Tod durch Polizeischüsse - der Fall Tennessee Eisenberg

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 26.07.2009
Rechtsgebiete: StrafrechtKriminologieMaterielles Strafrecht134|25737 Aufrufe

In der vergangenen Woche haben mehrere überregionale Zeitungen erneut über den Tod des Regensburger Musikstudenten Tennessee Eisenberg berichtet. Eisenberg war am 30. April infolge polizeilichen Schusswaffeneinsatzes zu Tode gekommen. Die Polizei war von seinem Mitbewohner alarmiert worden, Eisenberg habe ihn im verwirrten Zustand mit einem Messer bedroht und er habe aus der Wohnung fliehen müssen. Mehrere Streifenwagen fuhren zu dem Mehrfamilienhaus. Eisenberg trat den acht Beamten noch mit dem Messer in der Hand entgegen. Was dann im Treppenhaus genau geschah, wird von den Beamten wohl unterschiedlich berichtet, die Akten sollen inzwischen 800 Seiten umfassen. Die Regensburger Staatsanwaltschaft wurde zunächst damit zitiert, es liege trotz der vielen Schusswunden wohl ein Fall der Nothilfe vor, ein Beamter habe vor dem Angriff des Studenten gerettet werden müssen. Die beiden Beamten, die geschossen hatten, blieben zunächst im normalen Streifendienst.

Nun liegt nach vielen Wochen ein ballistisches Gutachten vor: Insgesamt 16 Schüsse wurden abgegeben, 12 trafen den Studenten, 7 davon von hinten. Letzteres schließt natürlich eine Nothilfe nicht aus, aber die Anzahl der Schüsse (gegen einen einzelnen Angreifer mit Messer) lässt gewisse Zweifel an der Erforderlichkeit der Notwehr aufkommen. Der Anwalt der Familie, RA Tronicsek, und auch Ltd. Oberstaatsanwalt Ruckdäschel sind in ihren Bewertungen im Moment vorsichtig (Videobericht des Tv-Regionalsenders tva vom 22. Juli). Die beiden Beamten wurden in den Innendienst versetzt, eine Vorverurteilung sollte darin aber nicht zu sehen sein. Ein von der Familie des Opfers in Auftrag gegebenes weiteres Gutachten soll jetzt abgewartet werden, bevor die Staatsanwaltschaft erneut Stellung nimmt.

Weniger vorsichtig ist DPolG-Landeschef Hermann Benker, der meinte, die Familie habe gegen die Beamten öffentlich "gehetzt". (Quelle) Von einer solchen Hetze kann aber wohl nicht die Rede sein, im Gegenteil, alle Äußerungen von Famiie und ihren Anwälten, die in den Medien verbreitet wurden, sind von Zurückhaltung geprägt  (Webseite der Familie). Dass ein solcher Vorfall und ein eventuelles Fehlverhalten der Polizeibeamten aufgeklärt werden müssen, ist m. E. selbstverständlich  - und das muss auch das Interesse der Polizei und der StA sein, denn die Frage liegt auf der Hand: Warum konnten so viele Beamte nicht ohne oder wenigstens mit vorsichtigerem Schusswaffeneinsatz eine solche Situation meistern? In der Politik wird vor allem die Frage der Polizeimunition diskutiert (Video des BR), aber auch andere Abwehrtechniken - unabhängig von der Schusswaffe, sollten Thema sein. Rechtlich ist, wenn eine Rechtfertigung gemäß § 32 StGB etwa an der Erforderlichkeit scheitern sollte, auch noch an eine Entschuldigung gemäß § 33 StGB zu denken.

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(edit: 20.10.2009)

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134 Kommentare

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Versuchen sie auf bis zu 6 Meter gezielt auf ein sich bewegendes Ziel im Stress zu schießen, dann diskutieren wir weiter. Das hat nichts mit Brille, sondern menschlicher Physis zu tun. Des Weiteren ist es gar nicht möglich in so einer Situation in Sekundenbruchteilen zu erkennen, ob es ein Wirkungstreffer war. Aber auch dies kann ein Außenstehender nicht wirklich verstehen...

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Heldenhaftes Draufgängertum und Rambo-Manier sind in diesem Beruf jedenfalls eigentlich fehl am Platz.

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@Horst und Sebastian K.:

die in Ihren Stellungnahmen deutlich werdenden Tatsachenunterschiede (1 Meter Entefrnung, 6 Meter Entfernung/sich bewegendes Ziel) können hier nicht aufgeklärt werden, weshalb es relativ müßig ist, darüber zu streiten, selbst wenn man über Erfahrung mit Schusswaffen verfügt.

 

@Christina:

im Allgemeinen kann man Ihrer Aussage sicher nicht widersprechen, aber weder von "Draufgängertum" noch von "Rambo-Manier" war bisher im Zusammenhang mit dem betr. Polizeieinsatz die Rede. Dazu fehlen auch hier tatsächliche Anhaltspunkte.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Lieber Professor Müller,

 

vielen Dank für die gute Moderation Ihres Themas. Das war auch keinesfalls unbedingt auf diesen Fall bezogen, bei dem zumindest ganz konkrete Anhaltspunkte hinsichtlich des o.g. Verhaltens fehlen. Aber als allgemeine Aussage hielt ich es auch vor dem Hintergrund einiger Diskussionsbeiträge für wesentlich.

 

Viele Grüße,

C.

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Die Rechtsmediziner aus Münster legen sich in ihrem Gutachten ziemlich genau auf die Entfernung fest. Zur Schussentfernungsbestimmung heißt es im Gutachten wörtlich:

"Die Distanz zwischen Eisenberg und Körpervorderseite des N.N. bei Abgabe der 4 Brustschüsse betrug also ca. 160 - 170 cm."

http://www.rtl.de/rtlaktuell/rtl_aktuell_videoplayer.php?article=32781

(zu lesen im eingeblendeten Gutachten etwa bei 00:23)

Bei einem Abstand der Körpervorderseite des Polizisten von 160-170 cm und somit einem Pistolenabstand von ca. 100cm zum Thorax des Studenten erscheint es ausgeschlossen, dass man das anvisierte Ziel verfehlt. Man trifft auch dort, wo man treffen will - nämlich in den Thorax und nicht in die Beine (wohin der Polizist doch eigentlich schießen sollte).

Natürlich wird bei o.g. Angaben immer vorausgesetzt, dass die Münsteraner Rechtsmediziner bei der Schussentfernungsbestimmung keine Fehler gemacht haben. Mal abwarten, was die Rechtsmediziner vom LKA hierzu antworten.

Etwas erstaunt hat mich aber der Hinweis, dass die bisherige Rechtsprechung eine Überschreitung der Notwehr (§33 StGB) zeitlich so eng begrenzt. Es erscheint doch vollkommen nachvollziehbar, dass der Polizist, wenn er wirklich in Panik und Schrecken handelte, diese Panik nicht schlagartig ablegen konnte. Die Frage wird also sein, ob der Polizist vorsätzlich handelte (in eine Art Blutrausch geriet) oder aber immer noch in nachwirkender Panik vor der erlebten Messerattacke sich in einer Notwehrsituation glaubte, die objektiv nicht mehr vorhanden war.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zur unterstützung des Kollegen K:

 

Mein lieber Horst, Unwissenheit über Schusswaffen ist ok und nicht stafbar. Aber sich dann darüber zu äußern ist schlicht UNANGEBRACHT !

Wenn z.B. auf der Schießbahn die Elektronik ausfällt, dann braucht der Schütze und auch sein Ausbilder oft Minuten bis sie die Treffer sehen. Und auf der Bahn gibt es kein Geschrei, Streß oder gar unzureichendes Licht.

Bitte nicht alles glauben, was das TV zeigt.

 

Zu Thoralf:

 

......zensiert......

 

Fr. Dr. Ertan,

wie stellen sie sich die Vorgehensweise vor? Immer SEK und Verhandlungsgruppe?

In jedem Polizeirevier müssten diese beiden Organisationseinheiten dann untergebracht werden, um zeitnah regieren zu können.

Die aus diesem Plan resultierende extrem hohe und notwenige Steuererhöhung für den Bürger würde die Lebenslust in so einigen Bürgern selbst zum erliegen bringen.

ES IST UNMÖGLICH.

 

Mindestens 1x pro Woche bin ich selber bei einem Suizidversuch oder -ankündigung vor Ort; die in meiner Abwesenheit nicht mitgezählt. Ich arbeite in einer sehr großen Stadt.

Je nach Mitteilung wird bei der Person geklingelt oder aber die Tür wird gleich eingetreten, wenn die Feuerwehr mit Hilfsgeräten noch nicht vor Ort ist.

Dies hat schon einige Male dazu geführt Leben zu retten. Dies ist kein Eigenlob !!!

Wenn wir in div. Fällen das Haus umstellt und auf "Spezialisten" gewartet hätten, wären die Betreffenden jämerlich verblutet oder erstickt. Einmal wäre sogar ein Kind mit in den Tod genommen worden.

Der Faktor Zeit scheint von ihnen nicht berücksichtigt worden zu sein.

 

Und wenn der Betreffende sich dann mit Waffen gegen die Polizei wendet, dann heißt es nur "er oder ich". Die Antwort ist einfach.

Die Polizei versucht primär Leben zu retten. Das bedeutet aber nicht, dass wir unser Leben dafür aufgeben.

 

Wenn im Fall Eisenberg die Polizei gewartet hätte, und sich der Eisenberg im Badezimmer die Pulsadern göffnet hätte, dabei umgekommen wäre, man würde das Geschrei der Familie und anderen Bürgern heute noch hören.

Die Schlagzeilen in der Presse kann sich jeder bei so einem Fall vorstellen.

 

Zum "Blutrausch" der Beamten:

 

Fr. Dr., sie scheinen nicht zu verstehen, dass die Beamten nicht in Notwehr geschossen haben, sondern um eine Gefahr abzuwehren.

Nach den Sicherheits-und Ordnungsgesetzen des jeweiligen Bundeslandes besteht die Gefahr nicht nur, wenn das z.B. Messer in Richtung des Beamten geführt wird, sondern auch, wenn der Betreffende es in der Hand nach unten hält.

Wenn er es trotz Aufforderung nicht fallen lässt, dann kann geschossen werden. Völlig legitim. Die Gefahr muss nur konkret sein.

Dies ist auch sinnvoll, da ansonsten die Polizei nicht einmal mehr den Streifenwagen verlassen würde.

 

Ich hab es einfach ausgedrückt, damit jeder Leser es verstehen kann.

 

Es gilt:

 

Leben retten ist Ziel Nr. 1

Aber das eigene Leben kommt davor !!!

 

 

MfG

 

 

 

 

 

 

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Anscheinend wird die Wirkung von Waffen von vielen falsch eingeschätzt. Das ist bedauerlich, allerdings zu verschmerzen. Denn die Mehrheit der Bevölkerung gelangt, zu Glück, nicht nicht in Situationen, bei der dies ihnen zum Schaden gereicht.

1. Ein Messerangriff ist stets lebensbedrohlich. Selbst ein kleines Messer kann Verletzungen herbeiführen, die tödlich sind. Sei es durch die irreversible Schädigung lebenswichtiger Organe oder z.B. durch Sepsis, Verbluten etc.

2. Ein Messerangriff kann nicht abgewehrt werden, ohne den Abwehrenden zu gefährden. Irgendwelche Kampfsportvorführungen, Kung-Fu-Filme etc., die gegenteiliges vermuten lassen, sind reine Fiktion. Wer es nicht glaubt, kann einem Freund einen Edding in die Hand geben und dann versuchen, sich gegen dessen Anmalversuche "zu verteidigen". Jeder Farbstrich wäre eine Schnittverletzung. Selbst kleine Verletzungen können beim Betroffenen einen Schock auslösen, infolge dessen er abwehrunfähig wird.

3. In beengten Räumen können Schlagstöcke nicht wirksam eingesetzt werden.

4. Pfefferspray hat keine hinreichend personenstoppende Wirkung.

5. Die personenstoppende Wirkung von Schußwaffen ist munitionsabhängig. Je größer die stoppende Wirkung einer Munitionsart ist, desto größer fallen auch die von ihr beigebrachten Verletzung aus. Die Wahl der bei der Polizei eingesetzten Munition ist daher immer ein Kompromiß.

6. Eine personenstoppende Wirkung tritt selten unmittelbar auf, selbst wenn bereits zugefügte Schußverletzungen unweigerlich zum Tode führen werden. Ob in nächsten Sekundenbruchteilen eine Stoppwirkung beim Angreifer eintreten wird, ist für den Angegriffenen nicht vorherzusehen; darauf zu spekulieren wäre lebensbedrohlich.

