Tolksdorf: Weg mit dem Richtervorbehalt bei Blutprobenentnahme!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.02.2010

Langsam mehren sich die Stimmen, die die Abschaffung des Richtervorbehalts bei Blutprobenentnahmen fordern. Im Blog von Herrn RA Detlef Burhoff ROLG a.D. habe ich hierzu einen Hinweis auf diese Spiegel-Meldung gefunden. Der Präsident des BGH Tolksdorf hat sich klar für die Streichung des Richtervorbehalts in § 81a StPO ausgesprochen. Gut so!

 

 

Vorsicht (Eigenwerbung):

Zu § 81a StPO: Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis und Alkohol, 5. Aufl. 2010, Rn. 7 ff. - hier übrigens eine Rezension des Buchs

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32 Kommentare

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Für pragmatische Richter wäre es wohl eine Arbeitserleichterung, dem Rechtsstaat, auch gerade unter Willkürgesichtspunkten von Anordnungen, sicher weniger dienlich.

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Schaffen wir doch einfach den Rechtsstaat und die Verfahrensgarantien ab. Die braucht bei der objektivsten Behörde der Welt (deren Hilfspersonen selbstredend und natürlich eingeschlossen) und einem an das Recht gebunden Rechtszug eh keine Sau^W^Wkein Angeklagter mehr. Das würde die Verfahren beschleunigen, sie auch noch berufungs- und revisionssicher machen und würde dadurch schlussendlich Geld sparen.

Wer Sarkasmus findet, darf ihn gerne behalten.

 

Tolksdorf: ""Welchen Wert hat der Richtervorbehalt aber, wenn er ohne eigenes Ansehen ergeht", meinte der Jurist."

Eben. Also auf ins Auto und hinfahren, liebe Richter!

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Rein mathematisch ist die Polizei 2/3 des Tages (16.00-08.00h) geeignet die Anordnung zu treffen. In den übrigen 8 Stunden soll das nicht der Fall sein, weil dort ein Richter erreichbar ist? Entweder lösen das die Juristen und sind bereit, einen 24h-Service zu bieten, oder sie sollen sich nicht so maßlos überschätzen. Andernfalls soll der Gesetzgeber dieser Norm den angeblichen beimessen und die Richter gesetzlich zur Erreichbarkeit zwingen.

Übrigens ist der Richtervorbehalt für eine Blutentnahme doch nicht mit dem für eine Wohnungsdurchsuchung zu vergleichen. Der Verkehrsteilnehmer ist ja irgend wie aufgefallen, sei es ein Unfall, eine Mitteilung anderer oder in einer Kontrolle. All das hat der prüfende Polizist miterlebt. Wie soll diese Entscheidungsgrundlage einer anderen Person (Richter) kurz und knapp, aber dennoch authentisch mitgeteilt werden am besten schriftlich?

Und zu guter letzt wird die Blutentnahme immer noch von einem Arzt vorgenommen. Es gibt also noch eine "unbeteiligte" Instanz, die sicher kritisch registrieren würde, ob Zweifel an der Maßnahme angebracht sind. Prüfen Sie mal 100 oder 1000 Vorgänge. Können Sie einen Fall finden, bei dem der Arzt keinerlei Hinweise auf Alkohol oder Drogen gefunden hat oder durch Vortests belegt waren?

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@ Herr Krumm: Was ist eigentlich gut daran - siehen oben "gut so" - wenn q man nicht eine jahrelange rechtswidrige Praxis ändert bzw. versucht die Polizei dazu anzuhalten, sich an dei Vorgaben der StPO zu halten, sondern einfach das Gesetz ändert und damit dieses an die rechtswidrige Praxis anpasst?

@ H.W.: Wieso ist die "Polizei 2/3 des Tages (16.00-08.00h) geeignet die Anordnung zu treffen"? Die StPO geht davon aus, dass immer der Richter entscheiden muss. Nur die Polizei sieht das anders. Offenbar hatte der Gesetzgeber mal eine andere Vorstellung.

