Koalitionsvertrag: 13 Punkte mit Bezug zum IT-Recht

von Dr. Michael Karger, veröffentlicht am 03.11.2009

Was soll sich für den Bereich des IT-Rechts ändern? Die neue Bundesjustizministerin sieht lt. Interview in WELT ONLINE den Datenschutz als "größtes Projekt". Bei einem kurzen Streifzug durch den Koalitionsvertrag (abrufbar auf den Websites der Koalitionsparteien, z.B. bei der FDP) findet sich u.a. Folgendes (jeweilige Fundstelle ist mit der Zeilenzahl gekennzeichnet): 

1. Vergaberecht (425 ff)

Das Vergaberecht wird (wieder einmal) vereinfacht; es soll unbürokratischer, einfacher und transparenter werden. Vorgesehen ist u.a. ein wirksamer Rechtsschutz bei Unterschwellenaufträgen. Ende 2010 soll ein neuer Gesetzentwurf vorgelegt werden.

2. Online-Verträge (1915 ff.)

Im Online-Bereich soll es ein „verpflichtendes „Bestätigungsfeld für alle Vertragsabschlüsse“ sowie ein „verpflichtendes Preisangabenfenster“ geben.

3. Schnelles Internet und Breitbandversorgung (4625 ff. und 4795 ff.)

Die flächendeckende Erschließung der ländlichen Gebiete mit leistungsfähigem Breitband und der Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen soll beschleunigt werden.

4. Netzneutralität (4639)

Entwicklungen, die die Netzneutralität gefährden, soll nötigenfalls „gegengesteuert“ werden.

5. Kommunikation im Verwaltungsverfahren (4678 ff.)

Im Verwaltungsverfahrensrecht sollen die Voraussetzungen für eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation im Verwaltungsverfahren geschaffen werden.

6. DE-Mail-Gesetz (4690 ff.)

Die Koalition plant ein DE-Mail-Gesetz, bei dem die Erfahrungen aus dem laufenden Pilotprojekt und die Stellungnahmen der Datenschutzbeauftragten berücksichtigt werden sollen.

7. Überwachung des Internetdatenverkehrs (4711 ff.)

Eine generelle Überwachung des Internetdatenverkehrs wird abgelehnt. Das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Recht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme soll bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Informationstechnologie beachtet werden.

8. Verantwortlichkeit der Diensteanbieter, TMG (4746 ff.)

Die Regelungen zur Verantwortlichkeit im Telemediengesetz sollen fortentwickelt werden. Es gelte „auch zukünftig einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen der Dienstanbieter, der Rechteinhaber und der Verbraucher zu gewährleisten“.

9. Urheberrechtsverletzungen und Internetsperren (4772)

Es werden keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergriffen.

10. Rechtsstellung von Verlagen im Online-Bereich (4775)

Die Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt werden als andere Werkvermittler. Es wird deshalb die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet angestrebt.

11. Datenschutz (4864 ff.)

Das BDSG soll novelliert werden. Es soll unter Berücksichtigung der europäischen Rechtsentwicklung „lesbarer und verständlicher gemacht sowie zukunftsfest und technikneutral ausgestaltet“ werden. Vorgesehen sind verbesserte Rahmenbedingungen für informierte und freiwillige Einwilligungen.

12. Stiftung Datenschutz (4878)

Die Koalition plant die Errichtung einer „Stiftung Datenschutz“, die den Auftrag hat, Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit prüfen und die ein Datenschutzaudit entwickeln soll.

13. Internationale Verträge/ europäisches Vertragsrecht (5040 ff.)

Die Schaffung eines einheitlichen europäischen Vertragsrechts wird abgelehnt. Das Grundprinzip der Rechtswahlfreiheit in Europa soll nicht aufgegeben werden.

 

 

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1 Kommentar

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wtr.michael.karger schrieb:
10. Rechtsstellung von Verlagen im Online-Bereich (4775)

Die Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt werden als andere Werkvermittler. Es wird deshalb die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet angestrebt.

Schnell noch nach der Pfeife von Springer und Burda getanzt, damit für dem kommenden Wahlkampf die wohlwollende Berichterstattung gesichert ist:

http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/226.html

http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/114/1711470.pdf

Spiegel: Koalition will Google-Steuer durchs Parlament peitschen

Sascha Lobo beschreibt den Effekt: Mit dem Leistungsschutzrecht soll unter Verwendung technisch und juristisch hanebüchener Konstruktionen das Geld für die immerhin demokratierelevanten Presseleistungen nicht durch Verlage erwirtschaftet werden, sondern durch Google. Angenommen, die Suchmaschine ginge Pleite, zöge sich aus Deutschland zurück oder, etwas realistischer, würde ihr Suchprinzip auf "Opt In" umstellen, so dass nur noch Seiten präsentiert würden, die das ausdrücklich und zu Googles Bedingungen akzeptieren. Dann würde sich selbst der theoretische, gewünschte Effekt des Leistungsschutzrechts in Nichts auflösen.

Was kommt als nächstes? Dass Inhaber von Zeitungskiosken die Presseerzeugnisse nicht mehr so präsentieren dürfen, dass der potentielle Kunde die Schlagzeilen oder gar Textausschnitte lesen kann ohne zu kaufen und falls doch, muss er Zeitungsständerprämie an die Verlage bezahlen?

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