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Ser geehrter Herr Pirl,

zunächst einmal möchte ich, um Missverständnisse zu vermeiden, die Mitleser darauf hinweisen, dass nicht ich in Ihrem Beitrag etwas "zensiert" habe, es ist wohl eher ein Hinweis auf Selbstzensur (!?).

Fr. Dr., sie scheinen nicht zu verstehen, dass die Beamten nicht in Notwehr geschossen haben, sondern um eine Gefahr abzuwehren.

 

Herr Pirl, haben denn auch die Staatsanwaltschaft und sämtliche mitdiskutierenden Juristen etwas nicht verstanden? Der Fall wird von allen, einschließlich des bayerischen Innenministers als (möglicher) Notwehr/Nothilfefall angesehen. Das ist m. E. auch zutreffend. Die Gefahrenabwehr gibt hierzu auch eher weniger als mehr Rechte - wie ich hier schon mehrfach gesagt habe.

Nach den Sicherheits-und Ordnungsgesetzen des jeweiligen Bundeslandes besteht die Gefahr nicht nur, wenn das z.B. Messer in Richtung des Beamten geführt wird, sondern auch, wenn der Betreffende es in der Hand nach unten hält. Wenn er es trotz Aufforderung nicht fallen lässt, dann kann geschossen werden. Völlig legitim. Die Gefahr muss nur konkret sein.

Ihren Ausführungen zur Gefahrenabwehr möchte ich ein großes Fragezeichen anfügen, denn so pauschal, wie Sie es darstellen, ist es nach den SOG und PAG der Bundesländer nicht. Selbstverständlich hängt die Abwehr im Einzelfall immer von der Art der Gefahr ab und die Abwehr muss verhältnismäßig sein. Und wenn eine solche Gefahr für einen Beamten nicht gegeben war (und damit zugleich eine Notwehrsituation), dann war auch der Schusswaffeneinsatz nicht o. W. gerechtfertigt.

Selbstverständlich darf sich ein Polizeibeamter (wie jeder) selbst retten oder einen Kollegen retten und dabei die Schusswaffe einsetzen, selbst wenn dadurch der Angreifer tödlich getroffen wird. Dieses Recht hat noch niemand in der ganzen Diskussion bestritten. Aber es ist gerade die Frage, ob hier eine solche Situation (bei den letzten vier Schüssen) - noch - gegeben war. Sie scheinen anzunehmen, die Polizei dürfe, auch wenn die Notwehrlage schon vorbei ist, immer noch weiter schießen. Dies ist nicht der Fall.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Georg,

danke für Ihren interessanten Buchtipp. Man kann allerdings nicht gerade behaupten,. Tennessee Eisenberg habe keine Lobby. Immerhin sind doch in einem halben Jahr sehr viele Artikel auch in der überregionalen Presse erschienen und es hat keineswegs den Anschein als würde hier ein Toter "vergessen".

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Vielen Dank Knut, für deinen Beitrag. Jetzt müsste auch dem letzten Zweifler ein Licht aufgehen.

 

Herr. Prof.,

 

es geht mir darum, dass die Polizei primär nach den Sicherheitsgesetzen handelt.

Die Notwehr sollte eigentlich nur für den normalen Bürger in einer Ausnahmesituation gelten - nicht aber für bewaffnete Beamte die regelmäßig in solche Situationen geraten.

Jedesmal, wenn wir die Hand an die Waffe legen, dann ist das keine Ausnahmesituation, sondern unser Beruf.

Die Sicherheitsgesetzte sollen uns davor bewahren als Täter gesehen zu werden.

 

Die Justiz sollte das eigentlich berücksichtigen. Aber leider stellt sich der Arbeitgeber selten vor seine Beamten.

Hier tun sie es und schon ist von Verschwörung die Rede.

Das verärgert !!!

 

Das ist eigentlich so zu sehen, wie deutsche Soldaten in Afgahnistan, auf die in Deutschland ein Ermittlungsverfahrten wartet, wenn sie dort im Gefecht töten.

 

Das darf nicht sein !!!

Ausnahme wäre ein Militärgericht, wenn die Soldaten Fehler machen oder sich menschenunwürdig verhalten würden.

 

Die Bürger sollten sich vor Augen halten, dass ein Polizeibeamter IMMER mit dem einen Bein im Gefängnis und mit dem anderen Bein im Grab steht.

 

Ich kann ihnen nur sagen, klarer kann ein gerechtfertigter Schusswaffengebrauch nicht sein, wie im Fall Eisenberg.

Polizisten in ganz Deutschland vefolgen den Fall.

Wenn die Kollegen verurteilt werden sollten, dann werden Kollegen in Zukunft wohl länger überlegen zu schiessen.

Dies kann für sie selber oder gefährdete Personen unnötig zum Tod führen.

 

Es ist ja nicht so, dass die Beamten auf dem am Boden liegenden und unbewaffneten Eisenberg geschossen haben !!!

Ob bei den letzen Schüssen Gefahr bestanden hat - wer soll das entscheiden?

Medizinische Gutachten können doch nicht die Entscheidungen der Beamten vor Ort in Frage stellen, nach dem Motto "Seit den letzten Sekunden / Schüssen war die Notwehrsituation vorbei."

 

Die Schüsse sollten als ein GANZES gesehen werden.

 

Der Eisenberg hat bei jedem Schuss gestanden und somit eine Gefahr mit Messer dargestellt !!!

 

Aber wie mit dem berühmten Glas Wasser - halbvoll oder halbleer - ist es hier.

Es wird immer eine andere Meinung geben.

 

MfG

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Sehr geehrter Herr Pirl,

ich habe durchaus Verständnis für die schwierige Lage, in die Polizeibeamte gestellt werden. Dass man einerseits von Ihnen und Ihren Kollegen die Abwehr von schwerwiegenden Gefahren verlangt, andererseits aber auch wieder Deeskalation und Zurückhaltung. Dann haben Polizeibeamte das Gefühl: egal wie ichs mache, ist es falsch; entweder zu schnell eingegriffen oder zu spät, zu hart oder zu sanft. Und dieses Dilemma ist natürlich bei einer Bewertung des Verhaltens auch zu berücksichtigen. Nur darf man nicht schon allein deswegen auf eine Aufklärung verzichten.

Ich teile aber überhaupt nicht Ihre Einschätzung, es seien praktisch kriegerische Verhältnisse, mit denen Sie tagtäglich umgehen und die Polizei müsste so behandelt werden wie Soldaten im Kriegseinsatz. Der polizeiliche Schusswaffengebrauch ist in Deutschland (und das rechne ich durchaus zu den Tugenden der Polizei) doch die Ausnahme, nicht wie Sie sagen, der tägliche Regelfall. Mir bekannte Polizeibeamte lachen über Darstellungen in Film und Fernsehen, die die Polizeiarbeit mit ständigem Schusswaffeneinsatz zeigen.

Die Justiz ist auch nicht der Arbeitgeber der Polizei, sondern hat die Aufgabe, unparteiisch zu ermitteln (StA) und zu entscheiden (Gerichte). Es stimmt auch bei Weitem nicht, dass Polizeibeamte bei ihrer Diensttätigkeit mit einem Bein im Gefängnis stehen. Es kommt vielmehr sehr selten zu einer Verurteilung von Polizeibeamten wegen Vergehen im Dienst. Die allermeisten Vefahren werden auch hier eingestellt. Und den Verurteilungen liegen meist gravierende Straftaten zugrunde, die sicher auch Sie bei Kollegen nicht dulden.

In diesem Forum wurde übrigens meines Wissens  nicht von einer "Verschwörung" gesprochen (oder habe ich etwas überlesen?). Eine objektive und gründliche Aufklärung dieses tragischen Falls zu verlangen, halte ich für absolut angemessen und auch notwendig.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Hallo Prof. !!!

 

Das mit der Verschwörung stand einmal ziemlich weit oben.

Der Autor ging davon aus, dass Polizei, Justiz und Politik unter einer Decke stecken. Ein eher unqualifizierter Beitrag, der leider auch Zustimmung bei anderen fand.

 

Mit unseren Arbeitgebern meinte ich auch eher Vorgesetze, wie StA und weltfremde Politiker und übereifrige Staatssekretäre.

 

Und natürlich setze ich die Soldaten nicht mit der Polizei gleich.

Aber die "Hexenjagd" in Fällen mit Schusswaffengebrauch, bei Polizei und den Soldaten ist ärgerlich.

Herr Ströbele von DEN GRÜNEN forderte einmal, dass die Polizei ja auch ohne Schusswaffen arbeiten könnte - Thema weltfremd.

 

Mit dem öfteren Benutzen der Waffe meine ich auch nicht das Abdrücken, sondern nur das Anlegen der Hand an die Waffe - für den Fall der Fälle.

Dies kommt in jedem Dienst vor.

 

Während der Ausbildung/Studium wird die Problematik des Ermittlungsverfahren ausreichend erörtert.

Es ist nicht schön nach einem tötlichen Schusswaffengebrauch von den Kollegen des Kriminaldauerdienstes förmlich belehrt zu werden.

Juristisch notwendig, verstörend aber für den Kollegen, die bis zum Ermittlungsabschluss mit sich selbst beschäftigt sind.

 

MfG

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Ein im heutigen Spiegel (9.11., S.16) erschienener Kurzbericht erwähnt den zeugenschaftlichen Bericht eines der Beamten, der mit der Annahme, es habe zwischen den ersten acht und den (tödlichen) weiteren vier Schüssen eine zeitliche Zäsur gegeben, übereinstimmt. (Sekundärquelle) Dies ist allerdings, wie auch die Mittelbayerische Zeitung heute schreibt (Papierausgabe, Seite 1), nichts Neues (Regensburg-Digital).

Dass das LKA die Blutspritzer neben der Tür damit erklärt, sie seien beim Hinaustragen des verletzten Eisenberg entstanden,  war ebenfalls schon berichtet worden (Quelle). Eine kaum plausible Erklärung.

 

Dieser Vorfall  endete tragisch für den getöteten jungen Mann als auch für die beteiligten Polizeibeamten. Die vorstehenden Diskussionsbeiträge sind offensichtlich von vielen geschrieben worden, die sich kaum oder wenig mit der Polizeiarbeit, Polizeiausbildung, Einsatzmöglichkeiten und Wirkung von polizeilichen Einsatzmitteln, Handeln unter Stress, Wundballistik, Gefährlichkeit von Messerangreifern, Selbstverteidigung pp. auskennen.

 

Wirkung von Polizei-Einsatzmunition

Immer wieder ist von "mannstoppender" Wirkung der Polizeimunition die Rede. Dies ist absolut nicht der Fall. Die Munition ist geeignet Verletzungen hervorzurufen bis hin zu tödlichen Verletzungen. Die neue Munition pilzt kontrolliert auf und hat eine Eindringtiefe in den menschlichen Körper von 25 bis 28 cm und gibt dann die gesamte Energie an den Körper ab. Weder die Geschwindigkeit des Geschosses noch die gesamte Energieabgabe ist ausreichend, um einen Schockzustand auszulösen, der eine mannstoppende Wirkung hat. Die Trefferwirkung trifft nicht oder oft nur zeitverzögert ein. Dazu kommt, dass das Schmerzempfinden bei tiefergehenden Verletzungen ausgeschaltet wird. Eine erkennbare Trefferwirkung tritt in aller Regel nur dann sofort ein, wenn durch Treffer der Bein- oder Beckenknochen die "Statik" beeinträchtigt wird. Nur ein Kleinhirntreffer führt zur sofortigen Handlungsunfähigkeit.

 

Handeln unter Stress

Polizeibeamten lernen in ihrer Ausbildung, dass in einer Notwehrsituation geschossen wird, bis Trefferwirkung erkennbar ist. Es ist schon viel über den Zeitraum der Schußabgabe geschrieben worden. 8 Schuß sind in 2 Sekunden leicht abzugeben. In 1 Sekunden legt aber ein 100m-Läufer mehr als 7m zurück (Sportabzeichen = 100m in 13,4 Sek). In einem sehr kleinem Zeitfenster muss unter dem Eindruck der Lebensgefahr die Waffe ins Ziel gebracht, der Schuß abgegeben, die Trefferwirkung beobachtet werden. Dabei ist das Umfeld zu beachten und eventuell noch ein Postionswechsel, Ausweichen pp. vorzunehmen. Bevor dann eine Trefferwirkung eintritt und erkannt wird kann der Beamte schon mehrfach geschossen haben.

