Tod durch Polizeischüsse - der Fall Tennessee Eisenberg

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 26.07.2009
Rechtsgebiete: StrafrechtKriminologieMaterielles Strafrecht134|25860 Aufrufe

In der vergangenen Woche haben mehrere überregionale Zeitungen erneut über den Tod des Regensburger Musikstudenten Tennessee Eisenberg berichtet. Eisenberg war am 30. April infolge polizeilichen Schusswaffeneinsatzes zu Tode gekommen. Die Polizei war von seinem Mitbewohner alarmiert worden, Eisenberg habe ihn im verwirrten Zustand mit einem Messer bedroht und er habe aus der Wohnung fliehen müssen. Mehrere Streifenwagen fuhren zu dem Mehrfamilienhaus. Eisenberg trat den acht Beamten noch mit dem Messer in der Hand entgegen. Was dann im Treppenhaus genau geschah, wird von den Beamten wohl unterschiedlich berichtet, die Akten sollen inzwischen 800 Seiten umfassen. Die Regensburger Staatsanwaltschaft wurde zunächst damit zitiert, es liege trotz der vielen Schusswunden wohl ein Fall der Nothilfe vor, ein Beamter habe vor dem Angriff des Studenten gerettet werden müssen. Die beiden Beamten, die geschossen hatten, blieben zunächst im normalen Streifendienst.

Nun liegt nach vielen Wochen ein ballistisches Gutachten vor: Insgesamt 16 Schüsse wurden abgegeben, 12 trafen den Studenten, 7 davon von hinten. Letzteres schließt natürlich eine Nothilfe nicht aus, aber die Anzahl der Schüsse (gegen einen einzelnen Angreifer mit Messer) lässt gewisse Zweifel an der Erforderlichkeit der Notwehr aufkommen. Der Anwalt der Familie, RA Tronicsek, und auch Ltd. Oberstaatsanwalt Ruckdäschel sind in ihren Bewertungen im Moment vorsichtig (Videobericht des Tv-Regionalsenders tva vom 22. Juli). Die beiden Beamten wurden in den Innendienst versetzt, eine Vorverurteilung sollte darin aber nicht zu sehen sein. Ein von der Familie des Opfers in Auftrag gegebenes weiteres Gutachten soll jetzt abgewartet werden, bevor die Staatsanwaltschaft erneut Stellung nimmt.

Weniger vorsichtig ist DPolG-Landeschef Hermann Benker, der meinte, die Familie habe gegen die Beamten öffentlich "gehetzt". (Quelle) Von einer solchen Hetze kann aber wohl nicht die Rede sein, im Gegenteil, alle Äußerungen von Famiie und ihren Anwälten, die in den Medien verbreitet wurden, sind von Zurückhaltung geprägt  (Webseite der Familie). Dass ein solcher Vorfall und ein eventuelles Fehlverhalten der Polizeibeamten aufgeklärt werden müssen, ist m. E. selbstverständlich  - und das muss auch das Interesse der Polizei und der StA sein, denn die Frage liegt auf der Hand: Warum konnten so viele Beamte nicht ohne oder wenigstens mit vorsichtigerem Schusswaffeneinsatz eine solche Situation meistern? In der Politik wird vor allem die Frage der Polizeimunition diskutiert (Video des BR), aber auch andere Abwehrtechniken - unabhängig von der Schusswaffe, sollten Thema sein. Rechtlich ist, wenn eine Rechtfertigung gemäß § 32 StGB etwa an der Erforderlichkeit scheitern sollte, auch noch an eine Entschuldigung gemäß § 33 StGB zu denken.

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(edit: 20.10.2009)

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134 Kommentare

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P.S.

Es ist doch immer wieder interessant, welche Vorstellungen über polizeiliche Handlungsabläufe bestehen. Insbesondere bin ich immer wieder überascht, welche Informationen wir innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung haben sollten. Leider konnte mir hier noch niemand beantworten, wie an relevante Daten über T.E. heranzukommen waren. Wie sollten Angehörige oder Vertrauenspersonen ermittelt werden? Bitte ganz konkrete Vorschläge.

Weiterhin hat auch noch niemand zu dem Problem Stellung bezogen, ob die Polizei eigentlich bis dahin unbeteiligte Personen in den Einwirkungsbereich eines Bewaffneten bringen darf. Wird dadurch nicht im Gegenteil die Gefahr einer Geiselnahme heraufbeschworen, was die Situation sogar noch verschlechtern würde.

Unstreitig hatte T.E. bereits eine Person angegriffen. Ist da die Prognose, daß ein weiterer Angriff auf eine beliebige Person erfolgen wird so abwegig?

Üblicherweise fragen Polizeikräfte auf dem Weg zum Einsatzort immer alle verfügbaren Informationen zu den Beteiligten Personen ab. Muß man denn bei negativer polizeilicher Vorbelastung denn von einem netten Menschen ausgehen? Der Amok-Täter von Winnenden war, soweit mir bekannt, vorher auch nicht polizeilich auffällig.

Dummerweise gibt es keine Betriebsanleitung für solche Sache, da keine Situation wie die andere ist. Niemand kann alle Eventualitäten voraussehen und niemand kann alle beeinfussenden Faktoren gänzlich kontrollieren.

 

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@hohmann:

Sie sind aber ganz schön schnell "persönlich beleidigt"... , dafür, dass Sie selbst ordentlich austeilen (Verstöße gegen alle möglichen Normen, PAG, 32, 33, ....Hausfriedensbruch, was so alles sozialethisch "nahe liegt").

Fakt ist, dass Polizeibeamte in einer Notwehr-/Hilfesituation sich und andere selbstverständlich schützen dürfen; dass ein - aus welchem Grund auch immer - Psychotischer mit einem Messer in der Hand,  der seinen Mitbewohner jedenfalls bedroht hat, auch dann, wenn er anschließend Suizidabsicht bekundet, eine potentielle Gefahr für Andere (z.B. weitere Hausbewohner oder Personen, die zwischen Alarmierung und Eintreffen das Haus betreten) darstellt.

 

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von einer potentiellen gefährdung dritter konnten die polizeibeamten nach den ihnen bekannten informationen (notruf) nicht ausgehen und sind es - nach allem, was man weiß - auch nicht. dahingehende diskussionsbeiträge sind also überflüssige konstruktionen.

 

es bleibt ein (m. E. vorwerfbar, schließlich ist das ein übliches szenario) ungeschickter zugang auf einen suizidgefährdeten menschen. für unbefangene stellt sich die situation so dar, als sei eisenberg für die weigerung das messer fallenzulassen erschossen worden. daher wie gesagt: wenn in einer soclhen situation überhaupt eine (durchgehende) notwehrlage besteht, dann gelten schon für private enge gebotenheitsgrenzen bei der notwehrhandlung, wegen der fahrlässigen notwehrprovokation und der erkennbaren schuldlosigkeit des angreifers. (für ausgebildete polizeibeamte müssen noch engere grenzen der notwehr gelten; notHILFE durch polizeibeamte verletzt offenkundig den grundsatz vom vorbehalt des gesetzes.) bei einer konsequent rechtsstaatlichen justiz wäre die einzige möglichkeit, hier nicht zu verurteilen, ein entschuldigungsgrund, z.B. der putativnotwehrexzess.

 

@ saint john: ihre permanenten hinweise auf polizeiliche erfahrung (nunmehr reden sie schon in der ersten person plural) sind bedrückend, wenn man ihre gleichzeitige rechtsunkenntnis dazunimmt. so scheint ihnen nicht einmal klar zu sein, dass im gefahrenabwehrrecht das opportunitäts-, nicht das legalitätsprinzip gilt. selbst gegen "störer" (wie sie in obrigkeitsstaatlicher diktion sagen) MUSS die polizei nicht vorgehen, sie KANN es tun.

 

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filtor schrieb:

so scheint ihnen nicht einmal klar zu sein, dass im gefahrenabwehrrecht das opportunitäts-, nicht das legalitätsprinzip gilt. selbst gegen "störer" (wie sie in obrigkeitsstaatlicher diktion sagen) MUSS die polizei nicht vorgehen, sie KANN es tun.

@ filtor:

Zuerst möchte ich mich als Polizeibeamter im Streifendienst outen.

