Klebe verteidigt Flashmob-Urteil

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 08.01.2010
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtBAGflashmobKlebe2|4117 Aufrufe

Die Diskussion um das Flashmob-Urteil des BAG vom 22.9.2009 (NZA 2009, 1347) geht weiter. In dieser Entscheidung hat sich das BAG zu gewerkschaftlich organisierten "Flashmob-Aktionen" geäußert, bei denen die Teilnehmer durch den koordinierten Kauf geringwertiger Waren oder das Befüllen und Stehenlassen von Einkaufswagen in einem Einzelhandelsgeschäft ihren tariflichen Forderungen Nachdruck verleihen wollen. Der Erste Senat des BAG hat unter dem Vorsitz seiner Präsidentin entschieden, daß solche Aktionen bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von der Arbeitskampfreiheit gedeckt sind. Gegen das Urteil ist Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt worden (vgl. Blog-Beitrag vom 29.12.2009). Interessant ist, dass die Entscheidung im nachhinein von einem an ihr beteiligten Richter gegen Kritik in Schutz genommen wird. Dabei handelt es sich um den ehrenamtlichen Richter beim BAG, Thomas Klebe, im Hauptberuf Justiziar der IG-Metall. Auf diese in einem Interview enthaltenen Äußerungen weist die FAZ in ihrer Ausgabe vom 8.1.2010 hin. Das Interview war schon Ende vergangenen Jahres in der Zeitschrift "Mitbestimmung" abgedruckt. Hierin erklärte Klebe, die Kritik an dem Urteil sei völlig überzogen. Der wirtschaftliche Schaden sei für die Arbeitgeber sehr begrenzt - im Gegensatz zu großangelegten Arbeitskämpfen. Im konkreten Fall habe er in vielleicht einer Stunde Aufräumen bestanden. Außerdem halte sich der praktische Nutzen solcher Aktionen in Grenzen. "Flashmobs werden den herkömmlichen Arbeitskampf nicht ersetzen" - so Klebe. "Sie können ihn allenfalls unterstützen - besonders in Bereichen, in denen die Gewerkschaften nicht so durchsetzungsstark sind." Ferner verweist Klebe darauf, dass sich die Arbeitskampfparität im Laufe der letzten Jahre deutlich zu Lasten der Gewerkschaften verschoben habe. Und wörtlich: Im Grunde sind Flashmobs eine Reaktion auf die geschwächte Ausgangsposition der Gewerkschaften. Von daher werden wir Flashmobs, schwarze Listen oder Boykottaufrufe in Zukunft häufiger sehen."

 

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2 Kommentare

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Interessanter Gedanke. "Die Gewerkschaften sind dort nicht organisiert, also werden Außenstehende einbezogen.".
Meiner Meinung nach hat das mit Arbeitskampf nur noch am Rande zu tun, denn es stellt sich dann nur die Frage, wie gut Gewerkschaften Außenstehende mobilisieren können. In Extremsituationen kann so ein "Arbeitskampf" bis hin zum Arbeitskampf gegen den Willen des überwiegenden Teils der Beschäftigten ausarten.

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@Mushroom: was war die damalige Änderung von § 116 AFG - kein Arbeitslosengeld bei Aussperrung, gültig bis heute (§ 160 SGB III)  - denn Anderes als das Einbeziehen Außenstehender, nämlich von Nichtgewerkschaftsmitgliedern bzw. Nichtstreikenden? 

Und wenn Arbeitgeber mit Zeitarbeitern, die missbräuchlich auf Dauerstellen zu mit Pseudogewerkschaften "ausgehandelten" Dumpingtarifen eingesetzt werden oder mit Werkverträgen für Scheinselbständige das Recht bis and die Grenzen und darüber hinaus ausschöpfen, warum soll das den Gewerkschaften nicht ebenso erlaubt sein?

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