Fahren mit 1,54 Promille - Bagatelle, lässliche "Sünde" oder mehr?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 24.02.2010

Aus aktuellem Anlass wird über Trunkenheitsfahrten diskutiert. Für mich ist die Frage des Rücktritts einer Bischöfin daran weniger interessant. Spannender finde ich, dass in dieser Diskussion (einschl. Stellungnahmen diverser Politiker und Würdenträger)  auch der aktuelle Stand der Normbefolgungsbereitschaft im Straßenverkehr gespiegelt wird. Zwar trifft es zu, dass immer noch viele Trunkenheitsfahrten unternommen werden und dass ein großes Dunkelfeld zu vermuten ist, aber viele Indizien in den letzten Jahren deuten darauf hin, dass Alkoholfahrten viel seltener geworden sind. Es handelt sich auch längst nicht mehr, wie noch in den 60er und 70er Jahren um ein typisches "Kavaliersdelikt", mit dem die Mehrheit der Deutschen augenzwinkernd einverstanden ist. Nach meiner Wahrnehmung (von wissenschaftlichen Studien gestützt) gibt es tatsächlich mittlerweile eine gewisse "Ächtung" der Trunkenheitsfahrt im Privatbereich. Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass 1,54 Promille schon ein recht hoher BAK-Wert ist, bei dem nicht an Alkohol gewöhnte Menschen meist nicht mehr den Weg zu ihrem Auto finden.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

20 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Nicht ohne Grund ist "bereits" (?!) ab 1,1 %o die absolute Fahruntüchtigkeitsgrenze erreicht; der nicht an Alkohol gewöhnte Bürger wird dann schon Probleme haben, überhaupt rein physikalisch ins Auto zu steigen. Wer dann noch fahren kann, hat wohl schon Übung im Trinken/Besaufen. Von daher ist dies ein ernstes Zeichen.

"Lässliche Sünde" kann es schon auch nicht mehr sein, denn Anlass zur polizeilichen Kontrolle war ja nicht das Schlingern oder die weit riechbare Fahne, sondern das krasse Überfahren der roten Ampel. Das ist ein klares Ausfallzeichen und man kann wirklich froh sein, dass tiefnachts in Hannover fast alles ruhig ist und sonst keiner mehr auf den Straßen ist. Ein solches Verhalten ist gemeingefährlich und daher gibt es in der Bevölkerung auch nur wenig Verständnis dafür, wenn jemand so dicht, dass er noch nicht mal eine rote Ampel wahrnimmt, sozusagen im Blindflug über die Straßen fliegt...

 

Was mich am Fall wundert, ist die schnelle Weitergabe der Information an die Presse. Sicherlich ist Käßmann eine Person des öffentlichen Lebens und mögliche Straftaten sind vom öffentlichen Interesse, aber hat man als "Prominenter" wirklich keinerlei Persönlichkeitsrechte bei Verfehlungen? Gerade die hohe BAK deutet doch auch auf ein gesundheitliches Problem hin; vielleicht steckt dahinter wirklich eine Suchterkrankung. Dann wäre das aber meines Erachtens zumindest fragwürdig, wenn man frank und frei ohne Rücksicht des Betroffenen hier Informationen an die Presse weitergibt. Inzwischen scheint dies aber auch Usus zu sein wie der Fall der No Angels-Sängerin gezeigt hat.

 

Was für Käßmann jetzt wichtig wäre, wenn sie noch den letzten Rest ihres bislang hart erarbeiteten Rufs retten möchte, müsste sie damit offensiv umgehen und darf in der Öffentlichkeit nichts vertuschen. Gerade als Christin sollte sie die Rolle des "reuigen Sünders" kennen. Das bedeutet: Klar zuzugeben, was war, wie es dazu kam und was sie jetzt machen will, um das zu verhindern. Offenbar ist ja eine MPU auch im Gespräch und bei dem Wert auch nicht mehr so abwegig; aber eine alkoholspezifische psychologische Hilfe scheint mir hier unerlässlich.

