Völkerrechtsexperte Prof. Dr. Claus Kreß sieht Deutschland im Krieg

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 27.09.2009

Die Fragen nach Krieg und Geltung des Kriegsrechts in Afghanistan, die ich nach dem Luftangriff auf den Tanklastzug im Blog aufgeworfen habe, beantwortet im aktuellen SPIEGEL Nr. 46 S. 26 (leider gibt SPIEGEL ONLINE nur eine kurze Zusammenfassung) der Kölner Ordinarius für Straf-und Völkerrecht Prof. Dr. Claus Kreß eindeutig und korrigiert damit die Rechtsauffassung des Verteidigungsministers:

 

(1) Bei der Auseinandersetzung mit den Taliban handele es sich völkerrechtlich um einen nicht-international bewaffneten Konflikt, für den Kriegsrechts gelte. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung von Großbritannien, Kanada und den USA.

(2) Die falsche Weichenstellung durch das Verteidigungsministerium setzte sich fort, wenn jetzt die Staatsanwaltschaft - wie bei einem missglückten Polizeieinsatz -  wegen fahrlässiger Tötung anlässlich des Luftangriffs auf den Tanklastzug ermittle.

(3) Für die Strafbarkeit deutscher Soldaten im Einsatz gelte daher das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) mit Zuständigkeit der Generalbundesanwältin.

(4) Es sei ein unhaltbarer Zustand, dass für strafrechtliche Konflikte, in die deutsche Soldaten geraten, keine spezielle Staatsanwaltschaft mit besonderen Fachwissen gebildet werde.

 

Dem ist von meiner Seite aus nichts hinzufügen!

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3 Kommentare

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Ein zweischneidiges Schwert für die Angehörigen:

Es sollte vielleicht noch darauf hingewiesen werden, welche Konsequenzen es für die Soldaten bzw. deren Angehörige hat, wenn der Konflikt als Krieg anzusehen hat: für gefallene Soldaten im Krieg zahlt die Lebensversicherung in aller Regel keinen Cent. Ansonsten gibt es die volle Lebensversicherungssumme (wenn es eine Art Unfall in einem Einsatz ist, der nicht als Krieg definiert ist, und wenn es nur das sog. "passive Kriegsrisiko" betrifft).

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,635547,00.html

Dass die Bundesregierung sich nach offizieller Sprachregelung in Afghanistan nicht im Krieg sieht, ist dabei unerheblich. "Im versicherungstechnischen Sinne" sei jede kriegerische Auseinandersetzung mit Kriegswaffen erfasst, sagte der GDV-Sprecher, unabhängig davon, ob es nun eine formale Kriegserklärung gebe oder nicht. Der beschränkte Schutz gelte im Übrigen auch für Techniker, Journalisten oder Geschäftsleute, die in einem Kriegsgebiet unterwegs seien.

(...)

Eine eindeutige Kriegsaussage der Bundesregierung würde diesen feinen Unterschied womöglich hinfällig werden lassen. Denn bislang zeigen sich die Lebensversicherer offenbar kulant. Bisher habe man noch nie eine Zahlung mit Verweis auf die Kriegsklausel verweigert, heißt es etwa bei der Axa-Versicherung, über deren Tochter DBV Winterthur rund 70.000 Soldaten eine Lebensversicherung abgeschlossen haben.

(...)

Mit diesem Status quo will sich Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) aber nicht länger zufrieden geben. Nun, da die Lage in Afghanistan auch für deutsche Soldaten immer lebensgefährlicher wird, sieht er Nachbesserungsbedarf auf Seiten der Versicherer. Schritt für Schritt hat die Regierung zuletzt die Einsatzregeln für Afghanistan geändert und offensiver gestaltet, womit aus Versicherungssicht auch das aktive Kriegsrisiko steigen dürfte - und damit der Grund für die Haftungsbeschränkung wahrscheinlicher würde.

 

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Ohne Zweifel: die Angehörigen müssen versorgt sein.

Nur: der Staat sollte sich nicht hinter dem Argument verschanzen, es läge kein Krieg vor, weil andernfalls die Lebensversicherung nicht zahlen würde.

Die Soldaten vor Ort werden für diese Diskussion wenig bzw. ein Verständnis haben. Sie riskieren tagtäglich ihr Leben und erwarten, dass die Versorgungsfrage gesichert ist und kein Thema sein sollte.

... und diejenigen Soldaten, die im Einsatz stehen, erwarten (so sehe ich das), dass  sie das Kriegsrecht "schützt" und nicht jede Kampfhandlung nach Notwehr bzw. Nothilfegesichtspunkten entsprechend dem StGB beurteilt wird.

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