Im hier gegenständlichen Fall hätte ich wohl auch eine Gefahr für die Rechtsgüter Leben und körperl. Unversehrtheit erkannt. Dass ich bei dieser Gefährdungslage nicht handeln müsste, ist mir neu...

Dazu darf ich auf die VollzBekPAG hinweisen. Hier ist von "Bagatellfällen" die Rede; Sicherheitsstörungen, wie hier gegenständlich, sind von Ziff. 5.2 erfasst. Darin ist von "schweren Sicherheitsgefahren, insbesondere für Leib und Leben," die Rede. Diese Norm VERPFLICHTET mich zum Einschreiten.

Zitat:

"Fehlt im BayPAG die Hilfe für einen Suizidalen, der akut weder Vorbereitungen für den Suizid erkennen lässt noch Fremde gefährdet? Umfasst dort der Begriff „Störer“ auch Inhalte, die so krass im Gegensatz stehen zum allg. Wortverständnis, dass Fehldeutungen durch Polizisten/innen provoziert werden und weshalb der Landtag das BayPAG präzisieren sollte?"


Zu dem Fachterminus "Störer" - dieser ist POLIZEILICHER SPRACHGEBRAUCH.  Im PAG gibt es nur den "Gefahrenverursacher". Dass T.E. ein solcher war, steht m.E. außer Frage. (s. Art 7/I PAG). Dabei spielt die Schuldfähigkeit keinerlei Rolle. In Art. 7/II PAG ist noch von einem "Aufsichtspflichtigen" die Rede; hier insbesondere im Bezug auf einen Betreuer eines psych. Behinderten. Dazu muss allerdings ein Betreuer bestellt und auch BEKANNT sein. Dies ist in den allerseltensten Fällen so.

Im Übrigen muss hier die Unterscheidung zwischen einer konkreten und abstrakten Gefahr getroffen werden.

Die Frage ist hier daher, ob die Sachlage "nach allg. Lebenserfahrung konkrete Gefahren für die öffentl. Sicherheit im Einzelfall entstehen" lässt, oder ob hier bereits bei "ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit" mit der Verletzung der Schutzgüter (konkrete Gefahr) zu rechnen ist.

 

Zitat:

… Glaubwürdigkeit der Gefahrensituation zu erreichen oder z.B. Anzeichen einer Wahrnehmungsverzerung des Notrufers erkennen zu können (Psychotisch, Drogeneinfluss, …). War der Mitbewohner nicht nur erschrocken, sondern nach über 30 Minuten langem Kampf auf Leben und Tod auch sichtbar erschöpft? Blieb der Notrufer/Mitbewohner unverletzt und spurenlos trotz langer Messerrangelei und warum? Warum gelang es (dem tatsächlich geschwächten) E., so lange mit dem Notrufer zu rangeln. War E. trainiert im Nahkampf? Spielte E. gern mit Messern? War der Mitbewohner besonders fit und trainiert im Nahkampf? Konnte die lange Rangelei ähnliches wie ein „wildes Spiel“ des (jungen Hobbyschau-Spielers) E. gewesen sein ohne echte Tötungs- und Verletzungsabsicht?

 

Glaubwürdigkeit und Anzeichen einer Wahrnehmungsverzerrung müssen beurteilt werden. Ob dies hier ausreichend geschehen ist, ist mir nicht bekannt. Daher erfolgt dazu keine Stellungnahme.

Nahkampftraining, mit Messern "spielen", besonders fit oder trainiert, "wildes Spiel"? Alles völlig uninteressant.

Habe ich einen trainierten Messerkämpfer vor mir (Ex-Angehörige russ. Spezialkräfte und ja, die gibt es hier!) oder einen "Normalen" mit einem Messer? EGAL!

Beide sind derart gefährlich, dass nur die Schußwaffe zur Verteidigung bleibt! Alles im Training bereits getestet.

 

Zitat:

Die Zulässigkeit der Maßnahme endete daher schon gemäß Artikel 4 Abs.3 BayPAG spätestens jetzt. Sofort schnellster und schonendster Rückzug war geboten.

Wirklich? Wie kam es zu der Situation? T.E. folgte den Beamten ins Treppenhaus, wenn ich mich recht erinnere! Spätestens da war die Lage nicht mehr statisch und somit weitere Maßnahmen geboten und erforderlich.

Die sog. "Gefährderansprache" ist damit eskaliert. Über das "Warum?" blieben mir an dieser Stelle nur Spekulationen, da mir die genauen Umstände nicht bekannt sind.

 

Zitat:

Vielmehr verwendeten Zeugen den Ausdruck „Schreiten“. Daher war Flucht oder Rückzug mit Entschuldigung etc. auch aussichtsreich.

 

Ob hier "geschritten" oder "gerannt" wird, spielt kaum eine Rolle.

Die Kampfentfernung eines Messers liegt bei etwa drei bis vier Meter, die innerhalb eines Wimpernschlages mit Hilfe eines kurzen Sprunges überwunden werden kann. In dieser Zeit gelingt mir persönlich vermutlich (einschließlich einer "Schrecksekunde") ein Schuß, der allerdings keinesfalls ein Wirkungstreffer ist. Zu diesem Zeitpunkt habe ich dann bereits mind. einmal das Messer im Körper.

In einem Treppenhaus ist der Rückzug abgesehen davon sehr schwierig; zumal mit dieser Anzahl an eingesetzten Kräften.

 

Zitat:

War das Eindringen ohne Vorbereitung rechtswidriger Hausfriedensbruch, vielleicht auch fahrlässige Körperverletzung eines mutmaßlich psychisch Kranken, gegen die Verteidigung im Ergebnis rechtsmäßig war? Musste schon vorher bei einem mutmaßlich Verwirrten, zudem wenn er verbal nicht reagierte, damit gerechnet werden, dass er die überraschende Situation mit Grenzen seiner Rechte und Pflichten nicht erkennen konnte und daher das Messer nicht fallen ließ?

Diese Vorwürfe sind einigermaßen an den Haaren herbeigezogen... Mehr will ich dazu eigentlich nicht mehr sagen.

Geistig Verwirrt hin oder her - die Gefahr bleibt.

 

 

Weiter will ich auf das "Wie" dort eingeschritten wurde, nicht eingehen. Dazu fehlen mir die nötigen Backgroundinfos. Eine Beurteilung des Sachverhaltes steht mir schlicht und ergreifend nicht zu.

 

Abschließend möchte ich noch eines anmerken:

Wir haben hier alle Zeit der Welt über die Situation zu befinden und diskutieren - die Beamten hatten vor Ort nur einige Sekunden Zeit eine Entscheidung zu treffen.

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Die Diskussion entfernt sich bei einigen langsam von der Sachebene. Eine Entwicklung, die nicht unbedingt für die diesbezügliche Kompetenz derjenigen spricht und die ich nicht nachvollziehen möchte.

Bezüglich der von mir vielzitierten Erfahrung sei gesagt, daß gerade diese Erfahrung den Unterschied in solchen Situationen machen kann. Alle theoretischen Ansätze und vorhergehenden "Sandkastenspiele" können diese nicht ersetzen, sondern bilden die Basis für u.U. weitreichende Entscheidungen. Nicht umsonst wird auch innerpolizeilich ,nach Möglichkeit, selektiert, wer mit welcher Einsatzleitung betraut wird.

Man kann den ganzen Sachverhalt aus strafrechtlicher Sicht betrachten, oder aber aus verwaltungrechtlicher, polizeirechtlicher Sicht, was m.E. die richtige Sichtweise wäre, da die Eingriffsermächtigungen hier auf den entsprechenden Vorschriften basieren. Eine entsprechende gutachterliche Prüfung (zumal bei meiner vorgeblichen Rechtsunkenntnis ,-) ) möchte ich mir schenken, da mir die zutreffenden bayrischen Vorschriften nicht vorliegen. Bei Prüfung anhand der sicherlich weitgehend sinngemäßen Vorschriften aus NRW kann ich auf Basis der öffentlich zugänglichen Informationen keinen gravierenden Rechtsmangel erkennen. Mittlerweile bin ich auch zu der Erkenntnis gelangt, daß die Diskussion taktischer Aspekte nicht in dieses Forum gehört, da die dazu vorliegenden Planentscheide als Verschlusssache deklariert sind und nicht öffentlich diskutiert werden sollten.

