OLG Bamberg zu Videoabstandsmessungen: § 100h StPO ist die Ermächtigungsgrundlage!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 05.11.2009

Heute früh ist es durchgesickert: Das OLG Bamberg (Beschl. v. 15.10.2009 - 2 Ss OWi 1169/09) hat als erstes OLG eine Ermächtigungsgrundlage für Videoabstandmessungen genannt...leider nur in einem sehr kurzen Beschluss, der nicht einmal das Messverfahren genau erkennen lässt. Offenbar war es eine VKS-Messung. Das Filmen beruht auf § 100h StPO - jedenfalls, solange verdachtsbezogen gemessen wird. Die Entscheidung findet man hier bei strafrecht-online.

Sicher dürfen wir alle gespannt sein, ob auch das Dauerfilmen von den OLG`s als über § 100h StPO gerechtfertigt angesehen wird.

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14 Kommentare

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An #2 (Jens):

Na, mit_Verdacht darf schon aufgezeichnet werden. Das Problem ist doch, dass es technisch nicht möglich ist, nur den Verdächtigen zu filmen. Es sind immer auch eine ganze Menge Unbeteiligter auf dem Film, nämlich alle anderen Autofahrer. Ob es sich im vom OLG Bamberg entschiedenen Fall um Dauerfilmen handelte oder tatsächlich durch irgendein technisches Wunder nur der einzelne Raser gefilmt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Das wäre aber der Knackpunkt.

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Hallo Werner, es ist technisch doch möglich!!!!

das technische Wunder heisst VKS 3 version 3.1 mit dem Softwarepaket VKS select.

Im Nachtrag1 zur Zulassung des Verkehrskontrollgerätes VKS 3 vom  PTB 16.10.2008 wurde die Verwendung des Selectionsmoduls genehmigt.

Das kann sogar Raser und Drängler. Zu jedem Verdachtsfall wird bei der Aufnahme nur das Bild des Tatverdächtigen hinterlegt. Identvideos gibt es in diesen Anlagen nicht mehr.

Es wird schon in einigen Landesteilen mit diesem Verfahren gearbeitet.

MfG

Klaus

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Es ist schade, daß die Urteils-Begründung sich sehr kurz faßt. Handelte es sich nun um eine Bildaufnahme, die zunächst sämtliche Verkehrsteilnehmer ausgezeichnet hatte, um dann später Verkehrssünder herausfischen zu können?

Falls ja, kann man das Urteil von seinem Ergebnis für sehr fragwürdig halten. Denn wenn "aus Gründen der Ver­kehrssicherheit und damit aus überwiegendem Allgemeininteresse" die "Einschränkung des Rechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung" gerechtfertigt sein soll - was spräche mit denn dann noch gegen eine flächendeckende Kameraüberwachung?

Auch der Verweis auf § 100h StPO ist nicht ganz unkritisch. Zunächst: Wie will man der Verpflichtung nach § 101 Abs. 4 Nr. 7 StPO nachkommen? Man wird sich ja nicht damit herausreden wollen, die Identität nicht ermitteln zu können, denn beim Betroffenen hat es ja auch geklappt. Aber auch sonst sehe ich hier ein Mißverständnis des § 100h Abs. 1 StPO: Es gibt bei Beginn der Bildaufnahmen noch gar keinen Beschuldigten, der wird ja erst durch die Aufnahmen und deren Auswertung generiert. Es gibt ja wohl Gründe, warum man an Bahnhöfen nicht einfach Kameras aufgestellen darf, nur um später bei der Aufnahmenauswertung alle mutmaßlichen Drogendealer, Schwarzfahrer oder, es geht ja OWi, Leute, die die Haufen ihrer Hunde nicht wegmachen, zu Beschuldigten zu machen.

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Hallo Knut, ich glaube es besteht eine etwas antiquierte Vorstellung, wie das mit dem Abstands- und Geschwindigkeitsmessen heute so funktioniert.

Ich versuhe es mal nicht zu technisch.

Zu Beginn einer Messung gibt der Beamte, die für die Messtelle vorgegebenen Grenzwerte für Geschwindigkeiten und Abstande  in einen Rechner der in einem VKS Aufnahme Fahrzeug verbaut ist ein.

f

Das hier besprochene VKS system ist neuster Bauart und verfügt über die VKS selct Software.