Schließelich. Nach der Äußerung der Präsdienten des BGh dürfte klar sein, wo beim BGh die Fahrt hingeht, wenn die Frage zu entscheiden sein wird. Ich finde es nicht gut, dass er in dieser hochstreitigen Frage, so deutlich Stellung bezieht. Er ist doch kein Politiker, oder doch?

 

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@ D. Burhhoff: Die Polizeibeamten X und Y halten Pkw-Führer A an. Der freiwillig durchgeführte Atemalkoholtest beträgt laut Messgerät 1,4 Promille. Sachverhalt und Messergebnis werden dem StA und schließlich dem Richter mitgeteilt. Wie würden Sie nun als Richter a.D. entscheiden?

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@#7: Den Fall könnte man explizit gesetzlich regeln. Interessant wird es, wenn der freiwillige Atemalkoholtest abgelehnt wird.

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Was ich nicht verstehe.

Wenn die Polizei einen Kontrollpunkt aufstellt, ist dort ein Arzt zu gegen bzw. es muss einer auf dem Revier sein, damit die Blutentnahme durchgeführt werden kann. Der Arzt ist also ggf. die ganze Nacht dabei für den Fall einer Blutentnahme. Warum kann man dann nicht einen Richter dem Arzt an die Seite stellen. Polizisten, Ärzte und Andere müssen doch auch Nachtschichten machen.

Ach ja, ich weiß. "Ich geh nicht in Staatsdient um am WE zu arbeiten!" (Originalzitat eines Beamten).

 

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@7: Die Rückfrage verstehe ich nicht. Das Ergebnis hat doch mit dem Verfahren nichts zu tun. Es gibt nun mal derzeit noch ein Verfahren in der StPO, das die richterliche Anordnung vorsieht, auch wenn es offenbar einigen nicht gefällt. Aber ich kann Sie beruhigen: Die Rufe aus der Politik werden doch - unterstützt vom BGH-Präsidenten, was ich an sich für - gelinde ausgedrückt - nicht passend finde - immer lauter und man wird sicherlich eine Regelung finden, die der Polizei gefällt.

Allerdings: Wie will man eigentlich Beschränkungen einführen. Gibt es dann ein "StPO ligth" und eine "StPO-heavy". Und was ist, wenn es sich später herausstellt, dass es eben nicht nur § 316 StGB oder § 315c StGB war, sondern §§ 315b, 211, 22, 23 StGB. Auch verwertbar. Der BGH wird die Fälle über seine Abwägungslehre dann schon richten.

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@ Detlef Burhoff: Sie sprechen ausschließlich davon, dass angebliche Befindlichkeiten "der Polizei" Stein des Anstoßes seien.

Den Streifendienstbeamten wird es aber wohl herzlich egal sein, ob sie jetzt noch einen StA und/oder Richter fernm. kontaktieren müssen. Das mag vielleicht den ein oder anderen "alteingesessenen" Polizisten, der sich -wie sie auch zutreffend sagen - jahrelang quasi gewohnheitsmäßig auf die Nichteinhaltung und konsequente Nichtbeanstandung von Richtern, Staatsanwälten und RA'en verlassen konnte, a bisserl wurmen. 

Wie bereits von Beitrag #9 angesprochen, liegt doch der Kern des Problems bei den Justizbehörden: wenn der 81a konsequent umgesetzt werden soll, dann hat auch ein Richter zur entsprechenden Tages- u. Nachtzeit erreichbar zu sein. Oder ist der Beruf des Richters nicht "schichtkonform"? Die entsprechende Umsetzung kostet aber bekanntlich zu viel Geld und wird den meisten Richtern auch -wie die Entwicklung ja gerade zeigt- sehr unbequem sein. Die Folge ist, dass es bis auf einige wenige (OLG Hamm, Celle pp.) dennoch zur Verwertbarkeit von nicht richterlich angeorndeten Blutentnahmen kommen wird (oder eben zum Wegfall des Richtervorbehaltes)!