 

Lustigerweise habe ich heute morgen in den Medien gehört, dass Beckstein ihr wohl beigesprungen ist, indem er wohl offenbar meint, ein Rücktritt wäre unnötig und ihr Amt mache sie nicht gleich zur Heiligen. Dass Beckstein in der Vergangenheit schon wegen bedenklicher Äußerungen zum Alkoholgenuss in Richtung Beschwichtigung aufgefallen war, mag hier nur mal erwähnt sein... ;)

 

 

 

0

Viel beunruhigender als die Tatsache, dass die Dame mit 1,54 Promille Auto gefahren ist, finde ich es, dass sie mit einem solchen Wert überhaupt noch zu ihrem Auto gefunden hat und es der sie anhaltenen Streife erst durch Alkoholgeruch und nicht durch Ausfallerscheinungen (das Überfahren der roten Ampel mal außen vor gelassen) aufgefallen ist, dass die Fahrzeugführerin getrunken hat. Das deutet meines Erachtens auf einen recht häufigen Alkoholkonsum und eventuell auch auf ein Problem damit hin.

 

Aber kurz zum eigentlichen Thema: Die Ächtung in der Gesellschaft bzgl. Trunkenheitsfahrten hat auch in meinen Augen deutlich zugenommen; zumindest, wenn ich mich mal bei mir im Freundes- und Bekanntenkreis umschaue und -höre. Darüber wird nicht mehr gelacht, sondern die Miene verzogen ...

0

@egal und @Kant: Es bestätigt mich, dass Sie hier denselben Eindruck wiedergeben: Alkoholfahrten werden auch in der breiteren Bevölkerung nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen.

Was die schnelle Weitergabe an die Presse angeht: Auch hier bin ich gespannt, ob wir noch erfahren, wer dafür verantwortlich ist. In der Tat taucht die Frage auf, ob hier zu früh und zu viel an die Presse berichtet wurde, während man der Presse (wieder mal die Bild, die hier möglicherweise über (zu) "gute Beziehungen" zur Polizei verfügt) nicht vorwerfen kann, bei einer zeitgeschichtlichen Person eine solche Meldung zu verbreiten.

Die Ansicht von Beckstein habe ich so wahrgenommen: Unter der Schale des "Hardliners", als der er einmal galt, zeigt sich ein weicher - auch nicht unsympathischer - Kern. Aber der ist gerade im Straßenverkehrsbereich nicht angebracht. Immer noch sterben Tausende jährlich im Straßenverkehr, und auch wenn es deutlich weniger geworden sind, so ist der Straßenverkehr immer noch sehr viel gefährlicher als der Terrorismus.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Nach meinen Beobachtungen täuscht der Eindruck der Ächtung nicht; sie findet jedoch in Gradierungen statt. Vor allem bei idealistischen Jugendlichen ist die Alkoholfahrt so verpönt wie das Robbenschlachten. Dies trifft aber nur auf eine Jugend zu, die sich in der biederen Mittelschicht wiederfindet. Darunter gilt eher die Devise, sich nicht erwischen zu lassen. In der Oberschicht ist man moralisch flexibel, will sich jedoch "die Zukunft nicht versauen".

Geht man in der Altersstufe ein paar Jahre voran, findet man naturgemäß die geistige Reifung auch in der Unterschicht, insbesondere wenn im Umfeld bereits Verkehrsopfer zu beklagen waren. In der Mittelschicht ändert sich nichts, denn hier sind die gesellschaftlichen Vorstellungen der Älteren ohnehin dominant. Dieser Sozialisierung ist Käßmann zuzuordnen, was ihr Verhalten so erstaunlich macht.

Möglicherweise hat sie durch ihren kometenhaften Aufstieg auch allmählich zu einer veränderten Werteordnung gefunden.