 

Wahrnehmung unter Stress

Unter Stress wird der Blick "fokussiert". Allgemein wird vom Tunnelblick gesprochen. Die Wahrnehmung wird sich auf das Messer und den messerführenden Arm konzentrieren. Die Waffe des Polizeibeamten folgt dem Blick. Bei kurzen Distanzen (im Beitrag  Nr. 56 ist von einer Distanz von ca. 170 cm die Rede) ist es gar nicht mehr möglich die Beine anzuvisieren und den Blick von dem lebensbedrohenden Messer zu lösen. Dazu kommt, dass das Schießen in dieser Nahdistanz bei der Polizei in Deutschland nicht zum normalen Tainingsprogramm gehört (ist auf den meisten Schießständen auch nicht zulässig). US-Statistiken belegen, dass dort bei Waffenangriffen die Trefferlage zu 90% auf der waffenführenden Seite, bzw im waffenführenden Arm war.

 

Gefährlichkeit von Messerangriffen

Messer und scharfkantige Gegenstände werden immer wieder verharmlost. Ein Messer ist auch in der Hand eines nicht oder wenig Geübten eine absolut lebensgefährliche Waffe. Ein Messer kann man nicht einfach jemanden aus der Hand schlagen, reißen oder treten ohne selbst das Risiko einer lebensgefährlichen Verletzung einzugehen. Jeder, der sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzt (ich mache es seit mehr als 30 Jahren) kommt zu dem Ergebnis, dass man sich auf eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Messerangreifen nicht einlassen sollte.

 

Einsatzmittel der Polizei

Die Polizei verfügt als Distanzwaffen über Pfefferspray, Schlagstöcke und Schußwaffen.

Pfefferspray

wirkt über Schmerzerzeugung. Es kann zum Lidschluß und Atemwegreizungen führen. Umfragen haben ergeben, dass die Wirkung des Pfefferspray in fast der Hälfte der Fälle nicht oder nur verzögert eingetreten ist. In geschlossenen Räumen sollte es nicht eingesetzt werden, da durch die Zerstäubung alle im Raum aufhältigen Personen kontaminiert werden können.

Das polizeiliche Pfefferspray hat eine Wirkstoffkonzentration von 0,3% - das frei verkäufliche Hundeabwehrspray bis zu 15% !

Schlagstöcke

sind gegen Messerangreifer nicht geeigent, da die Distanz zum Angreifer zu kurz ist.

Schußwaffe

Eine Schußwaffe ist geeignet zum töten, aber nicht um jemanden zu stoppen!

Die Schußwaffe ist aber das einzige adäquate Einsatzmittel, das dem Polizeibeamten als Distanzmittel zur Verfügung gestellt wird!

Als Alternative wird in Fachkreisen über den Taser diskutiert. Ein Einsatzmittel, dass als "Elektroschocker" und Folterinstrument von vielen verteufelt wird. Wenn vielleicht auch dieses Einsatzmittel nicht risikolos ist, so hätte ein Taser-Einsatz in diesem Fall das Leben eines jungen Menschen retten können. Auch das Leben der Polizeibeamten wäre dann nach dem Vorfall in normalen Bahnen weiter gelaufen.

 

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Sehr geehrter Herr Werner,

glauben Sie mir, ich habe vollstes Verständnis für die schwere, verantwortungsvolle und manchmal auch gefährliche Arbeit der Polizei.

Dennoch erschreckt mich, wie oft nur in Kategorien wie "mannstoppende" Wirkung gedacht wird.

Das mag ja richtig sein, wenn es bekanntermaßen um Schwerkriminelle, Terroristen oder auch Amokläufer geht. Wenn es aber den Einsatzkräften bekannt ist, dass ihnen ein bisher unauffälliger Musikstudent mit Selbstmordabsichten gegenübersteht (vermutlich weil er gerade unter dem Schub einer Psychose steht) so sollten diese Kategorien des "Mannstoppen" kein Thema sein. Dann sollte man eben nicht einen Menschen so lange beschießen, bis eine Wirkung eintritt. Wenn der geisteskranke Selbstmordkandidat weiterhin mit einem gefährlichen Messer (wohl langsam) auf die Beamten zuschreitet, dann kann es nur Ziel sein, so schnell wie möglich Fersengeld zu geben: ABHAUEN! Abhauen ist zumindest dann richtig, wenn keine anderen Menschen in der Wohnung sind.

Was Sie zur Wirkung der Polizeimunition schreiben, ist aus medizinischer Sicht teilweise fehlerhaft. Egal, um welche Munition es sich handelt, es kommt natürlich auf den Ort des Treffers an. Wie Sie da gerade auf das Kleinhirn kommen, ist mir schleierhaft (wegen der Kooordination?) Insbesondere ist natürlich auch das Schmerzempfinden bei tiefergehenden Verletzungen nicht ausgeschaltet. So sind Bauchtreffer hochschmerzhaft, schon weil das parietale und viscerale Peritoneum dicht mit Nervenenden besetz ist (Sie haben doch schon mal Bauchschmerzen gehabt?) und auch jegliche Knochentreffer sind wegen des hochsensiblen Periosts hochschmerzhaft.

Insgesamt (nachdem von vielen Seiten gehört) scheint tatsächlich ein Leitsatz der Ausbildung der Polizei zu sein: So lange schießen, bis Trefferwirkung erkennbar ist. Dieser Leitsatz der Polizeiausbildung scheint mir auch die Ursache für den Tod dieses psychotischen Musikstudenten zu sein. Denn wenn Trefferwirkung erkennbar ist, dann ist eben ein lebenswichtiges Organ wie Herz oder Hauptschlagader oder Halsschlagader getroffen und der schnelle Blutverlust führt in Sekunden zur Trefferwirkung.

Meine völlige Zustimmung haben Sie aber, was die Bewaffnung der Polizei angeht. Da scheinen mir Ihre Vorschläge (Taser, Elektroschocker etc.) wirklich überlegenswert. Für eine solche Situation wäre eine solche Waffe sicher die bessere gewesen. Die völlig überraschten Polizisten hätten sich damit Zeit verschaffen können, um sich geordnet zurückzuziehen.

 

 

 

 

 

Es ist nur ein Armutszeugnis, dass acht gestandene Männer nicht in der Lage sind, einen einzelnen Studenten zu bändigen, sondern ihn mit 16 Schüssen töten müssen. Was sind das für Männer?

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Offener Brief an die Justizministerin:

http://www.regensburg-digital.de/?p=5339

Die sehr frühe Festlegung auf eine Notwehrsituation durch die Politik vor Beginn jeglicher Ermittlungen ist in der Tat kritikwürdig.

 

Hallo !!!

 

Werner, deinen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Hier stimmt alles!!!

 

Christina, scheint es nicht gelesen zu haben.

Bei aller Liebe Christina, du scheinst noch sehr jung zu sein - um die 20, oder ???

Bitte sammele noch Lebenserfahrung, bevor du solche unqualifizierten Äußerungen von dir gibst.

Tut mir leid.

 

Fr. Dr., wie wollen sie den Bürgern erklären, dass die Polizei "abhaut."

Wer sonst soll einen verwirrten Mann mit Messer in einem Mehrparteienwohnhaus stoppen.

Andere Hausbewohner wollen sie also dieser Gefahr aussetzen?! Gar einem Nachbar, der unwissend wegen Lärm beim Eisenberg hätte klingeln können?!

Da gibt es nichts zu rütteln.

 

MfG

 

 

 

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@Pirl Ihre Polemik trägt zur Besprechung des ernsten Themas nichs bei.

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Zwar mit Verspätung, wie mir scheint, aber immerhin vernünftig: Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung von heute soll eine Tatrekonstruktion am Ort des Geschehens stattfinden, um näheren Aufschluss über den Ablauf des Geschehens zu erhalten. Das lokale Blog Regensburg-Digital vermutet einen Zusammenhang mit der am vorvergangenen Samstag durchgeführten Demonstration.

Zudem hat der ermittelnde Staatsanwalt angekündigt, es gebe demnächst eine Entscheidung über die Anklageerhebung.

Man kann nur hoffen, dass es sich bei der angekündigten Tatrekonstruktion um einen ernsthaften Versuch als Beitrag zur Aufklärung handelt und nicht um eine willkürliche Inszenierung der Staatsanwaltschaft.

 

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Als interessierter Regensburger habe ich mich sehr eingehend mit den vorhandenen Informationen auseinandergesetzt. Mehr zumindest als z.B. Herr Pirl, von ihm hier nur folgende Zitate:

"Auf eine Psychose kann die Polizei keine Rücksicht nehmen. Dies stellt sich auch immer erst hinterher heraus."

 

Sollte darauf aber vielleicht Rücksicht nehmen. Auch psychisch Kranke sind Menschen - kranke Menschen, die Hilfe brauchen. Und da die Polizei vielleicht auch nicht ganz selten mit solchen Menschen zu tun hat, scheint es mir angebracht, dass sie zumindest rudimentäre Kenntnisse im Umgang mit diesen Menschen haben sollten. Im übrigen stellt sich eine Psychose nicht zwangsläufig immer erst hinterher heraus. Im Gegenteil: dank des glorreichen Einsatzes ihrer Kollegen wird man wohl leider NIE erfahren, ob tatsächlich eine Psychose vorgelegen hat.

 

"Da muss die Familie in die Pflicht genommen werden oder behandlende Ärtze, die solch tickende Zeitbomben herumlaufen lassen. 

Langjähriger Cannabiskonsum ist oft der Auslöser für solch ein Verhalten.

Freunde und Familie sollten hierüber einmal nachdenken.

Der Eisenberg war zur besagten Tatzeit kein Unschuldslamm!!!"

 

Herr Eisenberg ("der Eisenberg" finde ich etwas respektlos) war weder vorbestraft, noch wurden Alkohol oder Drogen bei der Obduktion nachgewiesen. Ich habe inzwischen Kontakt zu etlichen Leuten, die ihn kannten, geknüpft, und jeder schildert mir glaubhaft, dass er ein ausgesprochen friedlicher Zeitgenosse war. Cannabiskonsum hat ebenfalls nicht vorgelegen. Er befand sich auch nicht in psychiatrischer Behandlung, weil er bis dato auch nicht psychiatrisch auffällig war. Informieren Sie sich also bitte etwas besser, bevor sie sich hier so polemisch äußern.

 

Ich finde den ganzen Vorfall jedenfalls ausgesprochen besorgniserregend. Nicht zuletzt, weil die hier kommentierenden Polizeibeamten einen deutlichen Wissensmangel in der rechtlichen Beurteilung solcher Situationen zeigten (danke Herr Prof. Müller für die Richtigstellungen!) und einen Schreibstil, den ich teilweise schon als menschenverachtend empfinde. Wenn diese Geisteshaltung (und die teilweise Unkenntnis des juristisch festgelegten Handlungsspielraums der Polizei bzw. eine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Grenzen, die der Gesetzgeber gottseidank gezogen hat) repräsentativ für die Polizeibeamten in unserem Land ist, dann wundert mich der tragische Ausgang der Ereignisse am 30. April wenig - und dann mache ich mir ziemliche Sorgen um unseren Polizeiapparat. Gerade in diesem Beruf würde ich mir etwas mehr Achtung vor der Menschenwürde und dem Leben wünschen. Herr Pirl: vor Polizisten wie Ihnen habe ich ganz offen gesagt einfach nur Angst, bei Ihnen scheint mir Selbstjustiz angesagter als Rechtsstaatlichkeit.

 

Dass das LKA allen Ernstes die in der Beweisführung entscheidenden Blutspritzer an der Wand als "beim Abtransport entstanden" bezeichnet (was, meinen Informationen nach, mittlerweile auch vom Gutachter nochmals glasklar ausgeschlossen wurde), finde ich dann schon auch noch recht verstörend. Und dass die Tatrekonstruktion vor Ort auch erst nach vielen Wochen der Ablehnung schließlich durchgeführt wird, spricht ebenfalls eine eigene Sprache. Für einen einfachen, aber durchaus aufmerksamen Bürger, entsteht hier in jedem Falle nicht gerade der Eindruck umfassender, unvoreingenommener und sauberer Ermittlungen ...

 

Im übrigen stört mich auch sehr - das nur als Randbemerkung - dass in vielen Diskussionen Tennessee Eisenberg als "Täter" bezeichnet wird. Ich habe doch Recht, Herr Prof. Müller, in der Annahme, dass Herr Eisenberg in Bezug auf die laufenden Ermittlungen korrekterweise als Opfer und die feuernden Beamten als Täter bezeichnet werden sollten, oder?

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Sehr geehrter Herr Mediziner,

vielen Dank für ihren Beitrag.

Ich finde es wichtig und richtig, dass hier Polizeibeamte mitdiskutieren.