Gerade da fällt mir bzgl. der Richter doch nur folgendes Sprichtwort ein: "Jeder ist sich selbst der Nächste"......

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Pragmatismus und Kosteneinsparungen können keine Gründe für die Aufgabe des Richtervorbehalts und Rechtsstaates sein.

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@ Samuel: Doch, einen Richtervorbehalt kann man sehr wohl aus Pragmatismus und Kostengründen abschaffen. Wenn nämlich ein Institut der Rechtsstaatlichkeit in der Praxis so derartig wenig an Zugewinn für den Rechtsstaat bedeutet wie der Richtervorbehalt bei der Blutprobe und eine Lösung im Raume steht, die aus rechtsstaatlicher Sicht ebenso zufriedenstellend ist, aber deutlich Kosten einspart, dann ist die Abschaffung des Richtervorbehalts sehr vernünftig. Die rechtsstaatlich ebenso zufriedenstellende Lösung beinhaltete die Ermächtigung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Hilfspersonen zur Anordnung von Blutproben zusammen mit einem absoluten Beweisverwertungsverbot und einem Entschädigungsanspruch, sollte sich die Anordnung nachträglich als rechtswidrig herausstellen.

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@Hades: dann liegen wir ja gar nicht weit auseinander. natürlich geht es auch um die Frage der Erreichbarkeit des Richters.

@13: Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der Gesetzgeber ein "Absolutes Beweisverwertungsverbot und einen Entschädigungsanspruch" einführen wird. Dagegen wird man dieselben Argumente anführen, die man jetzt auch gegen die Annahme eines BVV anführt. Und was heißt: nachträglich als rechtswidrig herausstellt? Die Abwägungslehre des BGH lässt grüßen.

Im Übrigen: Bisher hat sich an den "Kostengründen" auch niemand gestoßen, allerdings: es hat ja auch niemand auf den Richtervorbehalt geachtet.

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@13

Soviel Pragmatismus ist fatal für den Rechtsstaat. Die Position finde ich zu abwegig, um alle Ihre fehlerhaften Anahmen zu besprechen, dazu wurde bereits viel publiziert, lesen Sie.

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@ D. Burhoff

Meine Aussage, dass zu 2/3 die polizeiliche Anordnung o. k. ist, beruht auf dem Fakt, dass zu den genannten Zeiten wegen Nichterreichbarkeit der Richter die Gefahr im Verzug korrekt angenommen wird. Insofern ist Ihre Aussage falsch, dass immer der Richter die Anordnung treffen muss. Wenn das nicht so sein darf, muss man nicht der Polizei Vorwürfe machen, sondern der Justiz, die dem verfasssungsrechtlichen Normalfall nicht den angemessenen Stellenwert einräumt.

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Hm.... Beim Richtervorbehalt von Blutprobenentnahmen sehe ich "den Rechtstaat" ungefähr genauso sehr gefährdet wie beim Ankauf von Datensätzen potentieller Steuerhinterzieher.

Klar ist für mich: Nach der geltenden Rechtslage gibt es den Richtervorbehalt. Daher muss man sich auch daran halten und dann eben dafür sorgen, dass ein Richter verfügbar ist. Punkt. Wenn das systematisch missachtet wird, dürfen die so erlangten Beweise auch nicht verwendet werden.

Jedoch lassen sich Gesetze relativ einfach ändern. Selbst wenn man dann einen Verfassungsverstoß annimmt, ließe sich das in den Grenzen der Ewigkeitsgarantie nach Art. 79 Abs. 3 GG (also Menschenwürde und das Rechtsstaatsprizip als solches) durch den Gesetzgeber beheben.

Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum die Menschenwürde unbedingt gebieten soll, dass da ein im Zweifel verschlafener Mensch ohne jede Prüfung seinen Servus druntersetzt. Wenn die Regelung aber offensichtlich nicht funktioniert und selbst wenn sie doch mal greift keinen rechtstaatlichen Mehrwehrt bringt, warum soll man dann daran festhalten? Anders gefragt:

Was lässt sich denn tragfähiges für eine Beibehaltung des Richtervorbehalts anführen? Gibt es nennenswerten "Missbrauch", also die willkürliche Anordnung einer Blutprobe, z.B. weil ein Autofahrer frech reagiert hat? Und was sind die Folgen eines solchen Missbrauchs? Und ist ein Richtervorbehalt überhaupt geeignet, den Missbrauch zu verhindern?

Wenn sich keine überzeugenden Gründe für einen Richtervorbehalt finden lassen (mir fallen wirklich keine ein), dann sollte man ihn abschaffen. Zwar freut es mich als potentiell Betroffenen, dass dafür Richterstellen geschaffen werden müssen. Als potentieller Steuerzahler sehe ich es aber nicht ein, diese Stellen zu bezahlen, wenn der einzige Zweck darin besteht, "an sich" schuldigen Straftätern die Möglichkeit eines Beweisverwertungsverbots aufgrund von Verfahrensfehlern zu verschaffen.

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@17 Das ist eine pragmatische Sichtweise, wie Sie sich in Diktatuiren sicher bestens bewährt, im demokratischen Rechtsstaat und unter Menschenrechtsgesichtspunkten sollte man dann doch etwas komplexer denken und ebenso das Rechtssystem gestalten.

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@HW: Also die "Nachtzeit" geht idR von 21-6h. Zu dieser weigern sich viele Gerichtsbezirke rechtswidrigerweise weiterhin, einen Bereitschafts- oder Notdienst der Richterschaft anzubieten. Das sind aber keine 2/3. Und auch zu diesem Zeitraum besteht der Richtervorbehalt. Und eine OLGen nehmen gerade deshalb eine rechtswidrige Erhebung an. Gefahr im Verzug hat nichts damit zu tun, dass kein Richterdienst besteht.

 

@J.P. Kaufmann: Sicherlich sind derartige Erwägungen diskutabel. Aber leider werden - das sieht man auch hier im Blog bei den Diskussionen - die entsprechenden Boni (absolutes BVV bei rw Anordnung, Entschädigungen usw.) von den Gegnern des § 81a StPO nicht aufgenommen. Vielmehr soll nur der RV abgeschafft werden. Ähnlich sieht es in den Medien und der Politik aus. Dabei aber stehen dann enorme Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Entscheidung im Raum.

 

Ich hoffe mal, dass Tolksdorf - über die Grenzen seiner Funktion hinübergehend - in die Öffentlichkeit gegangen ist, gerade weil ihm die Unterstützung am eigenen Gericht fehlt. Erwarten kann man aber wohl irgendeine hahnebüchene Entscheidung des BGH...

@Malte S. Stud. jur.

Na ja, ich habe dafür noch das ganze Wochenende unterschlagen. Die richterl. Nichterreichbarkeit besteht also noch wesentlich weniger als in 2/3 Tageszeit. Gefahr im Verzug richtet sich aber überhaupt nicht nach der Nachtzeit, d. h. die "richterlichen Bürozeiten" sind für die Frage relevant, wann eine Anordnung überhaupt eingeholt werden kann, oder? Auf deutsch: kein Richter erreichbar und rechtl. Voraussetzungen erfüllt = Gefahr im Verzug und Anordnungskompetenz StA/Polizei!

zur Erinnerung: " 81 a (2): (2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu."

Weiter bedeutet Gefahr im Verzug doch, dass ohne sofortige Durchführung der Maßnahme, der Untersuchungszweck/-erfolg gefährdet wäre. Nochmal: mir ist völlig egal, ob ich die richterliche Anordnung einholen muss, wenn das denn möglich ist. Nur soll man nicht so scheinheilig tun und gerade als Jurist hier ein Versäumnis der Polizei vorzuwerfen. Man könnte auch anders formulieren: Wenn die Richter keine Lust haben, verzichten wir zeitweise auf die Rechtsordnung.

