Verkehrsgerichtstag 2010: Gelungene Lobbyarbeit der MPU-Psychologen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 15.03.2010

Die sog. "Nachlese" zum Verkehrsgerichtstag ist eigentlich immer ein wenig spröde. In vielen Zeitschriften findet man in Aufsatzform umgearbeitete Vorträge, die anlässlich des VGT gehalten wurden. Selten aber findet sich eine Kritik wie die des geschätzen RA Hillmann aus Oldenburg, der am Ende seines Beitrags in DAR 2010, 129 deutlich kritische Worte für die Ergebnisse des Arbeitskreises VI findet. Offenbar hatten nämlich die Verkehrspsychologen, die MPU`s durchführen mit einem 70%-Anteil an dem Arbeitskreis alle Entscheidungen in der Hand. Hierdurch haben sie vor allem klare und von vielen erwartete und erhoffte Entschließungen zur Überprüfbarkeit der MPU und vor allem zur Überprüfbarkeit der MPU-Tester vereitelt. Hillmann: "Sämtliche Entschließungen sind solche, die den Wünschen und Vorstellungen der MPU-Psychologen entsprachen."

 

Zur Erinnerung hier nochmals die Empfehlungen:

1. Das System der medizinisch-psychologischen Begutachtung der Kraftfahrereignung ist ein wichtiges

und bewährtes Instrument zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit und zur Erhaltung der Mobilität

des Einzelnen.

2. Im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung kommt der Exploration zentrale Bedeutung zu. Diese

diagnostische Methode ist unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes

weiterhin kontinuierlich zu verbessern.

3. Die Zulassung von Testverfahren im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung sollte geregelt werden.

Die Prüfung der Güte der Testverfahren soll durch ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium

anhand eines angemessenen Testbeurteilungssystems erfolgen.

4. Die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Überprüfung der Fahreignung sollte regelmäßig wissenschaftlich

überprüft und die Ergebnisse sollten veröffentlicht werden.

5. Rehabilitationsmaßnahmen zur Verbesserung der Eignungsvoraussetzungen sollten möglichst frühzeitig

eingeleitet und deren Erfolg durch eine Fahreignungsbegutachtung überprüft werden.

6. Die Anbieter der unter Punkt 5 genannten Maßnahmen sollten ebenfalls einem

Qualitätssicherungssystem unterliegen und in keinem wirtschaftlichen und personellen

Zusammenhang mit den Begutachtungsstellen stehen.

7. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sind im

Straßenverkehrsgesetz und in der Fahrerlaubnis-Verordnung teilweise unklar formuliert. Der Gesetzgeber

wird aufgefordert, die entsprechenden Vorschriften zu reformieren.

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5 Kommentare

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Tja, auch ein Argument gegen die Omnipotenz des m.E. oft überschätzten VGT. Ansonsten: die Punkte 1 und 2 sind - mit Verlaub - eher Unfug, den Rest könnte man weitgehend sogar unterschreiben. Ein Psychologe - dessen Namen ich derzeit leider nicht präsent habe - hat einmal sinngemäß gesagt: Um einen mir nicht bekannten Probanden einzuschätzen, brauche ich mindestens zwei Tage und nicht 20 Minuten. Dem ist in Bezug auf die MPU nur wenig hinzuzufügen.

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Zwei Sitzungen à 3-5 Stunden gehören auch bei Explorationen nach § 454 Abs. 2 StPO zu den anerkannten Regeln der Kunst (vgl. z.B. Kröber, NStZ 2006, 537 ff.). Wie es sich überhaupt von selbst verstehen sollte, daß man einen Menschen nur richtig einschätzen kann, wenn man ihn wenigstens einige Stunden und nicht lediglich ein paar Minuten ausführlich befragt hat.

 

Nur die MPU-Psychologen von TÜV und Co. beherrschen das "Psychogramm light" in nur 20 Minuten. Schade, daß Verwaltungsrichter diesbezüglich wenig Problembewußtsein haben und so zustande gekommene MPUs in der Regel völlig in Ordnung finden.