Das System erhält über eine Videoinformation ( Pal Auflösung 0,44 Megapixel) einer auf einer Brücke aufgestellten Kamera- hier sehe ich den Verkehrsfluss auf der Strasse - wenn es geht bis zu 500 meter. Die Fahrzeuge haben nur einen kleinen Bildinhalt. Hier sind keine Details zu erkennen, weil es gar nicht darauf ankommt. Denn uns geht es um das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer und das auf einem

möglichst grossen Streckenabschnitt.

Auch Vergrösserungen der hier aufgenommenen Bilder bringen keinerlei Infos über Kennzeichen oder Person.

Es interessiert auch niemanden. Also denken wir uns diese Fahrzeuge einfach mal als graue Würfel.

Das VKS select Verfahren( Kombination Bildanalyse -Photogrammetrie) kann unter geprüften Bedingungen innerhalb des Messareals b.z. 250m die jeweilige Ortsposition und die dazugehörige Zeit der im Bild befindlichen Würfel  feststellen. Alle 20 ms wird dieser Prozess im Rechner wiederholt.

Somit analysiert das VKS select Verfahren( weg /zeit berechnung) wie schnell sich die Würfel bewegen und welchen Abstand der Würfel B zur Zeit x zum davorfahrenden WürfelA  hatte.

Übertritt einer der Würfel die vorgeschrieben Grenzwerte- definiert das System einen sogenanntenen begründeteten Verdachtsfall für den in Frage kommenden anonymen Würfel A. Es legt nun die Messwerte des Würfels A in der Verdachtsdatei ab und errechnet, wann der Tatverdächtige die auf Höhe der Brücke( nullpunkt) plazierten Identsensoren passiert. Das System grabbt nun  max 8 Bilder des Betroffenen und fügt  sie der  Verdachtsdatei zu aus der der Impuls zur Aufnahme stammt. Der Verdachtsfall hat nun die Messdaten und die Identifikationsdaten zusammengefasst.

In der Auswertung läd der Beamte die Verdachtsdatei in sein VKS System und überprüft die Messwerte der Verdachtsdatei mit dem VKS 3 Auswertsystem. Erst wenn sich die Messwerte der Übertretung bestätigen übernimmt er das Identbild in den Tatvorwurf. Und holt mit Eingabe in den Tatvorwurf des Kennzeichens den " sogenannten Würfel" aus der anonymität). Dann fügt er den Bildausschnitt

des Fahreres hinzu.

Das Herausholen aus der Anonymität erfolgt somit erst nach einem konkretisierten Tatverdachtund zwar nicht mit der Übersichtskamera sondern mit einem verdachsabhängigen Identsensor dessen Daten nur für den optimalen Zeitpunkt der Beweisführung der Identität Bilder produziert.

 

Die herkömmlichen Systeme arbeiten in der Weise, dass der Beamte aus seiner Fachkenntnis den herankommenden Verkehr beobachtet und bei einem Verdacht den Identrecorder startet , wenn das Fahrzeug  die Messtelle passiert.( Aufmerksamer Messbetrieb)

Hier hängt natürlich alles vom Bediener der Anlage ab. Durchlaufende Identrecorder entsprechenen nicht den Vorgaben und sind selbstverständlich zu beanstanden.

MfG

Klaus

 

 

 

 

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Sorry etwas zu schnell in den Blog hereingeschrieben.

Damit das Beispiel im vorigen Text passt muss es heissen

Somit analysiert das VKS select Verfahren( Weg /Zeit berechnung) wie schnell sich die Würfel bewegen und welchen Abstand z. Bsp. der Würfel A zur Zeit x zum davorfahrenden Würfel B  hatte.

MFG

K.P. Ludwig

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m.E. lässt sich die Frage der Anwendbarkeit des § 100h Abs. 1 StPO (i.V.m. der Verweisungsnorm des § 46 Abs. 1 OWiG) schon aus dem Gesetz selbst beantworten:

 

1. Grundsätzlich können jedwede Personen, d.h. nicht nur der Beschuldigte, von dem Einsatz technischer Mittel zur Überwachung betroffen und dementsprechend deren allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild beeinträchtigt sein.

