BGH bestätigt Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafe (mit Update 10.03.)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 09.03.2010

Soeben wird berichtet, dass der BGH die vom LG Regensburg voriges Jahr angeordnete nachträgliche Sicherungsverwahrung (hier im Blog) für einen nach Jugendstrafrecht Verurteilten bestätigt hat. Die gesetzliche Neuregelung, mit der die nachträgliche Sicherungsverwahrung auch auf das Jugendstrafrecht  erweitert wurde, war vergangenes Jahr beschleunigt verabschiedet worden, um diesen einen Fall zu erfassen. Der Verurteilte hatte die Höchststrafe (10 Jahre Jugendstrafe) wegen Mordes vollständig verbüßt und sollte bereits entlassen werden.

Brisanz hat der Fall deshalb, weil mittlerweile eine Entscheidung des  EGMR Zweifel an der Übereinstimmung der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (Rückwirkungsverbot) geweckt hat (siehe hier im Blog). Die Entscheidung des EGMR ist zwar noch nicht rechtskräftig, jedoch deutet vieles darauf hin, dass sich die nachträgliche Sicherungsverwahrung, wie sie derzeit in Deutschland praktiziert wird, in dieser Form rechtlich nicht halten lässt. Der BGH hat allerdings offenbar davon abgesehen, dies in seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

Unabhängig von der konkreten Entscheidung sind zwei Punkte m. E. diskussionswürdig:

Zum einen die Frage, ob Sicherungsverwahrung für (zur Tatzeit) Jugendliche und Heranwachsende (§ 7 Abs.2 JGG) überhaupt eine angemessene Sanktionierung darstellt.

Zum zweiten die Frage, ob eine "nachträgliche" Sicherungsverwahrung gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs.2 GG und Art. 7 Abs.1 EMRK) verstößt .

Update: Eine erste rechtliche Einschätzung in Kommentar #4.

 

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13 Kommentare

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein recht zahnloser Tiger, solange seine Erkenntnisse nicht unmittelbar Auswirkungen auf die angefochtenen nationalen Entscheidungen haben. Die Entscheidung des EGMR zur deutschen Sicherungsverwahrung ist zwar noch nicht rechtskräftig. Doch selbst wenn sie es wird, hat das zunächst einmal keinen unmittelbaren Auswirkungen zugunsten des Beschwerdeführers, schon gar nicht für andere Untergebrachte in ähnlicher Situation.

 

Bemerkenswert finde ich allerdings, daß der BGH - soweit bislang bekannt - es nicht für notwendig befunden hat, die vielbeachtete Entscheidung des EGMR auch nur mit einem Wort zu erwähnen. So als sei die Frage nach einer Verletzung des Rückwirkungsverbots völlig abwegig.

 

Die Sicherungsverwahrung ist im Strafgesetzbuch geregelt. Sie wird von Strafkammern verhängt und von Strafkammern überwacht. Sie wird in Strafvollzugsanstalten nach den Regeln des Strafvollzugsgesetzes vollzogen. Wenn das Rückwirkungsverbot angesprochen ist, soll sie jedoch keine Strafe sein. Das hat den EGMR zurecht nicht überzeugt.

 

Sicher muß es Möglichkeiten geben, gefährliche Menschen notfalls "wegzusperren". Systematisch gehören solche Regelungen jedoch zum Gefahrenabwehrrecht. Täglich werden dutzende Menschen mit kleinen Macken, die sich und andere gefährden, aufgrund der Freiheitsentziehungsgesetze der Länder durch Amtsrichter in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Bei einem offenbar schwer psychisch gestörten Gewaltverbrecher tut man sich mit Gefahrenabwehr jedoch schwer. Statt dessen muß die nachträgliche Sicherungsverwahrung herhalten.

 

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"Doch selbst wenn sie es wird, hat das zunächst einmal keinen unmittelbaren Auswirkungen zugunsten des Beschwerdeführers, schon gar nicht für andere Untergebrachte in ähnlicher Situation."

Das stimmt zwar, aber da die Richter vermutlich in einem gleichen Verfahren wieder so entscheiden sollten, stünde dann der Weg der Wiederaufnahme mit der Hoffnung um Berücksichtigung dieser Rechtsprechung bereit, § 359 Nr. 6 StPO.

 

Das Makabere in dem Fall ist offenbar, dass JETZT darüber nachgedacht wird, wie man ihn entsprechend therapieren kann, damit er auf die Welt wieder losgelassen werden kann. Was hat man denn bitte in den 10 Jahren Jugendstrafe gemacht?

 

Daneben muss man noch anmerken, dass die jetzige Unterbringung der Sicherungsverwahrten meiner Erachtens nicht dem Abstandsgebot des BVerfG entspricht. Wer so untergebracht ist wie ein Sträfling mit einem minimalen Plus an Rechten, der sitzt nunmal de facto eine Strafe ab, auch wenn man es sich schön redet.

