welchem Wirtschaftszweig und welchem Beruf sie die Leiharbeitnehmer einsetzen. Die Zuständigkeit erfasst auch andere als kaufmännische und verwandte Berufe und alle denkbaren Wirtschaftszweige. Die Festlegung eines derart weitgehenden Aufgabenbereiches überschreitet die durch die Satzungen der einzelnen Vereinigungen festgelegten Aufgabengebiete, so dass die Regelung über den Tarifabschluss in § 1 Abs. 1 der Satzung unwirksam ist. Ohne wirksame Regelung der Aufgaben und der Zuständigkeit kann die CGZP jedoch nicht tariffähig sein. ...

Der CGZP fehlt die Tariffähigkeit selbst dann, wenn der Abschluss von Tarifverträgen als Aufgabe in ihrer Satzung formal wirksam geregelt wäre. Auch in diesem Fall steht der Tariffähigkeit die uneingeschränkte Zuständigkeit im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung entgegen. ...

Um tariffähig sein zu können, muss eine Arbeitnehmervereinigung daher über eine soziale Mächtigkeit verfügen.

Die CGZP ist nicht in der Lage, einen derartigen Interessenausgleich herbeizuführen. Im Gegensatz zu ihrer eigenen weit gefassten Zuständigkeit ist sie nur in dem engeren Zuständigkeitsbereich ihrer Mitgliedsvereinigungen organisiert. In dem mit den Tarifverträgen zu erzielenden Ausgleich kann sie demnach nur die Interessen einbringen, wie sie von den Arbeitnehmern des Zuständigkeitsbereichs ihrer Mitgliedsverbände entwickelt werden. Interessen, die durch den Einsatz von Leiharbeitnehmer außerhalb kaufmännischer Berufe in anderen Bereichen, wie z. B. dem Baugewerbe, der chemischen Industrie oder dem Hotel- und Gaststättengewerbe, bestimmt werden, kann sie nicht wahrnehmen und in die Tarifvertragsverhandlungen einbringen, weil sie dort nicht organisiert ist. Die CGZP ist damit in dem selbst gewählten Zuständigkeitsbereich nicht in der Lage, die Aufgabe der Herbeiführung eines angemessenen, sozial befriedigenden Interessensausgleichs zu erfüllen. Ihr fehlt aus diesem Grunde die soziale Mächtigkeit. Die Tatsache, dass sie bereits eine große Anzahl von Tarifverträgen abgeschlossen hat, kann daher als Beleg für ihre Tariffähigkeit keine Aussagekraft haben.

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