Gang nach Canossa

von Dr. Thomas Lapp, veröffentlicht am 25.01.2010

Vom 25.1. bis 28.1.1077 vollzog der deutsche König und spätere römische Kaiser Heinrich IV. eine Bußhandlung, die wir als Gang nach Canossa kennen.

Der Grund war die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst um die Macht im Heiligen Römischen Reich. Ein Streitpunkt war die Frage, wer die Bischöfe im Reich benennen darf (Investiturstreit). Der Streit war unter anderem dadurch eskaliert, dass Heinrich IV. vom Papst aus der Kirche ausgeschlossen worden war (Kirchenbann). Für Heinrich IV. wurde dies deshalb zum Problem, weil die deutschen Fürsten bereits einen Reichstag nach Augsburg einberufen hatten, auf dem ein Nachfolger gewählt werden sollte. Was genau in diesen Tagen vor der Burg Canossa geschehen ist, weiß man nicht, da es keine unabhängigen Quellen gibt.

Wahrscheinlichste Variante ist, dass König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. vorab in Verhandlungen genau festgelegt hatten, was dort bei ihrer Begegnung zu geschehen hatte. Dass Heinrich IV. barfuß und im Büßerhemd vor der Burg Canossa erschien, war danach aus damaliger Sicht eine gebräuchliche, formalisierte und nicht entwürdigende Bußhandlung. Folgt man dieser Deutung des Geschehens, erkennt man zwei Männer (König und Papst) in einer verfahrenen Situation. König Heinrich IV. war weitgehend seiner innenpolitischen Handlungsfähigkeit beraubt und musste befürchten, dass an seiner Stelle ein neuer König gewählt werde. Umgekehrt konnte Papst Gregor VII. durchaus nicht sicher sein, auf dem Reichstag in Augsburg seine Ziele zu erreichen. Aus dieser verfahrenen Situation haben sich die Kontrahenten durch Verhandlungen und eine für beide Seiten tragbare Einigung befreit. Damit wäre der Gang nach Canossa ein Beispiel dafür, dass um die Macht ringende Männer, anders als Stefan Zweig in seiner Biografie "Maria Stuart" schreibt, ihre Auseinandersetzung nicht unbedingt durch Krieg austragen, sondern auch durch Verhandlungen und Einigung beilegen oder zumindest entschärfen können.

Später ist eine andere Deutung des Geschehens populär geworden, wonach König Heinrich und Papst Gregor nicht vorher verhandelt hatten, vielmehr Heinrich IV. den Bußgang als Zeichen der Unterwerfung unter den Papst unternommen hat. Diese Variante ist für unser Thema Mediation bzw. Verhandlung/Vereinbarung deutlich interessanter. Sie geht nämlich davon aus, dass der König sich zunächst in der schwächeren Position befand. In Mediationen oder normalen Verhandlungen haben wir nicht selten die Situation, dass die Parteien unterschiedlich stark sind, dass ein Machtungleichgewicht zwischen ihnen besteht. Vor diesem Hintergrund hat Heinrich IV. es durch geschickte Taktik vermocht, seine eigentlich schwache Position in eine Position der Stärke zu verwandeln. Nach offiziellem Vollzug der Bußhandlung konnte der Papst aufgrund seiner Rolle als oberster Kirchenmann dem König die Vergebung und Aufhebung des Kirchenbanns nicht verweigern. Damit war gleichzeitig aber auch die Basis für die Wahl eines anderen Königs entfallen. Der Gang nach Canossa wäre dann ein Beispiel, wie man durch geschicktes Verhalten aus einer schwachen Position ausbrechen und Stärke zeigen kann. Es bleibt unserer Kreativität überlassen, in der jeweiligen Situation geschickt zu agieren.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Ein sehr interessanter Beitrag, mit einigen Rechtschreibfehlern, aber diese scheinen dem Medium Blog eigen zu sein, obgleich ich auch in Internetauftritten von Massenmedien häufiger RS-Fehler sehe, wofür ich dort aber weniger Verständnis habe.

0

Kommentar hinzufügen