80 % der Geschwindigkeitsmessungen falsch? Nö - nur Marketing

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 11.08.2009

Vor ein paar Monaten hatte es mal wieder den Anschein, als würde die OWi-Welt beben: 80 % der Geschwindigkeitsmessungen sollten falsch sein. Selbst die FDP-Bundestagsfraktion ist darauf reingefallen und hat eine kleine Anfrage an die Bundesregierung verfasst. Besser wäre es vielleicht gewesen, die Blog-Beiträge in unserem Blog zu diesem Thema zu lesen, oder?! Damals hatten Blogleser schon geahnt, dass nur Marketing hinter der Sensation steckt.

Die VUT jedenfalls, die den "Skandal" aufgedeckt hat, hat der Bundesregierung ihre Erkenntnisse trotz entsprechender Bitte nicht mitgeteilt (aus BT-Drs 16/13745):

"...Der Bundesregierung liegt die Studie nicht vor. Die VUT Sachverständigengesellschaft mbH wurde mit Schreiben vom 27. März und 11. Mai 2009 gebeten, dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Einblick in die Studie zu gewähren. Dieser Bitte wurde bislang nicht entsprochen...."

Einen Skandal hat die Bundesregierung dann natürlich auch nicht feststellen können. Immerhin hatte die VUT die Schlagzeilen für sich.

 

 

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9 Kommentare

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Vorab: Die BT-Drs ist hier zu finden

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/137/1613745.pdf

Dabei gilt es für mich, zwei Dinge festzuhalten:

  1. Die Antwort ist vom 2.7.2009. Somit ist viel Zeit, die hier nicht erfasst ist, in der die VUT durchaus hätte antworten können
  2. Dort steht nicht, dass die VUT das Ersuchen abgelehnt hat. Vielmehr liest es sich so, als hätte man auf das Schreiben gar nicht reagiert. Aus einem Schweigen einen Inhalt abzulesen sollte man aber tunlichst unterlassen; Vielmehr kann es durchaus sein, dass die VUT aus eigenen Gründen die Studie nicht offen legen will.

Das steht der Vermutung, dass es hier um Marketing geht, natürlich nicht entgegen. Aber trotzdem ist es nun einmal eine Vermutung, die jetzt einfach nur mit Unterstellungen garniert wird. Vielleicht sollte man einfach mal kurz per Mail selber nachfragen, warum nicht reagiert wurde? 

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Natürlich sind 80 Prozent falsch. Das hat schon der Freiburger "Technikgott" Löhle festgestellt...DAR aus den 80er Jahren. Deswegen gibt es ja die Toleranz :-)

Marketing ist noch lieb. Bauernfängerei trifft es wohl besser...

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Was die VUT gemeldet hat und was die Presse daraus gemacht hat, sind sicherlich zwei Paar Schuhe. Mich würde mehr interessieren, warum die Bundesregierung nicht mal selbst eine Studie in Auftrag gibt, die untersucht, wie viele der Geschwindigkeitsmessungen richtig sind. Oder werden viele nur "richtig gemacht", indem die Gerichte den Polizeibeamten glauben, dass sie sich nach häufig langer Zeit noch daran erinnern können, dass sie alles richtig gemacht haben? Es sind ja meistens "erfahrene Messbeamten, die dem Gericht aus langer Praxis als zuverlässig bekannt sind". Dagegen kommt dann keiner mehr an und die Messung ist "richtig". Aber wahrscehinlich will man das nicht, weil dann von den vielen Einnahmen (zwischen 2005 und 2008 rund 800.000.000 €) zu viel verlieren würde.  

Im Übrigen würde mich über "Marketing" nicht mokieren, schon gar nicht in einem Verlags-Blog.  Denn dessen Betreiben ist doch auch Marketing, wo gegen ja gar nichts einzuwenden ist. Oder soll man glauben, dass ein Verlag ein solches Unternehmen uneigennützig betreibt. Das wäre eben so blauäugig wie die Annahme, dass die Experten das tun.

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Ich kann der ausführlichen und ebenso richtigen Darstellung der Kollegen Demuth nur beipflichten.

An dieser Stelle sei zudem der Hinweis auf dessen Seite www.straffrei-mobil.de erlaubt. Auch deren Inhalt lohnt, neben der hiesigen Seite, immer wieder einen Besuch.

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Sehr geehrter Herr Krumm,

die OWi-Welt bebt eigentlich schon lange, leider wird dies aber oftmals nicht wahrgenommen.

Herr Demuth hat die Studienergebnisse der VUT nochmals absolut exakt und präzise wiedergegeben und völlig richtig dargelegt, dass die VUT zu keinem Zeitpunkt davon gesprochen hat, dass 80 Prozent aller Messungen "falsch" seien. Der Organisation nun wegen einer völlig unpräzisen, von der Presse journalistisch aufgepeppten Schlagzeile "nur Marketing" vorzuwerfen, geht meines Erachtens am Ziel vorbei. Das gilt noch mehr für die Unterstellung der "Bauernfängerei" im Beitrag von sihamann.

