Tauwetter

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.01.2010

Blogleser Matthias Böse hat mir mal wieder einen Themenvorschlag gemailt (hierfür mal wieder herzlichen Dank!) und gleich ein Foto dazu. Offenbar hat er von seinem Schreibtisch das Nachbarhaus fotografiert, das ordnungsgemäß gegen Lawinen etc. gesichert ist. Wie Herr Böse schreibt, flog bei ihm gerade eine Dachlawine am Fenster vorbei (Meine Anmerkung: da ist es natürlich gut, am Schreibtisch zu sitzen). Es geht hier freilich immer um die Verkehrssicherungspflicht und Schadensersatzansprüchen nach § 823 BGB. Herr Böse hat hierzu auch interessante Entscheidungen gefunden, so etwa LG Ulm, NJW-RR 2006, 1253 - hier heißt es im Leitsatz:

Befindet sich in einem nicht schneearmen Gebiet neben einem Haus mit einer Dachneigung von mehr als 35 Grad oder sogar mehr als 45 Grad ein öffentlicher Parkplatz, so sind an dem Dach Schneefanggitter anzubringen, unter Umständen auch Warnschilder aufzustellen oder gefährdete Bereiche des Parkplatzes zeitweise ganz zu sperren.

Das OLG Hamm NZV 2004, 34 dagegen hat einem Jaguar-Besitzer keinen Schadensersatz nach einer Dachlawine zukommen lassen:

In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass einen Hauseigentümer grundsätzlich nicht die Pflicht trifft, Dritte durch spezielle Maßnahmen vor Dachlawinen zu schützen, wenn diese - wie hier - nicht vorgeschrieben sind (vgl. OLG Celle, VersR 1982, 979; OLG Düsseldorf, OLG-Report 1993, 119; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 412). Es ist zunächst Aufgabe eines jeden selbst, sich vor solchen Gefahren zu schützen. Eine Rechtspflicht besteht erst dann, wenn besondere Umstände Sicherungsmaßnahmen zum Schutze Dritter gebieten. Solche können nach der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes, den konkreten Schneeverhältnissen und der Art und des Umfangs des gefährdeten Verkehrs gegeben sein (vgl. OLG Dresden, r + s 1997, 369).

Nach keinem dieser Aspekte war die Bekl. gehalten, zur Vermeidung des Schadens der Kl. Maßnahmen zu ergreifen. Schneefanggitter auf der Dachfläche waren nicht erforderlich. Dies meint auch der Geschäftsführer der Kl., der an seinem Haus auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück selbst keine solchen Vorrichtungen angebracht hatte und nach seinen Erklärungen vor dem Senat weder nach der Dachneigung, der Lage des Garagendaches der Bekl. und den allgemeinen Schneeverhältnissen in D. solche für erforderlich hält. Der Geschäftsführer der Kl. hat auch nicht erwartet, dass die 72-jährige Bekl., die ihm als Nachbarin bekannt war, vorsorglich dafür gesorgt hätte, Schnee von dem Dach zu kehren. Er meint aber, die Bekl. sei verpflichtet gewesen, ihn vor der Gefahr zu warnen. Dem ist jedoch aus mehreren Gründen nicht zu folgen. Die Bekl. musste nicht damit rechnen, dass der Kl. gerade an der Stelle parken würde, an der der Pkw durch den Überhang des Daches durch Schnee gefährdet werden konnte. Aus dem Vortrag der Kl. ergibt sich nämlich, dass der Pkw in der Regel gerade nicht dort abgestellt wird und am Schadenstage nur ausnahmsweise diese Fläche benutzt wurde, weil wegen einer Baustelle und wegen geräumten Schnees andere Flächen in der Nähe nicht frei waren.

 

Ähnlich auch OLG Thüringen, SVR 2007, 262 (hier die Leitsätze):

1. Im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht kann ein Hauseigentümer nur dann aus einem Unterlassen in Anspruch genommen werden, wenn er eine Rechtspflicht hatte, Vorkehrungen zu treffen, um einen durch Schneesturz entstehenden Schaden abzuwenden (BGH, VersR 1955, 82).

2. In der Regel sind Passanten selbst verpflichtet, sich durch Achtsamkeit vor der Gefahr der Verletzung durch herabfallenden Schnee zu schützen. Der Hauseigentümer muss nur bei besonderen Umständen Schutzmaßnahmen gegen die durch den Schnee verursachte Gefahr treffen.

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2 Kommentare

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Wie sieht es denn aus, wenn der Vermieter (=Eigentümer) die Aufgabe an Mieter delegiert, sind dann möglicherweise geschädigte Dritte nicht mehr in der Lage, sich an den Eigentümer zu wenden? Das käme dann wohl einem (unzulässigen) Vertrag zu Lasten Dritter gleich, oder?

 

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Dem Fußgänger bietet diese Rechtsprechung doch Positives - ein Mitverschuldenseinwand wird bei Dachlawinengefahr dem auf ungeräumter Schneeglätte stürzenden um so weniger entgegen gehalten werden können, um so mehr er gehalten war, seinen Blick zur Dachtraufe zu richten.

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