EGMR: Deutsches Nichtehelichenerbrecht verstößt gegen Europarecht

von Dr. Claus-Henrik Horn, veröffentlicht am 30.09.2009
Rechtsgebiete: ErbrechtErbquoteneuroparechtswidrigErbrecht1|4855 Aufrufe

Kinder von Vätern, die mit der Kindesmutter nicht verheiratet waren und vor dem 01.07.1949 geboren wurden, sind dem deutschen Erbrecht zufolge nach dem Vater weder erb- noch pflichtteilsberechtigt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht zuletzt am 20.11.2003 die Verfassungsmäßigkeit festgestellt hat (1 BvR 2257/03), hat jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass diese Benachteiligung gegen das Diskriminierungsverbot des Ar. 14 i.V.m. Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt (29.05.2009 - Brauer/Deutschland - Bsw. Nr. 3.545/04).

Im Gegensatz dazu sind nichteheliche Kinder schon immer nach der Mutter erb- und pflichtteilsberechtigt. Das Gleiche gilt für nichteheliche Kinder nach dem Vater, wenn sie nach dem 01.07.1049 geboren wurden (bei Erbfällen ab dem 01.04.1998).

Bis Ende August 2009 hätte die Bundesregierung reagieren müssen, was nach meiner Kenntnis nicht erfolgt ist. Daher hat jetzt der Große Senat des EGMR zu entscheiden.

Deutschland ist aufgerufen, sein Erbrecht zu ändern. Der EGMR kann aber nicht deutsche Gesetze für nichtig erklären.

Es ist nicht auszuschließen, dass nachträglich nichtehelichen Kindern ein Erbrecht gesetzlich geschaffen wird. Alte Erbfälle wären neu aufzurollen; Erben und Erbquoten können sich ändern. Erbscheine sind dann einzuziehen. Vielleicht steht damit die nächste Erbrechtsreform schon vor der Tür, wo die derzeitige am 01.01.2010 in Kraft tritt.

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Das OLG Stuttgart hat die Verfassungskonformität des Nichtehelichenerbrechts bestätigt (Beschluss vom 24.11.2009, Az. 8 W 462/09; http://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata\ents\urteile\2009\cont\beckrs_2009_87456.htm&pos=0&lasthit=true&hlwords=#xhlhit ). Die Entscheidung des EGMR würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Das OLG Stuttgart spricht sich direkt gegen die Erwägungen des EGMR aus; es bestehen erhebliche Bedenken, ob überhaupt eine „völkerrechtskonforme“ Auslegung möglich ist Ferner müsste der Vertrauensschutz der Erblasserin der Vorrang eingeräumt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.

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