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Sehr geehrte Tina,

das mit dem "zahnlosen Tiger" mag häufig stimmen, aber gerade in dieser Angelegenheit bin ich anderer Auffassung. Deutschland lehnt sich in Menschenrechtsfragen diplomatisch regelmäßig ziemlich weit aus dem Fenster. Hier wurde ein (klarer) Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (und auch gegen Art. 5 EMRK) festgestellt - nicht in einer  kleinen Verwaltungsangelegenheit, sondern bei der schwersten Sanktion, die das deutsche Strafrecht kennt. Dies  lässt sich von der Bundesregierung nicht einfach ignorieren. Wenn diese Entscheidung rechtskräftig wird, dann werden die Bundesregierung (sprich: ihre Diplomaten) in jeder Sitzung des Europarats gefragt werden, was denn nun in Deutschland passiert. Denken Sie daran, was dies etwa für die Beziehungen zur Türkei (Mitglied des Europarates) bedeutet. Nach meiner Einschätzung wird dieser Druck  dazu führen, dass man die Gesetzgebung zur Sicherungsverwahrung überdenkt. selbst wenn keine "unmittelbaren" Auswirkungen gegeben sind, so werden die mittelbaren Auswirkungen doch greifen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Was den zahnlosen Tiger angeht, mag man nicht unbedingt wiedersprechen. Aber man sollte bspw. auch nicht vergessen, dass es die Rspr. des EGMR war, die die verachtenswürdige Praxis der Brechmitteleinsätze in Deutschland beendet hat. Zudem ist ja auch nicht so, dass die europäischen Menschenrechtsrechtsprechung an Bedeutung abnehmen wird, sondern nur zunehmen kann.

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Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Da der Bundesgerichtshof vorliegend erstmals über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG befunden hat, hat der Senat auch geprüft, ob die Vorschrift im Einklang mit der Verfassung steht. Dies hat er bejaht. Die Regelung verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen das Doppelbestrafungsverbot, da es sich bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung um eine präventive, der Verhinderung zukünftiger Straftaten dienende Maßnahme handelt und nicht um eine repressive, dem Schuldausgleich dienende Sanktion. Soweit der Vertrauensschutz der betroffenen Straftäter tangiert ist, hat eine Güterabwägung zu erfolgen. Diese hat der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise dahin getroffen, dass der Schutz der Allgemeinheit vor einzelnen extrem gefährlichen jungen Straftätern überwiegt. Aufgrund der engen Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 2 JGG wahrt die Vorschrift auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Gesetzgeber hat hier den Katalog der Anlasstaten noch enger als im Erwachsenenstrafrecht auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt und eine Verurteilung wegen einer solchen Katalogtat zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verlangt (gegenüber der Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht). Zudem hat er die Frist zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 JGG auf ein Jahr verkürzt, während sie bei nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten zwei Jahre beträgt.

Das Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde Nr. 19359/04) steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Abgesehen davon, dass dieses Urteil noch nicht endgültig ist, liegt hier jedenfalls eine - unter den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für maßgeblich erachteten Kriterien - abweichende Fallgestaltung und Rechtslage vor."

Wenn der BGH meint, das Kammerurteil des EGMR stehe nicht entgegen, so kann er sich immerhin zutreffend darauf berufen, dieses Urteil sei ja noch nicht rechtskräftig. Das entlastet den BGH aber nicht von einer eigenen inhaltlichen Prüfung der EMRK, die ja immerhin (auf der Stufe eines Bundesgesetzes) in Deutschland gilt. Und inhaltlich steht die Würdigung, soweit es sich aus der Pressemitteilung entnehmen lässt, nicht gerade auf sicheren Füßen: Der BGH stützt seine Auffassung, ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot  liege nicht vor, auf die (auch vom BVerfG bestätigte) Auslegung des Art. 103 Abs.2 GG, dieser erfasse nicht die nur präventiv ausgerichtete Sicherungsverwahrung. Diese Interpretation ist aber vom EGMR in seiner Entscheidung zu Art. 7 EMRK vom 17. Dezember 2009 (meines Erachtens überzeugend) widerlegt worden.  Die dortige Fallgestaltung war zwar "anders", jedoch  erlaubt sie keineswegs den Schluss, den der BGH hier meint ziehen zu können. Die Sachlage im jetzt entschiedenen Fall ist vielmehr weit eher geeignet, einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot anzunehmen. Im Urteil des EGMR ging es lediglich darum, dass die Höchstfrist der (aufgrund des zur Tatzeit schon bestehenden Gesetzes angeordneten) Sicherungsverwahrung rückwirkend aufgehoben wurde. Hier ist es dagegen so, dass zum Zeitpunkt der Verurteilung  noch überhaupt kein Gesetz existierte, welches eine Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht vorsah. Die absolute Höchststrafe im JGG betrug 10 Jahre Jugendstrafe, weitere Sanktionen waren zum Zeitpunkt des Urteils nicht vorgesehen. Die mit § 7 Abs.2 JGG neu eingeführte Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht knüpft an die Ausgangstat an und verschärft damit faktisch die mögliche Sanktion für diese frühere Tat. Es erscheint auch widersprüchlich, die Durchbrechung des Rückwirkungsverbots (und des Vertrauensschutzgebots) damit zu begründen, dies sei verhältnismäßig, weil die Rückwirkung ja nur besonders schwerwiegende Taten erfasse. Gerade die Schwere der begangenen Straftat hat die (damalige) Höchststrafe begründet. Sie kann daher nicht noch einmal zur Begründung dafür herangezogen werden, dass diese Höchststrafe nachträglich "ausnahmsweise" nochmals verschärft werden dürfe.