Darüber hinaus kann ich meinem Vorkommentator Andi nur zu 100% zustimmen.

Wenn denn für die Polizei keine Handlungspflicht in solchen Fällen besteht, warum geben wir und dann solche Mühe und entwerfen sogar Planentscheide für solche Gefährdungssituationen? Befindet sich die Polizei nicht in einer Garantenstellung diesbezüglich und die einzelnen Beamten werden u.U. sogar strafrechtlich belangt für ein Nichthandeln?

 

P.S.

Wer Tippfehler oder Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.

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Sehr geehrte Mitdiskutanten,

es haben sich schon wieder einige Kommentare ergeben, auf die ich kurz und unvollständig antworten möchte. Dass diese Diskussion auch nach über zehn Monaten noch geführt wird, zeigt mir jedenfalls, dass dieser Fall noch keineswegs "abgeschlossen" ist.

#95 filtor: den Schuh, die Diskussion um Notrechte für Hoheitsträger nicht angeregt zu haben, ziehe ich mir an. Ich habe mich auch schon gewundert, dass diese dogmatische Debatte - die ich zunächst einmal hier heraushalten wollte - noch gar nicht angestoßen wurde. Nur soviel dazu: Es ist richtig, dass die Justiz § 32 StGB auch bei Polizeibeamten im Dienst anwendet, auch im BayPAG bleiben die Notwehrvorschriften ausdrücklich unberührt (Art. 60 II BayPAG). Die wohl überwiegende Meinung im Strafrecht (nicht ausgezählt) tendiert zur Anerkennung zumindest eines eingeschränkten Notwehr/Nothilferechts, d.h. es werden hier - insbesondere beim Schusswaffengebrauch ähnliche Verhältnismäßigkeitsgrenzen bedeutsam wie im Polizeirecht. Ihr Satz "Nothilfe über § 32 StGB kann es im Verfassungsstaat nicht geben" scheint mir aber ein arger Kurzschluss. Ein Hauptproblem, worin sich § 32 StGB und etwa Art.66 BayPAG widersprechen würden, wäre der tödliche Schusswaffeneinsatz, wenn dieser zur Abwehr von Straftaten diente, die nicht Leib und Leben betreffen, also etwa zur Abwehr eines Diebstahls.

"Art. 66 (2) 1 Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. 2 Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist."

Im vorliegenden Fall wird aber in dem Vorgehen von T.E. behauptet, es habe darin eine gegenwärtige Lebensgefahr für die Polizeibeamten bestanden. Wir sind dann wieder auf dieselbe Diskussion zurückgeworfen, die auch bei § 32 StGB besteht.

Allerdings ergibt sich nach weit verbreiteter (wenn auch nicht herrschender) Meinung durchaus eine gewisse Beschränkung der Polizei. So etwa bei Roxin (AT1 4. Aufl. § 15 Rn.114): "Allerdings wird auch nach der hier vertretenen Ansicht ein Polizist bei der Ausübung von Notwehr faktisch in der Regel schonender vorgehen müssen als ein Privater." Ob diese schonende Vorgehensweise eingehalten wurde und auch, ob eine Notwehrlage bzw. eine gegenwärtige Lebensgefahr bestand, als die beiden Polizeibeamten auf T. E. schossen, wird hier ja schon eingehend diskutiert. Die gesamte grundsätzliche dogmatische Diskussion zu dieser Frage nachzuzeichnen, das kann ein Blog nicht leisten. Ihre in #96 aufgeworfenen juristischen Aspekte sind schon mehrfach ausgeführt worden.

#97 (Saint John) M.E. erfüllen die letzten tödlichen Schüsse (frontal in den Oberkörper) die in Art. 66 BayPAG gegebene Definition des tödlichen Schusses. Ob da noch die Gefahr bestand, die diesen ultima ratio-Schuss erlaubt, ist nach meinem Dafürhalten höchst fraglich.

#98 (Hohburg) Ich bin kein Polizeirechtler und werde diesen Fall auch nicht dazu nutzen, ein polizeirechtliches Seminar im Blog durchzuführen. Ich habe im Ergebnis keinen Zweifel daran, dass es richtig war, dass die Polizei den Ort des Geschehens aufsuchte. Auch Ihren weiteren Erwägungen kann ich zum Teil nicht zustimmen. Aber es ist zu prüfen, ob die Beamten bei Ihrem Einsatz Fehler gemacht haben, die die Eskalation mitverursachten. Natürlich ist man hinterher immer schlauer und die Situation am grünen Tisch ist anders zu bewerten als vor Ort in einer dynamisch sich entwickelnden Lage. Jedoch ist dies - das an die hier mitdiskutierenden Polizeibeamten gerichtet - in vielen, vielen Fällen (Operationen, Straßenverkehr, gefährliche Anlagen) der Fall, ohne dass dies die Einstellung des Strafverfahrens rechtfertigt. Wegen (fahrl.) Tötung und Körperverletzung werden täglich etliche Menschen verurteilt, die auch berechtigt sagen könnten, im Gerichtssaal sei alles ganz anders als vor Ort. 

#99 (Saint John) Dass Messerangriffe im allg. lebensgefährlich sein können, dass Angreifer sekundenschnell mehrer Meter überwinden können, ja, das ist inzwischen bekannt. Aber ob es jemandem noch möglich ist, der so viele Treffer abbekommen hat, möchte ich in Frage stellen.

# 103 (Andi): In der Diskussion (hier und im anderen Strang) sind wir schon einmal weiter gewesen: Es gibt nach den verfügbaren Informationen keinen Anlass mehr, wie zu Beginn der Ermittlungen (Anfang Mai 2009) durch Polizei und Staatsanwaltschaft geschehen, pauschale Tatsachenannahmen mit pauschalen rechtlichen Subsumtionen zu verknüpfen (nach dem Motto: Wenn Angreifer mit Messer - dann bleibt nur Schusswaffeneinsatz). Mittlerweile ergibt sich aus obj. Anhaltspunkten, dass die ersten Schüsse auf T.E. abgegeben wurden, als dieser sich wieder zur Treppe nach oben umgewandt hatte, also nicht, als er auf den Beamten zuging, der sich in die Ecke begeben hatte - allerdings haben die Zeugen es anders gesehen (diese Situation ruft nach gerichtlicher Aufklärung). Die letzten (tödlichen) Schüsse wurden abgegeben, als alle anderen Beamten bereits draußen außer Gefahr waren. Der zurückbleibende Beamte gab diese Schüsse ab, um sich selbst zu schützen , weil er keine Ausweichmöglichkeit mehr gehabt habe (wie er sagt). Dagegen spricht eine Zeugenaussage (auch dies ruft nach Aufklärung). Für mich ist also der Fall längst nicht mehr so klar, wie er im Mai 2009 dargestellt wurde. Die Umstände der Aufklärung dieses Falles (die Nebenkläger machen den Job der Polizei!) drängen ebenfalls auf eine Hauptverhandlung.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

... pauschale Tatsachenannahmen mit pauschalen rechtlichen Subsumtionen zu verknüpfen (nach dem Motto: Wenn Angreifer mit Messer - dann bleibt nur Schusswaffeneinsatz). Mittlerweile ergibt sich aus obj. Anhaltspunkten, dass die ersten Schüsse auf T.E. abgegeben wurden, als dieser sich wieder zur Treppe nach oben umgewandt hatte...

Die hier aus meinem Beitrag zitierte Aussage meinerseits bezieht sich nicht auf diesen konkreten Fall, da ich weder zum Tatzeitpunkt vor Ort war, noch Einblick in die Ermittlungsakte hatte. Daher steht mir die Beurteilung des hier konkreten Schusswaffengebrauchs nicht zu und die meisten meiner Ausführungen sind einigermaßen neutral gehalten.

Hier handelt es sich um eine Aussage, die meine persönliche (dienstliche) Erfahrung ist. Ich kenne zudem kaum Kollegen, die dies anders sehen.

Wenn jemand mit einem Messer auf mich zu "schreitet", so werde ich immer wieder mein Dienstwaffe aus dem Holster nehmen. Ob es auch zum Einsatz derselben kommt, hängt von zu vielen Faktoren ab; ich maße mir jetzt nicht an, sie alle zu kennen.

Bislang, und ich hoffe das bleibt bis zu meiner Pensionierung so, habe ich die Waffe nicht einsetzen müssen...