0

Umso verwunderlicher ist es, wenn man bedenkt, dass sie im letzten Jahr in einem Interview im Spiegel zur Fastenzeit noch sagte:

"Achim-Achilles.de: Worauf verzichten Sie gerade?
Käßmann:
Ich verzichte auf Alkohol.
Achim-Achilles.de: Fällt Ihnen das schwer?
Käßmann: Ja, ich merke auf einmal, wie sehr ein Glas Wein am Abend zur Gewohnheit werden kann. Aber ich will das Fasten auch nicht zum Gesetz machen. Die alten Mönche hatten da wunderbare Ausnahmen, etwa den Sonntag und Zeiten "auf Reisen".
"

(Quelle: http://www.spiegel.de/sport/achilles/0,1518,613327,00.html)

 

Entweder war das eine der Ausnahmen, oder sie fastet dies Jahr in anderer Weise. (Oder jemand hat heimlich aus ihrem Wasser Wein gemacht und sie hats nicht gemerkt.)

0

In meinem privaten Umfeld nehme ich seit der Einführung der 0,5-Promillegrenze verstärkt einen nahezu totalen Verzicht auf Alkohol vor jeder Autofahrt wahr. Wenn am Abend überhaupt getrunken wird, steht von Anfang an fest, wer nicht mehr fahren muss. Auch der Führerschein auf Probe ist ein feines Druckmittel.

Ich kann mich schwach an die 1970-/80-er Jahre erinnern, als die Trennung zwischen Alkohol und Straßenverkehr eingeführt bzw. verschärft wurde und viele ihre Nichtbeachtung zum gebotenen zivelen Ungehormsam adeln wollten. Die Zeiten  sind vorbei - auch weil viele Rädelsführer dieser Zeit inzwischen der Gerste die Wurzeln kraulen können.

Zum Fall Käßmann:

1. 1,54 Promille sind so weit jenseits von Gut und Böse, daß eine Rückgabe des Führerscheins ohne Kontrolle der Leberwerte ausgeschlossen sein sollte.

2. Beamte müssen jährlich einen Umlauf zur Kenntnis nehmen, der u.a. darauf hinweist, daß auch außerdienstliches Fehlverhalten im Umgang mit Alkohol (insbesondere im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr) diziplinarrechtlich beachtlich ist, weil es der Achtung und dem Vertrauen nicht gerecht wird, die der Beruf eines Beamten erfordert. Die Kirche sollte es eigentlich ähnlich sehen, da Trunkenheitsfahrten ein gefährliches Spiel mit dem Leben auch anderer Leute (meist Fußgänger und Radfahrer) sind.

 

0

Dass Frau Käßmann zurücktritt, stand schon vorher außer Frage. Rückhalt erfährt sie nur durch den Frauenbonus. Jeder männliche Trunkenbold am Steuer wäre längst medial gesteinigt worden.

0

Herrlichen Blödsinn erfährt der staunende Zuschauer indessen von Heiner Bremer aus Berlin: Käßmann sei nicht Täter, sondern Opfer (einer bösen Kampagne). Die "männerdominierte Welt" - insbesondere die der evangelischen Kirche - würde hier strenge Maßstäbe anlegen, wo sie hingegen bei einem Mann augenzwinkernd hinweggeblickt hätte. Ahja. Arme Frau Käßmann (die nun so hart mit sich ins Gericht geht). Kein Wort vom Verlust der Glaubwürdigkeit als EKD-Ratsvorsitzende und Bischöfin in der Fastenzeit. Bremer kann aus schwarz weiss machen, womöglich aus Wasser auch Wein? Ist er einfach nur verwirrt, oder ein begabter Schlagersänger, der die eingeübten frauenverherrlichenden Strophen gegen Geld vorträgt?

 

Viele Grüße

gonsior

0

Nur soviel zum Rücktritt: Ich traue Frau Käßmann zu, dass sie sich weder vom Rat der EKD noch von (falschen?) Freunden noch von der zu erwartenden (aber regelmäßig nach 72 Stunden ja wieder abflauenden) Medien"kampagne" beeinflussen hat lassen, sondern tatsächlich den sich selbst zugefügten Glaubwürdigkeitsverlust als entscheidend angesehen hat. Sie ist, was die Trunkenheitsfahrt angeht, Täterin. Opfer einer Kampagne oder Opfer von Männern in den Kirchengremien ist sie nicht. Die Bezeichnung als Opfer diskriminiert sie sogar in diesem Fall. Sie hat meinen völligen Respekt dafür, dass sie sich nicht (wie so manch anderer) tagelang versucht hat, irgendwie herauszureden.