 

Ich frage mich, inwieweit der Einwand der Jugendlichkeit hier greifen soll. Jedenfalls wenn man die Sicherungsverwahrung nicht als Strafe ansieht (was ich durchaus anders sehe, Gründe siehe oben) kann es für die Gefahrenprognose eines nach Abstitzen der Strafe sicherlich Erwachsenen nicht darauf ankommen, ob er mit 17 oder mit 22 verurteilt wurde.

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

 

was die Auswirkungen von EGMR-Entscheidungen auf der politischen Ebene betrifft, so haben Sie sicher recht. Die deutsche Rechtsprechung kümmert sich jedoch - wie man der Pressemitteilung des BGH entnehmen kann - wenig um Entscheidungen des EGMR. In den Strafvollstreckungskammern winkt man ab. Abgesehen davon, daß die Entscheidung des EGMR noch nicht rechtskräftig ist, wird sicher kein Landgericht oder Oberlandesgericht einen Sicherungsverwahrten, der von der Entscheidung des EGMR betroffen ist, entgegen dem gültigen deutschen Gesetzeswortlaut allein aufgrund einer EGMR-Entscheidung auf freien Fuß setzen wird.

 

Hier stellen sich auch kollisionsrechtliche Fragen. Die EMRK ist Teil des deutschen Bundesrechts, das StGB auch. Die EMRK ist gegenüber dem StGB kein höherrangiges Recht. Wie also ist für die Fortdauer der Unterbringung zu entscheiden, wenn der EMRK-Beschluß rechtskräftig werden sollte? Es steht die EMRK gegen §§ 66 ff. StGB. Das BVerfG sieht die Rechtsprechung des EGMR weiterhin nur als "Auslegungshilfe" für das deutsche Bundesrecht an (vgl. Beschluß vom 04.02.2010, 2 BvR 2307/06). Die Strafvollstreckungskammern und die Strafsenate der Oberlandesgerichte werden § 67d Abs. 3 StGB aber sicher auch im Falle der Rechtskraft der EGMR-Entscheidung nicht dahingehend auslegen, daß die EMRK dem Wortlaut des StGB vorgeht.

 

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Sehr geehrter Herr Striebel,

wenn es empirisch möglich wäre, die jetzige Gefährlichkeit eines im Strafvollzug einsitzenden Gefangenen unabhängig von seiner früheren Straftat zu beurteilen, dann könnte man systematisch/gesetzlich dies auch so trennen, wie Sie es andeuten. Geht man vom Erwachsenen-Fall aus, könnte man nämlich dann zunächst nach StGB die "Schuldstrafe" bestimmen und nach der "Vergeltung" - ganz unabhängig von der Straftat - nur noch die "aktuelle Gefährlichkeit" des Verurteilten prüfen und je nachdem Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen oder nicht.

Im Jugend-Fall wird es auch begriffsjuristisch schon schwieriger, weil die Jugendstrafe eben nicht "vergelten" soll, sondern erziehen, also bessern. Hier wird es also komplizierter mit der klaren systematischen Trennung zwischen Strafe und Prävention (das übersehen Sie).