 

Die Gründe der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft kenne ich nur aus der entsprechenden Presseerklärung; da diese jedoch unmöglich alle Details enthält, steht mir auch hier keine Beurteilung zu.

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@Prof. Müller

Bezüglich der Rechtmäßigkeit des letzten, tödlichen Schusses bin ich völlig ihrer Meinung. Für diese Ultima Ratio im Sinne der Gefahrenabwehr oder als sonstige Zwangsmaßnahme gibt es objektiv keinen Grund.

Anders stellt sich die Sache dar, wenn für diesen Teilabschnitt des Handlungsablaufes von Notwehr ausgegangen wird.

Ganz praktisch gesehn erfolgt ein geplanter und gezielt ausgeführter tödlich wirkender Schuß immer auf den Kopf. Allein dieser Schuß bietet die hinreichende Gewähr einer sofortigen Handlungsunfähigkeit. Der als Alternative erwägbare Schuß Richtung Herz ist problematisch, da das Herz zum einen von den Rippen geschützt ist, was zu einer Ablenkung des Projektils führen kann. Dies führt dann zwar zu einer Verletzung, die ebenfalls tödlich wirken kann, aber u.U. mit zeitlicher Verzögerung. Aus diesen Gründen scheidet ein solcher Schuß zu diesen Zweck eigentlich aus. Es ist eher wahrscheinlich, daß der betroffene Beamte auf die größte und erfolgversprechenste Trefferfläche gezielt hat. Dies ist in der Regel der Brustbereich der beschossenen Person. So wird es zumindest in jeder Schießausbildung gelehrt, die sich mit Schießen auf Personen beschäftigt.

Bezüglich der Gefährlichkeit des angeschossenen T.E. in Verbindung mit seinem Messer ist zu bedenken, daß wir alle jetzt wissen, daß er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand und nicht unter Einfluß von Drogen oder sonstigen bewußtseinsverändernden Mitteln. Die konnte aber für die Beamten vor Ort nicht zutreffen, da sie zum Zeitpunkt des Einschreitens nicht über diese Informationen verfügten und auch nicht an diese gelangen konnten.

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sehr geehrter herr müller,

 

vielen dank für ihre antwort und überhaupt für ihre anhaltende beschäftigung mit diesem fall!

 

es befriedigt mich ehrlich gesagt nicht vollständig, dass sie schreiben "Ihr Satz "Nothilfe über § 32 StGB kann es im Verfassungsstaat nicht geben" scheint mir aber ein arger Kurzschluss.", ohne das zu begründen. die unanwendbarkeit der strafrechtlichen rechtfertigungsgründe auf polizisten ist ausführlich begründet bei matthias jahn, das strafrecht des staatsnotstands, 2004. wie könnte § 32 StGB als polizeiliche befugnisnorm ihrer meinung nach den anforderungen des vorbehalts des gesetzes genügen? (der erwähnte verweis im BayPAG wäre jedenfalls nicht in der lage, diese verfassungsrechtliche fundamentalfrage zu beantworten, er könnte ja selbst verfassungswidrig sein.)

 

zu § 66 BayPAG noch kurz: wäre nicht der andere entscheidende unterschied, dass diese spezialbefugnis im gegensatz zur schneidigen deutschen notwehr/-hilfe eine strenge verhältnismäßigkeit verlangt?

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Am 12.10. schrieb Prof.Müller

„…Im Zweifel, wenn sich also nicht klären lässt, ob die Beamten gerechtfertigt gehandelt haben, spricht dies für sie, d.h. gegen eine Anklage.

8. Dies alles gilt unabhängig von einer Klärung evtl. polizeilicher Einsatzfehler oder Organisationsfehler: Wurde hier vorschnell in die Wohnung eingebrochen? Hätte man auf andere Kräfte warten sollen? Haben sich Beamte  einsatztechnisch falsch verhalten, so dass eine Notwehrlage eintrat, die hätte vermieden werden können? Sind die Beamten für den Einsatz von Schusswaffen ausreichend ausgebildet? Bedarf es anderer (milderer) Polizeiwaffen für solche Fälle? Ist die Polizeimunition ungeeignet?

Beste Grüße

Henning Ernst Müller“

Auch disziplinarisch haben die Polizisten nichts zu fürchten wegen des vorzeitigen Freispruchs durch den Innenminister. Warum also mauern alle erkennbaren Polizisten, als ginge es um Unfehlbarkeit, statt ernsthaft Gewohnheiten, Regelungen etc. in Frage zu stellen und Verbesserungen zu SUCHEN.

Dass der Tote nur Pech gehabt habe, überzeugte nicht einmal Hillary Clinton.

Auch wenn rechtlich §32 StGB im Mittelpunkt steht, gewinnt die Polizei kein Vertrauen, wenn nur 2 Beschuldigte während einiger Minuten betrachtet werden. Daher sollten die von Nicht-Polizisten/Juristen aufgekommenen Anstöße nicht als Angriffe aufgenommen werden, sondern als Ausgangspunkte, neues Vertrauen zu gewinnen, indem ÄNDERUNGEN absehbar werden, die Wiederholungsgefahren mindern.

 

Da die Zitate aus dem BayPAG zu kurz gerieten und unverständlich blieben, hier ein Link:

http://www.jura.uni-passau.de/dsg-sibirien/Material/Gesetzestexte2005.pdf 

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Sehr geehrter Herr Hohburg,

der Grundsatz in dubio pro reo gilt allerdings bei der Anklageerhebung nur mittelbar, insofern habe ich meine obige Anmerkung ergänzt. Was die Diskussionen zum Polizeieinsatz angeht, gibt es immerhin Anhaltspunkte dafür, dass sich die Polizei mit diesem Fall auseinandersetzt und evtl. Fehler erörtert, um künftige Einsätze zu verbessern. Freilich geschieht dies nicht in der Öffentlichkeit und völlig getrennt von der strafrechtlichen Bewertung (deshalb mein Wort "unabhängig"). Eine "actio illicita in causa" (allerdings nicht allgemein anerkannt) würde diese beiden Aspekte verknüpfen, also auch strafrechtliche Wertungen von der Frage, ob Fehler gemacht wurden, abhängig machen. Anerkannterweise kommt es auch zu einer solchen Verknüpfung (nämlich zur Einschränkung des Notwehrrechts), wenn eine Notwehrlage fahrlässig provoziert wurde. Die rechtlichen und tatsächlichen Fragen sind so komplex, dass auch dies m.E. nach einer gerichtlichen Entscheidung  ruft.

Sehr geehrter Herr Andi und Herr Saint John,

gerade weil diese Fragen auch bei Ihnen noch etwas "offen" sind und die mir bekannte Verfügung der Staatsanwaltschaft sie leider auch nicht hinreichend klärt, scheint mir eine Hauptverhandlung nötig. Das Ergebnis einer solchen zu prognostizieren, traue ich mir auch nicht zu.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

@Prof. Müller

Tatsächlich ist die Nachbereitung eines solchen Einsatzes polizeiintern vorgeschrieben. Diese Nachbereitung kann aber nicht öffentlich zugänglich sein, weil auch taktische Aspekte und interne Abläufe zur Sprache kommen, die nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind. Weiterhin wird der Vorfall natürlich auch im Intranet der Polizei in diversen Foren diskutiert, handelt es sich doch bei der Ausgangssituation um einen alltäglichen Fall, der einen außergewöhnlichen Fortgang genommen hat. Eine interne Aufarbeitung erfolgt also sehr intensiv.

Nach wie vor bin ich auch nicht von der Eröffnung eines Hauptverfahrens überzeugt. Soll den wirklich eine Staatsanwaltschaft Anklage erheben, obwohl sie nicht davon überzeugt ist? Wie sollte denn da wohl die Prozeßführung aussehen?  Hier ist natürlich insbesondere durch geschickte Positionierung in den Medien ein gewisser öffentlicher Druck aufgebaut worden, aber kann dies ein Maßstab für die Beurteilung des Falles sein? Auch die vertrauensherstellende Wirkung eines solchen Prozesses halte ich für sehr fragwürdig, ist diese doch sehr stark davon abhängig, wie der Sachverhalt in die Öffentlichkeit transportiert wird.  Und was diesen Aspekt betrifft, ist die mediale Darstellung bislang überwiegend aus einer Richtung beeinflußt gewesen.