 

2. Die sachlichen Voraussetzungen des § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO liegen, soweit sie das Herstellen von Bildaufnahmen betroffen, unproblematisch vor. Problematisch ist jedoch, ob die kumulativ notwendige Voraussetzung, nämlich, dass die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre, auch erfüllt ist. Dies ist m.E. bei einer Videoüberwachung grundsätzlich zu bejahen, da alternativ nur die visuelle Wahrnehmung von eingesetzten Polizeibeamten bliebe, die per se unter den Einschränkungen und Beeinträchtigung der optischen Wahrnehmungsmöglichkeiten des Menschens leidet.

 

3. Davon getrennt ist die Frage zu beantworten, wer nach der Konzeption der StPO, genauer nach § 100h Abs. 2 S. 1 StPO, Adressat der Maßnahme sein kann bzw. soll. Dies ist eine wichtige Unterscheidung zu der alleinigen Betroffenheit (i.S.d Nr.1) und betrifft die Frage nach der Rechtfertigung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

 

Der Gesetzgeber hat hierzu klargestellt, dass eine Rechtfertigung grundsätzlich dann anzunehmen (und m.E. auch verfassungsrechtlich im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zutreffend), wenn sich die Maßnahme gegen den Beschuldigten richtet. Bei einer latenten Videoüberwachung fehlt es an einem Akt, der den Ermittlungsbehörden zuzurechnen ist, mit dem ein Verkehrsteilnehmer gerade i.S.d. formellen Beschuldigtenbegriffs als solcher auch behandelt wird. Vielmehr ist die Überwachung "wahllos". Anderes würde geltend, wenn vorab erst die Geschwindigkeit gemessen und sodann erst in einem zweiten, nachfolgenden Schritt die Videoüberwachung beginnen würde.

 

Somit verbleibt es bei der Frage nach der Rechtfertigung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bei der Anwendung des § 100 Abs. 2 S.1 Nr. 1 StPO, wofür notwendig ist, dass Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. In Hinblick auf die soeben skizzierte Möglichkeit einer Kombination aus Geschwindigkeitsmessung und Videoüberwachung ist m.E. die Erforschung des Sachverhalts auch in anderer - nicht mit einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Nicht-Beschuldigten - Weise möglich ohne eine wesentliche Erschwernis.

 

Damit liegen die Voraussetzungen des § 100h Abs. 1 StPO nicht vor.

 

Ein "Schlupfloch", um die Verwertbarkeit eines trotzdessen hergestellten Bildes anzunehmen, sehe ich jedoch in Anwendung der Abwägungslehre unter Berücksichtigung des § 101 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 7, S. 5 StPO.

 

Dort ist geregelt, dass eine grundsätzlich notwendig Mitteilung an den Betroffenen, der kein Beschuldigter ist, dann unterbleiben kann, wenn der Aufwand zur Feststellung der Identität dieser Person außer Verhältnis zu der Eingriffsintensität steht. Wird damit einerseits faktisch die Rechtsschutzmöglichkeit des Betroffenen ausgeschlossen, weil er über die Maßnahme keine Kenntnis hat bzw. erlangt, so ließe sich andererseits wohl nicht sagen, dass die Herstellung der Videoaufzeichnung trotz der feststellbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht verwendet werden darf. 

Nun haben wir also wenigstens erstmal eine OLG-Entscheidung, die aussagt, dass der Eingriff in das allgemeinde Persönlichkeitsrecht zum Zwecke der Verkehrsüberwachung zulässig ist, wie zu erwarten, natürlich nur bei Bestehen eines Verdachts. Wie Klaus.P. Ludwig beschreibt, ist die Übersichtsaufnahme ohne Details zu Fahrer und Kennzeichen noch nicht der Eingriff. Diese Aufnahme begründet lediglich den Verdacht.

Meiner natürlich nicht maßgebenden Meinung bedarf es deshalb auch nicht des § 100h StPO. Dieser Paragraf wurde doch im Zuge der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingeführt, nicht zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, deshalb auch die Formvorschriften aus § 101 StPO.