 

Eine solche Arbeitsgruppe vorwiegend mit Verkehrspsychologen zu besetzen ist in etwa so sinnvoll wie die  Arbeitsgruppe "Pflichtverteidigung im OWi-Verfahren" überwiegend mit Strafverteidigern oder den Gebetskreis "Kurzer Prozeß" vor allem mit Staatsanwälten zu besetzen. Die Empfehlungen sind in solchen Fällen nicht sonderlich überraschend.

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Das wirklich Schlimme an der Sache ist, dass  Behörden ( Fe-behörde)einen solchen Unfug, den die vermeintlichen Psychoexperten in ihren pseudowissenschaftlichen Ablässen niederschreiben, als gegeben hinnehmen und danach arbeiten. In teilweise menschenherabwürdigendem, erniedrigendem  Ton und vor allem in übler Nachrede gestalteten Schriftsätzen schwingen sie sich  Verkehrspsychologen als Richter über Einzelschicksale auf ohne die behaupteten Dinge tatsächlich beweisen zu können. Schon der Wortlaut

" Es ist nicht auszuschließen...."

ist pseusowissenschaftliche Hellseherei und hat mit zu erbringender Beweislage so rein gar nichts zu tun.

Hier sollte sich der Rechtsstaat ganz schnell davon distanzieren, da solche Schriftsätze mit Vermutungen, Wahrscheinlichkeitsfloskeln ( könnte sein, ist zu vermuten, ist nicht auszuschließen.. ) reine Denuziererei darstellt, Menschen, denen einmal ein Fehler passiert ist, verunglimpfen und in eine " Ecke" gepresst werden, wo sie weder herkommen, nicht hinpassen und auch nicht hin gehören. Die sogenannte Exploration, was zu deutsch nichts anderes bedeutet als "Aushorchen" sollte schnellstens auf rechtsstaatliche Füße gestellt werden. So wie das Gespräch heute geführt und verarbeitet wird, ist es nichts anderes als eine Vorverurteilung ohne den tatsächlichen Beweis dafür zu erbringen. Ein abgewickeltes Organ lässt grüßen! Hier ist der Gesetzgeber, der Verkehrsgerichtstag, der ADAC und alle Einrichtungen, Institutionen und Personen gefragt, die sich mit dieser Thematik befassen.  Reaktionstest und Arzttest ja, Gespräch in wesentlich veränderter Form und Gestaltung. Und immer schön bei der Wahrheit bleiben, verehrte Verkehrspsychologen. Wie sagte mein Psychotherapeut, den ich leider nach einer MPU aufsuchen musste: " Es gibt halt auch in unserer Branche schwarze Schafe".

Und zu guter letzt  eine Frage: Warum gibt es in keinem anderem europäischen Land solch einen "Idiotentest"? Weil die anderen begriffen haben, dass dies ein willkürliches finazeinträglichers Geschäft ist und für den einzelnen, den es betrifft, keinerlei Hilfe darstellt, sondern nur Fust und Ehrverletzung!

Sollten diese meine Worte tatsächlich veröffentlicht werden, bin ich auf Kommentare, Gegenreden und Diskussionsbeiträge gespannt wie ein Flitzebogen.

 

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Susanne schrieb:

Zwei Sitzungen à 3-5 Stunden gehören auch bei Explorationen nach § 454 Abs. 2 StPO zu den anerkannten Regeln der Kunst (vgl. z.B. Kröber, NStZ 2006, 537 ff.). Wie es sich überhaupt von selbst verstehen sollte, daß man einen Menschen nur richtig einschätzen kann, wenn man ihn wenigstens einige Stunden und nicht lediglich ein paar Minuten ausführlich befragt hat.

 

Nur die MPU-Psychologen von TÜV und Co. beherrschen das "Psychogramm light" in nur 20 Minuten. Schade, daß Verwaltungsrichter diesbezüglich wenig Problembewußtsein haben und so zustande gekommene MPUs in der Regel völlig in Ordnung finden.

 

Eine solche Arbeitsgruppe vorwiegend mit Verkehrspsychologen zu besetzen ist in etwa so sinnvoll wie die  Arbeitsgruppe "Pflichtverteidigung im OWi-Verfahren" überwiegend mit Strafverteidigern oder den Gebetskreis "Kurzer Prozeß" vor allem mit Staatsanwälten zu besetzen. Die Empfehlungen sind in solchen Fällen nicht sonderlich überraschend.

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