In einem Ermittlungsverfahren ist es grundsätzlich verfehlt von "Täter" und "Opfer" zu sprechen, denn es ist gerade der Sinn von Ermittlungen, dass dies noch nicht feststeht; auch muss die unschuldsvermutung gewahrt bleiben.

Das derzeitige Ermittlungsverfahren richtet sich gegen die Polizeibeamten als Beschuldigte und mögliche Täter (Totschlag, fahrlässige Tötung), Herr Eisenberg ist bei diesem zu prüfenden Vorwurf Opfer.

Stellt sich allerdings heraus (und das scheint derzeit niemand zu bestreiten), dass Herr Eisenberg zuvor seinen Mitbewohner und die Beamten mit einem Messer bedroht hat, erscheint es mir legitim, insofern auch von ihm als einem "Täter" bzw. "Angreifer" zu sprechen - gegen einen Toten findet allerdings kein Ermittlungsverfahren statt.

 

Mit besten Grüßen
Henning Ernst Müller

 

So, dan muss ich mich jahier auch noch mal im Blog verewigen.

 

@ Frau Ertan und Werner

Bei dem Thema mannstoppende Wirkung sollen nicht einzelne Menschen herabgewürdigt werden, sondern es ist ein allgemein anerkannter Fachbegriff, der in allgemeinen Kategorien die Wirkung von Geschossen beschreiben soll. Aufgrund von vielen Vorfällen in der Vergangenheit hat sich die Polizei neue Einsatzmunition angeschafft, die eine bessere "Wirkung" auf den - Störer, Täter, Beschossenen (wie auch immer) haben soll.

ABER: Bei all dem Streit über Begrifflichkeiten sollte man nicht vergessen.... es kommt hier nicht auf die ausgelöste Schmerzwirkung an, denn die ist nicht entscheidend. Menschen die unter Stress stehen und somit voller Adrenalin sind (oder unter einer Intoxikation (Alkohol, Drogen) stehen) haben wenig bis gar kein Schmerzempfinden, bzw. es wird unterdrückt. Hier tritt, außer bei einem sofortigen Wirkungstreffer (Kopf und wenige stellen im sonstigen Korpus), keine "mannstoppende" Wirkung ein. Der Täter agiert weiter.

Da 90 Prozent aller polizeilichen Schußwaffengebräuche in einer Distanz von 0-6 Metern bis zum "Ziel" erfolgen, lernt der Polizeibeamte in der Ausbildung, zu schießen bis eine Wirkung erkennbar ist. DENN: In einer Distanz von 0-6 Metern ist ein Messerangreifer sehr schnell in der Nähe des Beamten. Letzendlich will ich hiermit das Bild des schießwütigen Beamten als "Haltlos" darstellen. Jeder Mensch (ja auch Polizisten) haben eine natürliche Hemmung zu Töten; jeder möchte nur seine eigene Haut retten. Auch ich wäre lieber Hauptdarsteller in einem Ermittlungsverfahren als der Hauptdarsteller auf meiner Beerdigung.

Von daher geht es hier jedem Polizeibeamten nicht primär darum einen Menschen zu töten (und danach mit den posttraumatischen Belastungen umzugehen), sondern ihre eigene Haut zu retten.

@ Mediziner

Ich würde hier nicht von einem Wissensmangel der einschreitenden Beamten sprechen. Die Ausbildung und das Wissen ist in der Polizei sehr gut/ hoch. PROBLEM: In einer Stresssituation in der es um mein Leben geht, ist es geradezu polemisch eine eingehende rechtliche Prüfung zu verlangen. Wenn es um mein Leben geht greife ich auf Instinkte zurück. Und wenn ich zu dem Schluss komme, ich kann diese Situation nicht anders lösen als durch den Schußwaffengebrauch, dann ist diese Entscheidung halt so. Fehler? Vielleicht.....

ABER: Beobachten sie Mediziner, oder einen Teilnehmer im Straßenverkehr.. Wer ist nicht schon einmal mit dem PKW bei rot gefahren, obwohl er noch hätte bremsen können? Ist das eine rechtliche Lücke? Fahren nur "Nichtjuristen" bei rot? Ich glaube, das sind einfach die "Teilsekunden" wo man eine falsche Entscheidung trifft. Und diese Fehler, ohne diese Situation jetzt beurteilen zu wollen, passieren natürlich auch Polizeibeamten. Es ist leicht eine Maßnahme nachträglich juristisch zu prüfen........ Widerspruch, Androhung? Erging der Verwaltungsakt fristgemäß und in korrekter Form? Androhung? Also Wirklich, das ist realitätsfern....

Nun, wenn die Ermittlungen schlampig geführt werden (ich mag das nicht beurteilen) ist das natürlich mehr als "Unglückglich". Aber hier wäre es auc Aufgabe der STA als Herrin des Verfahrens darauf zu achten, das sauber ermittelt wird......

Worum es mir nochmal geht: Die Polizeiausbildung lehrt alle Techniken um Angriffe endgültig abzuwehren. Das ist gut und richtig so. DENN: Ich möchte nicht zweiter "Sieger" sein. Auch wenn ich vielleicht in einer schweren Situation einen Fehler mache. Aber dies sei mir als Mensch zugestanden.

 

MfG

 

Sebastian

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Auch als Polizist ist man in seinem Beruf speziell ausgebildet sein. Ein Bauingenieur kann bauen, eine Mediziner heilen, ein Jurist Rechtsprobleme klären etc.. Ein Polizist muss daher Sicherheitsprobleme lösen, allerdings verhältnismäßig und nur dann, wenn sie auch bestehen, keinesfalls jedoch unreflektiert, rambohaft und brachial. Hier http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/amok112.html war es möglich, dass die eintreffende Polizei den Mann nach Warnschüssen und einem gezielten festnahm. Warum ausgebildete Polizisten im Fall Eisenberg in einer Situation, wo offenbar keine Gefährdung für Dritte im Haus bestand, diesen unbedingt sofort im Haus stellen wollten, anstatt sich zurückzuziehen und wenige Minuten auf Familie und gesprächsgeschulte Ärzte zu warten, und dann so lange auf ihn einschossen, bis er schießlich Tod war, ist absolut unverständlich. Das hat für mich weder etwas mit Arbeit, geschweige denn intelligenter Polizeiarbeit zu tun, und selbst als bloßer Mann sollte man solche Situationen anders befrieden können, erst recht in einer Anzahl von acht Personent! Oder waren die anwesenden Beamten alle von der Statur 140cm groß, 35kg schwer, unsportlich und kurz vor der Pensionierung? Wobei selbst unter diesen Bedingunge wohl acht Männer einen einzelnen überwältigen können. Das ist alles abwegigst und absolut unverständlich, vor allem, da nun auch noch die Ermittlungen eingestellt wurden und es nicht zur gerichtlichen Untersuchung kommt.

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Ich denke der Kommentar von Henriette erledigt sich von selbst.

 

- rambohaft, brachial

- intelligenter Polizeiarbeit

- acht Männer nicht in der Lage, unsportlich.

Ich denke wir haben schon in der voherigen Diskussion im Blog gemerkt, dass wir sachlich bleiben sollten.

 

MfG Sebastian

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Hallo, liebe Mitleser!

 

Einiges hier ist ja wirklich interessant, aber bei manchen realitätsfernen Kommentaren kann einem echt der Hut hoch gehen...

 

Grundsätzlich möchte ich erstmal sagen, dass es mir Leid tut für Herrn Eisenberg und seine Familie, dass die ganze Situation so tragisch ausgegangen ist. Aufgrund seines vorherigen Lebenswandels - ohne polizeilich in Erscheinung zu treten - ist nicht davon auszugehen, dass Herr Eisenberg ein Schwerverbrecher war, ganz im Gegenteil.

 

Aber man sollte doch auch mal gewisse Fakten sehen:

  • Herr Eisenberg hatte seinen Mitbewohner als Geisel gehalten, d. h. eine Freiheitsberaubung nach § 239 StGB lag vor. Diese lag zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes nicht mehr konkret vor. Eine repressive Handlung der Polizei ist erforderlich, muss jedoch nicht zwingend sofort erfolgen (Identität des Täters stehen fest).
  • Eine Bedrohung gegen das Leben des Mitbewohners hatte zeitweise ebenfalls vorgelegen, war jedoch zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes nicht mehr konkret (Bewohner hatte sich geflüchtet), d. h. auch hier hätte eine repressive Handlung später erfolgen können.
  • ABER: Herr Eisenberg hatte zuvor - aus welchen Gründen auch immer - seinen ihm gut bekannten Mitbewohner der Freiheit beraubt und mit dem Messer bedroht. Was würde er mit anderen Hausbewohnern machen, falls diese ihm zufällig über den Weg laufen? Ein präventiver Einsatz zum Schutz der anderen Hausbewohner war notwendig!
  • UND: Herr Eisenberg hatte wohl auch Suizidabsichten geäußert. Auch hier sind mir die Gründe nicht bekannt. Jedoch ist auch hier ein zeitnahes präventives Eingreifen notwendig!

Einige schrieben hier, dass jeder Mensch das Grundrecht hat, sich selbst zu töten oder so ähnlich. Natürlich hat jeder das Recht, aber es besteht in den meisten Fällen der Verdacht einer Geistesschwachheit oder -krankheit in diesem Moment, ggf. i. V. m. Alkohol- oder Drogenkonsum, ggf. auch hervorgerufen durch eine bestimmte Stresssituation oder eine psychische Erkrankung.

Fakt ist: die Polizei DARF bei einem möglichen Suizidgefährdeten nicht einfach tatenlos zusehen und abwarten, sondern MUSS alles tun, um die Gefahr abzuwenden.

Wie groß wäre der Aufschrei in Deutschland gewesen, wenn ein Streifenwagen neben den Gleisen gestanden hätte, als sich Robert Enke umgebracht hat? Da hätte es gehießen: wieso haben die denn nicht eingegriffen? Und schon wären die Beamten wieder die "Bösen"? Manche Leute drehen die Situation gerade so, wie es ihnen passt.

Stellen Sie sich mal vor, Ihr Lebensgefährte/-in oder Sohn/Tochter kündigt Ihnen telefonisch an, sich mit einer Waffe (Messer, Pistole, egal) umbringen zu wollen. Sie informieren die Polizei und die wartet vor der Tür eine halbe Stunde, bis Sie oder ein Arzt eingetroffen ist. Man öffnet die Tür und findet die Person tot in der Wohnung... da wird die Luft doch ganz dünn, oder? Da wäre wieder die Polizei Schuld. Warum haben sie die Tür denn nicht geöffnet und meinen Mann / meine Frau / mein Kind gerettet???

 

Bei realitätsnaher Betrachtung kann man nur zu dem Schluss kommen, dass ein Eingreifen unerlässlich war. Alles andere wäre realitätsfremd.

Ob im vorliegenden Fall die Taktik richtig war, kann ich nicht sagen, da ich nicht vor Ort war, aber DASS ein Eingreifen erforderlich war, ist für mich sicher!

 

Wenn ich dann so super Kommentare wie von Henriette lesen... naja... wie viele Auseinandersetzungen haben Sie in Ihrem Leben gehabt? Waren Sie schonmal in einer Situation, wo Sie mit mehreren Personen EINE Person überwältigen mussten? Das kann selbst unbewaffnet eine schwere Aufgabe werden, denn der Adrenalinausstoß bei Auseinandersetzungen darf nicht unterschätzt werden.

 

Und über die Gefährlichkeit von Messern in der Nahdistanz (alles unterhalb von 10 Metern IST eine Nahdistanz!) wurde hier von fachkundigen Leuten genug geschrieben. Allerdings glauben einige hier wohl immer noch, dass man einen Angreifer mit Messer wie im Fernsehen entwaffnen kann. Das klappt im TV, vielleicht noch bei einer Vorführung (das heißt übrigens so, weil die das vorher üben...), aber nur mit viel Glück und ohne Verstand im wirklichen Leben!

Es gibt hier: http://www.kalter-stahl.com/000001985b0d93482/000000990a08b200d/00000099...

eine Bildergalerie, die jedoch alles andere als harmlos ist und nur von mental gefestigten Personen betrachtet werden sollte. Wer also kein Blut sehen kann: NICHT ÖFFNEN!

Die Bilder stellen mal realistische Messerwunden dar. Und die Verletzungen, z. B. die Schnittwunden im Rücken, durchtrennte Gesichtsnerven, etc., sind zum Teil tödlich oder mit bleibenden Schäden verbunden. Der Probant mit der Rückenschnittwunde ist übrigens tot und wurde lediglich für die Aufnahme aufgerichtet...