 

 

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H. W. schrieb:

Weiter bedeutet Gefahr im Verzug doch, dass ohne sofortige Durchführung der Maßnahme, der Untersuchungszweck/-erfolg gefährdet wäre. Nochmal: mir ist völlig egal, ob ich die richterliche Anordnung einholen muss, wenn das denn möglich ist. Nur soll man nicht so scheinheilig tun und gerade als Jurist hier ein Versäumnis der Polizei vorzuwerfen. Man könnte auch anders formulieren: Wenn die Richter keine Lust haben, verzichten wir zeitweise auf die Rechtsordnung.

Dem stimme ich voll und ganz zu.

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Richtervorbehalt, ganz bes. bei körperlichen Eingriffen, aufzugeben wäre höchst fatal, man denke nur an die Missbrauchgsgefahren.

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"Polizisten, Ärzte und Andere müssen doch auch Nachtschichten machen.

Ach ja, ich weiß. "Ich geh nicht in Staatsdient um am WE zu arbeiten!" (Originalzitat eines Beamten)."

 

Ein Blick in Art. 97 GG erleichtert die Rechtsfindung.

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Ja, weg mit dem Richtervorbehalt in § 81a StPO! Wurde schließlich mit Gesetz vom 24.11.1933 eingeführt. Kann also nicht rechtsstaatlich sein. Schade eigentlich, daß man vor 75 Jahren mehr Rechte haben sollte als heute...

 

 

 

 

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@ Günter

Es wäre besser sachlich zu diskutieren, denn damals haben sich wohl einige Richter auch nicht rühmlich verhalten. Sie bleiben den Beweis schuldig, dass jemand unter Umgehung des RV Missbrauch betrieben hat. Dann kann man prüfen, wie man es besser machen kann, als bisher.

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@ H.W.

Das war kein Nazi-Vergleich, um einen "Godwin-Punkt" zu ergattern, sondern nur ein Hinweis darauf, daß es in meinen Augen bedenklich ist, die Abschaffung richterlichen Rechtsschutzes zu fordern, den man selbst in weniger rechtsstaatlichen Zeiten für selbstverständlich hielt. Auch die DDR-StPO kannte in § 44 Abs. 3 den Richtervorbehalt für körperliche Untersuchungen.

Fast 80 Jahre lang hielt man den Richtervorbehalt für geboten und nunmehr soll er wegen knapper Kassen- und Personallage plötzlich überflüssiger Ballast sein.

 

 

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@ 18: Ich verwehre mich dagegen, meine Argumentation in die Nähe von Diktaturen zu stellen. Gerade, wenn man im nächsten Satz von "komplexem Denken"spricht.

Die Frage war im Übrigen durchaus ernst gemeint: Was für einen Vorteil hat man davon, dass ein Richter das absegnen muss, AUSSER dem, dass es Zeit kostet und man mittels Beweisverwertungsverbot als tatsächlich Schuldiger (!) doch noch mal "Glück gehabt" hat. Und das Argument des "Glück habens" allein zählt für mich nicht.

Ein besserer Grundrechtsschutz besteht nicht, weil ein Notfallrichter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine "Nein"-Entscheidung trifft. Schon bei den wesentlich gravierenderen Hausdurchsuchungen kommt es, glaubt man den Blogs, oft genug zu blind unterschriebenen Beschlüssen ohne jede Prüfung. Wenn dann des Nachts ein Notfallrichter angerufen wird und POM Fritz sagt ihm "Hey, wir haben da gerade jemanden rausgezogen, der hoffnungslos drüber ist. Dürfen wir den pieksen lassen?", glaubt da ernsthaft jemand, der Richter sagt dann "Nein, bringt den erstmal her, erst schau ich mir den selber an?"