Dieser Fall hat bislang ohnehin nur Verlierer produziert und ich wage zu bezweifeln, daß sich dies ändern wird.

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Saint John schrieb:

Tatsächlich ist die Nachbereitung eines solchen Einsatzes polizeiintern vorgeschrieben. Diese Nachbereitung kann aber nicht öffentlich zugänglich sein, weil auch taktische Aspekte und interne Abläufe zur Sprache kommen, die nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind. Weiterhin wird der Vorfall natürlich auch im Intranet der Polizei in diversen Foren diskutiert, handelt es sich doch bei der Ausgangssituation um einen alltäglichen Fall, der einen außergewöhnlichen Fortgang genommen hat. Eine interne Aufarbeitung erfolgt also sehr intensiv.

 

Sehr geehrter Herr Saint John,

unabhängig von jeglicher rechtlichen Bewertung der Sache ist es gerade die Frage der Transparenz, die in den Augen der Öffentlichkeit zu kurz kommt. Mag sein, dass der Fall polizeiintern aufgearbeitet wird. Aber schon Ihr Hinweis auf "taktische Aspekte und interne Abläufe, die nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind" erscheint mir unangebracht. Selbstverständlich kann die Polizie im Einzelfall nicht ihre Absichten offenbaren. Aber die generelle Vorgehensweise im Falle von Suizidalen sollte schon der Öffentlichkeit unterbreitet werden. Das muss nicht unbedingt im Rahmen eines Hauptverfahrens sein (Herr Müller neigt ja dazu), aber dann sollte wenigstens im Rahmen vernünftiger Öffentlichkeitsarbeit der Bürger darüber infomiert werden, wie die Polizei zukünftig ihre Waffen einsetzen will. Gerade wenn es um die Verhinderung eines Suizides geht, so kann es nicht sein, dass der Suizid (naja, Unfall? jedenfalls Tod) dann durch die Schusswaffen der Polizei bewirkt wird. Dann lieber Finger weg von möglichen Suizidalen! Denken Sie auch daran: Die Schusswaffen sind Ihnen und Ihren Kollegen nur vom Bürger zugebilligt worden - sie können aber in einer Demokratie nicht frei und ohne Kontrolle des Bürgers darüber verfügen. Deshalb hat die Poizei auch mitzuteilen, wie sie zukünftig mit Schusswaffen umgehen will, wenn es sich erkennbar um einen Suizidalen handelt, der zudem nach Polizeidefinition ja psychisch krank sein muss (meiner unmaßgeblichen medizinischen Meinung nach gibt es zwar auch viele psychisch Gesunde, die suizidal sind, doch davon will die Polizei ja gerade nichts wissen).

Also haben die Bürger Regensburgs, aber auch anderswo schon ein (auch berechtigtes) Interesse an mehr Einblick in die Polizeiarbeit und stellen zu Recht auch die Frage, wie die Polizei zukünftig den Tod unschuldiger Bürger verhindern will. Wenn Staat und Polzei solche Antworten verweigern, indem sowohl Untersuchungen und Strafverfahren abgeblockt werden, aber auch die Öffentlichkeit nur mit dünnen, nahezu nichtssagenden Presseerklärungen abgespeist wird, so brauchen sich Polizisten nicht wundern, wenn die Bürger zunehmend misstrauisch der Polizeiarbeit gegenüberstehen. In Regensburg ist dieses Misstrauen durchaus greifbar, glaubt man den Medienberichten.

iris6000 schrieb:

...wenigstens im Rahmen vernünftiger Öffentlichkeitsarbeit der Bürger darüber infomiert werden, wie die Polizei zukünftig ihre Waffen einsetzen will. Gerade wenn es um die Verhinderung eines Suizides geht, so kann es nicht sein, dass der Suizid (naja, Unfall? jedenfalls Tod) dann durch die Schusswaffen der Polizei bewirkt wird. Dann lieber Finger weg von möglichen Suizidalen!

...der zudem nach Polizeidefinition ja psychisch krank sein muss (meiner unmaßgeblichen medizinischen Meinung nach gibt es zwar auch viele psychisch Gesunde, die suizidal sind, doch davon will die Polizei ja gerade nichts wissen).

 

Erlauben Sie mir kurz, zu ihrer ersten "Forderung" einen Kommentar abzugeben.....

  1. Glauben Sie mir: Die Polizei WILL ihre Waffen nicht einsetzen; sie MUSS manchmal.
  2. Die rechtl. Forderungen zum Einsatz von unmittelbarem Zwang sind in den jeweiligen Polizeiaufgabengesetzen nachzulesen; von jedermann. Für Bayern sind dies die Art. 60 ff. PAG; insofern scheint mir hier eine "besondere" Öffentlichkeitsarbeit im Allgemeinen entbehrlich.

Nach speziellen Vorkommnissen gebe ich Ihnen allerdings durchaus Recht, dass die Pressearbeit oftmals zu Wünschen übrig lässt. Im Strafverfahren wird diese, meiner Kenntnis nach, zumeist in Zusammenarbeit mit der zuständigen Staatsanwaltschaft erledigt.

Das von ihnen im Weiteren beschriebene Phänomen bezeichnet man in den USA meines Wissens als "suicide by cop" und kam auch hierzulande bereits einige Male vor. In einem solchen Fall geht es nicht mehr um die Verhinderung des Suizid, sondern primär darum, "seinen eigenen Ar*** zu retten" (wenn ich das so primitiv ausdrücken darf).

Das kein Polizeibeamter ernsthaft den Gedanken hegt, "jetzt schieß ich mal, dann bringt er sich nicht um", scheint mir unstrittig - Ihrem Posting könnte man allerdings entnehmen, dass ich hier wohl einem Irrglauben erlegen bin??

 

Sonst besteht wohl die Handlungsempfehlung für den Umgang mit suizidgefährdeten Personen in der Beschaffung von Infos und Kontaktaufnahme mit dem Betroffenen.

Hierbei besonders geschultes Personal, etwa sogar einen Facharzt für Psychiatrie, an die Einsatzstelle zu bekommen ist kaum bis gar nicht möglich. Der Aufruf der sog. "Verhandlungsgruppe" (besonders geschulte Polizeibeamte, kein med. Fachpersonal) braucht auch einiges an Zeit; mir persönlich ist aus dienstlicher Erfahrung nur ein Fall bekannt und dabei war die Lage völlig eingefroren.

Dies sind allerdings nur HandlungsEMPFEHLUNGEN - Patentrezepte sind meines Wissens nach nicht existent. Wenn Sie eines kennen, ich bin ganz Ohr......

 

"Finger weg von Suizidalen" - schlecht realisierbar, finden Sie nicht? Ein 24h - Bereitschaftsdienst des (für das Gesundheitswesen und evtl. erforderliche Unterbringungen in einem psych. Krankenhaus) originär zuständigen Gesundheitsamtes wurde bislang nicht eingerichtet.

 

"Nach Polizeidefinition psychisch krank" - Wie darf ich das auffassen? Sie werden allerdings zustimmen, dass die einschreitenden Polizeibeamten nicht innerhalb von einigen Minuten eine med. Anamnese samt Diagnose durchführen können; dies nicht zuletzt schlicht und ergreifend auf Grund mangelnder Sachkenntnis einer, wie ich persönlich finde, äußert diffizilen Materie.

 

Diesen Kommentar will ich hier "einfach mal" so einwerfen und nicht in Beziehung zu dem hier gegenständlichen Fall setzen; einfach auf Grund der fehlenden Detailkenntnis zu diesem Fall.

 

 

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Als "Normalbürger" habe ich das Gefühl, dass diese Diskussion von vielen nur deshalb betrieben wird, um die einfachen Sachverhalte zu zerreden und zu verkomplizieren. Die Polizisten sind in die Wohnung des jungen Mannes eingedrungen. Der junge Mann wurde mehrmals von hinten getroffen. Schließlich wurden die tödlichen Schüsse abgegeben als mit Sicherheit keine Notwehrsituation bestand. Der junge Mann hat sich nicht so verhalten wie sich das die Polizisten mit Ihrem Machtanspruch vorgestellt haben. Das war sicherlich ein Fehler in den Augen der mächtigen Schusswaffenträger. Für den jungen Mann endete das tödlich und das erfordert die Aufklärung mit Zeugenaussagen in einem richtigen Gerichtsverfahren. Das ist meine Überzeugung und die vieler anderer.

