Vorratsdatenspeicherung: BVerfG-Entscheidung kommt
von , veröffentlicht am 19.02.2010Rechtsgebiete: VorratsdatenspeicherungDatenschutzrechtStaatsrechtTelekommunikationsrechtUrheber- und MedienrechtÖffentliches Recht8|3421 Aufrufe
Über die Vorratsdatenspeicherung (die zwangsweise Speicherung von Verkehrsdaten durch TK-Unternehmen und Dienstleister zu Strafverfolgungszwecken) ist ja schon mehrfach hier im Blog berichtet worden. Für alle Interessierte zum Vormerken im Kalender: Das Urteil des BVerfG im Verfahren zur Vorratsdatenspeicherung (Az. BvR 586/08 u.a.) wird am 02.03.2010, 10.00 Uhr, verkündet.
Frage an alle: Wie wird das BVerfG wohl entscheiden?
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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8 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenPascal kommentiert am Permanenter Link
Mein Tipp: Eine typische "ja, aber"-Entscheidung, welche die Speicherung prinzipiell zulässt, die Verwertung allerdings von gewissen Voraussetzungen abhängig macht, welche sich irgendwo zwischen denen der einstweiligen Anordnungen und den Vorschriften zum großen Lauschangriff richten.
Dr. Thomas Lapp kommentiert am Permanenter Link
Vielen Dank für den Hinweis, lieber Herr Kollege Dr. Spies. Das Urteil wird also am ersten Tag der CeBIT 2010 verkündet - das passt.
GustavMahler kommentiert am Permanenter Link
Die grosse Frage ist auch für mich, an welchem Wert das BVG die Speicherung festmacht. Entweder es stellt die Rechte des Bürgers in den Vordergrund, oder die Notwendigkeit/Möglichkeit der Strafverfolgung. Zum Letzteren neige ich eher, wenn auch mit Auflagen.
Bürgerinitiativ... kommentiert am Permanenter Link
Etwas zum Thema Vorratsdatenspeicherung:
Warum das Telemediengesetz und der Rundfunkstaatsvertrag ungültig sind und es keine Impressumpflicht gibt, welche mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie Ihr Grundgesetz!
Vorab ein Zitat von gewisser Tragweite: Lübbe-Wolff, Bundesverfassungsrichterin in “Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte”
Normenhierarchie des Grundgesetzes [1] vor dem einfachen Gesetz:
aloa5 kommentiert am Permanenter Link
Natürlich wird das BVerfG die Möglichkeit Strafverfolgung über die Gefahr eines aushölens der Grundrechte stellen.
Das ist zuallererst eine politische Frage. Die Juristen in Karlsruhe schützen die Grundrechte nicht wirklich. Sie setzen lediglich den Rahmen in welchem man sie brechen kann. Das ist auch ihre Aufgabe. Die Aushölung findet durch gewählte Politiker statt und ist nur in Berlin und nun auch im Europaparlament zu verhindern (oder eben nicht).
Ich vergleiche das wieder mit dem Urteil zum Lissabon-Vertrag. Dort lag der Fall ähnlich. Eigentlich ein klares "nein". Der Unterschied (auch zum Lauschangriff) ist hier: wenn die Datenbank einmal steht wird auch darauf zugegriffen werden - ob legal oder illegal bzw. verdeckt spielt dabei absolut keine Rolle. Man darf nicht vergessen das von den illegal legal verwendeten Steuer-CD´s bis hin zur Operation Mikado die Legitimation gefunden wird auch wenn es illegal zu sein scheint.
Un - ich vergleiche es dabei mit dem Richtervorbehalt. Auch bei selbigem ist es nicht die Aufgabe Karlsruhes zu prüfen ob die Richter es so verstehen wie sie es sollten. Wenn nachweislich die Richter sich Zitat: "die Ansicht nicht zu eigen machen", das es eine Prüfung im Sinne eines verbesserten Grundrechtsschutzes darstellt dann ist dies etwas wo Karlsruhe ebenso darüber hinwegsehen wird oder gar (ganz formal) muss wie über den Fakt das es die Justiz, Polizei oder die Politik überhaupt nicht interessiert ob sie auf diese Daten zugreifen dürfen oder nicht.
