Blutprobenentnahme: Endlich geht`s dem Richtervorbehalt an den Kragen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 25.06.2009

Unzählige Beiträge haben sich bereits mit der systematischen Umgehung des Richtervorbehalts bei Blutprobenentnahmen beschäftigt. Meine (von den meisten Bloglesern kritisierte) Position ist dabei natürlich bekannt: Weg damit! Offenbar hat die Politik nun auch ein Handlungserfordernis erkannt. Pünktlich zur Justizministerkonferenz hat der Justizminister des Landes Niedersachsen Bernd Busemann sich für eine Abschaffung des Richtervorbehalts in Verkehrssachen stark gemacht, vgl. Pressemitteilung des JM vom 23.6.09:

"Wenn zum Nachweis einer Trunkenheits- oder Drogenfahrt eine Blutentnahme erforderlich ist, bleiben für einen Richter so gut wie keine Ermessensspielräume. Schildert die Polizei ihm telefonisch Fahrfehler, Alkoholgeruch oder sonstige Ausfallerscheinungen des Verkehrsteilnehmers, ist die Anordnung der Blutentnahme unumgänglich. Deshalb ist mit dem Richtervorbehalt auch kein besonderer Grundrechtsschutz mehr verbunden", sagte Busemann. Darüber hinaus sei die ärztlich durchgeführte, standardisierte Entnahme von Blut zur Feststellung der Fahrtüchtigkeit kein grundrechtsrelevanter Eingriff, der eine richterliche Anordnung zwingend erfordere.

"Wir sollten die Rechtslage der Praxis anpassen", so Busemann. "Es sollte weder so sein, dass der jetzt geltende Richtervorbehalt durch Eilanordnungen wegen Gefahr im Verzug ausgehebelt wird, noch sollten die Richterinnen und Richter zu jeder Tages- und Nachtzeit in Zugzwang gesetzt werden", machte der Justizminister deutlich.

 

Nachtrag nach Erstellung des Beitrags: Hier der Beschluss der Konferenz!

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34 Kommentare

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Wow, der "Beschluss" ist ja der Knaller. Endlich mal jemand, der sich wirklich intensiv mit der Materie befasst!

Zur eigentlichen Frage: Eine Blutprobenentnahme ist zwar ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, aber kein besonders schwerwiegender. Ein Richtervorbehalt für einen solchen Eingriff ist auch nicht im GG angeordnet; er ist zwar wünschenswert, führt aber bei konsequenter Durchführung zum berühmten "Abnick-August", der - bei allem Respekt für die richterliche Nachtruhe - vor allem zu Kostenvermehrung führt, die zumindest bei Delikten im Straßenverkehr keinerlei nennenswerte zusätzliche Rechtssicherheit bringt. Ein halb schlaftrunkener, gerade wieder aus dem Bett gekrochener und dazu nur vom feststellenden Polizisten informierter Richter dürfte idR nicht besser in der Lage sein, die Situation zu bewerten, als der Polizist selbst. Wenn dieser und vielleicht ein Kollege die Blutprobenentnahme anordnen, dürfte sich die rechtliche Position des Beschuldigten nicht über die Maßen verschlechtern. Und man hätte die richterliche Nachtruhe gewahrt.

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Hallo, das ist wirklich ein Knaller, aber nich so, wie Sie es offenbar meinen: Der Beschluss zeitg doch nur die allgemeine Linie auf: Es darf nicht sein, was nicht sein kann. Und wenn es doch so ist, ändern wir eben das Gesetz und sanktionieren so eine jahrelange - verfassungswidrige/gesetzewidrige - Praxis. Es ist doch immer einfacher, nicht die nachgeordneten Behörden zu gesetzmäßigem Verhalten anzuhalten, sondern lieber das Gesetz dann so zu schaffen, dass es passt. Und wie soll das gehen: Will man nur die Blutentnahmen in den Verfahern nach § 316, 315c StGB ausnehmen? Und was ist, wenn dann später sich herausstellt, dass auch noch andere Delikte im Spiel sind? Soll die Blutprobe dann in den Verfahren auch verwertbar sein? Oder besteht dann ein Beweisverwertungsverbot?

Zudem: Es geht ja wohl überhaupt nicht um die "Nachtruhe" der Richter. Wem nicht passt, dass er ggf. nächtlichen Eildienst hat, der hätte eben nicht Richter werden sollen. Und schon gar nicht passend finde ich es, wen ein Richter formuliert: "Endlich geht es dem Richtervorbehalt an den Kragen". Man sollte sich als Richter vielleicht zunächst mal darum bemühen, dass die Gesetze endlich eingehalten werden und es der gesetzeswidrigen Auslegung/Anwendung "endlich an den Kragen" geht. Aber die Justizminister werden es schon gerne lesen. Passt ja schön ins Konzept. dazu passt dann auch, dass NRW über eine Gesetzesinitiative nachdenkt. mit der man die Flut von Beweisanträgen eindämmen will (PM des JM vom 17.06.2009); um den "Missbrauch von Verfahrensrechten einzudämmen". Wer dämmt eigentlich den Missbrauch von Verfahrensrechten duch die Justizbehörden ein.