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hans schrieb:

[...] Die Polizisten sind in die Wohnung des jungen Mannes eingedrungen. [...] Schließlich wurden die tödlichen Schüsse abgegeben als mit Sicherheit keine Notwehrsituation bestand. Der junge Mann hat sich nicht so verhalten wie sich das die Polizisten mit Ihrem Machtanspruch vorgestellt haben. Das war sicherlich ein Fehler in den Augen der mächtigen Schusswaffenträger. [...]

Haben Sie sich zu der Sache zu informiert, also v.a. Presseerklärungen von Staatsanwaltschaft und Anwalt der Hinterbliebenen? Eine - u.a. juristische - Diskussion ist vor allem dann sinnvoll, wenn alle auf einen ideologischen Tunnelblick verzichten.

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Im Verfahren liegt jetzt die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft vor, wie die Mittelbayerische Zeitung soeben berichtete.

 

@hans: Auch wenn ich Ihnen im vorletzen Satz zustimme, glaube ich nicht, dass es so einfach ist, wie Sie sagen. Die Wirklichkeit ist eben kompliziert und gerade darum ist eine gerichtliche Aufklärung vonnöten.

Aus der Pressemitteilung, die auf der Homepage des OLG Nürnberg veröffentlicht wurde:

 

"Der Generalstaatsanwalt in Nürnberg hat den Beschwerden gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 18.12.2009 in dem Ermittlungsverfahren gegen zwei Regensburger Polizeibeamte wegen Totschlags keine Folge gegeben. Eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die übergeordnete Behörde führte zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht zu beanstanden sei.

Drei Familienangehörige des durch Schusswaffengebrauch getöteten Studenten Tennessee Eisenberg und eine weitere Person hatten gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Regensburg, mit der das Ermittlungsverfahren gegen zwei Polizeibeamte gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, Beschwerde eingelegt. Die Sachbehandlung der Staatsanwaltschaft wurde daher durch den Generalstaatsanwalt überprüft.

Dieser billigte die Einstellung des Verfahrens und nahm auf die umfangreiche Begründung der Staatsanwaltschaft Regensburg Bezug. Zwar sei eine präzise Feststellung der Reihenfolge der Schussabgabe und der genauen Standorte der Beteiligten auch unter Zugrundelegung sämtlicher Sachverständigengutachten und der Tatrekonstruktion nicht möglich. Fest stehe jedoch: Tennessee Eisenberg habe sich mit einem gefährlichen Messer in der Hand entgegen den Aufforderungen der Polizeibeamten auf diese in drohender Haltung zubewegt und hätte sie aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse in kürzester Zeit erreichen können. In dieser Situation sei ein weiteres Abwarten, bis Tennessee Eisenberg tatsächlich einen Messerstich in Richtung der Beamten führt, für diese nicht zumutbar gewesen. Dies gälte umso mehr, als der Student vorher weder durch Zuruf noch durch Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock von einem weiteren Angriff abzuhalten gewesen sei. Der Schusswaffengebrauch sei daher aufgrund der Notwehrsituation gerechtfertigt gewesen."

Schon im Vorfeld haben die Anwälte, die die Hinterbliebenen vertreten, für diesen Fall ein Klageerzwingungsverfahren angekündigt, für dieses ist die Beschwerde notwendige Voraussetzung.

Henning Ernst Müller schrieb:

Fest stehe jedoch: Tennessee Eisenberg habe sich mit einem gefährlichen Messer in der Hand entgegen den Aufforderungen der Polizeibeamten auf diese in drohender Haltung zubewegt und hätte sie aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse in kürzester Zeit erreichen können. In dieser Situation sei ein weiteres Abwarten, bis Tennessee Eisenberg tatsächlich einen Messerstich in Richtung der Beamten führt, für diese nicht zumutbar gewesen. Dies gälte umso mehr, als der Student vorher weder durch Zuruf noch durch Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock von einem weiteren Angriff abzuhalten gewesen sei. Der Schusswaffengebrauch sei daher aufgrund der Notwehrsituation gerechtfertigt gewesen."

Schon im Vorfeld haben die Anwälte, die die Hinterbliebenen vertreten, für diesen Fall ein Klageerzwingungsverfahren angekündigt, für dieses ist die Beschwerde notwendige Voraussetzung.

Schade. Diese Stellungnahme erscheint mir recht dünn und wird der besonderen Problematik des Falles nicht gerecht. Zum einen: es geht ja nicht um die Abgabe von ein, zwei Schüssen, sondern um die Frage, ob Eisenberg nach bereits 8 Körpertreffern überhaupt noch zu einer Bedrohung in der Lage war. Zum anderen geht es um die Frage, welches Verhalten gegenüber einem vermutlich kranken Menschen im akuten Schub einer Psychose angemessen ist. Den Polizisten war das höchst seltsame Verhalten des Eisenberg aus Schilderungen des Freundes hinreichend bekannt. Unter solchen Umständen müssen die Polizisten schon im Vorfeld Sorge tragen, sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben. Es geht nicht an, sich zunächst einem psychotischen Menschen auf wenige Zentimeter anzunähern und sich dann zu wundern, dass dieser nicht wie ein vernünftiger Mensch sein Messer fallen lässt. Die Notwehrsituation war also u.U. grob fahrlässig herbeigeführt. Leider spart die Staatsanwaltschaft diese Gesichtspunkte, die naheliegend sind und die wir hier schon diskutiert haben, aus.

 

Fakt und unbestritten ist doch, daß alle Schüsse auf den stehenden T.E. abgegeben wurden. Eine stehende Person muß als potentiell angriffsfähig eingestuft werden. Alles andere wäre Wahrsagerei.

Und die Frage, wie mit vermutlich kranken Menschen im akuten Schub einer Pychose umzugehen ist verlangt keine tiefschürferfende Betrachtung. Dies stellt kein Proplemfeld dar, da jeder Polizeibeamte in Deutschland mit einiger Erfahrung im operativen Dienst bereits dutzende gleichgelagerte Fälle bearbeitet hat. Aus einem aufseheneregenden Fall eine generelles Problem zu konstruieren ist mehr als weit über das ziel hinausgeschossen. Ganz nebenbei, wir reden von überprüfbaren Zahlen und nicht von gefühlten Ereignissen..

Wird denn immer noch ernsthaft das berechtigte Betreten der Wohnung bezweifelt? Ich habe hier argumentativ noch keine praktikable Alternative gesehen. Auch auf meine Fragestellungen diesbezüglich kann ich immer noch keine Antworten hier finden.  Wie sollte denn wohl im Vorfeld dafür Sorge getragen werden, daß sich die Polizei nicht unnötig in Gefahr begibt und wenn nicht die Polizei, wer soll sich denn in diese Gefahr begeben. Bei solchen Lebenssachverhalten kann man immer nur Risikominimierung betreiben. Risikovermeidung würde bedeuten, den Einsatzort gar nicht erst aufzusuchen und das ist keine Alternative. Ich vermisse hier mittlerweile das Konstruktive an der vorgebrachten Kritik. Wer hätte sich denn konkret dem T.E. nähren sollen? Wer kann mit Bestimmtheit den Handlungsablauf vorhersagen, hätte man mal auf der Straße gewartet. Was ist mit dem Mitbewohner, hätte man ihm sagen sollen: "Quartieren sie sich bis auf Weiteres woanders ein, wir müssen erstmal abwarten was in der Wohnung passiert. Kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß T.E. die Wohnung verläßt? Trotz dem zeitlichen Verzug zwischen der Flucht des Mitbewohners aus der Wohnung und dem Eintreffen der Polizei hat T.E. immer noch ein Messer in der Hand, oder schon wieder? Mit welcher Absicht eigentlich? Hätte sich nicht jeder, der die Wohnung betritt, ob Arzt, Mitbewohner oder auch Angehöriger der gleichen bedrohlichen Situation gegenüber gesehen. Kann bei Austausch der die Wohnung betretenden Personen ein Angriff auf diese ausgeschlossen werden, hat T.E. doch eine Person mit dem Messer angegriffen, die ihm vertraut sein dürfte?