Wenn nun aber aus der Übersichtsaufnahme der Verdacht gewonnen wurde, sei es durch Hightech wie mit VKS-Select oder einfach aufmerksamen Messbetrieb, reicht doch wohl auch § 163 b StPO. Dieser verweist direkt auf § 81 b StPO mit der Möglichkeit von Lichtbildaufnahmen. Videos sind ja auch nur eine schnelle Folge von Lichtbildern. Mal sehen, ob die Streitfrage noch in eine weitere Runde geht.

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IMHO wird bei den bayerischen Amtsgerichten immer ausgeführt, dass die Videoabstandsmessungen dort verdachtsabhängig seien. Nach durchgehender Bekundung der Messbeamten soll ein Mitarbeiter an der Brücke sitzen und dort wo der Abstand als zu gering erscheint, den Auslöser drücken. Also sei dies nicht verdachtsunabhängig.

 

So ganz pauschal kann man also nicht urteilen.

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Immerhin heißt es in der Entscheidung: 

Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil erfolgte die Bildaufnahme im Zuge der Ermittlung der dem Betroffenen angelasteten Abstandsunterschreitung verdachtsabhängig - worauf auch immer dieser Verdacht sich gründete. 

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ist das VKS 3.1.i.V. m. dem Softwaremodul VKS 3.0 Sellect nun zur Abstandsmessung erlaubt oder nicht?????

 

Also nur das VKS3.0 nicht, denn das ist Verfassungswidrig. aber mit der Auswertungssoftware VKS 3.1 i.V.m. und dem Softwaremodul VKS Selecct?????

Bitte um Antwort...DANKE

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Seit wann ist VKS 3.0 verfassungswidrig? - ich glaube hier irrt jemand!

Zum genauen Verständnis: Es hat überhaupt nichts mit dem Messverfahren zu tun!

VKS 3.0 ist die Bezeichung der Bauart der PTB( Physikalisch Technische Bundesanstalt) . Hierbei handelt es sich um ein von PTB zugelassenes System für die Messung von Abständen und Geschwindigkeiten.

Vers. 3.01 oder 3.1 sind die Softwareversionstände.

VKS ist genauso wie Vama, Bayr. Brückenabstandsmessverfahren und  Vibram im Rahmen des RIS einsetzbar, wenn die personenrelevanten Aufnahmen ( kennzeichen, fahreraufnahme mit der sogenannten Identkamera) anlassbezogen aufgrund eines Anfangsverdachtes aufgenommen werden. ( Dies ist in dem auslösenden Fall nicht geschehen- Identaufnahmen liefen durch somit nicht statthaft)

Man spricht hier vom aufmerksamen Messbetrieb. Der Beamte stellt spricht aufgrund seiner Einschätzung einen Verdacht aus  und drückt beim passieren des Verdächigen die Aufnahme de VTR.

Für das VKS 3.0 System ist ab der Softwareversion 3.1 die Nutzung  der Zusatsoftware VKS von der PTB zugelassen.

Diese ermittlet nach Festlegung der Grenzwerte durch den Beamten per Bildanalyse und photogrammetrischen Messverfahren die Verdachstsfälle und sorgt

dafür das für die Beweisführung nur Bilder des der Tat verdächtigen Betroffenen aufgenommen werden. Dies geschieht nicht mehr mit Video!

Die Rechtsgrundlage wurde inzwischen von einigen OLG`s bestätigt.

 

 

 

 

 

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Sorry da fehlt noch was

 

Für das VKS 3.0 System ist ab der Softwareversion 3.1 die Nutzung  der Zusatzsoftware VKS SELECT  von der PTB zugelassen.

Diese ermittlet nach Festlegung der Grenzwerte durch den Beamten , die Übertretungen per Bildanalyse und photogrammetrischem VKS Messverfahren.

VKS Select sort dafür dafür, daß für die Beweisführung nur Bilder des verdächtigen Betroffenen aufgenommen werden. Dies geschieht nicht mehr mit Video!

Die Rechtsgrundlage wurde inzwischen von einigen OLG`s bestätigt.

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