Cannabis und Alkohol - VG Frankfurt (Oder) zur Fahrerlaubnisentziehung und Trennungsvermögen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.06.2009

Cannabis und Alkohol sind natürlich im Straßenverkehr alles andere als eine gute Mischung. Das VG Frankfurt (Oder) hat bei einem Fahrer, der Derartiges konsumiert hatte in einem aktuellen Beschluss nach einer Fahrerlaubnisentziehung der Fahrerlaubnisbehörde eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs abgelehnt (VG Frankfurt (Oder), Beschluss v. 25.6.09 - 2 L 91/09). Auszugsweise aus der Begründung:

...In der Rechtsprechung und Fachliteratur wird bereits bei einem THC-3-Wert zwischen 5 und 75 ng/ml (vorliegend: 65,4 ng/ml) sicher zumindest von einem gelegentlichen Cannabiskonsum ausgegangen und unter bestimmten Umständen der Verdacht auf regelmäßigen Cannabiskonsum für naheliegend gehalten ... Nach den obigen Ausführungen liegt beim Antragsteller ein gelegentlicher („ab und zu") Konsum vor. Dies wird auch durch das weitere Drogenscreening am 30. Mai 2008 durch den Facharzt für Rechtsmedizin Dr. ... bestätigt, bei welchem wiederum die Anwesenheit von Cannabinoiden in der Blutprobe des Antragstellers nachgewiesen wurde. Da zwischen beiden Ereignissen ein Abstand von mehr als 2 Monaten lag, wird auch hierdurch der wiederholte und mithin zumindest gelegentliche Konsum von Cannabis bestätigt. Dies folgt zwar unmittelbar weder aus der Fahrerlaubnisverordnung noch der Anlage 4 zu dieser Vorschrift. Jedoch liegt ein „gelegentlicher" Cannabiskonsum jedenfalls immer dann vor, wenn dieses Betäubungsmittel öfters als in der Form eines einmaligen, experimentellen Gebrauchs, aber weniger als „regelmäßig" eingenommen wird. Daraus folgt, dass bereits ein zweimaliger Cannabiskonsum - wie hier beim Antragsteller nachgewiesen - ausreicht, um die Schwelle zur „Gelegentlichkeit" zu überschreiten ....Zweifellos lag mit der beim Antragsteller gemessenen Konzentration des Tetrahydrocannabinol (THC 1) von 3,3 ng/ml eine aktuelle Beeinflussung vor....

Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnisse spricht bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage alles dafür, dass der Antragsteller Cannabis und Alkohol in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang konsumiert hat. In Rechnung gestellt werden muss insoweit, dass die Blutprobe des Antragstellers erst gut 1,5 Stunden nach dessen Aufgreifen durch die Polizei entnommen wurde. In diesem Zeitraum dürfte der Antragsteller keine Gelegenheit gehabt haben, sowohl Cannabis als auch Alkohol zu konsumieren. Bedenkt man die sehr hohe Blutalkoholkonzentration des Klägers (1,82 mg/g), so muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu einem Zeitpunkt begonnen hat, Alkohol zu sich zu nehmen, als ihm bewusst gewesen sein musste, dass er aufgrund des vorangegangenen Cannabiskonsums noch unter der Wirkung von Cannabinoiden gestanden hat. Es ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht zu fordern, dass der Betreffende Cannabis und Alkohol tatsächlich zeitgleich zu sich nimmt. Dies ist im Falle des Antragstellers zwar nicht ausgeschlossen, kann indes zumindest im Rahmen des Verfahrens einstweiligen Rechtsschutzes nicht bewiesen werden. Erforderlich aber auch ausreichend ist es, wenn beide Stoffe gleichzeitig im Körper der betreffenden Person wirken. In diesem Falle besteht die Möglichkeit, dass der Alkohol und die Cannabinoide sich in ihrer Wirkung potenzieren und die befürchtete, besondere Gefahr für den Straßenverkehr eintritt. Da dem Antragsteller bei seinem Trinkbeginn aufgrund der zeitlichen Abläufe und nach aller Lebenswahrscheinlichkeit bewusst gewesen sein muss, dass das Cannabis in seinem Körper noch wirkte, hat er nach dem Erkenntnisstand des Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes ein nicht hinreichendes Trennungsvermögen zwischen der Einnahme von Cannabis und dem Konsum von Alkohol bewiesen und sich somit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen....

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2 Kommentare

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"...In der Rechtsprechung und Fachliteratur wird bereits bei einem THC-3-Wert zwischen 5 und 75 ng/ml (vorliegend: 65,4 ng/ml) sicher zumindest von einem gelegentlichen Cannabiskonsum ausgegangen. "

Es ist schade, dass das Gericht mit dieser Aussage weder die Fachliteratur noch die einschlägige Rechtsprechung bestätigt. Die Rechtsprechung tendiert mittlerweilen zu 100 ng/ml THC-COOH als obere Grenze für den einmaligen Konsum. 

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Hallo Herr Krumm, hallo Herr Kalus,

die Ignoranz in Sachen "wissenschaftliche Erkenntnisse" ist kein neues Phänomen. Dies gilt übrigens auch für die Gutachter in Strafverfahren:

Neulich wurde mir in einem Verfahren wegen § 316 StGB von einer Gutachterin Anfang 30 entgegnet, die Angaben meines Mandanten zu seinem Konsumverhalten, das für den objektiven Straftatbestand übrigens völlig bedeutungslos ist (Ausfallerscheinungen waren wegen polizeilicher Beobachtungsgabe, die wieder einmal konträrzu den Wahrnehmungen des Arztes war, erwiesen...), seien ganz und gar ausgeschlossen.

Der THC-COOH-Wert lag bei 80 ng/ml. Mandant behauptete einmaligen Konsum. Was bei diesem Wert MÖGLICH ist. Die Gutachterin predigte hingegen veraltete wissenschaftliche Erkenntnisse von "erwiesenem regelmäßigem Konsum ab 75 ng/ml". Und rückte von Ihrer Meinung natürlich auch nicht ab.

Es wäre wünschenswert, wenn in Anbetracht solcher Aussagen die Gerichte auch Einlassungen von Gutachtern etwas kritischer hinterfragen und somit letztlich deren Sachkunde "abklopfen" würden. Im Bereich THC, Abbaukurve, THC-Carbonsäure usw. ist die Wissenschaft seit Jahren im Fluss.

Hinzu kommt, dass sich bei THC aufgrund fehlenderGrenzwerte regelmäßig die Frage nach "Straftat" oder "OWi" stellt. Es kommtsomit entscheidend auf körperliche Ausfallerscheinungen an. Dass die Gutachter die Widersprüche zwischen polizeilicher Beobachtung (die Ausfallerscheinungen meist BEJAHT, Folge: 316 StGB) und ärztlichem Befund (keine körperlichen Ausfallerscheinungen--> wäre eigentlich nur alsOWi zu ahnden nicht zur Kenntnis nehmen wollen, ist bedauerlich. Nur wenn (allein) der Arzt die Ausfallerscheinungen beobachtet hat, legt man sein Testat zu Grunde. Im Zweifel gegen den Angeklagten.

Hier werden alle Beteiligten wohl noch eine Menge zu tun haben.

 

Beste Grüße

Michael Pießkalla

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