Wenn es eine spürbare Kampagne gab, dann die reflexartigen frauenfreundlichen Relativierungsversuche von Prominenten und Politikern ("Bischöfin muss keine Heilige sein", "Käßmann auch nur ein Mensch"). Solche Beweihräucherungen kennen wir bereits aus den Medien, wann immer Frauen Fehlverhalten an den Tag legen. Selbst bei der Berichterstattung über aufgedeckte Kindstötungen werden plötzlich Psychologen aus dem Hut gezaubert, die uns anschaulich erklären, dass für das Einmachen der Säuglinge in Dosen oder Blumentöpfen letztlich immer ein oder mehrere Männer die Schuld tragen. Hat der Täter nicht das Glück, eine Frau zu sein, kann er sich auf Vorverurteilung und nachhaltige Monstermache einstellen.

Aberwitzig Käßmanns Einlassung in der PK selbst, es habe so manches in den Medien gegeben, was der Würde des Amtes nicht gerecht wurde. Verblüffend: nicht sie selbst hat demnach der Würde des Amtes geschadet, sondern die Medien (die fahren ja auch nachts besoffen über rote Ampeln). Respekt für den kurzentschlossenen Abgang mag man empfinden - andere nennen es einfach nur geschicktes Krisenmanagement. Zumindest ist der Rücktritt weniger prätentiös, als ein "letzter Gruß in die Runde" per eMail inkl. Absch(l)ussgeräusch. Es erinnert dennoch ein wenig an das Unvermögen, eigenes Versagen richtig einzuordnen, so wie sich beispielsweise auch Heide Simonis bis heute völlig sicher ist, dass die Schuld an ihrem Wahldebakel bei Männern zu suchen ist ...

0

Die Ächtung von Alkohol im Straßenverkehr hat zugenommen. Ich finde, dass es sich dabei um eine gute Entwicklung handelt.

Dennoch sollte man nicht vergessen, dass die Mehrzahl der Verkehrsunfälle auf andere Umstände zurückzuführen ist als auf Alkoholeinfluss von Verkehrsteilnehmern. Wirft man einen Blick auf die Statistiken europäischer Länder, so weisen zwischen 5 und 8% der Unfälle mit Personenschaden  alkoholisierte Beteiligte auf.

Wichtige Faktoren sin fehlende Tempolimits auf Autobahnen, Kraftfahrzeuge, die geradezu produziert werden, um mit ihnen zu "rasen", eine Werbekampagne der Automobilindistrie, die schnelles Fahren noch immer zum Symbol für Männlichkeit und Dominanz stilisiert usw. 

All diese Faktoren werden in der öffentlichen Debatte unterbewertet. Grund: Man schätzt in Deutschland die Leistungskraft der Automobilindistrie, so dass die Reduzierung von Gefahren durch striktere Tempolimits u.ä. kaum eine Lobby in Deutschland hat. Mit anderen Worten: Wir haben es mit einem klassischen Fall von Doppelmoral zu tun!

0

Rainer Grauer
78052 Villingen-Schwenningen
r.grauer@email.de

Die Bischöfin, Frau Käßmann hat einen Fehler gemacht den Sie zu tiefst bereut. Was sie veranlasst hat ihre Rolle als Vorbildfunktion kurzfristig zu verlassen, kann nur sie selbst wissen. Ihr ist hoch anzurechnen, dass sie die Konsequenzen zieht und zurücktritt.

Frau Käßmann ist keine Heilige, will keine sein und hat gegen von Menschen gemachte Gesetze, die für alle Menschen gleich gelten, verstoßen. Dafür muß sie die srafrechtliche Konsequenz tragen.

