"Leck mich..." - Segensspruch aus Schwaben?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.03.2010

Das altehrwürdige "Götz"-Zitat hat schon manche Gerichtsentscheidung hervorgerufen. Nun findet sich im Beck-Fachdienst Strafrecht eine Besprechung von AG Ehingen, Beschluss vom 24.06.2009 - 2 Cs 36 Js 7167/09, BeckRS 2010, 02289. Hier wird einmal mehr Erstaunliches herausgefunden (ausugsweise und gekürzt):

"....«Leck mich am Arsch» hat vielfältige Bedeutungen und Deutungsmöglichkeiten. Die Aussage reicht je nach Bildungsstand, Gepflogenheit, Herkunft, Landsmannschaft, Geschmack oder äußerem Anlass von der Ehrenkränkung und Beschimpfung über eine Verfluchung oder über Gefühlsausbrüche bei Schmerz, Freude oder Rührung bis hin zu einem Segensspruch..... Im vorliegenden Fall ist der Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB nicht erfüllt. Unter Beleidigung versteht man einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung. Vorliegend hat der Angeschuldigte die Anzeigeerstatterin nicht in ihrer Ehre herabgesetzt. Im schwäbischen Sprachraum wird «Leck mich am Arsch» alltäglich verwendet. Es handelt sich zwar um einen derben Ausspruch. Eine Herabwertung der Ehre des Gesprächspartners ist damit aber noch nicht verbunden.

Thaddäus Troll (Preisend mit viel schönen Reden, S. 214, Hamburg 1972) legt dar, dass das Götz-Zitat im Schwäbischen den folgenden sozialadäquaten Zwecken dient:

  1. Ein Gespräch anzuknüpfen,
  2. eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Fluss zu bringen,
  3. einem Gespräch eine andere Wendung zu geben,
  4. ein Gespräch endgültig abzubrechen,
  5. eine Überraschung zu vermelden,
  6. um der Freude über ein unvermutetes Wiedersehen zweier Schwaben außerhalb des Ländles Ausdruck zu geben,
  7. um eine als Zumutung empfundene Bitte zurückzuweisen.

Das Gericht schließt sich der Rechtsauffassung von Thaddäus Troll an. Im vorliegenden Fall standen die Aspekte Nr. 4 und 7 im Vordergrund...."

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4 Kommentare

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Götz Zitat ist für einen meiner Mandanten (Ruhrgebiet) vor einigen Jahren einmal schon mit 500,00 DM gem. 153a Stpo schon recht teuer geworden. Er soll eine verbale Auseinandersetzung mit einer Frau anläßlich einer ungeklärten Verkehrssituation damit beendet haben. Er sagte in höflicher Abwandlung: "Sie können mich mal am Arsch lecken". drehte sich um und stieg in seinen PKW und fuhr weg. Mehr nicht.

Ansicht des Amtsanwalts im Telefonat: wenn ein Mann dies ggüber einer Frau sagt, dann sei dies strafrechtlich zu verfolgen. Keine Einigung mit der StA - hätte fast zum Amtsanwalt gesagt, dass er mich auch mal ...

Dann erging teurer Strafbefehl - weiß nicht mehr genau, wie hoch da die Begehrlichkeiten der Justiz waren - dann letztlich nach einigem hin- und her Einstellung gg Zahlung.

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Ich halte das Urteil für begrüßenswert. Der strafrechtliche Schutz der Ehre hat teilweise Ausmaße angenommen, die ich unter dem Gesichtspunkt einer wissensgesellschaftlichen Kultur für fragwürdig erachte. 

Diese Kultur lebt davon, dass jeder zunächst einmal in seinem Meinen, Dafürhalten etc. frei ist; er ist dies nicht nur seiner Persönlichkeit wegen, sondern auch der Gesellschaft wegen, die auf frei kommunizierende Menschen als "agents" einer weitgefassten kommunikativen Idee, die mittlerweile sämtliche gesellschaftlichen "Systeme" überdeterminiert, angewiesen ist.

Einige Urteile zu §§ 185 ff. StGB hatten bei mir in den letzten Jahren den Eindruck hinterlassen, dass damit nichts als Unsicherheit geschürt wird, die am Ende dazu führt, dass Menschen bestimmte "Kommunikations-Situationen" schlicht scheuen werden...

Von daher: Mehr Mut zu "Götz" und etwas weniger Empfindlichkeit, dann klappt's auch mit einem verhältnismäßigen Ehrenschutz!

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Herrlich! Als gebürtiger Schwabe kann ich außerdem bestätigen, dass zumindest die Punkte 5 bis 7 definitiv zutreffend sind ... Und angesichts der humorigen, aber ausführlichen Begründung dürfte wohl auch der Rechtsfrieden im entschiedenen Fall wieder hergestellt worden sein ;-)

Schönes Urteil! Allerdings muss ich mal besserwisserisch dazwischenspringen und darauf hinweisen, dass Götz frei nach Goethe gemeint hat, man solle ihm "im Arsche lecken"!
Das finde ich eigentlich noch eine Spur derber.

Interessant finde ich auch immer wieder die "Bullen"-Urteile, wo doch mit dem Begriff des "Bullen" keineswegs eine Kuh, sondern der LandBohler gemeint ist.
Im übrigen handelt es sich bei einem "Bullen" keineswegs um eine Abwertung, handelt es sich bspw. bei einem Leitbullen um jmd., welcher die Richtung vorgibt ...

http://www.anwalt24.de/fachartikel/darf-man-polizisten-als-bullen-bezeic...

Kirchmann

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