Also sollte nochmal jemand auf die Idee kommen, einen Messerangriff mit bloßen Händen abzuwehren oder dies von Polizeibeamten zu fordern, so sollte er sich vorher die Bilder betrachten und mal gründlich darüber nachdenken, ob er derlei Verletzungen in Kauf nehmen würde, wenn er eine effektivere Waffe besitzt.

 

Zur Abwehr gegen Messer ist auf der o. g. Hompage übrigens folgendes hinterlegt:

"In der Realität laufen Messerangriffe anders ab, als sie in den meisten Kampfkunstschulen trainiert oder in Filmen dargestellt werden.
Im wahren Leben enden derartige Gewalttaten auch anders als im Film - nämlich regelmäßig zum Nachteil des Opfers, mit schweren Verletzungen oder mit dessen Tod."

 

Ob der Einsatz der Schusswaffe rechtmäßig und verhältnismäßig war, ist für mich also überhaupt keine Frage. Ob die Anzahl der Schüsse notwendig war, kann ich nicht beantworten. Das ist Situationsabhängig und auch von jedem Einzelnen in der Situation (Stichwort: Wirkungstreffer erzielen UND erkennen!).

 

Klar ist jedoch: es gibt Fehler, die werden sofort und rigoros bestraft. Manche Fehler macht man nur einmal im Leben, da es keine zweite Chance gibt!

Wenn jemand sich im 20. Stock eines Hochhauses zu weit über die Brüstung lehnt, fällt er runter. Wenn jemand über die Gleise läuft, obwohl ein Schnellzug herannaht, wird er überfahren. Wenn jemand bewaffnet auf die Polizei losgeht, muss er damit rechnen, erschossen zu werden.

Diese Fehler macht man meistens nur einmal im Leben und bekommt selten die Chance, sie wieder gut zu machen...

 

Abschließend möchte ich jedoch anmerken, dass ich - trotz meiner o. g. Argumentation - eine Gerichtsverhandlung für erforderlich gehalten hätte, zumal die Außenwirkung in diesem Fall sehr hoch ist. Da wären die Beamten dann ggf. von einem Gericht aus freigesprochen worden (es geht hier um eine Notsituation und darum, zu klären, ob es sich um ein Tötungsdelikt im Sinne des StGB gehandelt hat, nicht um ggf. falsche Polizeitaktik!) und den Rufen der Öffentlichkeit wäre genüge getan!

Mr. X schrieb:

Einige schrieben hier, dass jeder Mensch das Grundrecht hat, sich selbst zu töten oder so ähnlich. Natürlich hat jeder das Recht, aber es besteht in den meisten Fällen der Verdacht einer Geistesschwachheit oder -krankheit in diesem Moment, ggf. i. V. m. Alkohol- oder Drogenkonsum, ggf. auch hervorgerufen durch eine bestimmte Stresssituation oder eine psychische Erkrankung.

Fakt ist: die Polizei DARF bei einem möglichen Suizidgefährdeten nicht einfach tatenlos zusehen und abwarten, sondern MUSS alles tun, um die Gefahr abzuwenden.

Wie groß wäre der Aufschrei in Deutschland gewesen, wenn ein Streifenwagen neben den Gleisen gestanden hätte, als sich Robert Enke umgebracht hat? Da hätte es gehießen: wieso haben die denn nicht eingegriffen? Und schon wären die Beamten wieder die "Bösen"? Manche Leute drehen die Situation gerade so, wie es ihnen passt.

Sehr geehrter Herr Mr. X,

hier muss ich doch noch mal eingreifen. Ihre Logik ist zum Haare-Raufen.

Da argumentieren Sie zunächst mit einer Geisteskrankheit, die häufig bei Suizidenten vorläge. Dann aber muss die Polizei gerade mit einer solchen "Geisteskrankheit" rechnen und nicht von einem Gewalttäter ausgehen, sondern eben von einem Menschen z.B. im ersten Schub einer akuten Psychose. Der verhält sich nicht mehr rational, da ist auch das Schmerzempfinden weitgehend ausgeschaltet.

Im nächsten Absatz sehen Sie dann die Pflicht der Polizei, bei einem möglichen Suizid einzugreifen. Sie müsse alles tun, um die Gefahr abzuwenden.

Das heißt aber nicht, dass die Polizei jetzt einen Freischein hat, zwei Magazine leerzufeuern. Der Suizidwillige ist geisteskrank (wie die Polizei weiß), die Polizei muss die Gefahr abwehren und dazu gehört eben nicht, einen psychisch kranken Menschen mit Blei vollzupumpen bis man eine "mannstoppende" Wirkung sieht.

Eingreifen der Polizei kann also nur bedeuten, auf den Mann (aus sicherer Distanz) einzureden, bis ein Psychologe eintrifft. Wenn er sich dennoch umbringt, wird niemand der Polizei einen Vorwurf machen. Man kann auch eine Absperrung einrichten, so dass niemand anderess ins Haus gelangen kann. Aber einen Suizid zu verhindern, indem 8 Mann das Haus stürmen und dann - wenn auch im Rückzug - ihre Magazine leerfeuern, ist nicht die richtige Methode, mit dem Schub einer akuten Psychose umzugehen. Ich möchte jedenfalls nicht, dass mein (eventuell erstmalig geisteskrankes) Kind so von der Polizei "gerettet" wird.

Noch deutlicher wird dann Ihr Beispiel mit Torhüter Enke. Natürlich soll die Polizei nicht tatenlos neben Herrn Enke stehen. Aber sie soll auch nicht ihr Magazin leerfeuern (falls Herr Enke zufällig auf den Gleisen noch ein Messer dabei hat). Denn dann stirbt Herr Enke nicht am Aufprall mit dem Zug, sondern an den Kugeln. Das ist doch völlig sinnlos.

Die Polizei soll also Distanz wahren, das Gespräch suchen und notfalls rechtzeitig den Rückzug antreten. Sie soll nicht den Suizidwilligen vom Hochhaus schubsen (durch zu forsches Vorgehen) und auch nicht zu nahe an ihn rangehen. Niemand macht einen Vorwurf, wenn die Aktion dann doch schiefgeht.

Ich mache übrigens der Polizei keinen Vorwurf, bestimmt hat sich niemand absichtlich falsch verhalten. Aber man sollte daraus lernen.

 

 

 

Sehr geehrte Frau Ertan,

auch ich muss mich dann noch einmal zu Ihrem Kommentar äußern, denn ich denke auch Sie gehen von falschen Tatsachen aus.

Generelle denke ich, lassen sie das Faktum außer acht, dass die hier vorliegende Situation zwei verschiedene Teilabschnitte beinhaltet.

Die Polizei bekommt Kenntnis von einem geplanten Suizid, in dem vorliegenden Fall von einer Person in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses. Hier, da gebe ich Ihnen recht, kann man durchaus über das polizeiliche Vorgehen streiten.

Die Polizei muss alles tun, um einen möglichen Suizid zu verhindern, dies steht im Gesetz, dies ist der polizeiliche Auftrag (ergibt sich aus dem Artikel II GG, dem Recht auf Leben, was dem Staat auch aufträgt, Leben zu schützen). Nun schreiben sie, dazu würde nicht gehören, einen psychisch kranken Mann mit "Blei vollzupumpen, bis mannstoppende Wirkung eintritt." Der Schußwaffengebrauch hat doch mit der Situation, wie sie bis jetzt ist, noch überhaupt nichts zu tun. Oder glauben sie, die Polizeibeamten stürmen die Wohnung mit gezogenen Waffen, um gleich zu schießen??

Nein, zuerst will man den Kontakt herstellen, gerade um mit dem Täter kommunizieren zu können, um einen Suizid zu verhindern. Was macht man also? Man klingelt und klopft an der Tür (Wie sie es übrigens auch selbst im vorletzten Absatz ihrer Äußerung empfehlen), denn viele Suizideinsätze erweisen sich auch als "Fake". 

(Mal ganz davon abgesehen, dass in der polizeilichen Praxis KEIN Psychologe bei einem polizeilichen Einschreiten zum Einsatzort kommt (wenn man nicht vorher mit der Person gesprochen hat), wie sie im nächsten Absatz schreiben. So etwas gibt es bei den zuständigen Ämtern zumindest in Hamburg nicht. Man muss den Suizidenten bei der Psychatrie vorführen.)

Jetzt erst tritt, was ich denke ein ganz wichtiger Punkt ist, die zweite Teilsituation ein. Der Suizident öffnet die Tür und stürmt auf die Beamten mit einem Messer zu. Das hat jetzt nichts mit "Rettung des Suizidenten durch vollpumpen mit Blei" zu tun, sondern mit reiner Selbstverteidigung. Zumal man sich im Treppenhaus nicht zurückziehen kann.

Demzufolge "hinkt" auch ihr Vergleich mit Robert Enke ziemlich, denn: Hier liegt keine geschlossene Räumlichkeit vor. Man kann direkt kommunizieren, man kann die Gefahren für andere Menschen direkt abschätzen und vor allem kann man AUSWEICHEN.

Zusammenfassend sollten auch sie davon ausgehen, dass kein Beamter irgendjemand vollpumt, nur um einen Suizid zu verhindern oder jemanden zu retten. Ich denke da wird jedem der Sarkasmus an dieser Darstellung sofort klar. Es geht darum, nachdem man das Gespräch gesucht hat, auf eine plötzliche Änderung der Situtation einzugehen und seine eigene Haut zu retten.

Weiter reiten (nicht nur sie) gerne auf den zwei Magazinen herum, die auf den Suizidenten leer geschossen wurden. Dies hört sich erstmal martialisch an und unterstützt scheinbar immer wieder die These der "Rambomanier" der Polizisten. Wenn mehrere Kollegen feuern, dies weiß ich aus eigener Erfahrung nach stressbedingten Rollenspielen, weiß keiner mehr, wer wie oft geschossen hat. Wenn nur zwei Beamte schießen, ergeben sich schon zwei leer geschossene Magazine. Hört sich brutal an, ist aber eine normale menschliche Reaktion. Von daher sollten sie, Frau Ertan, diesen Fakt nicht so aufbauschen (" mit Blei vollzupumpen") und sachlich bleiben.

Zusammenfassend möchte ich nochmal herausstellen, dass die Polizei versucht Kontakt zu der Person herzustellen. Wenn dann auf einmal die Situation umschlägt, darf man sich wohl selbst verteidigen.

 

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@Sebastian

 

Ihre Argumentation ist m.E. sehr eigen und unschlüssig, Jurist sind Sie wohl nicht.

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@ Georg

Das mag vermutlich stimmen, dass es sich bei dem Sebastian nicht um einen Juristen handelt. Allerdings stellt Sebastian m.E. die Lage aus der Sicht einer Praktikers dar, der wahrscheinlich bereits ähnliche Erfahrungen gesammelt hat.

Dazu muss er kein Jurist sein. Oder sollte ich vielleicht sagen, es wäre sogar von Vorteil, keiner zu sein?!

Bis der Jurist vor Ort eine Entscheidung getroffen hätte, würde der Sargdeckel über ihm wohl schon zuklappen....

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Sehr geehrter Herr Sebastian,

nach den übereinstimmenden Angaben der am Einsatz beteiligten Beamten kam der später getötete in Unterwäsche bekleidet mit dem Messer in der Hand aus seinem Flur. (Er "trat aus der Wohnung" - so wörtlich der staatsanwaltliche Einstellungsbescheid) und ging auf die Beamten zu. Der erste verbale Kontaktaufnahmeversuch der Beamten (Schusswaffe war bereits gezogen) bestand darin, dass sie ihn energisch aufforderten, das Messer fallen zu lassen. Niemand hat geschildert, dass Eisenberg "aus der Wohnung gestürmt sei". Auch trifft es nicht zu, dass man sich im Treppenhaus nicht habe zurückziehen können. Genau dies ist ja zunächst geschehen.