Das Problem ist doch ein gänzlich anderes, wie Sie als erfahrener Bußgeldrichter wissen dürften.

Die Annahme eines standardisierten Messverfahren setzt voraus, dass nicht nur die Messung als solches korrekt durchgeführt wurde, sondern unter anderem auch die Vorgaben des Herstellers in der Bedienungsanleitung exakt befolgt werden. Genau daran hapert es aber häufig hinsichtlich des Akteninhaltes der Bußgeldakte. Es fehlen die Kalibrierfotos oder die fotografische Dokumentation der Fotolinie, die Brennweite des Objektivs ist nicht angegeben, der Eichschein bezieht sich auf eine anderes Gerät und und und. Es kann also nicht anhand des Akteninhalts geprüft werden, ob ein standardisiertes Verfahren vorliegt. Also geht der Verteidiger, nachdem er trotz mehrfacher Bitte die fehlenden Unterlagen nicht erhalten hat, in den Einspruch. Er erhält daraufhin ein Formschreiben des Gerichts, es liege eine Messung im standardisierten Verfahren vor, es würden "nach Aktenlage" keine Gründe gesehen, weshalb der Bußgeldbescheid zu korrigieren sei und die Rücknahme des Einspruchs solle erwogen werden.

Dieses Procedere ist meines Erachtens das eigentliche Beben! Auch wenn Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen wohl "Massenware" sind, sollte der jeweilige Bußgeldrichter doch zumindest erst einmal anhand des Inhalts der Akte kontrollieren, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine standardisierte Messung derzeit vorliegen, bevor er ein deratiges Schreiben absenden lässt!

Am Schlimmsten/Schönsten ist es bei Anwendung des Lasermessgeräts Riegl (Laserpistole). Ein Beweisfoto liegt naturgemäß nicht vor, der Messbeamte hat - bitte die etwas zynische Formulierung zu entschuldigen - im Messprotokoll bei den zu absolvierenden Tests die richtigen Kreuzchen gemacht und "schwupps" haben wir ein standardisiertes Verfahren? Mitnichten, da erst über die Befragung des Beamten geklärt werden kann, ob er die Tests denn auch richtig durchgeführt hat und dabei erleben Sie immer wieder einmal die abenteuerlichsten Schilderungen wie beispielsweise: "Visiertest = ich gucke durchs Visier und wenn ich was sehe, ist es ordentlich justiert".

Das sollte eigentlich zu viel größeren "Beben" führen, zumindest aber zur sofortigen Abschaffung dieses völlig ungeeigneten Messgeräts (in der Schweiz werden schon lange Laserpistolen mit Fotoeinheit eingesetzt).

 

@ Fawkes

Wenn mich die Bundesregierung nett um etwas bitten würde, würde ich ihr sicher antworten. Ich denke, das gebietet schon die Höflichkeit, oder?! Zumindest eine Antwort wie z.B. "Wir wollen nicht sagen, was wir wissen!" hätte sich doch angeboten.

@ Herrn Demuth

Danke für die Darstelllungen. Aber: Hatte die VUT nicht überall die Meldung lanciert? Unabhängig voneinander haben alle Medien doch von dieser Zahl gesprochen. Auch die FDP ist in der kleinen Anfrage davon ausgegangen.

@ Herrn Tetting

SIe haben vollkommen Recht. Die Fotodokumentation wäre ohne Zweifel wünschenswert. Aber: Generell untauglich ist das Riegl-Gerät doch nicht. So schlimm steht`s doch nun auch nicht.

@Herrn Dötsch

Die Seite von Herrn Demuth kenne ich natürlich und finde sie auch toll. Ich mache da mal bei Gelegenheit einen Extra "Surftipp" draus.

 

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@ Tetting:

Wieso beziehen Sie die "Bauernfängerei" auf die VUT?

Ich meinte eigentlich die FDP :-). Lesen vor dem Nachplappern...

P.S: Das Riegl ist gut. Finden Sie sich damit ab - Ihre Mandanten sind zu 99,9 Prozent verantwortungslose, äh natürlich "nur" einfach fahrlässige, pflichtvergessene Raser.

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Die damalige Pressemitteilung der VUT aus März 09 kann man noch auf deren Homepage vutonline.de herunterladen. Es wurden nicht nur die Ergebnisse der Auswertung erläutert, sondern als Fazit auch "Forderungen zur Qualitätssicherung" formuliert. Wünschenswerter wäre es aus meiner Sicht daher gewesen, wenn die Veröffentlichung zu einer sachlichen Diskussion über eine Verbesserung rechtsstaatlicher Standards bei OWi-Verfahren im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsmessungen geführt hätte als zu effektheischenden Schlagzeilen - mit welchen Prozentangaben auch immer.