Ich erwarte daher, das Karlsruhe eindeutig sagt: Daten erheben und horten ist prinzipiell erlaubt, auch wenn man damit Profile usw. erstellen kann. Und damit hat man den GAU bereits. Und das ist vollkommen unabhängig davon welche Bedingungen die Richter daran knüpfen. Es ist (dann) vergleichbar mit einem großen Lauschangriff wenn sie gesagt hätten: jederzeit möglich, aber darauf zugegriffen würde nur wenn... [xyz].
Grüße
ALOA
Andrew13 kommentiert am Permanenter Link
Das BVerfG kann dieses Gesetz nicht durchwinken; eine Beschränkung der Datennutzung auf die Fälle schwerer Straftaten, wie sie in der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurde, ist nicht ausreichend. Denn bereits die Speicherung der Daten ist ein Eingriff in Grundrechte, der sich nicht rechtfertigen lässt. Würde das BVerfG dieses Gesetz absegnen, wäre dies ein Bruch mit einer bewährten Verfassungstradition: Dem Verbot, Menschen ohne Anfangsverdacht einer Überwachung zu unterwerfen.
Andrew13 kommentiert am Permanenter Link
Heute war in der Presse die Prognose zu lesen, dass das BVerfG in der Sache nicht entscheiden werde; vielmehr werde es unter Anwendung der SOLANGE Rechtsprechung auf den allgemeinen Grundrechtsschutz auf Unionsebene verweisen und daher seine Jurisdiktion für die materielle Bewertung des deutschen Umsetzungsgesetzes ablehnen.
Ich halte das für wenig wahrscheinlich, da sich Papier doch kaum mit einem Urteil verabschieden wird, welches den Tabubruch namens "Wir alle sind verdächtig" a.k.a. "Vorratsdatenspeicherung" weitgehend ungeschoren (dh mit seichter Beschränkung des Zugriffs und der Nutzung der Daten auf bestimmte Straftaten) davonkommen lässt.
Der Schlüssel zu einer Entscheidung in der Sache könnte im Lissabon-Urteil liegen. Das BVerfG hat im im Lissabon-Urteil betont, dass es prüft, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt ist. In Art. 79 Abs. 3 GG heißt es: "Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig." Das BVerfG könnte sich nun auf den Standpunkt stellen, dass die Richtlinie gegen Art. 1 GG verstößt. Ist das der Fall, läge gar keine Verbindlichkeit der RL für die BRD vor, da nach Art. 23 GG zwar Kompetenzen auf die Union übertragen werden können, jedoch nur in den Grenzen, die Art. 79 Abs. 3 GG vorgibt. Verstößt die VDS gegen Art. 1 GG? Das ist also eine Frage, die das BVerfG in jedem Fall prüfen kann und wird. Und da sehe ich erhebliche Chancen: Die VDS bewirkt, dass der Bürger zum Objekt abgestempelt und unter den Pauschalverdacht gestellt wird, gegen Recht zu verstoßen. Dies pervertiert einen Grundsatz unserer Verfassung, der in Art. 1 GG zum Ausdruck kommt: Da Vertrauen in den Bürger als selbstbestimmtes, ethisch und moralisch "ansprechbares" Individuum!
--> Meine Prognose: Papier verabschiedet sich, indem die VDS mit Verweis auf Art. 1 GG gekippt wird.
Michael kommentiert am Permanenter Link
ja, aber...
die "abers" werden irgendwann dafür sorgen, dass dem bürger
nur noch der blanke grundrechtskern bleibt... wenn überhaupt!
skandalös sind doch die versuche der politik, immer hart
an der verfassungsmä0ßigkeitsgrenze zu segeln.warum
muss dieser spielraum zunehmend ausgeschöpft werden?
ist alles was gerade nicht illegal ist gleich auch wünschenswert?