Bundesrat will Prozesskostenhilfe begrenzen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 24.02.2010

Der Bundesrat hat einen erneuten Vorstoß unternommen, die Ausgaben der Länder für die Prozesskostenhilfe (PKH) zu senken (BR-Drucks. 37/10 B). Zu diesem Zweck sollen die Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH verschärft und zugleich die Pflichten der Prozessparteien zur Rückzahlung der PKH an die Staatskasse ausgeweitet werden. Die bisherigen Sonderregelungen in den einzelnen Verfahrensordnungen, darunter auch im Arbeitsgerichtsgesetz (§ 11a ArbGG), sollen entfallen.

Unter anderem soll § 114 ZPO um einen neuen Absatz ergänzt werden:


(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, soweit eine nicht Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände trotz hinreichender Aussicht auf Erfolg von der beabsichtigten Prozessführung absehen würde. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Kosten der Prozessführung unter Berücksichtigung des erstrebten wirtschaftlichen Vorteils, der Erfolgsaussicht und gegebenenfalls der Aussicht auf Durchsetzbarkeit des erstrebten Titels unverhältnismäßig erscheinen.

Zudem soll das durch die Prozessführung Erlangte - also beispielsweise der erfolgreich eingeklagte Lohn oder die erstrittene Abfindung - zur Rückzahlung der PKH eingesetzt werden müssen (§ 120a ZPO neu):


(1) Hat die Partei durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, für die ihr Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, etwas erlangt, hat sie die Kosten der Prozessführung aus dem Erlangten aufzubringen. Das Gericht ändert die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen und setzt den aus dem Erlangten zu zahlenden Betrag fest. (...)

Die Erfolgsaussichten des Vorstoßes sind allerdings ungewiss. Einen gleichlautenden Entwurf hatte die Länderkammer nämlich schon im Jahre 2006 verabschiedet (BR-Drucks. 250/06). Dieser war aber jedenfalls in der großen Koalition nicht konsensfähig, wurde daher im Deutschen Bundestag nicht abschließend beraten und ist letztlich mit Ablauf der 16. Legislaturperiode der Diskontinuität anheim gefallen.

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7 Kommentare

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"erstrebter wirtschaftlicher Vorteil" - Für einen Hartz IV-Empfänger sind 50,- € bereits ein erheblicher Betrag, für Herrn Ackermann erheblich weniger als peanuts. Soll die angestrebte Gesetzesregelung dazu führen, den Ärmsten der Armen auch das Recht zu nehmen, Ihnen zustehende Forderungen geltend zu machen?

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Ihre Überschrift hat mich etwas erschreckt.

Vielleicht ändern Sie diese in "Bundesrat will....." :)

 

Grüße

ALOA

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Mir kommt es wie #1 vor.

Wir haben ja schon in vielen Bundesländern den Fall, das eine Beschwerde nicht mehr kostenlos ist.

Wenn man die Analogie hinzuzieht z.B. einer Beschwerde gegen einen Bescheid z.B. wegen eines Zwangsumzuges(1), so würde eine staatliche Stelle darüber entscheiden ob eine Klage gegen den Staat Erfolg verspricht.

Das würde nach Lage der Dinge wohl als

A) "nicht erfolgsversprechend"

B) "die Kosten nicht aufwiegend" (bei Erfolg kommt weniger heraus als es kostet)

abgelehnt. Gleiches gilt für HartzIV-Sätze von Kindern.

Damit stünden auch Grundsatzurteile (und sei es wg. Pfandmarken) in diesem Bereich nicht mehr unter Prozesskostenhilfe-"Schutz".

Dazu kann man sich auch analog die Stellungnahme Verwaltungsrichter/innen BW zur Abschaffung der Widerspruchsverfahren(2) ansehen.

Das sollte in etwa ähnlichen Argumentatioslinien folgen.

 

Grüße

ALOA

 

1) http://hausblog.taz.de/2010/02/zu-heikel-um-es-zu-veroeffentlichen/

2) http://www.vrv-bw.de/sonstiges/brief-jum-2007-08-wivf.pdf

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Pro: Das tatsächliche Übliche wird kodifiziert - bereits jetzt hat man bisweilen erhebliche Probleme, PKH zu erlangen (nach 3/4 Jahr fröhlichem hin und her "plötzlich" und von Anfang an keine Erfolgsaussichten - praktischerweise samt Gerichtsbescheid, ist arbeitseffektiver)

Contra: Wer zur Hölle mag entscheiden, wann etwas ausreichend wichtiges Verhältnis Kosten/Nutzen darstellt

Vermittelnd: Warum nicht eine Gewinnbeteiligung wie bei der Prozessfinanzierung;)

Ob eine solche Regelung vor dem BVerfG Bestand hätte, ist mehr als zweifelhaft. Trotz Erfolgsaussichten und einem wahrscheinlichen rechtswidrigen Verhalten der Gegenseite (im Verwaltungs- und Sozialrecht zumeist eine Behörde), die im Erfolgsfall sodann auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte, soll dem Antragsteller PKH versagt werden. Eine Ermutigung an alle Behörden, geringfügige Leistungskürzungen vorzunehmen, weil der Betroffene ohnehin keine PKH für die Rechtsverfolgung erhält.

Beispiel Kassel: die Sozialgerichte schreiben der Stadt Kassel seit Jahren ins Stammbuch, daß sie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu tragen habe und nicht einfach pauschalierte Beträge ansetzen dürfe. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel hat vorgestern "beschlossen", diese Rechtsprechung im Laufe des Jahres irgendwie, irgendwo, irgendwann "umzusetzen", obgleich das Sozialamt hierzu ohne weiteres rechtliche verpflichtet ist und es keines entsprechenden Beschlusses der Abgeordneten bedarf.

Mit der angestrebten neuen PKH-Regelung würde ein solches rechtswidriges Verhalten sogar unterstützt, da PKH für die Geltendmachung geringfügiger Abweichungen der tatsächlich gezahlten Beträge von den berechtigten Ansprüchen der Antragsteller nicht mehr zu gewähren wäre. Ist ja schließlich mutwillig, eine Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten...

Für die Behörden liegt der Gewinn auf der Hand. Noch weniger Menschen als bisher werden gegen rechtswidrige Bescheide vorgehen. Das macht sich in der Kasse positiv bemerkbar. Rechtsstaat nach Kassenlage. Möchte jemand eine Banane?

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