Die Forderung nach einer Fotodokumentation bei der Riegl-Laserpistole gehört beim Thema rechtsstaatliche Standard dazu. Auch wenn die Geräte zweifellos gut funktionieren so bleibt doch letzlich das unbefriedigende Problem, das oben schon vom Kollegen Tetting angesprochen wurde: Im Zweifel gilt Behauptung vor Beweis.

Am Amtsgericht Herford veranlasste dieses Problem einen Richter vor nicht allzu langer Zeit ja mal dazu, die Betroffenen nicht zu verurteilen. Diese m.E. konsequente Haltung des (mutigen) Richters fand damals in der Presse auch große Beachtung. Geändert hat sich leider bis heute nichts. Technisch wäre es wohl kein Problem die Handlasermessgeräte entsprechend aufzurüsten.               

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@ sihamann:

Sorry, aber dass Sie die FDP meinten, war aus dem Kontext Ihres Beitrags nun nicht sofort erkennbar.

Zur Riegl-Laserpistole:

Es geht hier nicht um die grundsätzliche technische Funktion des Gerätes, sondern dessen Beweistauglichkeit im Verfahren. Dem Kollegen Demuth ist zuzustimmen, dass bei diesem Gerät wirklich Behauptung vor Beweis geht. Und damit werde ich mich bestimmt nicht "abfinden", zumal es den rechtsstaatlichen Grundsatz der Unschuldsvermutung - Gott sei Dank - noch immer gibt!

Nur als Beispiel nehme ich mal Sie selbst und gehe davon aus, dass Sie natürlich ein pflichtbewusster Verkehrsteilnehmer sind, der haargenau die Geschwindigkeitsbegrenzungen einhält (zugegebenermaßen ist das Beispiel jetzt aus Gründen der Anschaulichkeit stark übertrieben, es soll nur potentielle Möglichkeiten aufzeigen):

Ich nehme mir die Laserpistole Riegl sowie einen Kollegen als Protokollführer und stelle mich an eine Straße. Voher nehme ich mir das Messprotokoll und kreuze alle Tests als durchgeführt an. Tatsächlich führe ich diese aber überhaupt nicht durch. Nun kommen Sie mir mit Ihrem Pkw mit exakt 50 km/h - der erlaubten Geschwindigkeit - entgegen. Ich richte das Messgerät auf ihren Pkw und rufe meinem etwas daneben stehenden Kollegen das Kennzeichen Ihres Pkw sowie die angeblich gemessene Geschwindigkeit von 78 km/h zu, was dieser ordnungsgemäß notiert und an das nicht in Sichtweite stehende Anhaltekommando weitergibt. Tatsächlich habe ich gar nichts gemessen. Nun wird Ihnen abzüglich Toleranz eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 km/h vorgeworfen. Sie beteuern, dass sie keinesfalls ein "verantwortungsloser Raser" sind, sondern gesetzestreu 50 km/h gefahren sind. Sie hätten sogar extra den Tempomat auf 50 eingestellt.

Ihr Problem: alle in der Bußgeldakte vorhandenen Unterlagen belegen eine Messung im standardisierten Verfahren. Im anschließenden Prozess bete ich die natürlich exakt auswendig gelernte Durchführung der Tests herunter, bestätige, dass ich sie alle gemacht habe und natürlich nur ihren Pkw als Einzelfahrzeug am Kennzeichen anvisiert habe. Fazit: Sie haben keine Chance das Gegenteil zu beweisen, Sie könnten mir nicht eimal nachweisen, dass ich gar keine Messung gemacht habe, weil es eben keinen fotografischen Beweis gibt, sondern auch der Bußgeldrichter sich auf meine Aussage verlassen muss.

Stark übertrieben wie gesagt, aber ich hoffe, Sie erkennen das Problem, was sich aus der fehlenden Fotodokumentation ergeben kann. Selbst einen - nur allzu menschlichen - Fehler in der Handhabung des Geräts werden Sie dem Messbeamten nur sehr schwer nachweisen können.

Und nun? Finden wir uns damit ab? Das kann es doch nicht sein, insbesondere da unzählige Geräte mit Foto- oder Videodokumentation sich bereits im Einsatz befinden.

@ Herr Krumm

Ich verweise auf das oben Dargelegte:

Meine Auffassung - Herr Krumm, wäre das nicht einmal ein Blog-Titel? - ;-) "Weg mit Geschwindigkeitsmessgeräten ohne Fotodokumentation".

Durch bereits im Vorverfahren eindeutig nachvollziehbare und objektiv kontrollierbare Messergebnisse würden sicherlich auch so einige Einspruchsverfahren gar nicht geführt werden, insbesondere wenn der berühmte 1 km/h zuviel über die Verhängung eines Fahrverbots entscheiden sollte.

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