"Leserlink": Kinderunfall mit Falschparkern

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.10.2009

Matthias Böse hat einmal wieder einen Link von zugemailt, den ich nun (verspätet) zum Gegenstand des Blogs machen möchte. Er stammt von www.faz.net. Es geht um die Frage der (Mit-) Haftung von Kindern bei Verkehrsunfällen mit Falschparkern, die eigentlich kein größeres Problem mehr darstellt. Das AG München hatte über eine 1100 Euro-Forderung eines PKW-Halters zu entscheiden, dessen Fahrzeug falsch geparkt war und das durch ein Kind im Rahmen eines Unfalls beschädigt wurde. Die Klage wurde natürlich abgewiesen:

 

"...Der Kläger hatte seinen Wagen im Juli 2008 auf dem Gehweg geparkt, so dass nur noch ein Zwischenraum von einem Meter übrigblieb. Ein sieben Jahre alter Junge auf dem Fahrrad verlor beim Vorbeifahren das
Gleichgewicht und beschädigte Stoßstange sowie Spoiler des Wagens. Der Autobesitzer wollte den Schaden von den Eltern des Kindes ersetzt bekommen. Als diese sich weigerten, klagte der Falschparker.

Ein sieben Jahre altes Kind genieße ein sogenanntes Haftungsprivileg, erläuterte das Gericht. Demnach seien Kinder zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr für Schäden, die sie bei einem Unfall einem anderen zufügen, nicht verantwortlich. Zwar gelte dieses Haftungsprivileg nicht, wenn das beschädigte Auto geparkt sei - das wiederum gelte aber nur für ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeuge. Das Kind habe im vorliegenden Fall nach der Straßenverkehrsordnung auf dem Bürgersteig fahren müssen. Engstellen eines sonst breiten Weges gehörten zu den Situationen, die Kinder in diesem Alter überforderten. Der Autofahrer habe somit eine für das Kind schwer beherrschbare Gefahrensituation herbeigeführt. Den Eltern sei kein Vorwurf zu machen, befand das Gericht. Bei schulpflichtigen Kindern sei beim Radfahren eine ständige Aufsicht nicht mehr erforderlich...."

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3 Kommentare

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Dass die Frage nach der Haftung eines Kindes bei einem Unfall mit stehendem Kraftfahrzeug "eigentlich kein größeres Problem mehr darstellt", ist allerdings eine gewagte Behauptung. Schon, dass der BGH in kurzer Folge immer wieder neue, jeweils vom Vorherigen deutlich abweichende Entscheidungen trifft (treffen muss), spricht gegen diese Behauptung.

Der BGH hatte ja nach der Neuregelung contra legem entschieden, dass parkende Kraftfahrzeuge keine Kraftfahrzeuge sind. Dass das greifbar rechtswidrig ist und zu unauflösbaren Wertungswidersprüchen führt, haben verschiedene Stimmen in der Literatur herausgearbeitet. Der BGH ruderte alsbald zurück und führte das Kriterium des "ordnungsgemäßen" Parkens ein - ohne dass in den Entscheidungen jemals klar wurde, was denn ordnungsgemäß und was denn ordnungswidrig ist. Es blieb auch ziemlich dunkel, wo in den jeweiligen Fällen das Kfz stand und was da erlaubt war. Auf eine Entscheidung der OWi-Behörde hob der BGH jedenfalls nicht ab. Ob es auf die rein ordnungswidrigkeitenrechtliche Beurteilung dabei ankomme, blieb zunächst offen. Dass es darauf nicht ankomme, ergab sich aus der BGH-Entscheidung zum verkehrsbedingten Warten mitten in der Kreuzung, wo das Warten/Stehen vom BGH als irgendwie ordnungswidrig angesehen wurde. Dass es auf die OWi-Beurteilung nicht ankomme, ergab sich zwischen den Zeilen auch, als der BGH als ordnungswidriges Parken hinstellte, wenn (die hinteren) Türen am soeben abgestellten Wagen (noch) offen waren und ein Zeuge daneben stand (NZV 2009, 77). Es ist danach nur eine Frage der Zeit, bis dieselbe Frage für die vorderen Türen entschieden werden muss oder für (nur) eine offene Tür oder für die Situation ohne Zeuge neben der Tür oder oder... Nun rudert der BGH in einer weiteren Entscheidung nochmals weiter zurück, indem er eine gewagte Theorie zum Anscheinsbeweis vertritt (Juris-PraxisReport 2009, 193 mit Anm. Ina Ebert).

Es war danach nur eine Frage der Zeit, bis es in einer Entscheidung wirklich zu klären war, was denn ein Falschparker im Sinne des Haftungsrechts ist. Ob ein Gehweg (auf dem das Kind nunmal gehen und Rad fahren muss) im Sinne des Haftungsrechts seine Eigenschaft als Gehweg verliert (und also der Kraftfahrer da "ordnungsgemäß" parken darf), nur weil ein (rechtswidriges?) VZ 315 dran steht? Niemand weiß es. Das Problem wird uns noch länger beschäftigen - ich behaupte mal, solange, bis der BGH seine anfängliche, schlicht gesetzeswidrige Auslegung rundheraus aufgibt.

Geklärt ist die Frage ja auch in dieser Entscheidung hier nicht. Im Gegenteil wird auch hier noch von "ordnungsgemäß abgestellt" geredet, obwohl das im Haftungsrecht nichts zu suchen hat. Und die Sachverhaltsschilderung drängt die Frage geradezu auf, was denn wäre, wenn ein VZ 315 das Gehwegparken mit einer ungefähren, verbleibenden Restgehwegbreite von einem Meter anordnet? Ob das was ändert? Nach der Argumentation des Gerichts, dass da das Kind fahren musste und dass die Breite schlicht zu gering ist und dass das Kind damit schlicht überfordert ist, ändert sich ja nichts.

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Dr. Kettler hat das Urteil zutreffend eingeordnet: ein Schritt auf dem langen Weg zurück zum Gesetz.

Hier in Hamburg könnte man die Situation schon fast wieder gegen die Eltern auslegen.Regelmäßig sind auf langen Straßenabschnitten die Gehwege nahezu zugeparkt (Restbreite kaum 100 cm) - z.T. mit behördlicher Erlaubnis durch Z 315, z.T. ebenso eigenmächtig wie geduldet. Ein Verkehrspolizist der da einschreitet, gilt in der eigenen Truppe schnell als gestört, wie ein Artikel in der TAZ (HH) kürzlich glaubhaft aufzeigt. Verteidigung des Gesetzes auf diesem Gebiet gilt in HH schon als Untergang des Abendlandes, wie ich aus vielen Kontakten mit Hamburger Polizisten berichten kann/muß.

Wenn das so ist, und jeder das weiß und auch ein erwachsener Radfahrer da nicht unfallfrei auf dem Geh- oder Radweg durchkäme, müßte man dann nicht schon von einer Verletzung der Aufsichtspflicht sprechen, wenn Eltern ihre Kinder dort überhaupt noch Radfahren lassen?

Ansonsten gilt: solche Urteile sollte man ruhig im Umfeld einer Grundschule an die Windschutzscheiben der falsch geparkten Autos klemmen. Das diszipliniert ungemein (meine Erfahrung) - je neuer und teurer das Auto, umso mehr (und stecken ja oft gerade die hinter, die man sonst kaum beeindrucken kann).

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