Und ein Richter, der (notgedrungen) wie der Bundespräsident nur zum unterschreiben da ist, ist meiner Meinung nach schlimmer als gar kein Richter. Denn so spricht nicht nur die Exekutive, sondern auch die Judikative für die Rechtmäßigkeit. Und wenn es doch zum Missbrauch kommt, haben gleich zwei Organe versagt.

Und zum Thema Missbrauch, @ 21-Reinhardt: Wo genau liegt da die Missbrauchsgefahr? Was genau kann denn passieren? Ein Arzt nimmt nach den Regeln der ärztlichen Kunst Blut ab. Außer einem kleinen Pieks passiert da selten was.

Und wenn ein Richter das vorher anordnet: Genau das gleiche. Ein Arzt nimmt nach den Regeln der ärztlichen Kunst Blut ab. Außer einem kleinen Pieks passiert da selten was.

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Aus einer Studie der Uni Bielefeld (Backes/Gusy, 2002):

"Weder Staatsanwälte noch Richter mochten sich die Ansicht zu eigen machen, dass der Richtervorbehalt als eine besondere Form des  Grundrechtsschutzes für die Betroffenen anzusehen sei."

Was soll man sich da noch wundern...

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@27

 

Ein juristisch umfassend gebildeter unabhängiger Richter urteilt weiser über den SV als die interessengeleiteten Ermittlungsbehörden, das ist denknotwendig. In eben dieser Interessengeleitetheit liegt auch die Missbrauchsgefahr, zudem besteht das hohe Risiko willkürlichen Handelns. Etwa wenn ein epolitisch unliebige oeder renitente Person umfangreichen Masnahmen unterzogen werden soll. In Diktaturen würde es sicher weniger rechtsstattlich zugehen, man denke nur an die Anwendung der neuen Regelungen ihrer ungeeigneten Reformvorschläge in einer Diktatur. Die Distanz zur weiteren Befugnisausdehnung für die Sicherheitsbehörden wäre nach diesem Dammbruch geringst. Im demokratischen Rechtsstaat ist ein Richtervorbehalt zur maximalen Garantie der Menschen- und Beschuldigtenrechte essentiell. Andere Gedanken finde ich höchst leichtsinnig und für die Gesellschaft gefährlich.

 

 

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Verfassungsrechtliche Probleme gegen eine Anordnungsbefugnis der Polizei sehe ich nicht. Eine Änderung der StPO dürfte wohl ausreichen. Problematisch ist aber die derzeitige Regelung: Polizeibeamte umgehen den Richtervorbehalt systematisch, anders als Tolksdorf meint, wird in aller Regel auch gar nicht versucht, einen Richter zu erreichen.

Dass eine Neuregelung die Kapitulation vor - mit Verlaub - richterlicher Faulheit wäre und die Vorgaben des BVerfG, das die EInrichtung einer richterlichen Bereitschaft auch für die Fälle der Blutentnahme verlangt hat, liegt auf der Hand. Amtsgerichtspräsidenten geben NOCH IMMER Schreiben an die Polizei nach dem Motto "belästigt uns bitte nicht, Gefahr im Verzug habt Ihr immer" heraus. Polizeibehörden verfügen noch immer "Gefahr im Verzug liegt immer vor", Gründe für diese Annahme werden in dem Ermittlungsbericht mit keinem Wort dokumentiert und das OLG Bamberg hebelt das Gesetz schlichtweg ausund gibt zu allem sein Plazet. Ich habe sogar ein Urteil gelesen, in dem ein AG eine Dienstanweisung eines Innenministeriums über die StPO stellte. Man kann wirklich nur noch lachen. Bei allem Respekt: Das ist organisierter Rechtsbruch.

Sehen wir es realistisch: Richter WOLLEN den Vorbehalt der StPO nicht, weil er Ihnen bei korrekter Anwendung letztlich 50-60 zusätzliche nächtliche Telefonate auf dem Bereitschaftshandy bescheren würde. Menschlich verständlich.