Ein vorbildhaftes Verhalten der Kirchen-Menschen, die was zu sagen haben, wäre, wenn Sie Jesus folgen würden und Sie bitten würden, zu bleiben "Geh hin und sündige nicht mehr!"....Wir sind noch nicht im Paradies, wir sind immer noch Menschen... und Menschen machen Fehler... menschliche Größe wäre, diese Fehler zu verzeihen.... Vergebung der Sünden.. nicht nur von Gott, sondern auch von Menschen untereinander... Die Chance des Bereuens und des Neubeginns geben....
und offen und ehrlich zu sein....
wir haben keine bessere... bitte bleiben Sie und setzen ihre christlich geprägten Vorstellungen um...wir stehn hinter Ihnen und begleiten Sie auf ihrem Weg... seien Sie weiterhin authentischer Mensch mit Ecken und Kanten und seien Sie Nachfolgerin von Jesus, in dem Sie seine (r)evolutionären Gedanken (ich denke dabei hauptsächliche an die Bergpredigt) in die heutige Sprache und heutige notwendige Verhaltensmuster übersetzen... Jesus ist aktueller denn je... Die Zeit ist entfernter von seinen rettenden Konzepten als je zuvor... Frau Käßmann kann diesen Teufelskreis durchbrechen, in dem sie möglichst viele Menschen (Christen und Nicht-Christen) durch glaubhafte Überzeugungsarbeit aktiviert.
ich bin dabei.

Rainer Grauer

0

Fürsprache in Ehren, aber ob Frau Käßmann die Vorbildrolle "nur kurzfristig" verlassen hat, ist ebenso Spekulatius wie Mutmaßungen über ein andauerndes Alkoholproblem. Immerhin ihre Reue wird authentisch sein, denn es ist die Reue des ertrappten Täters - mit öffentlicher "Reue" nach einem feuchtfröhlichen Abend und einer geglückten Heimfahrt wäre hingegen kaum zu rechnen gewesen. Insofern reden wir hier über Krokodilstränen als Folge des Mediendesasters und dem Verlust der Authorität (Macht), und nicht über eine Bischöfin, die ernstlich ihren Lebenswandel in Zweifel zieht. Heiligkeit wird von Frau Käßmann nicht erwartet, wohl aber Glaubwürdigkeit - und zwar nicht erst im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle nach auffälliger Fahrweise.

 

Herzliche Grüße, mit denen ich mich aus dem Thread verabschiede

gonsior

0

In einem aktuellen Spiegel-Interview hält Ex-Bischöfin Wartenberg-Potter die ganze Aktion gegen Frau Käßmann für Sexismus (!)

Man staune und wundere sich: nach Ansicht einiger evangelischer Würdenträgerinnen (es gibt noch andere, ähnlichlautende Meinungen) werden 1,54 Promille und Rote Ampel bei Männern immer noch als Kavaliersdelikt angesehen. Nur Frauen dürfen in den strengen Augen der Medien solche Fehler nicht machen.

In welcher Welt leben diese evangelischen Frauen denn?

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,680230,00.html

Wartenberg-Potter: Frauen sind noch immer in einer Pionierrolle. Der Sexismus hat auch ein Neidgesicht. Wir haben noch nicht das Recht, genauso viele Fehler zu machen wie die männlichen Kollegen. Was bei einem Mann als Kavaliersdelikt gewertet worden wäre, wurde zum öffentlichen Tribunal. Frauen haben noch wenig Erfahrung mit Erfolg und Scheitern. Sie dürfen keine Fehler machen. Es gibt noch immer Gruppen in der Kirche, die Frauen in Führungspositionen nicht anerkennen.

Daraus jetzt eine Genderdebatte machen zu wollen, halte ich für sehr verfehlt. Frau Käßman hätte es aussitzen können, wenn sie gewollt hätte. Wie in #10 zurecht gesagt, wäre das Medieninteresse bald verflogen. Dass sie das nicht tut, ist ihr hoch anzurechnen und diese Gewissensentscheidung sollte nicht durch irgendwelchen Unfug wie "ist nur passiert, weil sie eine Frau ist" herabgesetzt werden.

