BGH und Biopatente

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 06.01.2010

Der Bundesgerichtshof hat die mit Spannung erwartete Entscheidung über die Patentierbarkeit menschlicher embryonaler Stammzellen am 12. November 2009 an den Europäischen Gerichtshof verwiesen (BGH Xa ZR 58/07).

Streitig war (wenn auch von vielen verneint), ob der Bonner Stammzellenforscher Oliver Brüstle gegen das deutsche Stammzellengesetz verstößt. Darüber hinaus erklärte das Bundespatentgericht 2006 das Patent von Brüstle Patent für nichtig, soweit es sich auf menschliche embryonale Stammzellen bezieht. Brüstle erklärte hierzu:  „Wenn mit Stammzellen geforscht werden darf, können die Patente, die aus diesen Forschungen hervorgehen, auch nicht unrechtmäßig sein.“

Der BGH scheint dieser Denkweise zu folgen, wie sich aus Äußerungen des Senats bei der Urteilsverkündung ergibt.  Der BGH hält es deshalb möglicherweise für sinnvoll, dass das Patentgesetz künftig weniger streng ausgelegt wird, als vom Bundespatentgericht angenommen. Dieses hatte das oben erwähnte deutsche Patent auf Antrag von Greenpeace wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten insoweit für nichtig erklärt, als die Patentansprüche Vorläuferzellen umfassten, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen gewonnen werden. Z. B. könnten Stammzellpatente für Forschung und Therapiezwecke vom Verbot ausgenommen werden. Da der BGH die Interpretation des Patentgesetzes aber nicht selbst vornehmen wollte, verwies er den Fall an den EuGH. Denn die fragliche Passage des deutschen Patentgesetzes basiert auf der EU-Bio-Patentrichtlinie 98/44/EG und ist deshalb EU-weit einheitlich auszulegen,

Das Europäische Patentamt hatte zum sogenannten „WARF“-Patent erst jüngst entschieden, dass ein europäisches Patent nach Art. 53 a) i. V. m. Regel 28 c EPÜ nicht für Erzeugnisse erteilt werden dürfe, die im Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes vom 25. November 2008, GE 2/06).

Nach dem Vorlagebeschluss ist Art. 6 der Biopatentrichtlinie in mehreren Aspekten nicht eindeutig.Das gilt zunächst für den Terminus "menschliche Embryonen“.

Ist auch die aus der Blastozyte gewonnene Stammzelle bereits als Embryo anzusehen, obwohl sie nicht mehr die Fähigkeit besitzt, sich zu einem menschlichen Individuum fortzuentwickeln? Ist die Balstozyte selbst bereits als Embryo im Sinne des Art. 6 (2) (c) der Richtlinie zu klassifizieren, der durch § 2 Abs. 2 Nr. 3 PatG in das nationale Recht umgesetzt wurde? Reicht es für eine Verwendung von Embryonen schon aus, dass die Gewinnung der Stammzellen notwendigerweise den Verbrauch von Blastozyten voraussetzt?

Schließlich stellt sich die Frage, ob jede gewerbsmäßige Benutzung eine Verwendung zu „industriellen oder kommerziellen Zwecken“ ist, oder ob die Verwendung zu Forschungszwecken oder zu therapeutischen Zwecken außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 6 der Richtlinie liegt.

(Besten Dank an Herrn RA Meinke/Dortmund für wertvolle Hinweise)

 

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3 Kommentare

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Mal ne Bitte an Beck. Könnte man nicht für Gewerblichen Rechtsschutz eine Extra-Kategorie bei den Rechtsgebieten anlegen? Der Beitrag von Hoeren ist klasse und verdient eine eigene Diskussion - mit besonders ausgeflaggtem Oberthema. Ihr RK

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Ich finde das Thema sehr kompliziert - aber super spannend. Gibts dazu etwas zur Einführung? Was sind zB Blastozyte?

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