Ungesichertes W-LAN: SEK stürmt falsche Wohnung -- Schadensersatz?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 27.07.2009Auf diesen Fall hat mich ein Kollege eben hingewiesen:  
Sachverhalt: Ein polizeiliches SEK stürmt in Münster eine Wohnung. Es stellt sich jedoch heraus, dass nicht der Bewohner, sondern ein 27-jähriger Nachbar, der über den ungesicherten W-LAN-Zugang gesurft hatte, eine Drohung abgesetzt hat. Schadensersatz? 

Das SEK hatte wohl bei seinem Einsatz unter anderem „dessen Wohnungstür gleich mitgenommen.“ Das Präsidium meint allerdings: „Durch den Betrieb einer ungesicherten WLAN-Verbindung hat der Betroffene einen Schadensersatzanspruch verwirkt“, heißt es. Diese Auffassung werde von der Rechtssprechung gestützt: „Das Verhalten des 38-Jährigen ist vergleichbar mit dem eines Mannes, der in den Urlaub fährt, Fenster und Türen seines Hauses geöffnet lässt und sich dann wundert, dass in seinem Haus Straftaten begangen wurden.“

Wier ist Ihre Meinung? "Dumm gelaufen?"

http://www.azonline.de/aktuelles/top_thema_3/1095179.html

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5 Kommentare

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Eine Entschädigung nach § 2 StrEG ist ausgeschlossen, wenn man die Maßnahme nach § 5 Abs. 2 StrEG "grob fahrlässig" verursacht hat. Ich gehe davon aus, dass andere evtl. speziellere Entschädigungsregelungen ähnlich eingeschränkt sind.

Aber ist ein ungesicherter W-LAN Zugang in der Wohnung grob fahrlässig - in Bezug auf eine Amokdrohung? Ich finde im Moment keine passende Rechtsprechung oder Kommentierung.

Der oben angesprochene Vergleich ist etwas unpassend: Wer seine Wohnung geöffnet lässt, darf sich zwar nicht wundern, wenn dort Straftaten begangen werden, aber wer dann in der Wohnung Eigentum beschädigt, muss trotzdem Schadenersatz leisten.

 

Eine Amtshaftung kommt zivilrechtlich nur dann in Betracht, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag (§ 839 I 2 BGB)

Somit stellt sich die Frage, ob der Drohanrufer für den Schaden haftet. Das dürfte in Richtung der "Herausforderungsfälle" (vgl. Palandt vor § 249 BGB RN 77, 79) laufen. Durfte sich die Polizei durch den Drohanruf zu ihrem Verhalten herausgefordert fühlen ?

Ich meine ja.

Dann haftet nur der Anrufer, nicht die Polizei

 

So ganz sicher scheint sich die Polizei in der Ablehnung des Anspruchs auch nicht zu sein, denn: "Dennoch hat die Polizei dem Einsatz-Opfer einen „über die materiellen Schäden hinausgehenden, angemessen Betrag“ angeboten, wie es heißt - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Eine Antwort des Betroffenen stehe allerdings noch aus." (Quelle)

In einem Urteil des OLG Frankfurt a.M. (11 U 52/07) findet sich unter II 2 lit b) folgende Ausführung zur Verantwortlichkeit des Betreibers eines offenen Funknetzes (dort in Zusammenhang mit von dritten begangenen Urheberrechtsverletzungen):

"Es bedarf daher nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zumutbar sind. Der Vortrag der Klägerin, das Risiko, dass Dritte sich über einen fremden WLAN – Anschluss Zugang zum Internet verschaffen könnten, sei allgemein bekannt, in den Medien würde hierüber immer wieder berichtet, ist viel zu allgemein, um Rückschlüsse auf das tatsächliche Risiko und den Kenntnisstand des Beklagten zuzulassen. Ungeachtet dessen erscheint zweifelhaft, inwieweit derartige Warnungen und Berichte nicht in erster Linie den Schutz des Anschlussinhabers und seiner Dateien vor dem Zugriff Dritter betreffen, und weniger die Gefahr der Verletzung von Urheberrechten Dritter durch Missbrauch eines WLAN – Anschlusses."

Aus meinen Erfahrungen im technischen Support kann ich diese Einschätzung nur bestätigen: Die Risiken, die sich in Verbindung mit offenen WLANs für die Anschlussinhaber auftun, sind der breiten Masse der Anwender tatsächlich nicht klar. Nur versiertere Nutzer wissen, mit welchen Verschlüsselungen sie ihr Netzwerk tatsächlich gegen Fremdzugriff schützen können und welchen Gefahren ihnen im Falle eines Verschlüsselungsverzichtes begegnen können, der Rest ist erschreckend blauäugig unterwegs:

Denn der durchschnittliche Nutzer weiß eben nicht, dass es nicht sein individueller Rechner ist, der mit seiner (ja eben nur lokalen) IP-Adresse Spuren im Internet hinterlässt, sondern der Router am Telefon- oder Kabelanschluss, den alle Rechner im Netzwerk gemeinsam nutzen.

Folglich kann der Betrieb eines offenen WLANs kaum als grob fahrlässig i.S.v § 5 II  StrEG bezeichnet werden, denn die daraus resultierende Gefahr, eine Strafverfolgungsmaßnahme gegen die eigene Person auszulösen, leuchtet eben gerade nicht jedem, nicht einmal einer Mehrzahl der Benutzer ein.

Dass überhaupt eine so große Zahl von Anwendern ausreichend gesicherte Funknetzwerke betreibt, ist nämlich weniger deren technischer Expertise zuzuschreiben, sondern vielmehr dem Umstand, dass die meisten aktuellen Routermodelle mit voreingestellter Verschlüsselung ausgeliefert werden.

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Mh, das Anbieten einer "angemessenen Entschädigung" klingt irgendwie danach, als ob man hier einen Präzedenzfall vermeiden wollte...

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