Empörung in Moskau: Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr durch deutschen Diplomaten

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.11.2009

Blogleserin "Marie" hat auf einen interessanten Bericht in der SZ hingewiesen. Wegen fahrlässiger Tötung - § 222 StGB - wurde ein deutscher Diplomat zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte in Moskau zwei Menschen getötet, als er mit einem Porsche Cayenne 50 km/h zu schnell einen Fußgängerüberweg missachtete. In Moskau genoss der Täter Immunität. Nun gibt es offenbar erhebliche Empörung in den russischen Medien über die deutsche Justiz - Näheres hier in der Meldung der SZ

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zur fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr: Krumm/Kuhnert/Schmidt, Straßenverkehrssachen, 2008, 3. Kapitel, Rn. 215 ff.

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10 Kommentare

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Finde ich wirklich lustig: die russischen Medien regen sich über die deutsche Justiz auf. Gerade bei einem Land, in dem es keine echte Justiz und schon gar keine Gerechtigkeit gibt darf man sich sicherlich mal Kritik am eigenen Rechtssystem anhören... 

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Den Zorn der russischen Seite kann ich verstehen. Hier wird der Eindruck erweckt, dass zwei Menschenleben mit einer Geldstrafe abgegolten sind. Rechtstaatlichkeit in Russland hin oder her, ein Unrecht macht ein anderes Unrecht nicht ungeschehen.

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@Querdenker:

Ein russischer Diplomat genießt hier in der BRD aber auch diese Immunität. Die diplomatische Immunität ist ja nichts, was nur deutschen Diplomaten im Ausland zugute kommt.

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Und was hat das damit zu tun? In Deutschland war offensichtlich eine Verurteilung möglich. Mir geht es also NICHT um die Immunität, diese ist unzweifelhaft nötig.

 

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Der Strafbefehl über eine Freiheitsstrafe von einem Jahr (zur Bewährung ausgestezt) und 5000 Euro Geldstrafe erscheint angesichts der beiden Getöteten und es eklatanten - offenbar vorsätzlichen - Geschwindigkeitsverstoßes milde. Allerdings ist dies keineswegs eine Milde, die nur Botschaftsangehörigen gewährt würde oder gar deshalb, weil es sich m ausländische Opfer handelte. Das Strafmaß entspricht vielmehr der allgemeinen deutschen Praxis bei Straßenverkehrstötungen - eine gewisse Tendenz zu "Kavaliersdelikt".

Aus meinen Moskau-Erfahrungen kann ich allerdings beitragen, dass dort Fußgängerüberwege und Geschwindigkeitsverstöße generell weniger ernst genommen werden. Dies ist aber nicht entlastend gemeint, sondern soll lediglich die Empörung in Russland relativieren: Der dortige Straßenverkehr ist weit eher als der hiesige geeignet, Fußgänger "unter die Räder" zu bringen.

 

Ich frage mich, wozu ein Lehrer in einer deutschen Schule im Ausland dipl. Immunität benötigt.

 

Zum Strafmaß. Dass sowas per Strafbefehl und mit einer lächerlichen Geldstrafe geahndet wird, zeigt doch den mangelnden Respekt ggü. den Menschen. Wer im Straßenverkehr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit (+50 km/h) fährt und dann noch seine Fahrweise nicht bei einem Fußgängerübergang ändert, muss wohl schon einen bedingten Tötungsvorsatz im Kopf haben. Anders ist das nicht mehr zu erklären.

 

Für mich grenzt der Strafbefehl an Rechtsbeugung...

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Ähnliche Probleme hat die Berliner Polizei mit "Ihren" Diplomaten bekanntlich auch. Da geht es sicher nicht täglich um Tote. Aber so mancher Diplomat dürfte auf seinen Wegen durch die Stadt nahezu jeden (in D für ihn ohnehin folgenlosen) Blitzer am Wegesrand auslösen, ohne daß das in seiner Heimat überhaupt nur zur Kenntnis genommen wird. Und das trägt dann ja auch nicht zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei. Immunität ist ja ganz nett - solange die so Geschützten sich trotzdem zu benehmen wissen oder wenigstens in den Entsendestaaten entsprechende Folgen zu tragen haben.

Die deutsche Staatsanwaltschaft hat jedenfalls reagiert. Das ist ja schon mal was. Die Strafe ist allerdings skandalös niedrig, da sie dem Menschenleben einen viel zu geringen Wert zuweist. Aber das ist eher ein Problem des deutschen Strafrechts und der deutschen Strafgerichtsbarkeit, die Tötungen im Straßenverkehr regelmäßig irgendwo bei den Eierdiebstählen verorten. Selbst alkoholisiert mit Tempo 100 innerorts über die mehrere roten Ampeln bis zum tödlichen Zusammenstoß (2 Tote und 2 Schwerverletzte) führt in Deutschland nur zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

http://www.welt.de/welt_print/article770870/Drei_Jahre_Gefaengnis_fuer_d...

In solchen Fällen mit extremer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit und weiteren hinzukommenden schwersten Fahrfehlern hätte man viel näher an die vielleicht gerade für solche Fälle zu niedrige Höchststrafe kommen müssen, um gerecht zu sein. Und dann hätte man ggf. eben auch mal Zeugen einfliegen lassen sollen, sofern das dann wirklich nötig werden sollte.

 

 

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"Aber so mancher Diplomat dürfte auf seinen Wegen durch die Stadt nahezu jeden (in D für ihn ohnehin folgenlosen) Blitzer am Wegesrand auslösen, ohne daß das in seiner Heimat überhaupt nur zur Kenntnis genommen wird."

 

Wenn man nicht so viel rumhampeln, sondern die Leute einfach ausweisen würde (persona non grata), würde sich das vielleicht ändern. So natürlich nicht.

 

Und das Auswärtige Amt muß sich die Frage gefallen lassen, warum es nicht schon beim ersten erheblichen Verkehrsverstoß hart durchgegriffen hat. Das wäre IMO eine Petition wert: Die Immunität sollte stets aufgehoben werden, solange die zu erwartende Strafe nicht mit dem Ordre public unvereinbar ist. Bzw. es sollte eine entsprechende Bestrafung durch deutsche Behörden erfolgen, ggf. incl. Verbot, Dienstfahrzeuge zu nutzen.

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Als in Russland lebender Deutscher ein Hinweis zum russischen Rechtssystem: Bei Verkehrsdelikten wird in Russland meist recht streng bestraft - in diesem Fall wäre die Höchststrafe wohl 15 Jahre Arbeitslager gewesen. Eine Novosibirskerin, die im Sommer im alkoholisierten Zustand einen Verkehrspolizisten überfahren hatte und sich danach auf der Polizeiwache darüber empörte, dass nun ihr Auto zerkratzt sei, wurde beispielsweise zu 5 Jahren Straflager verurteilt. Höchststrafe wären hier 7 Jahre Gefängnis gewesen. (Gefängnis wird als "härter" eingestuft als die Arbeitskolonien, wo eine gewisse Freiheit und Abwechslung herrscht.)

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