Was wenn T.E. in dem Zustand einer akuten Psychose mit seinem Messer die Straße betritt? Wie soll er gehindert werden, sich anderen Personen zu nähren? Der Schußwaffengebrauch ist hier u.U. wegen einer wahrscheinlichen Fremdgefährung tatsächlich nicht rechtmäßig.

Alles Spekulativ, zugegeben, aber nicht weniger wahrscheinlich als die anderen hier vorgestellten Alternativen.

Und jetzt bin ich gespannt, ob denn jemand diese durchaus praktischen Fragen beantworten kann.

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@saint john: es ist hier mehrfach darauf hingewiesen worden, dass vernünftigerweise ein psychologisch geschulter mensch einen beruhigenden ersten kontakt hätte herstellen sollen. es ist mindestens fahrlässig, wenn polizisten in einer solchen situation aggressiv ("messer weg!") vorpreschen. zur eskalation kommt es dann, wenn sie stur auf ihrem kommando beharren und meinen, zu seiner sofortigen durchsetzung jedes mittel einsetzen zu können. leider ist mir das aber auch schon in anderen fällen begegnet - viele polizisten müssen noch einen vernünftigen umgang damit erlernen, dass bürger ihnen (teilweise zu recht) widersprechen oder anweisungen nicht (sofort) ausführen.

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@filtor

Wir drehen uns hier im Kreis. Im Konkreten Fall hätte dies bedeutet, das ein, nennen wir es mal Psychologe, dem mit einem Messer bewaffneten T.E. gegenüber gestanden hätte. Und was passiert jetzt? Er wird allein durch Logik oder durch die Kraft des Wortes, verbunden mit psychologisch unwiderstehlichen Kunstgriffen dazu bewegt, das Messer beiseite zu legen und sich unverzüglich in weiterführende Behandlung zu begeben? Das Wort ist zwar mächtige, aber doch ein ausgesprochen fadenscheiniger Panzer gegen einen Messerangriff. Wenn es solche Kunstfertigkeit gäbe, jeden allein durch verbale Überzeugung zu polizeilich angestrebtem Handeln zu veranlassen, wäre ich stark daran interessiert, würde es doch vieles vereinfachen.

Und was das von ihnen angesprochene Verhältnis Bürger-Polizei angeht, so ist dies keine Einbahnstraße, sondern beruht auf Gegenseitigkeit.  Heutzutage ist es leider Zeitgeist, immer alles besser zu wissen, als die Polizei, mit der man es im konkreten Anlass zu tun hat.

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Zum Thema "Macht des Wortes" - live erlebt:

Eine ca. 40-jährige Frau, im Zustand eine akuten Psychose mit Fremd- und Eigengefährlichkeit.

Beim Eintreffen der Polizei nach kurzem Gespräch vollkommend kooperativ, hat sich (nach einigem guten Zureden) auch die Handfesseln anlegen lassen. Der Transport in das Krankenhaus ebenfalls völlig unproblematisch, es kam sogar ein sehr entspanntes Gespräch zu Stande.

Im Krankenhaus angekommen, bittet die untersuchende psychiat. Fachärztin darum, der Betroffenen die Handfesseln abzunehmen und den Raum zu verlassen - Gesagt, getan.

Etwa fünf Minuten später kommt aus selbigem Raum massives Geschrei und lautstarker Kampflärm - beim Betreten des Zimmers konnte beobachtet werden, wie die Betroffene mit einem Stuhl auf die Ärztin einschlug....

 

Und jetzt erzählen Sie, Herr Filtor, mir, dass in solchen Situationen immer auf psych. Fachpersonal gewartet werden soll? Solche Geschehensabläufe können schlicht und ergreifend nicht prognostiziert werden und können auch bei Intervention durch fachärztliches Personal aus den Fugen geraten.

Ob dies im hier gegenständlichen Fall so gewesen wäre, bleibt schlicht und ergreifend spekulation.

Abgesehen davon ist die Eingangssituation relativ häufig Gegenstand im tägl. Dienst - wenn ich überlege, wie schwer es in unseren Gefilden ist, einen Arzt zur Leichenschau zu bekommen, dann will ich gar nicht daran denken, wie sich das ganze mit einem Facharzt für Psychiatrie verhält.....

 

 

 

Bezüglich dem von Ihnen angesprochenen Verhältnis Polizei - Bürger kann ich nur Saint John zustimmen. "Wie es aus dem Wald heraus kommt, so schallt es zurück!"

Auch hier ein kleines Beispiel: Nach einer Schlägerei bleibt auf dem Boden ein Handy zurück. Plötzlich kommt aus einer nahestehenden Menschenmasse ein junger Mann heraus und nimmt das Handy. Eine Kollegin der Diensthundestaffel fragt ihn, ob es sein Handy sein, worauf der Mann nur zurück gab "Ich hab nix gemacht!". Auch weitere Nachfragen (selbst mit Handlungsvorschlag "Handy aus -Handy an - PIN eingeben") seitens der Kollegin werden mit dem gleichen Spruch beantwortet, woraufhin der Mann seines Weges gehen will. Die Kollegin hält den Mann am Arm fest und stellt ihre Frage erneut, was der Mann mit einem Schlag in Richtung der Kollegin quittiert. Daraufhin wehrte der mitgeführte Diensthund den Angriff ab. Im weiteren Verlauf stellte sich anhand des oben beschriebenen Handlungsvorschlag heraus, dass dem jungen Mann tatsächlich das Mobiltelefon gehörte. Dieser beschränkte seine Kommunikation allerdings lediglich auf den beschriebenen Satz.

Hätte man auch anders regeln können.....

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@ Andi

Genau diese Praxisbeispiele zeigen, dass die eingesetzten Beamten oft mit absolut unvorhersehbaren Sachverhalten bzw. Geschehensabläufen zu tun haben und dennoch ihre Entscheidungen in aller Schnelle treffen und begründen müssen.

Dies sollte dem ein oder anderen Theoriemeister hier vielleicht mal bewusst werden!

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Ich bin kein Polizist und trage grundsätzlich keine Waffen mit mir herum. Ich wohne in Berlin-Kreuzberg und war eines Tages im Böcklerpark in der Nähe eines Jugendzentrums unterwegs. Plötzlich umscharten mich neun Jugendliche und ich sah mich rundherum eingekreist. Vom Alter her war der jüngste geschätzte zwölf und der älteste höchstens 18. Ich bin über 1,90 und von der Statur besehen, war nur einer dabei, der annähernd in meiner Gewichtsklasse war. Genau der hielt deutlich Abstand ein. Ich habe den grössten von denen direkt um mich gezingelten ins Gesicht geschaut und gefragt, was das werden soll.

"Du bist doch ein Bulle, weil Du hier immer wieder rumstreifst..."

"Wenn ihr mich wirklich für einen Bullen halten würdet, dann müsst ihr vollkommen einen an der Waffel haben, wenn ihr mit mir hier so einen Scheiss veranstaltet. Glaubt ihr wirklich, dass ein einzelner Bulle hier wie ich herumstreift, um Euch zu beobachten? Verpisst Euch, sonst passieren hier gleich Dinge, da werdet ihr Euch noch in den Arsch beissen, dass ich keiner bin."

Trotzdem mir die Gefährlichkeit der Situation bewusst war, da vermutlich auch der ein oder andere ein Messer in den Taschen trug, blieb ich ruhig. Im Kopf hatte ich einen Plan, demzufolge ich mich im Falle eines Angriffs auf einen konzentriert hätte und auf die Abschreckungswirkung eines ordentlichen Faustschlags gesetzt hätte. Einer griff mir dann noch an meine Jacke am Körper, wo normalerweise eine verdeckte Waffe getragen wird. Ich konnte mich geradeso beherrschen. Danach liessen sie mich gehen.

Im Nachhinein machte mir die Sache schon noch ziemlich zu schaffen, da ich davon ausging, dass die sich ihrer Sache sicher waren. Das Gefühl des Ausgespähtseins kann einem ziemlich zusetzen. Doch als ich zwei Monate später aus der Zeitung erfuhr, dass in einer ähnlichen Situation in Friedrichshain ein tatsächlicher Zivilfahnder die Waffe zog und einem der Angreifer ins Bein schoss, war ich dann doch erstaunt, wie idiotisch die Jungs drauf sind. Aber irgendwie auch erleichtert. Meine Wut richtet sich da eher gegen die Medien, die solchen Knallern mit üblicher Machoscheisse das Gehirn aufweichen.

