Der Anglizismus Compliance

von Dr. Ulrike Unger, veröffentlicht am 08.12.2009

Der Begriff Compliance ist mittlerweile weithin bekannt und hat längst - wie auch andere Anglizismen - in die deutsche Sprache Einlass gefunden. Häufig wird aber Kritik laut, ob es nicht auch einen deutschen Begriff gibt, der Compliance zutreffend umschreibt. Direkt übersetzt, heißt Compliance soviel wie "Einhaltung, Übereinstimmung, Befolgung" und bezeichnet als Corporate Compliance auf das Wirtschaftsrecht übertragen die innerbetriebliche Organisation zur Sicherstellung der Einhaltung von gesetzlichen und unternehmensinternen Bestimmungen. Als deutsche Begriff  wird beispielsweise "Regeln für die Geschäftshygiene" vorgeschlagen. Gibt es Ihrersseits Vorschläge einer sinnvollen Übersetzung oder sollte der Begriff Compliance weiter auch im Deutschen verwendet werden?

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

11 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Anglizismen sollten nur sehr begrenzt verwendet werden. Würde man z.B. bei Compliance eine Umfrage machen, dann würden mindestens 99 Prozent nicht wissen, was es bedeutet. Es ist das alte Fremdwortleiden. Sie werden meist zur Ausschmückung oder zur Verschleierung ohne genaue Kenntnis der Bedeutung verwendet.

Worte sollten Informationen vermitteln und nicht die Leser oder Zuhörer in die Irre führen. Erst wenn ein Wort wirklich von der Mehrheit verstanden wird, kann man ihn überall verwenden.

Für mich bleibt Compliance ein Begriff für Vorstandssitzungen, der noch nicht einmal im Wirtschaftsteil der Zeitung verwendet werden sollte.

0

@ Niedermeyer (#2):

Ich frage mich allerdings, ob die "Durchfallquote" signifikant niedriger wäre, wenn man nach der Bedeutung der Begriffe "Aktuar" oder "Ombudsmann" fragen würde.

Dennoch sind beides keine Anglizismen, letzteres noch nicht einmal ein Fremdwort.

Niveau ist eben auch eine Herausforderung, auch für die Leser der Wirtschaftteile von Zeitungen. Zum Glück - oder: zur Not? - gibt es ja Nachschlagewerke.

0

Also "Geschäftshygiene" sollte schon mal in den Katalog für das Unwort des Jahres. Damit wird doch schon ausgesagt, dass die Einhaltung der betrieblichen Regeln "rein", der Verstoß dagegen "unrein" sei. Damit werden Klassifikationen für bestimmte Handlungen erschaffen, die aber weder zielführend noch -fördernd sind.

 

Regeln für die Geschäfts(aus)führung

Betriebs- / Geschäfts- / Unternehmensregeln

 

würden mE zumindest besser passen.

Grüsse aus Washington. Ich habe auch keinen guten Vorschlag zur Lösung, aber möchte gerne den Hinweis loswerden, dass der Sarbanes Oxley Act auf dem Prüfstand des US Supreme Court steht. Insbesondere geht es um die Verfassungsmäßigkeit des Public Company Oversight Board - oder wäre "Gremum zur Aufsicht über öffentlich gelistetete Unternehmen" besser ? :-)

Hier ein Link zu einem aktuellen Wall Street Journal Artikel:

http://online.wsj.com/article/SB10001424052748704431804574539921864252380.html?mod=rss_Today's_Most_Popular

Meines Erachtens wird der Versuch, an Stelle des Begriffs "Compliance" einen deutschen Begriff einzuführen, zum Scheitern verurteilt sein.

Längst hat sich der Begriff - ob man dies nun gutheißt oder nicht - als terminus technicus etabliert. Dass er als solcher auch gern von Personen "in den Mund genommen wird" die ihn nicht verstehen, ist das Grundleid eines solchen Fachbegriffs. Ebenso ist es ein übliches, wenn auch leidiges Phänomen, dass sich Menschen versuchen, aus der Masse herauszuheben, indem sie mit Begriffen um sich werfen, die das Gegenüber nicht versteht, um dann generös erklären zu können.

Diejenigen aber, die den Begriff der Compliance täglich im Arbeitsalltag nutzen (müssen) und dies auch (ausschließlich) gegenüber verständigen Adressaten tun, werden sich - so glaube ich zumindest - auf eine Begriffsänderung nicht einlassen.

0

"Innerbetriebliche Rechtsaufsicht". Ist deskriptiv und jeder sollte damit  etwas anfangen können.

 

Grüße aus Berlin,

J. Sokianos

0

Der deutsche Gesetzgeber hat sich entschieden, dass Anglizismen durchaus in die deutsche Rechtssprache und auch in Gesetze passen, wenn andere Begriffe oder Umschreibungen nicht passen. Im WpHG ist nämlich im § 14 vom "Insider" und nicht etwa vom "Eingeweihten" die Rede.

Auch das Wörtchen "Compliance" kam schon vor zehn Jahren in einer staatlichen Veröffentlichung vor, nämlich in der Richtlinie des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 6. November 1999, S. 18453).

Ansonsten würde ich den Begriff "Regeltreue" vorschlagen (bin aber glaube ich nicht der Erste, der diesen Vorschlag gemacht hat).

 

0

Aus medizinischer Sicht kann ich beitragen, dass hier der Begriff "compliance" ausschließlich die Mitwirkung (des Patienten) meint und ein neues Wort hierfür mithin überflüssig ist.

 

Gegen sinnvolle Anglismen habe ich überhaupt nichts. Ich bin kein "Sprachhüter". Wenn aber Worte ohne Not einfach nur ins Englische getauscht werden, um moderner und knackiger rüberzukommen, wird mir schlecht.

 

Ich gehe davon aus, dass die compliance in den deutschen Rechtswissenschaften  ebenso entbehrlich ist.

0

Ein Vorteil des Begriffes Compliance könnte darin liegen, dass er sowohl alleinstehend als auch in Kombination mit unterschiedlichen Zusätzen verwendet werden kann. Dies wird offenbar, wenn man die hier gemachten Vorschläge vergleicht, etwa "betriebliche Normbefolgung" und "innerbetriebliche Rechtsaufsicht".

Während letzterer eine Funktion und ggf. die damit betraute Organisationseinheit bezeichnet, beschreibt ersterer eine Tätigkeit und ggf. den dadurch hergestellten und erhaltenen Zustand. Beide sind unter einander nicht austauschbar.

Wie hieße dann der Compliance Officer: "betrieblicher Normenverfolger" oder "innerbetrieblicher Rechtsaufseher"? Wie die deutsche Übersetzung für compliant (9 Buchstaben): "normenkonform" (13 Buchstaben und zumindest nicht ursprünglich deutsch) oder "regelgerecht" (12 Buchstaben)?

Einer der fiktiven Charaktere, die in den 80er-Jahren die Hörer des Radiosenders SWR 3 unterhielten, war ein gewisser Gotthilf Penibel, von Beruf Chef-Akkurateur. War das vielleicht schon eine vorweggenommene Übersetzung für Chief Compliance Officer?

Ich bezweifele, dass sich ein deutscher Begriff finden läßt, der ebenso einprägsam und vielseitig verwendbar ist wie das englische Compliance, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Trotzdem möchte ich abschließend doch noch einen eigenen Vorschlag beisteuern, dessen Vorteil in der Eindringlichkeit seiner Mahnung liegt: Wohlverhalten.

0

Kommentar hinzufügen