Der Verkehrsgerichtstag ist vorbei - Hier die Ergebnisse zu Halterhaftung/beschränkter Fahrerlaubnisentziehung/MPU!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 29.01.2010

Der 48. VGT ist vorbei. Wie jedes Jahr schaut man auf die Empfehlungen. Die für mich ganz subjektiv interessantesten Arbeitskreise haben folgende Empfehlungen formuliert:

Arbeitskreis I - Halterhaftung in Europa:
1. Geschwindigkeitsverstöße, Gurtverstöße, Rotlichtverstöße sowie sonstige Verstöße im fließenden Verkehr sind bedeutende Unfallfaktoren. Der Arbeitskreis ist sich einig, dass die Verfolgung dieser Verstöße unverzichtbarer Bestandteil der Verkehrssicherheitsarbeit ist.
2. Im Hinblick auf die Halterhaftung für Verstöße im fließenden Verkehr stellt der Arbeitskreis fest, dass deren Einführung verfassungsrechtliche Grenzen aufgezeigt sind. So verbietet der unabänderliche verfassungsrechtliche Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ die strafrechtliche oder auch nur strafrechtsähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters. Dies gilt auch für Bußgeldverfahren wegen Verstößen im Straßenverkehr. Diese Grenzen gelten nach der Lissabon-Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts auch im Hinblick auf Rechtsakte der Europäischen Union.
3. Nach Ansicht des Arbeitskreises wäre eine Ausdehnung der Kostentragungspflicht nach § 25a StVG unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich möglich. Die Bundesregierung wird gebeten, zu prüfen, ob angesichts der Dimension der relevanten Fälle gesetzlicher Handlungsbedarf besteht.
4. Darüber hinaus empfiehlt der Arbeitskreis in Fortführung der Empfehlung des 39. VGT die verstärkte Anwendung der Fahrtenbuchauflage nach § 31a StVZO.
5. Die Bundesregierung wird aufgefordert, europäischen Initiativen, die den oben aufgeführten Grundsätzen widersprechen, entgegenzutreten und gebeten, darauf hinzuwirken, dass zukünftige europäische Rechtsakte in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten entwickelt werden.

Arbeitskreis V - Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot:
1. Der Arbeitskreis stellt ausdrücklich fest, dass sich durch die 2. EG-Führerscheinrichtlinie an der vor ihrem Inkrafttreten geltenden Rechtslage in Deutschland für die vorläufige und endgültige Entziehung
der Fahrerlaubnis (§§ 111 a StPO und 69 StGB) sowie die Fahrverbote (§§ 44 StGB und 25 StVG) nichts geändert hat. Der Strafrichter hat weiterhin die ihm aus Gründen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes eingeräumten Möglichkeiten, für bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen nach § 69 a Abs.2 StGB Ausnahmen von der Sperrfrist zu gewähren, soweit dies mit Belangen der Verkehrssicherheit zu vereinbaren ist.
2. Allerdings kann die richterliche Entscheidung über die Ausnahme von der Sperrfrist nicht mehr ausgeführt werden, da durch die Umsetzung der 2. EG-Führerscheinrichtlinie in § 9 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) die Verwaltungsbehörde auch eine entsprechend beschränkte Fahrerlaubnis nicht mehr erteilen darf. Um den strafrichterlichen Gestaltungsraum zu erhalten, empfiehlt der Arbeitskreis
mit knapper Mehrheit, dem Strafrichter durch eine Änderung des § 69 StGB zu ermöglichen,
bei endgültiger Entziehung der Fahrerlaubnis im Urteil oder Strafbefehl bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen auszunehmen.
3. Der Arbeitskreis appelliert - zur Vermeidung von Existenzgefährdung - an Bußgeldstellen und Strafrichter, die Ausnahmemöglichkeiten, insbesondere bei Regelfahrverboten, stärker zu beachten.
4. Der Arbeitskreis empfiehlt dringend, die anerkannten Möglichkeiten, die die Verkehrspsychologie zur Einstellung, Verhaltensänderung und Eignungsbegutachtung anbietet, intensiver zu nutzen.

Arbeitskreis VI - „Idiotentest“ auf dem Prüfstand:
1. Das System der medizinisch-psychologischen Begutachtung der Kraftfahrereignung ist ein wichtiges und bewährtes Instrument zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit und zur Erhaltung der Mobilität des Einzelnen.
2. Im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung kommt der Exploration zentrale Bedeutung zu. Diese diagnostische Methode ist unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes weiterhin kontinuierlich zu verbessern.
3. Die Zulassung von Testverfahren im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung sollte geregelt werden. Die Prüfung der Güte der Testverfahren soll durch ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium anhand eines angemessenen Testbeurteilungssystems erfolgen.
4. Die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Überprüfung der Fahreignung sollte regelmäßig wissenschaftlich überprüft und die Ergebnisse sollten veröffentlicht werden.
5. Rehabilitationsmaßnahmen zur Verbesserung der Eignungsvoraussetzungen sollten möglichst frühzeitig eingeleitet und deren Erfolg durch eine Fahreignungsbegutachtung überprüft werden.
6. Die Anbieter der unter Punkt 5 genannten Maßnahmen sollten ebenfalls einem
Qualitätssicherungssystem unterliegen und in keinem wirtschaftlichen und personellen Zusammenhang mit den Begutachtungsstellen stehen.
7. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sind im Straßenverkehrsgesetz und in der Fahrerlaubnis-Verordnung teilweise unklar formuliert. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die entsprechenden Vorschriften zu reformieren.

Alle Empfehlungen hier: http://www.deutsche-verkehrsakademie.de/images/stories/pdf/empfehlungen_...

(irgendwie war die Verlinkungsfunktion gerade nicht ok)

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2 Kommentare

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Zum Idiotentest: Vor allem sollte der Gesetzgeber mal einen hinreichend effektiven Rechtsschutz gegen die Aufforderung zur MPU einführen. Die hM ist ja wohl der Ansicht, daß dagegen keinerlei Rechtsschutz gegeben ist, weil das eine rein vorbereitende Maßnahme sei. War die Frage eigentlich schon beim BVerfG?

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