Bei einem anderweitigen Polizeitermin habe ich auch noch einen Beamten auf die Geschichte hingewiesen, den schien es aber nicht weiter zu interessieren. Soetwas scheint hier in Berlin wohl öfters zu passieren. Ausserdem enthält meine Akte ein bayrisches "Gutachten", das mir jenseits jeglicher Beweisführung eine "paranoide Persönlichkeitsstörung" unterstellt. Da wird man ohnehin nicht sonderlich ernst genommen. Ich habe in meinem Leben schon etliche ähnliche Situationen durchgestanden und so komme ich damit auch zurecht.

Wenn ich die Geschichte von Tennessee höre, kommt mir das Kotzen. Wenn ich das ganze Gejammere von all den "Insidern" bzw. Polizeibeamten lese, kann ich wirklich nur den Kopf schütteln. Wenn die Herren wirklich ihrem Job gewachsen wären, dann würden sie sich ihrer extremistischen Befangenheit langsam bewusst werden. Das Berufsrisiko eines Polizeibeamten ist in Wahrheit weit geringer als das, das beispielsweise ein jeder flaschensammelnder Obdachloser in Berlin 24 Stunden am Tag mit sich herumträgt. Da solltet Ihr Euch gerade in Bayern mal eine Scheibe abschneiden.

Und noch etwas: Für die in vielen Berichten und sonstwo längst als "Tatsache" unterstellte Psychose gibt es keinerlei Beweise...

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Soweit ich es neulich einem Radiointerview entnehmen durfte, ließ Tennessees Verhalten im schwerstverletzten Zustand darauf schließen, dass er irgendeiner Wahrnehmungsveränderung unterlegen haben muss. Normale Psychosen etc. scheiden da aus. Drogen ebenso. Da fragt man sich, was die Poizeibeamten eigentlich wirklich gesehen / erlebt haben und womit sie sich außerstande sahen klar zu kommen...

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@Hamburg: Wieso sollen "normale Psychosen" da ausscheiden und was verstehen sie unter einer "normalen" Psychose. Eine Psychose ist nie normal sondern pathologisch und ich sehe bislang kein stichhaltiges Argument, dass klar WIDERLEGEN würde, dass hier ein akuter psychotischer Schub vorgelegen hätte. Im Gegenteil, für mich deutet alles darauf hin (z.B. das typische Alter, Geschlecht und v.a. die Vorgeschichte mit einzelnen, typischen Symptomen, siehe auch die Radioreportage von Michael Lissek)! Warum sollte eine Psychose Ihrer Ansicht nach ausscheiden? Drogen - da stimme ich zu - wurden anhand der Obduktion ausgeschlossen.

@Sebastian: Polizeipräsident Kraus hat bei der Podiumsdiskussion zu dem Fall am 27.4. mitgeteilt, dass der gesamte Polizeieinsatz (ich nehme an, er meinte damit ab dem Eintreffen der Beamten bei der Wohnung) 6 Minuten gedauert hätte.

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Sehr sinnvoll wäre hierzulande auch etwa, wie hier http://portal.gmx.net/de/themen/auto/verkehr-service/10458752-iptc-bdt-2... beschrieben, eine zusätzliche Kommission für Ethik bei Justiz und Polizei, wie in Frankreich, dort CNDS. Diese Institution soll nun aber gerade durch einen "Verteidiger der Rechte" abgelöst werden. "Die aus 14 Mitgliedern, darunter Richtern, Staatsanwälten und Professoren, bestehende Kommission kritisierte dies heftig. Künftig solle ein einziger Mensch Missständen nachgehen. Es gebe keine Garantie der Unparteilichkeit mehr, hieß es."

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Zu #125+128

 

Zu den erklärlichen, aber unerklärten Mängeln der Ermittlungen gehört, dass nicht möglichst direkt oder bald nach den Todesschüssen möglichst viele Zeugen möglichst umfangreich vernommen wurden.

 

Das stärkt den Wert der Aussage des Hauptkommissars, der seine Kollegen „nur Minuten nach dem tragischen Selbstmord“ erlebte (S.8 Regensburger Wochenblatt  vom 16.6.2010). Er schilderte, dass der „Student mehrere Polizeibeamte … fast 8 Minuten vor sich hertreibt“. Für die mündliche Angabe von 6 Minuten des Podiumsdiskutanten Kraus ist kein Beleg bekannt, für dessen Interpretation durch Sebastian schon gar nicht. Beide Angaben stehen jedenfalls im Gegensatz zur den „möglicherweise … Sekunden“ der Staatsanwaltschaft.

 

Die Sekundenbehauptung war immer so deutlich unmöglich, dass sich der Verdacht aufdrängt: Motiv der Sekundenbehauptung (ca.S.3 der PM der StA) war Strafvereitelung für den Beschuldigten 2.

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Ihre falsche Sekundenbehauptung von S.3 der PM zur Verfahrenseinstellung verwendete die StA am Ende der PM weiter zugunsten des Todesschützen.

Dabei mutierten (un-)„möglicherweise … Sekunden“ zu feststehenden „wenigen … Sekunden“ („Zwar war Herr Eisenberg zu diesem Zeitpunkt nach Einschätzung des Sachverständigen aufgrund der erlittenen Schussverletzungen in seiner Beweglichkeit bereits stark eingeschränkt,  jedoch ist schon nicht nachweisbar, dass der Beschuldigte 2 in den wenigen ihm zur Verfügung stehenden Sekunden die körperliche Verfassung des Eisenberg zutreffend einschätzen konnte.“)

Tatsächlich beobachtete der Beschuldigte 2 sehr viele Sekunden lang die körperliche Verfassung des Musikschülers und deren Änderung infolge schwerer Schussverletzungen. So konnte der Schütze die körperliche Verfassung nachweisbar einschätzen. Davon musste die StA nach allem ausgehen. Das spricht ebenfalls für den Versuch der Strafvereitelung.

 

In #31 http://blog.beck.de/2009/12/05/fall-tennessee-eisenberg-neue-erkenntnisse-durch-tatrekonstruktion wurde belegt, dass StA und Nebenkläger nicht nur Fakten unterschiedlich werteten, sondern dass anscheinend eine der beiden Seiten log. In Verbindung mit http://www.sueddeutsche.de/bayern/regensburg-fall-eisenberg-zweifel-an-n... erhärtet sich nun der Verdacht bewusster Falschdarstellung seitens der StA wiederum zwecks Strafvereitelung.

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Also ich verfolge den Fall schon länger und ich bin einfach nur erschüttert, dass es trotz der vielen Widersprüche in den Gutachten und den Zeugenaussagen hier offensichtlich zu keiner Anklage kommt.

Als Bürger fühle ich mich nicht wohl, wenn Polizisten bei solchen Gelegenheiten sofort einen Freibrief bekommen durch Staatsanwaltschaft, Polizei und Polizeigewerkschaft.

Mangelhafte Ermittlungen (erst durch Anwälte der Hinterbliebenen vorangetrieben) und Vorfestlegungen zugunsten der Polizisten jedenfalls haben mein Vertrauen in die Polizei und Staatsanwaltschaft zerstört.

Ich hoffe immer noch dass wenigstens die Politik daraus ihre Lehren zieht und am System etwas verändert.

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Der Hinweis von Thomasius ist wichtig. Rechtsstaatlich passt diese Waffen-Hilfspolizei nicht zur Bedrohungssituation im Ländle.

Wildwest-Methoden bringen übrigens nicht immer Wählerstimmen - vgl. Polizeieinsatz bei erster Stuttgart21-(Schüler)demonstration.

Wildwest ist ungleich Südwest!

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

die Diskussion hier wird geschlossen. Seit einiger Zeit ist der im Beck-Blog schon hinlänglich bekannte Troll dabei, seinen ständig wiederholten, nicht zum Thema passenden Beitrag über die AfD auch an dieser Stelle wahnhaft immer wieder im Stakkato viele Male hintereinander zu posten. Ich habe durchaus Mitleid mit dem Münchener Juristenkollegen, eine andere Form, den Beck-Blog in seiner ursprünglichen Form zu erhalten, sehe ich derzeit aber nicht.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

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