Ende des mündlichen Sachverständigengutachtens im Zivilprozess?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.09.2009

Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gibt es bei mündlich erstatteten Sachverständigengutachten eigentlich keine Probleme - anders im Zivilverfahren, wie ich im Verkehrsrechtsteil der NJW-Spezial 2009, 5 (= Heft 9) zu meiner Überraschung festgestellt habe. In der NJW-Spezial ist nämlich die Entscheidung BGH NJW 2009, 2604 besprochen. Es ging um ein mündlich erstattetes verkehrsanalytisches Gutachten, zu dem eine Partei nach der mündlichen Verhandlung noch ergänzend (und sachverständig beraten) Stellung nahm und Einwendungen erhob. Das Gericht entschied aber daraufhin ohne eine erneute Verhandlung und ohne ergänzende Sachverständigenanhörung. Kern der Entscheidung ist sicher diese Textstelle:

"...Das Landgericht hätte die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen, um eine ordnungsgemäße Befassung mit den Einwendungen des Klägers im Schriftsatz vom 29. April 2008 zu ermöglichen, und diese dem gerichtlichen Sachverständigen zur Stellungnahme zuleiten müssen. Denn wenn, wie im Streitfall, ein Sachverständiger, ohne dass er vorher ein den Parteien zur kritischen Würdigung zugängliches schriftliches Gutachten erstattet hat, in der mündlichen Verhandlung zu schwierigen Sachfragen ausführlich gehört wird, muss jede Partei, soll ihr das rechtliche Gehör nicht verkürzt werden, Gelegenheit erhalten, sich nach Vorliegen des Protokolls über die Beweisaufnahme gegebenenfalls anderweitig sachverständig beraten zu lassen und zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 1982 - VI ZR 41/81 - VersR 1982, 371; Senatsurteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 95/85 - VersR 1986, 1079 f.; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl. § 411 Rn. 2; Saenger/ Eichele, ZPO, 2. Aufl., § 411 Rn. 6)...."

Natürlich wird der Zweck des mündlichen Gutachtens (schnell und kostensparend den Streitgegenstand zu klären) hierdurch nicht mehr erreicht. Wird das mündliche Sachverständigengutachten somit "aussterben"? 

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2 Kommentare

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...nein, "Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde erörtert" - wer bis dahin nicht den Mund aufbekommt, der ist auch nach d. zitierten Auffassung mit weiteren Einwänden abgeschnitten.

Das Urteil enthält nix Weltbewegendes, seit 1982 funktioniert es ja auch. Wird im Übrigen ein Scheinproblem bleiben, solange Advokaten den "Fortsetzungstermin" schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht mögen :-)

Ansonsten wird halt wiedereröffnet, 2-3 Mal und das Geplärre legt sich bei den Kollegen vor Ort wieder...

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