OWi-Basiswissen: Was ist eine Tat im prozessualen Sinne?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 11.12.2009

Manchmal gibt es Fälle, in denen es zu der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten in unmittelbarer zeitlicher und örtlicher "Nachbarschaft" kommt. Beispiel: Zwei Geschwindigkeitsmessungen nur wenige hundert Meter auseinander, die Feststellungen des Überfahrens zweier hintereinander stehender Rotlicht zeigender Ampeln oder auch die Feststellung einen Abstandsverstoß mit Brückenmessung und eines in unmittelbarer Nähe durch Polizeistreife festgestellten Gurtverstoßes. Hier stellt sich dann die Frage: Eine Tat oder mehrere? Muss also bei getrennter Verfolgung eines der Verfahren nach § 206a StPO i.V.m. § 46 OWiG eingestellt werden? Die Antwort wundert nicht: Kommt drauf an!

Die Tat im prozessualen Sinne  ist der historische Lebensvorgang , innerhalb dessen der Betroffene einen oder mehrere Bußgeldtatbestände verwirklicht hat oder haben soll, vgl etwa BVerfG 16.03.2006 – 2 BvR 111/06. Was er genau umfasst, soll „die natürliche Auffassung des Lebens" ergeben (so Göhler, OWiG, 15. Aufl. 09, vor § 59 Rn. 50a). Dass diese Definitionen nicht viel weiter helfen, scheint klar.

Ich habe daher hier einmal ein paar Entscheidungen zu Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgelistet:

  • Mehrere Taten: Zweimalige Geschwindigkeitsüberschreitung im zeitlichen Abstand von 75 Minuten und räumlichen Abstand von 131 km auf einer Fahrt ohne Unterbrechungen - OLG Jena NStZ 1999, 516 = NZV 1999, 478
  • Mehrere Taten: Zweimalige unterschiedliche Geschwindigkeitsüberschreitung im zeitlichen Abstand von 1 Minute (!) und räumlichen Abstand von einer Autobahnanschlussstelle im Ruhrgebiet bei unterschiedlicher zulässiger Höchstgeschwindigkeit - OLG Hamm 30.08.2007 – 3 Ss OWi 458/07
  • Eine Tat: Zweimalige nur geringfügig unterschiedliche Geschwindigkeitsüberschreitung im zeitlichen Abstand von 1 Minute (!), geringem räumlichen Abstand und durchgängig gleich bleibender Geschwindigkeitsbeschränkung - OLG Köln NZV 2004, 536
  • Mehrere Taten: Zweimalige nur geringfügig unterschiedliche Geschwindigkeitsüberschreitung im räumlichen Abstand von 1 ½ km und durchgängig gleich bleibender Geschwindigkeitsbeschränkung - OLG Brandenburg NZV 2006, 109
  • Mehrere Taten: Zwei Geschwindigkeitsverstöße bei einer Fahrt auf der gleichen Autobahn; verschiedene Verkehrslagen; 41 Minuten Zeitdifferenz - BayObLG DAR 2002, 78 = NStZ 2002, 155

 

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