Wenn Frau Wartenberg-Potter diese Gewissensentscheidung nicht nachvollziehen kann und nur mit Sexismus erklärt bekommt, wirft das allenfalls ein sehr schlechtes Bild auf sie selber. (Auch weil ein "Sie ist nur zurueckgetreten, weil sie eine Frau ist"-Vorwurf selber sexistisch ist, beinhaltet er doch, dass Frauen nicht das notwendige Rückgrat haben, um so eine Situation durchzustehen.)

0

Was soll an dieser Stelle diskutiert werden ? Steht die Tat zur Aburteilung oder die Person ? Ich halte die Diskussion für überflüssig. § 316 StGB ist eindeutig keine Bagatelle. Schon die Frage verwundert. Ich habe aber das Gefühl, dass an dieser Stelle manche ihrer Abneigung gegenüber der Person Käßmann freien Lauf lassen. Das hat in einem Rechts-Blog nichts zu suchen.

Sehr geehrter Herr Hüttemann,

Frau Käßmann soll nun auch nicht mehr Thema hier sein. Aber meine Ausgangsfrage halte ich nicht für überflüssig, weil das Phänomen einer sich ändernden Normbefolgungsbereitschaft (bei unveränderter Norm) wichtige Erkenntnisse über die Wirkungen von Strafrecht im Allgemeinen und über das Verkehrsstrafrecht im Besonderen liefert. Aufschlussreich ist zum Beispiel, ob einer Norm selbstverständlich gefolgt wird, weil sie ihre Geltung aus der Überzeugung schöpft (z.B. Einhaltung des Tötungsverbots), oder ob sie nur deshalb befolgt wird, weil man "erwischt" werden könnte. Insofern gibt es gerade bei § 316 StGB einen Wandel, den ich an dieser Stelle aufgrund des Anlasses einmal zum Bewusstsein bringen wollte bzw. erfragen, ob dies andere auch so sehen. Der Fall ist einfach nur Anlass dazu,  und die Äußerungen einiger veröffentlichten Stimmen deuten an, dass hier noch keine vollständige Übereinstimmung dahingehend herrscht, dass es keine "Bagatelle" ist.

Hinsichtlich der (erheblichen) Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit gibt es diesen bei den Alkohlfahrten erreichten relativen Konsens noch nicht, obwohl - wie andrew13 (#12) richtig sagt - hierdurch weit mehr Unfälle mit weit schwerwiegenderen Folgen verursacht werden. Meine gestellte Frage, die auch in der Verkehrskriminologie diskutiert wird, zielte genau darauf ab und es wurde in einigen der Kommentare hierzu auch geantwortet.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

 

Auch ich bin der Meinung, dass die Eingangsfrage zutreffend gestellt ist. Gab es ist doch einige Politiker, die zunächst die gravierende Trunkenheitsfahrt als "allzu menschlich" verharmlost haben, die dann wieder bei passender Gelegenheit die Verkehrssicherheit "hoch aufhängen". Wie es eben geradeso passt.

Weil eben weder Bagatelle noch "lässliche Sünde" rückte der Fall wieder einmal die Frage nach der Vorbildfunktion in einer Zeit in den Vordergrund, in der die Menschen nicht nur ihr Vertrauen in Parteien und Politiker, sondern auch in die Kirchen verlieren oder sogar schon verloren haben: Wie ist mit jemandem umzugehen, der sich als moralische Instanz versteht und zur Entscheidung darüber berufen fühlt, was richtig und was falsch ist, wenn er selbst fehlt?

Die von Frau Käßmann jetzt getroffene Entscheidung ist vorbildlich.

Die Meinung in der Bevölkerung ist wohl in der Tat mittlerweile so, dass Alkoholsünder abgeurteilt werden. Jedoch bleibt zu erwähnen, dass es wirklich jedem passieren kann, in solch eine Situation zu geraten, denn Menschen sind von Fehlern nicht frei. Ich denke, viele sind in ihrer Führerscheinkarriere bereits ein- oder mehrmals <a href="http://www.alkoholfahrt.com">betrunken gefahren</a> aber nicht erwischt worden. Wem es jedoch mal erwischt, der sollte sich rechtlichen Rat einholen.

0

Kommentar hinzufügen