Das noch größere Problem ist aber für beide Fälle wiederum ähnlich gelagert: Ohne Blick auf die begangene Straftat lässt sich nämlich überhaupt keine Gefährlichkeitsprognose abgeben. Und da - jedenfalls meistens -  in der Anstalt keine solchen Straftaten mehr begangen werden können, lässt sich aus dem Verhalten in der Anstalt auch nichts für die Gefährlichkeit in Freiheit erschließen. Hier besteht wiederum auch ein empirischer Unterschied zwischen jung und alt: Beim jungen Straftäter ist ja die Entwicklung noch nicht so abgeschlossen wie beim Erwachsenen (weshalb ja überhaupt das JGG existiert), so dass durch Rückgriff auf die Straftat vor zehn und mehr Jahren noch weniger über die Gefährlichkeit ausgesagt werden kann als bei zur Tatzeit schon Erwachsenen. Deshalb haben alle (konservative wie reformorientierte) Kriminologen in der Anhörung dem Gesetz widersprochen, das jetzt Grundlage der Entscheidung geworden ist.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

PS: Lesenwert heute in der FAZ: Ein Artikel des Kriminologen Arthur Kreuzer, em. Prof. Uni Gießen (Quelle)

Sehr geehrter Herr Prof.Dr. Müller,

da ja nun durch die Entscheidung des EuGH festgestellt wurde, dass es sich bei der SV- nicht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung (wie das StGB vorsieht) handelt, sondern diese  als Starfe bewertet werden müsste, stelle ich mir die Frage wie folgender Sachverahalt zu bewerten wäre: der Täter verurteilt zu SV ( § 67 d StGB n.F ). Tatzeitpunkt war zur Geltung der § 67 d StGB a.F.. Nach der neuen Entscheidung hätte jedoch wegen dem Grundsatz des Tatzeitrechts (da galt die a.F), dieser auch nach der alten Fassung verurteitl werden müssen, mit der Folge: Entlassung nach 10 Jahren.

Da das Urteil rechtskräftig ist bleibt zunächst nur der Weg über die Wiederaufnahme des Verfahrens. Grüsse A.Mergel

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Sehr geehrte Frau Mergel,

während in dem von ihnen geschilderten Fall zwar keine Verletzung des Art.5 EMRK vorliegt (im Ausgangsfall des EGMR lag ein Doppelverstoß vor - nämlich sowohl gegen die Rechtskraft als auch gegen das Rückwirkungsverbot) , so ist hier, wie Sie zutreffend bemerken, jedenfalls ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot festzustellen, da sowohl das GG als auch die EMRK das Tatzeitprinzip vorsehen.

Nach § 359 Nr.6 StPO liegt ein Wiederaufnahmegrund vor, wenn der EGMR eine Verletzung der EMRK (worauf das Urteil beruht) festgestellt hat. Allerdings muss diese Feststellung nach h.M. im konkreten Fall ergangen sein - d.h. die Berufung auf eine Entscheidung in einem Parallelfall soll nicht genügen. In dem von Ihnen geschilderten Fall ist deshalb der Erfolg eines Wiederaufnahmeantrags keineswegs gesichert. Nach h.M. müsste zunächst der Weg vor den EGMR gegangen werden.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof.Dr.Müller,

den Gedanken weitergedacht, dass eine SV grds. als Strafe und nicht als Maßregel der Beserung und Sicherung zu betrachten sei, müsste dann doch zur Folge haben, dass wegen dem Verbot der Doppelbestrafung per se jede SV rechtswidrig ist.

Ist so etwas denkbar. Die Möglichkeit einer anderen Unterbringung im Gefängnis, mit mehr Freiheiten etc. würde doch schon den Strafcharakter der SV beenden.

Mit freundlichen Grüüsen

A.Mergel

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Sehr geehrte Frau Mergel,

das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) betrifft nicht die Sicherungsverwahrung insgesamt. Es ist durchaus grds. zulässig, für dieselbe Tat zweierlei Arten von Strafen zu verhängen oder Strafen und Maßregeln zu kombinieren. Es ist nur nicht zulässig, aufgrund derselben schon rechtskräftig abgeurteilten Tat in einem neuen Verfahren eine neue Strafe zu verhängen. Insofern ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung, wenn sie (allein oder ganz erheblich) auf der alten Tat beruht, auch vom Verbot der Doppelbestrafung betroffen. Also: Nicht per se jede SiV, sondern nur die nachträgliche SiV könnte gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen und das auch nur dann, wenn sie aufgrund der früheren schon bestraften Tat erfolgt.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Hinweis: In dem diese Woche erschienenen Heft der "Juristenzeitung" (JZ 2010, 689) hat Prof. Jörg Kinzig eine ausführliche Anmerkung zum hier besprochenen Urteil des BGH publiziert. Neben einigen anderen Aspekten moniert er, die Auffassung des BGH "dass die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs.2 JGG ... nicht gegen die EMRK verstoße, geht fehl." An anderer Stelle meint er, "die Hoffnung des BGH, in der Sicherungsverwahrung sei (nur) deswegen keine Strafe zu sehen, weil sie nach Jugendstrafrecht angeordnet wurde, mutet recht verwegen an."

Im Fazit kommt Kinzig zu der Vorhersage, diese Entscheidung des BGH werde "vor dem BVerfG, spätestens aber vor dem EGMR keinen Bestand haben".

Eine lesenswerte Anmerkung.

 

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