Nachdem ich etwas tiefer in den Fall eingestiegen bin, muss ich leider sagen, dass die beteiligten Beamten nicht das getan haben, was Sie in Ihrem Kommentar fordern: "Die Polizei muss alles tun, um einen möglichen Suizid zu verhindern, dies steht im Gesetz, dies ist der polizeiliche Auftrag (ergibt sich aus dem Artikel II GG, dem Recht auf Leben, was dem Staat auch aufträgt, Leben zu schützen)"

Ich bin mir sicher, dass Sie - bei neutralem Blick auf die Akten - denselben Eindruck gewinnen würden. Hier geht es nicht darum, Polizeibeamte um jeden Preis zu verdammen (aber auch nicht sie um jeden Preis freizusprechen), sondern erstens darum, nüchtern Fehler zu analysieren (es gibt auch bei der Polizei wohl kaum noch jemanden, der diesen Einsatz als "richtig" einschätzt) und andererseits darum, sachlich eventuelle strafrechtliche Verantwortlichkeiten zu klären. Für Letzteres ist m. E. ein gerichtliches Hauptverfahren erforderlich, da die Einstellungsverfügung der StA in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugt und viele Fragen offenlässt. Der Verlauf der Ermittlungen war ja nun auch leider so, dass erst auf massives Nachhaken der bundesweiten Öffentlichkeit und der Nebenkläger mit ihrem Privatgutachten überhaupt eine Tataufklärung erfolgte, die diesen Namen verdient.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

Melde mich hier mal als Polizeibeamter aus einem anderen Bundesland und einer Großbehörde zu Wort.

Zum Thema Messer als Waffe ist bereits eigentlich alles geschrieben worden. Ich möchte dies hier nicht nochmal wiederholen, möchte aber nochmals betonen, daß ein mit einem Messer bewaffneter "Störer" zu den absolut gefährlichsten Gegenübern gehört, die vorstellbar sind.

Wenn hier dargestellt wird, die Polizei sei auf den Einsatz der Waffe erpicht gewesen, so kann ich nur für mein Bundesland sprechen und sagen, daß die Hemmschwelle zur Benutzung der Waffe so hoch aufgebaut wird, daß dies auch nur in absoluten Ausnahmesituationen geschieht. Sollte ich in einigen Jahren aus dem Dienst ausscheiden, ohne diese jemals benutzt zu haben, so gehe ich als zufriedener Mensch.

Die aktuelle Einsatzmunition wurde übrigens nicht wegen der höheren Mannstopwirkung eingeführt, sondern um ein Durchschlagen des beschossenen Gegenstandes / Körpers zu vermeiden, wie es bei der vorher benutzten Vollmantelmunition üblich war.

Die Forderung nach Beiziehung von Psychologen oder ausgebildeten Erstsprechern und dergleichen ist leider völlig wirklichkeitsfremd. Selbst in einer Großstadt ist es unmöglich in einem Zeitrahmen von weniger als 45 Minuten entsprechend qualifiziertes Personal vor Ort zu haben. Dies mag in einer statischen Einsatzsituation akzeptabel sein, als solche stellt sich der Sachverhalt in Regensburg aber nicht dar. Der Aufbau einer "Besonderen Aufbau-Organistion" dauert in Abhängigkeit zu den örtlichen und personellen Gegebenheiten nunmal einige Zeit. Bis dahin sind die Beamten vor Ort auf sich selbst angewiesen. Relevant ist dann allerdings, ob die Beamten auf Basis der verfügbaren Informationen zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt sachgerecht entschieden haben. Hinterher, am grünen Tisch, abseits der Hektik, mit allen wohlgeordneten Informationen ist es leicht zu sagen: "Hier und da sind noch Optimierungsreserven."  Natürlich ist eine Nachbereitung und Aufarbeitung eines solchen Sachverhaltes notwendig, aber nicht in dieser medialen Form mit öffentlicher Kreutzigung der beteiligten Beamten. Dies ist nicht zielführend, sondern kontraproduktiv.

In diesem Sinne bewundere ich die Standhaftigkeit der verfahrensführenden Staatsanwaltschaft. Diese gibt nicht dem öffentlich aufgebautem Druck nach und leitet ein medienwirksames Verfahren ein, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nur den beteiligten Rechtsanwälten eine Plattform bietet, sich zu inszenieren. Nein, sie stellt das Ermittlungsverfahren, wie dogmatisch vorgesehen, nach Würdigung der Beweislage ein.

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Sehr geehrter Herr Saint John,

sicherlich ist es wirklichkeitsfremd, überall Psychologen in Bereitschaft zu halten. Sicherlich trifft es zu, dass Polizeibeamte in D nicht schnell zur Schusswaffe greifen und dies auch für die beteiligten Beamten die absolute Ausnahmesituation war. Sicherlich ist ein Messer auch eine sehr gefährliche Waffe - generell gesehen. Aber dennoch ist, abgesehen von solch allg. Betrachtungen der hiesige Fall für sich zu sehen: Als die tödlichen Schüsse auf T.E. abgegeben wurden war er physisch aufgrund der vielen schon erhaltenen Treffer nicht mehr in der Lage, die Distanz durch schnelle Ausfallschritte zu überwinden, um den ihn erschießenden Polizeibeamten (Oberkörpertreffer, der schießende Polizeibeamte war sehr gut ausgebildet) anzugreifen. Gerade hinsichtlich dieser Situation widerspricht ein Zeuge/Kollege der Darstellung des Beschuldigten und ausgerechnet diese Aussage wird von der Staatsanwaltschaft "geglättet" bzw. ihre Widersprüchlichkeit zur Angabe des Beschuldigetn nicht erwähnt. 

Sie schreiben:

In diesem Sinne bewundere ich die Standhaftigkeit der verfahrensführenden Staatsanwaltschaft. Diese gibt nicht dem öffentlich aufgebautem Druck nach und leitet ein medienwirksames Verfahren ein, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nur den beteiligten Rechtsanwälten eine Plattform bietet, sich zu inszenieren. Nein, sie stellt das Ermittlungsverfahren, wie dogmatisch vorgesehen, nach Würdigung der Beweislage ein.

Dogmatisch richtig ist die Einstellung aber nur, wenn die  Tatsachen die Beweiswürdigung auch stützen. In diesem Fall bestehen große Zweifel daran. Auch "Standhaftigkeit" ist nur dann eine Tugend, wenn sie auf zutreffender Grundlage beruht, sonst nennt man es anders. Es ist - wenn nicht Polizeibeamte die Beschuldigten sind - sehr ungewöhnlich, dass ein tödlicher Waffeneinsatz wegen Notwehr im Ermittlungsverfahren eingestellt wird, wenn nur Zeugenaussagen "einer Seite" dies stützen, nicht aber die Sachbeweise.

Ihr Vorurteil gegenüber Rechtsanwälten entspricht in etwa dem anderer Leute gegen Polizeibeamte, und überzeugt mich deshalb nicht. Zumal in diesem Fall die Anwälte erst einige der Ermittlungen angestoßen haben, die eigentlich zuvörderst der Job der Staatsanwaltschaft und der ermittelnden KriPo gewesen wären. Ein Hauptverfahren böte m. E. die Chance, das hier am Ort in der Bevölkerung verlorene Vertrauen in Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz zurückzugewinnen, selbst wenn am Ende ein Freispruch stünde.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

@Saint-John

 

„Die Forderung nach Beiziehung von Psychologen oder ausgebildeten Erstsprechern und dergleichen ist leider völlig wirklichkeitsfremd. Selbst in einer Großstadt ist es unmöglich in einem Zeitrahmen von weniger als 45 Minuten entsprechend qualifiziertes Personal vor Ort zu haben. Dies mag in einer statischen Einsatzsituation akzeptabel sein, als solche stellt sich der Sachverhalt in Regensburg aber nicht dar.“ 

 

Die Einsatzsituation stellte sich völlig statisch dar. Vor Ort wussten die Einsatzbeamten vom Notrufer, dass nur der Suizident gefährdet war. Sie nahmen kein Anzeichen wahr, dass ein Suizid unmittelbar bevorstand, dass er (verletzt) stöhnte o.ä..

 

Nicht berichtet wird in diesem Fall von vergeblichen Versuchen, zunächst Vertraute des E. UND psychologisch „qualifiziertes Personal“ zu erreichen. Ob sich daraus 45 min. Wartezeit ergeben hätte, ist daher spekulativ. In Regensburg spricht schon die Nähe der Psychiatrie des Bezirksklinikums dagegen.

 

Vielleicht wären in Hamburg vorbereitete Notruf-SMS und Verteiler mit entsprechend Qualifizierten im Umkreis sinnvoll, wobei die Umkreise überlappend und die Verteiler zeitlich differenziert definiert sein sollten.

 

„Relevant ist …, ob die Beamten auf Basis der verfügbaren Informationen zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt sachgerecht entschieden haben. Hinterher, am grünen Tisch, abseits der Hektik, mit allen wohlgeordneten Informationen ist es leicht zu sagen: ´Hier und da sind noch Optimierungsreserven.´  Natürlich ist eine Nachbereitung und Aufarbeitung eines solchen Sachverhaltes notwendig, aber nicht in dieser medialen Form mit öffentlicher Kreutzigung der beteiligten Beamten. Dies ist nicht zielführend, sondern kontraproduktiv.“

 

Eine Gerichtsverhandlung ist öffentlich, ein Strafrechtsforum weniger, nämlich ohne Sichtbarkeit der Beschuldigten, die gleichwohl mitreden können. „Kontraproduktiv“ für das Vertrauen in künftige Polizeiarbeit erscheint reine Verteidigung des tragischen Ablaufs im Forum.

 

Beteiligen sich Polizisten an der „Nachbereitung und Aufarbeitung eines solchen Sachverhaltes“, sollten die „Optimierungsreserven“ deutlich werden. Zu leicht dahin gesagt wäre „Die finden wir schon hinter verschlossenen Türen.“ Das schafft zusätzliches Misstrauen, dass wenig passiert.

 

Einige Ursachen der Tragik könnten nicht in den beteiligten Beamten liegen, sondern an Konzepten, Instrumenten, Training, etc.. Gerade auch darüber VOR einer Gerichtsverhandlung öffentlich zu diskutieren, "kreuzigt" die Beschuldigten nicht, sondern hilft Ihnen.

 

Anstösse von außen sind in der meisten Zeit teuer zu bezahlen. Staatsanwälte/Polizisten: Suchen und diskutieren Sie einfach jetzt und hier Optimierungsreserven!

 

 

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@Hohburg

Die Einsatzsituation stellt sich eben nicht als statisch dar. All die Informationen, die jetzt vorliegen, lagen den Einsatzkräften nicht vor. Es ist einsatztechnisch  anhand der vorliegenden Informationen völlig alternativlos, die Wohnung des Störers aufzusuchen und zumindest eine Gefahrenermittlung anzustellen. und genau dort beginnt bereits der dynamische Teil der Geschichte. Sich dann komplett zurückzuhiehen und die anderen Hausbewohner der Beliebigkeit eines offensichtlich psychotischen Störers zu überlassen ist sowohl taktisch als auch moralisch nicht vertretbar. Ich habe keine informationen über die Zeitleiste des Sachverhaltes vorliegen, würde aber als durchaus erfahrener Einsatzleiter schätzen, daß sich der Sachverhalt in einem Zeitfenster von ca. 10 Minuten abgespielt hat. Zu den fehlenden oder nicht dokumentierten Verbindungsaufnahmeversuchen sei nur gesagt, daß zum Zeitpunkt des Eintreffens der ersten Beamten noch gar nicht klar war, ob der Störer unter Alkoholeinfluss oder unter Drogen stand oder krankhaft psychotisch war. Die ersten beiden Fälle sind die weitaus wahrscheinlichsten und werden immer ohne wie auch immer gearteten ärztliche Beistand bewältigt. Ich habe die Einwohnerzahl von Regensburg nicht präsent, kann aber aus Erfahrung, gemacht in einer Großstadt mit mehr als 350000 Einwohnern, vorhanden sind eine Universität, mehrere Universitätskliniken, zwei Zentren für Psychiatrie und sonstiges nur berichten, daß geschulte Hilfe nicht zeitnah zu erlangen ist. Selbst in einem solchen Umfeld habe ich vor kurzem nahezu 2 Stunden benötigt, um die Betreuung für die Familie eines Suizidenten zu organisieren. Leider zeigt die Erfahrung, daß sich zwar viele als Hilfe anbieten, im Ernstfall dann aber leider "verhindert" sind. 

Eine Verteidigung der Betroffenen oder die Überzeugung anderer Forenteilnehmer ist von mir nicht beabsichtigt. Ich biete nur eine Sichtweise an. Ich war nicht dabei und muß mich, wie die meisten anderen auf allgemein zugängliche Informationen stützen, wobei mir durchaus bewußt ist, daß diese Informationen, je nach Quelle, durchaus auch in die eine oder andere Richtung tendieren. 