Das Polizeibeamte keinesfalls die "neutralen" Beobachter sind, kann jeder, der in der Praxis tätig ist, bestätigen. Irgendeine effektive Möglichkeit, die Verwertung der Probe zu verhindern, wenn sie nicht korrekt oder willkürlich angeordnet wurde, wäre auch bei einer Neuregelung wünschenswert.

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Bin durch Zufall auf diesen Beitrag gestoßen und kann mich eigentlich nur wundern, was hier von einigen angenommen wird.

Wenn ein Polizeibeamter, im Rahmen einer Verkehrskontrolle, einen alkoholisierten Fahrzeugführer antrifft, wird er einen Alkovortest machen. Nur wenn dieser einen entsprechenden Wert anzeigt, wird der Beamte auf die Idee kommen, eine Blutprobe durchführen zu lassen. Ebenso, sollte der Verkehrsteilnehmer Ausfallerscheinungen gezeigt haben und entsprechender Alkoholgenuss vorliegen, wird eine BP durchgeführt. Wenn nun der Polizeibeamte den Richter anrufen lässt, wird diesem auch nur der von der Polizei festgestellten Sachverhalt telefonisch präsentiert bekommen. Zu welchem Ergebniss wird denn wohl der angerufene Richter kommen. Ihm wird der Fall genau so geschildert, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt, als eine BP anzuordnen.

Ich will damit sagen, dass eine Richteranordnung nach telefonischer Sachverhaltsschilderung durch die Polizei immer zu einer Anordnung der BP führen wird. Das sind doch alles Standardmaßnahmen die da durchgeführt werden.

Bei Verkehrsstraftaten ist meines Erachtens die Anordnungsbefugniss der BP durch den Richter nicht praxistauglich, da er sich ja nicht die Gegendarstellung anhören kann.

ka69

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Einige Kommentare erscheinen mir hier mehr durchsetzt von Vorbehalten gegenüber der Polizei als von sachlichen Argumenten. Ich kann nicht erkennen, wo bei einer Abschaffung der richterlichen Anordnung von Blutproben ein Stück Rechtstaatlichkeit aufgegeben wird. Mir erscheint vielmehr eine Straffung und somit Beschleunigung des Verfahrens zielführender und letztlich für den Betroffenen angemessener. Über welche Fallkonstellation reden wir denn hier in der überwiegenden Mehrzahl?  Man kann doch nur unterscheiden zwischen belastenden (zur Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit notwendigen) und entlastenden (zur Feststellung der Schuldfähigkeit) angeordneten Blutproben. Beides wurde von der Polizei bis zum Jahr 2009 und dem entsprechenden Urteil des OLG Hamm ohne vorherigen richterlichen Kontakt regelmäßig angeordnet. Dies entsprach sicherlich nicht den Grundgedanken des Richtervorbehaltes, hat sich aber praktisch bewährt, oder kann mir jemand einen Mißbrauchsfall nennen? Ich kenne keinen solchen Fall, da eine richterliche Überprüfung ohnehin im Nachhinein erfolgen kann und sich jeder Polizeibeamte der Folgen einer mißbräuchlichen Anordnung bewußt ist.

Warum also die Rechtslage nicht den tatsächlichen und bewährten Gegebenheiten anpassen?

Die aktuelle Verfahrensweise ist aus meiner Sicht für den Betroffenen nicht unbedingt von Vorteil, muß sich der Probant doch unter Umständen auf eine Festhaltezeit jenseits von 2 Stunden einrichten, da einige Richter diese auch tatsächlich anhören wollen, um nicht einem gewitzten Anwalt den nächsten Formfehler zu präsentieren. Blutproben zur Feststellung der Schuldfähigkeit werden ,auch aus diesem Grund, ohnehin nicht mehr angeordnet.

Mir ist auch kein Fall bekannt, bei dem ein Bereitschaftsrichter nach Sichtung der vorliegenden Fakten eine Anordnung abgelenht hat.

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