Kautionsdilemma

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 01.09.2009

Die (absolut) herrschende Meinung geht davon aus, dass aus der Kautionsabrede ein Aufrechnungsverbot für Gegenforderungen folgt, die nicht unter den Schutzzweck der Kautionsabrede fallen. Dass ist bei

  • öffentlich gefördertem Wohnraum ein Anspruch auf Mietzahlung, § 9 Abs.5 WoBindG (AG Hannover v. 26.11.1996 – 525 C 8750/96, WuM 1998, 347),
  • bei preisfreiem Wohnraum ein Anspruch, der nicht aus dem Mietvertrag resultiert (LG Köln v. 31.01.2007 - 10 S 165/06, MietRB 2007, 113).
  • bei einer Sonderkaution (z.B. nach § 554a Abs. 2 BGB) jeder, also auch ein Anspruch aus dem Mietvertrag, der nicht mit der baulichen Veränderung im Zusammenhang steht (vgl. AG Köln v. 7.4.2008 - 222 C 480/07, NZM 2009, 433 für Kaution zur Parabolantenne).

Ist das nachvollziehbar? Der Vermieter soll einen als Sicherheit hinterlegten Betrag herausgeben müssen, weil seine Ansprüche nicht vom Sicherungszweck der Kaution erfasst werden, obwohl sich das Mietverhältnis in der Abwicklung befindet.

Beispiel: der Mieter von preisgebundenen Wohnung „wohnt seine Kaution ab“ und zahlt in den letzten drei Monaten keine Miete. Im Hinblick auf § 9 Abs. 5 WoBindG, wonach die Kaution im preisgebundenen Wohnraum nur für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen verlangt werden kann, darf der Vermieter den „Wunsch“ des Mieters nicht erfüllen. Streng genommen muss er bei Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs die Kaution auszahlen, wenn keine Ansprüche im Sinne von § 9 Abs. 5 WoBindG bestehen, und seine Zahlungsklage wegen der rückständigen Mieten fortsetzen/einleiten. Wenn er einen Titel erwirkt hat und der Mieter nun die Eidesstattliche Versicherung abgibt ….

Es geht noch besser: hält der Vermieter wegen nicht aufrechenbarer Ansprüche die Kaution zurück, ist der Rückzahlungsklage mit der für den Vermieter nachteiligen Kostenfolge stattzugeben (ein sofortiges Anerkenntnis führt nach § 93 ZPO nur dann zur Kostenlast des Mieters, wenn der Betrag auch unverzüglich ausgezahlt wird). Selbst wenn der Vermieter seine Ansprüche im Wege der (Hilfs-) Widerklage verfolgt, hat er die Kosten der Klage des Mieters zu tragen, obwohl alles schiedlich friedlich mit der Aufrechnung sein Bewenden hätte haben können.

Im Hinblick darauf sollte nach dem Grundsatz verfahren werden, dass mietvertragliche Rechte mit dem Vertrag insgesamt erlöschen. Ihre Fortgeltung in das Stadium der Abwicklung kann nur da einsetzen, wo anzunehmen ist, dass die Mietparteien eine über das Vertragsende hinaus gehende Regelung schaffen wollten oder es ausnahmsweise durch Treu und Glauben geboten ist, weil sich ansonsten ein unerträgliches Ergebnis einstellt.

Dafür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, wenn der Vermieter am Ende der Mietzeit Geld, dass der Mieter zurückverlangen kann, auf Forderungen verbucht, die offen stehen – gleich aus welchem Rechtsgrund.

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Wenn Sie aber mal einen Rückforderungsanspruch auf eine Mietkaution pfänden, wissen Sie diese Regeln sehr zu schätzen. Denn der Weg, den pfändenden Gläuber durch Mietzahlungsverweigerung ins Leere laufen zu lassen, ist oft verbaut. Warum sollte nicht der Vermieter der erste sein, der auf die Idee kommt, zu pfänden? Wenn nicht, hat er halt Pech gehabt. Ich habe die Pfändung des Rückzahlungsanspruchs schon mal genutzt und damit einen schönen Volltreffer gelandet. Es war zwar nicht ganz einfach, den Vermieter zu ermitteln, aber dann ging's ganz schnell. Der Schuldner zahlte - offenbar nach einem unerfreulichen Gespräch mit seinem Vermieter - nach zwei Jahren hartnäckiger Verweigerung schnell, kommentarlos und vollständig. Und er hatte dann auch schon eine neue Anschrift.

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