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Aus der EinstellungsPM der StA: „Insgesamt wurden in weniger als einer halben Minute, möglicherweise innerhalb von Sekunden von jedem der beiden Beschuldigten 8 Schüsse auf Eisenberg abgegeben.“

Das passt nicht zu weiteren StA-eigenen Angaben. Selbst wenn das Zurückweichen im OG und auf der Treppe addiert wird, ist der Abstand zu dieser Schätzung eindrucksvoll:

#89

Saint John schrieb:

 Ich habe keine informationen über die Zeitleiste des Sachverhaltes vorliegen, würde aber als durchaus erfahrener Einsatzleiter schätzen, daß sich der Sachverhalt in einem Zeitfenster von ca. 10 Minuten abgespielt hat.

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Die 10 Minuten beziehen sich auch nicht auf die Schussabgabe, sondern den gesamten Sachverhalt. Das heißt Aufsuchen der Wohnung bis zur endgültigen Schussabgabe.

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@ Saint-John

 

 „Die Einsatzsituation stellt sich eben nicht als statisch dar. All die Informationen, die jetzt vorliegen, lagen den Einsatzkräften nicht vor. Es ist einsatztechnisch anhand der vorliegenden Informationen völlig alternativlos, die Wohnung des Störers aufzusuchen und zumindest eine Gefahrenermittlung anzustellen. und genau dort beginnt bereits der dynamische Teil der Geschichte. Sich dann komplett zurückzuhiehen und die anderen Hausbewohner der Beliebigkeit eines offensichtlich psychotischen Störers zu überlassen ist sowohl taktisch als auch moralisch nicht vertretbar.“

 

Die Gefahrenlage war im Kern bekannt. Der „offensichtlich psychotische(n) Störer“ war bekanntlich kein mutmaßlicher Störer mehr. E. hatte sich entpuppt als einzig Gefährdeter. Die Darstellung des Notrufers vor Ort hatte die Verwirrtheit seines Mitbewohners E. sicher gegenüber seinem Notruf weiter verdeutlicht. Schließlich hatte es ja für die Rangelei und die (erstmalige?) Suizidbemerkung keinen vernunftmäßigen Grund gegeben. Ab hier bereits kamen nur vorsichtige Hilfsversuche in Betracht, keine aktive Notwehr, Abwarten war immer noch besser als jede Dynamik.

 

Mich erschreckt die vielleicht auch andernorts aktionistische Gefahrenermittlung, die verstärkt, wovor sie schützen will.

 

Andere Hausbewohner konnten leise veranlasst werden, sich von ihrer Wohnungstür fern zu halten. Hier war es wohl nur eine weitere Wohnung, wo einE PolizistIn notfalls 1 Stunde hätte warten können bis zur Situationsklärung. Dann wäre nach oder parallel zur Alarmierung von Vertrauten des E. UND Psychologe/In richtig gewesen, an der Wohnungstür zu horchen und zu versuchen, ins Gespräch zu kommen.

 

Nichts davon wurde berichtet. Nichts davon vermisste die StA.

 

Eindringen in die Wohnung mit vorgehaltener Pistole und dem Ruf „Messer weg!“ kommt bei einem Suizidalen einer fahrlässigen Körperverletzung gleich und sollte Ermittlungen der StA und Nebenklagen auslösen. Das Verhalten des E. musste von Anfang an psychotisch oder „verwirrt“ wirken. Das bestätigte die erhaltene Vorinformation und die Notwendigkeit sanften vorsichtigen Vorgehens mit Flucht- und Abwehrbereitschaft, da Trutzwehr ausgeschlossen war. Umso mehr waren die weiteren Rufe, die Spray- und die Knüppelattacken rechtlich weitere Körperverletzungen. Über das Ausbleiben normaler Reaktionen auf Rufe, Spray und Knüppel bis zum lauten Lachen des E. musste der Eindruck von Verwirrtheit/ Schuldunfähigkeit weiter zunehmen.

 

Der grundsätzlich andere Vorgehensansatz bei Suizidalen oder bei Störern oder bei Amokläufern scheint immer noch gedankliche Klärung in der StA zu erfordern. Das entlastet am Einsatz beteiligte PolizistenInnen und bereitet vielen anderen Sorgen.

 

 

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@Hoburg

Ausgehend vom Polizeigesetz NRW, das sinngemäß der entsprechenden bayrischen Vorschrift aufgebaut sein dürfte hatte T.E. ab Eingang der Meldung bei der Polizei die Rechtsposition eines s.g. Verhaltensstörers. Wir befinden uns hier im Gefahrenabwehrrecht, bei welchem sich die meisten Rechtsanwälte meiner Erfahrung nach schwer tun. Tatsächlich erwächst aus diesem Gefahrenabwehrrecht aber eine Garantenstellung für die Polizei, die gerade eine Nichtstun strafrechtlich relevant machen könnte. Wer , wenn nicht die Polizei, wäre denn in solch einer Situation zum Handeln verpflichtet. Es mag sein, das ein Suizid nicht strafbar ist, dennoch ist es eine Kernaufgabe der Polizei, einen solchen mit vertretbaren Mitteln zu verhindern.

Waren die Mittel in diesem Fall vertretbar, da das Eingreifen der Polizei schlußendlich zum Tod des Störers führten?

Die Absicht der eingesetzten Beamten ging sicher nicht in diese Richtung, mit dem Verlassen der Wohnung entsteht aber taktisch eine neue Einsatzsituation. Ab diesem Zeitpunkt eine gesicherte Prognose über den weiteren Handlungsverlauf zu stellen ist unmöglich und gleicht Wahrsagen.

Aus der Sicht eines erfahrenen Polizeitaktikers ist es unumgänglich, den Störerzu diesem Zeitpunkt im Haus zu binden. Ein Verlassen des Hause und Betreten der Straße durch den T.E. hätte eine erhebliche Verschlechterung der taktischen Situation bedeutet, die die Gefahrenlage potenziert hätte.

Vor diesem Hintergrund war eine Schußabgabe im Hausflur richtig, da eine Fremdgefährdung weitestgehend ausgeschlossen war. Anders als im Film werden die getroffenen Personen auch nicht zurückgestoßen oder zucken beim Einschlag des Projektils. Hier konnte ebenfalls keinerlei Wirkung beobachtet werden, sodaß es zu einer bedauerlichen, aus praktischer Sicht aber nachvollziehbaren Eskalation des Geschehens gekommen ist.

Wobei ich glaube man könnte die eingesetzten Beamten beleibig auswechseln und in 9 von 10 Fällen hätte dieser Sachverhalt zu einem gleichartigen Ergebnis geführt.

Theoretisch ist immer viel möglich. Angehörige oder Vertrauenspersonen herbeischaffen ist zunächst eine gute Idee. Sie ist allerdings mit einigen Problemen behaftet. Zunächst stellt sich das Problem der Ermittlung solcher Personen. Wie an solche kommen, wenn ich nicht den Betroffenen selbst nach solchen Informationen befragen kann. Allenfalls der Mitbewohner kann als Quelle solcher Informationen zur Verfügung stehen, wobei sein diesbezügliches tatsächliches Wissen hier reine Spekulation sein muß.

Habe ich dann eine solche Person ermittelt und steht diese auch zur Verfügung und habe ich diese dann zeitnah zum Einsatzort geschaft stellt sich das nächste Problem. Lasse ich den eine eigentlich unbeteiligte Person in den Wirkungsbereich eines offensichtlich bewaffneten und nicht einzuschätzenden Störers. Darf ich als Polizei eine Gefährdung oder als deren Konkretisierung, eine Schädigung weiterer Personen in Kauf nehmen, um vielleicht die Situation zu entschärfen?

All diese theoretischen Denkmodelle haben leider keine praktische Relevanz, da sich jeder Einzelfall anders darstellt. Diesbezügliche Handlungsanweisungen können nur einen groben Rahmen darstellen. Im Krimi halten sich immer alle an das Drehbuch. Im wirklichen Leben leider aber nicht.

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Saint John schrieb:

Ausgehend vom Polizeigesetz NRW, das sinngemäß der entsprechenden bayrischen Vorschrift aufgebaut sein dürfte hatte T.E. ab Eingang der Meldung bei der Polizei die Rechtsposition eines s.g. Verhaltensstörers.

Waren die Mittel in diesem Fall vertretbar, da das Eingreifen der Polizei schlußendlich zum Tod des Störers führten?

"Störer"? Das wundert mich. Wir erinnern uns: Der Freund konnte die Wohnung verlassen. Er meldete der Polizei, dass er gerade entkommen war, keine weiteren Personen in der Wohnung sind und Eisenberg jetzt drohe, sich umzubringen. Somit lag der Polizei die Meldung über einen drohenden Suizid vor.

Wird denn jeder angedrohte Suizid polizeilich als "Störer" behandelt und ist dies die normale polizeiliche Strategie, einen Suizid zu verhindern? Wird denn nicht differenziert zwischen einem Schlägertypen, der Schlagring und Messer mit sich führt und Passanten bedroht, und einem Menschen, der seinen Suizid androht? Hier sollte die Polizei doch ein etwas differenziertes Vorgehensmuster zeigen. Wenn es hierfür keine unterschiedlichen Richtlinien gibt, dann stimmt da etwas nicht.

Statt Körperverletzung wäre präziser von mehrstufiger fahrlässiger Herbeiführung einer Notwehrlage zu reden, deren Fahrlässigkeit von Stufe zu Stufe zunahm, je unnormaler das Ausbleiben von Reaktionen und die erkennbaren Reaktionen des E. (Schreiten, Lachen) waren. Ungewiss:

Musste sich ein Polizist ansatzweise irriges Handeln des uniformierten Kollegen zurechnen lassen bzw. durften sich Reaktionen des E. auch gegen andere richten als den/die individuellen ProvokateurIn ?

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@Hohburg

Es war im vorliegenden Fall unumgänglich, die Wohnung des T.E. aufzusuchen. Es gab kein gangbaren Handlungsalternativen. Wäre die Wohnung nicht aufgesucht worden und hätte nach einiger Zeit tatsächlich eine fachlich versierte Person die Wohnung aufgesucht, um dann festzustellen, das T.E. mit einem Suizidversuch auch erfolgreich war und bei früherer Intervention noch zu retten gewesen wäre, so würden die gleichen Personen die Polizei wegen ihrer abwartenden Haltung kritisieren. Die Polizei hat in den seltendsten Fälle die notwendige Zeit, um die optimalen Maßnahmen zu treffen, da sich jeder Lebenssachverhalt numal anders darstellt. er gibt keine Betreibsanleitung für das Leben, die in solchen Fällen zu Rate gezogen werden kann.

In diesem Fall ist Mann auf dem Flur und folgt den zurückweichenden Beamte. der Geist ist damit aus der Flasche und die Handlungsalternativen befinden sich in einer nach unten gerichteten Spirale. Einsatztaktisch darf T.E. nicht aus dem Haus auf die Straße gelassen werden, da sich die Gefahrenlage, wie bereits von mir angemerkt, potenzieren würde. Und unbestritten ist T.E. den Beamten im Treppenhaus gefolgt und unbestritten ist offensichtlich auch, daß der Handlungsablauf sein Finale im Bereich der Hauseingangstür gefunden hat.

Es mag sich weiterhin gut anhören, zunächst von einer psychologisch geschulten Person die Gesprächsführung beginnen zu lassen. Dieses ist aber mit großen Gefahren für eben diese Person verbunden. Handfeste Gefahren, für die Personen mit dem wissenschaftlichen Hintergrund nicht ausgebildet sind und mit denen sie auf manuellem Wege kaum umgehen können. Insofern stelle ich nochmals die Frage: Darf die Polizei eine bisher unbeteilgte Person in den Einwirkungsbereich eines in seinen handlungen nicht einzuschätzenden Störers gelangen lassen? Mit der Konsequenz aus einer Gefährdungslage vielleicht eine Geisellage zu machen?

 

@Dr. Ertan

 

Tatsächlich werden hier immer wieder Gefahrenabwehr und Strafverfolgung durcheinandergeworfen. beise sind polizeiliche Handlungsfelder, die aber dogmatisch, bis auf wenige Schnittstellen nichts miteinander zu tun haben und unter Umständen sogar gegensätzliche taktische Zielsetzungen produzieren. Es gilt jedoch der Grundsatz: Gefahrenabwehr geht vor Strafverfolgung. Der Begriff des Störers ist im Gefahrenabwehrrecht mit der Person belegt, gegen die sich polizeiliche Maßnahme, gleich welcher Art, richten. Insofern wird hier von mir lediglich der richtige Terminus benutzt. Und natürlich differenziert die Polizei, da wir hier von einem Aufsehen erregenden Einzelfall sprechen, dem bundesweit schätzungsweise täglich hunderte von Suizid- bzw, Bedrohungsfällen gegenüber stehen, die einen anderen, glimpflichen Verlauf nehmen. es ist unmöglich, alle Eventualitäten im Voraus zu berücksichtigen. wer ein Patentrezept dafür hat, daran wäre ich stark interessiert.

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ich finde es als jurist etwas erschreckend, dass in diesem blog nicht die anwendbarkeit der nothilfe nach § 32 StGB auf polizeiliche todesschüsse problematisiert wird. die staatstragende rechtsprechung mag das ganz überwiegend so handhaben, aber mit dem vorbehalt des gesetzes ist es nicht vereinbar, wenn polizeibeamte grundrechtseingriffe auf eine solche (für notsituationen privater konzipierte) generalklausel stützen. in § 32 StGB wird weder eine sachliche/örtliche zuständigkeit formuliert noch der erforderliche strenge verhältnismäßigkeitsmaßstab. polizisten die berufung auf nothilfe zu erlauben hieße, das differenzierte system der aufgaben- und befugnisnormen auszuhebeln, gerade auch in ihrer grundrechtsschützenden funktion. die voraussetzungen für einen polizeilichen todesschuss (nach den gefahrenabwehrrechtlichen spezialermächtigungen) waren im vorliegenden fall ja ganz eindeutig nicht erfüllt.

 

für eine diskussion über die - theoretisch m. e. problematische - differenzierung zwischen öffentlichrechtlicher und strafrechtlicher rechtmäßigkeit besteht allenfalls bei der notwehr anlass, also in situationen einer gefährdung des handelnden selbst. nothilfe über § 32 StGB kann es im verfassungsstaat nicht geben.

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p.s. selbst bei anwendung von § 32 StGB entgegen dem grundsatz vom vorbehalt des gesetzes erscheint mir hier eine rechtfertigung nahezu ausgeschlossen. bereits der gegenwärtige angriff ist zum zeitpunkt der todesschüsse sehr fraglich; jedenfalls wäre angesichts der umstände dem beamten ein ausweichen zuzumuten und die tötung nicht geboten gewesen (erkennbar schuldlos handelnder "angreifer", auch fahrlässige notwehrprovokation durch das unsensible bis aggressive kommando, das messer sofort fallenzulassen). insofern käme allenfalls noch eine entschuldigung nach § 33 StGB in frage.

 

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@filtor

Rechtstheoretisch ja ganz gut gedacht, leider am Sachverhalt völlig vorbei. Untunlich ist immer, wenn reine Theoretiker eine realen Lebenssachverhalt bewerten, da hier in der regel leider immer nur eine Farbe des Spektrum bewertet wird, die aber niemals das ganze Bild ergibt.

Da ich aber immer lernwillig bin, bitte ich mir zu erklären, warum die tödlichen Schüsse als "Todesschüsse" bezeichnet werden. Nach meiner Vorstellung ist der gezielt tödlich wirkende Schuß, der in einigen Länder-Polizeigesetzen verankert ist und in anderen nicht, ein solcher, der die unverzügliche Handlungsunfähigkeit durch Herbeiführen eines sofortigen Todes verursacht. Aus praktischer Sicht ist dies immer ein Kopftreffer, von dem in diesem Sachverhalt allerdings nicht berichtet wird. Da die Beamten zunächst akurat Arme und Beine beschossen haben, glaube ich kaum, daß ihnen das Anbringen eines Kopftreffers mehr Problem bereitet hätte.

Zudem haben die Beamten mit dem durchaus beabsichtigt aggressiven Kommando entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Erfahrungen gehandelt. Einer Ausbildung, die von Praktikern mit taktischer Ausrichtung sowie Rechtstheoretikern gleichermaßen erdacht wurde. Vielleicht sind wir aber damit auch auf einem falschen Weg. Insofern bin ich sehr interessiert an Ratschlägen, wie man die Situation in dem umgrenzenden rechtlichen Rahmen hätte besser lösen können.

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@Saint John

Als persönlich beleidigende Unterstellung werte ich Ihr folgendes Zitat.

“ Wäre die Wohnung nicht aufgesucht worden und hätte nach einiger Zeit tatsächlich eine fachlich versierte Person die Wohnung aufgesucht, um dann festzustellen, das T.E. mit einem Suizidversuch auch erfolgreich war und bei früherer Intervention noch zu retten gewesen wäre, so würden die gleichen Personen die Polizei wegen ihrer abwartenden Haltung kritisieren.“

Selbst wenn Kritiker (wie auch Fr. Dr. Ertan) sich nicht so klar im Forum geäußert hätten, wären Ihre Unterstellungen unheilig, Saint John. Unterlassen Sie das bitte!

 

@ Prof. Müller

Wäre angebracht, wenn inhaltlich über den Stand der Ermittlungen möglicher Verletzungen des BayPAG informiert würde (mit Schutznamen für Verdächtige)?

 

Wäre es abwegig, hier im Fachforum mögliche Verletzungen des BayPAG zu erörtern mit strafrechtl. (statt rein disziplinarrechtl.) Folgen? Vielleicht wäre ein eigener Thread dafür geeignet, in dem einleitend über einschläge Arikel (nicht nur BayPAG Art 4 und Art 11 (3)) informiert wird und über strafrechtl. Bezüge.

 

 

 

Fehlt im BayPAG die Hilfe für einen Suizidalen, der akut weder Vorbereitungen für den Suizid erkennen lässt noch Fremde gefährdet? Umfasst dort der Begriff „Störer“ auch Inhalte, die so krass im Gegensatz stehen zum allg. Wortverständnis, dass Fehldeutungen durch Polizisten/innen provoziert werden und weshalb der Landtag das BayPAG präzisieren sollte?

 

 Haben die Polizisten Ihre Pflichten laut BayPAG vor dem Klingeln an der Wohnung erfüllt?

 

Die Polizisten mussten wissen, dass das Eindringen in die Wohnung und die Art des Eindringens die Gefahr erhöhen konnte. Daher mussten zunächst gefahrmindernde und gefahrlose Polizeiaufgaben zielstrebig und arbeitsteilig eingeleitet oder erfüllt werden, wie etwa Versuche …

 

… Vertraute des E. herbeizuholen, seinen Arzt, einen Psychologen oder zumindest psychol. geschulten Polizisten.

 

… Glaubwürdigkeit der Gefahrensituation zu erreichen oder z.B. Anzeichen einer Wahrnehmungsverzerung des Notrufers erkennen zu können (Psychotisch, Drogeneinfluss, …). War der Mitbewohner nicht nur erschrocken, sondern nach über 30 Minuten langem Kampf auf Leben und Tod auch sichtbar erschöpft? Blieb der Notrufer/Mitbewohner unverletzt und spurenlos trotz langer Messerrangelei und warum? Warum gelang es (dem tatsächlich geschwächten) E., so lange mit dem Notrufer zu rangeln. War E. trainiert im Nahkampf? Spielte E. gern mit Messern? War der Mitbewohner besonders fit und trainiert im Nahkampf? Konnte die lange Rangelei ähnliches wie ein „wildes Spiel“ des (jungen Hobbyschau-Spielers) E. gewesen sein ohne echte Tötungs- und Verletzungsabsicht?

 

 … zur Erhärtung der Gefahr der Selbsterstechung des E. durch andere Zeugen (mit früheren Suiziddrohungen/-versuchen, früherer Gewalt gegen andere, …).

 

All das hat die StA selbst im Nachhinein nicht berichtet.

 

Wahrscheinlich hätte mehr Sorgfalt in der Gefahrenermittlung schon mit dem Notrufer/Mitbewohner die Einschätzung nahegelegt, dass eine Gefahr durch E. nach der langen Messerrangelei ohne Verletzung faktisch besonders für Polizisten mit Nahkampftraining gering war, dass Eindringen in die Wohnung des E. mit gezückten Pistolen schädlich war und dass allenfalls sanfte vorsichtige Annäherung mit Fluchtbereitschaft in Frage kommen durfte.

 

Sobald Polizisten E. auf den Beinen sahen, war der Hauptzweck des Eindringens in die Wohnung erreicht, nämlich die Erkenntnis, dass E. nicht stichverletzt dringende Hilfe benötigte und dass weitere Hilfe akut nicht möglich war. Anscheinend sprach E. (trotz Berufsabsicht der Schauspielerei) nicht. Die Zulässigkeit der Maßnahme endete daher schon gemäß Artikel 4 Abs.3 BayPAG spätestens jetzt. Sofort schnellster und schonendster Rückzug war geboten.

 

Zu keiner Zeit wurde berichtet, E. sei auf irgendjemand eingestürmt oder habe schnelle Bewegungen gemacht. Vielmehr verwendeten Zeugen den Ausdruck „Schreiten“. Daher war Flucht oder Rückzug mit Entschuldigung etc. auch aussichtsreich. Das Beharren auf „Messer weg!“ im Haus des E. war keine zulässige Alternative.

 

Wenn es Verstöße gegen das BayPAG gab, war – ohne Einsatzleitung – jedeR Beteiligte verantwortlich für Unterlassungen und gemeinsame Eskalation. Welche Verantwortung trugen die am Eindringen in 1. oder 2. Linie Beteiligten, die Rufer, die Pistolendroher, die Sprayer, der Knüppler, die Schützen vor Schussabgabe und die anderen Polizisten? Mit welchen Rechtsfolgen?

 

War das Eindringen ohne Vorbereitung rechtswidriger Hausfriedensbruch, vielleicht auch fahrlässige Körperverletzung eines mutmaßlich psychisch Kranken, gegen die Verteidigung im Ergebnis rechtsmäßig war? Musste schon vorher bei einem mutmaßlich Verwirrten, zudem wenn er verbal nicht reagierte, damit gerechnet werden, dass er die überraschende Situation mit Grenzen seiner Rechte und Pflichten nicht erkennen konnte und daher das Messer nicht fallen ließ?

 

 

 

Sozialethisch nahe liegt, dass einE PolizistIn als Regelfall Distanz zum mutmaßlich psychotisch Hilfsbedürftigen wahren muss, solange der nichts anderes signalisiert. Ebenso, dass einE PolizistIn als Profi der Hilfe UND der Notwehr weniger Toleranz hat bei der Herbeiführung einer Notwehrlage und bei der Wahl der Notwehrreaktionen.

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Abseits der reinen Rechtstheorie und der sachlichen Aufarbeitung erscheint hier ein interessanter Aspekt: Die Beziehungsebene. Wenn jemand bereits so dünnhäutig  auf allgemein gehaltene Thesen reagiert, wie sollen sich dann erst mal die beteiligten Polizeibeamten angesichts der massiven unbewiesenen Unterstellungen und unqualifizierten Verhaltensbewertungen fühlen. Aber dazu gibt es ein schönes Sprichwort: Wer sich den Schuh anzieht, dem paßt er vermutlich. Ich unterstelle grundsätzlich niemandem etwas, dies steht mir auch gar nicht zu. Wie ich bereits schon einmal anführte biete ich lediglich Sichtweisen an.

Nach wie vor bin ich der Überzeugung, die ich auf mehr als 20 Jahre im operativen Dienst und der Leitung diverserser vergleichbarer Situationen stütze, daß es vollkommen richtig war, die Wohnung unverzüglich aufzusuchen. Ein wirkungsvolle Gefahrenermittlung kann, nein muß sich in solchen Fällen immer auf den persönlichen Eindruck der Beamten vor Ort stützen. Alle weiteren Informationen sind unbestreitbar wichtige Bausteine im Gebäude der Gefahrenbewertung, so sie denn überhaupt zu erlangen sind (was durchaus fragwürdig ist, wie ich bereits schon ausführte). Offensichtlich wird die Potenz polizeilicher Informationsgewinnung immer wieder überschätzt.

Weiterhin gibt es zwar psychologisch geschulte Polizeibeamte, diese sind aber bei den Sondereinheiten angesiedelt. Diese haben einen Alarmierungsvorlauf, bis sie sich in ihrer Dienststelle melden und müssen sich dann noch zum Einsatzort begeben. Detailierte Informationen dazu sind allerdings polizeitaktische Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Das mit Messern bewaffnete Personen von speziell im Nahkampf geschulten Polizeibeamten überwältigt werden können ist ein Märchen und gibt es nur im Film. Es gibt zwar auch dazu spezielle polizeiliche Taktiken, die auf Schußwaffen verzichten, die aber für Beamte des Streifendienstes nicht parktikabel sind. zu den Details gilt das gleiche wie zuvor gesagt. Dennoch werden die solchermaßen einschreitenden Beamte der Sondereinsatzkräfte immer von solchen mit schußbereiter Waffe gesichert.

Wer immer wieder solches behauptet hat hier einige Kommentare überlesen oder schenkt ihnen keinen Glauben, obwohl dies durch zahllose Quellen im Internet zu verifizieren ist.

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