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Also, wenn die Justizministerinnen und Justizminister derartige Platitüden eines offiziellen Beschlusses für würdig halten, dann sehe ich noch nicht, dass es dem Richtervorbehalt ernsthaft an den Kragen geht, ob "endlich" oder nicht.

Ansonsten kann einen die Linie, jahrelange beharrliche Gesetzesverstöße einfach durch entsprechende Gesetzesänderungen zu legitimierem, schon bedenkklich stimmen.

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Wünscht der Beschuldigte die Herbeiführung eines richterlichen Beschlusses zur Blutentnahme sollte dies - im Falle einer späteren Verurteilung - mit einer zusätzlichen Gebühr von 200 - 250 € in Rechnung gestellt werden.

Sehr geehrter Herr DirAG Burschel,

 

es wäre schön, wenn Sie Ihren Vorschlag erläutern könnten, insbesondere weshalb eine Verfahrenshandlung, welche die StPO von vornherein dem Richter zuweist, über die nach GKG anfallenden Kosten hinausgehende Kosten entfalten soll.

 

MfG, Ben

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Sehr geehrter ben,

  • Abschaffung des Richtervorbehalts wie von Carsten Krumm vorgeschlagen.
  • Anordnung der BE durch Polizei
  • effektiver Rechtsschutz dagegen durch Einführung einer "außerordentlichen" Beschwerde über die der Richter noch vor der BE zu entscheiden hat und deren Kosten der Beschuldigte im Misserfolgsfall und bei rechtskräftiger Verurteilung zu zahlen hat

Wie wäre es mit einer Abfederung in beide Richtungen: Abschaffung des Richtervorbehaltes für Beschuldigte, dafür auch Abschaffung der Amtshaftungsprivilegien für Polizeibeamte? Dann gingen vielleicht beide Seiten vorsichtiger miteinander um.

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@JM: Vielen Dank :)

@Hr. Burschel: Kostenlast als Methode zur Rechtsverhinderung? Ich finde, AG-Richter, deren Urteile & Beschlüsse in Berufung oder Revision aufgehoben werden, sollten eine Gebühr von 200-250€ abführen müssen. Hindert Sie und ihre Kollegen vielleicht daran, zu schnell abzunicken?

@ Malte S.

Wer gegen einen Strafbefehl Einspruch einlegt und damit nach Durchführung der HV nicht durchdringt, hat auch mit höheren Kosten zu rechnen

Diese Späßchen der Erhöhung der Tagessatzzahl oder -höhe durch Gericht und StA sollten aber nicht dazu dienen, den Gedanken zu übertragen.

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@Jan Philipp Kampmann:

<blockquote>Ein halb schlaftrunkener, gerade wieder aus dem Bett gekrochener und dazu nur vom feststellenden Polizisten informierter Richter dürfte idR nicht besser in der Lage sein, die Situation zu bewerten, als der Polizist selbst.</blockquote>

Es geht ja nicht darum, einem Polizisten die Fähigkeit der Beurteilung über die Notwendigkeit einer Blutentnahme abzusprechen, sondern vielmehr darum, eventuell willkürlichen und vorschnellen Entscheidungen vorzubeugen. Ein klassisches Beispiel für Gewaltenteilung eben.

Dass die Blutentnahme "kein besonders schwerwiegender" Eingriff sei, möchte ich so nicht stehen lassen. Sie selbst schreiben von dem "halb schlaftrunkenen" Bereitschaftsrichter. Ich möchte mir nicht unter Zwang Blut von einem halb schlaftrunkenen Arzt abnehmen lassen. Daneben besteht noch der körperliche Zwang, ein gewisses Infektionsrisiko etc..

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Interessant ist auch die Frage, ob ein Festhalten der Person ohne die grds. Zuständigkeit eines Richters zum Zwecke der Blutprobenentnahme mit Art. 5 EMRK zu vereinbaren ist.

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Könnte mir einer der Verfechter des Richtervorbehaltes für die Blutprobeentnahme mal erklären, weshalb die Abschaffung des Richtervorbehaltes so schlimm wäre (bzw. umgekehrt: wieso der Richtervorbehalt in diesen Fällen so wichtig ist)? Das habe ich nämlich noch nicht verstanden.

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@Camino:

Wenn z.B. doch nicht so ganz klar ist, wer der Fahrer war?
Bsp: Polizei verfolgt vermutlich betrunkenen Autofahrer. Dieser hängt die Staatsmacht ab. Diese haben aber mittlerweile von den Kollegen eine Kennzeichenüberprüfung vornehmen lassen und wissen daher die Adresse des KfZ-Halters. Dahin fahren sie dann auch; vor dem Haus steht das Tatfahrzeug. Fahrer fehlt. Also klingeln. Dann stellt sich heraus, dass in dem Haus eine betrunkene und eine nüchterne Person anwesend sind. Aber wer von den beiden ist jetzt gefahren?

In genau dieser Situation würde ich als Richter die Blutentnahme nicht erlauben, da die Chancen, dass der nüchterne einfach schlecht gefahren ist, fast genauso groß ist wie die Chance, dass eine echte Alkoholfahrt vorlag.
Und ich wette, die Polizei würde in diesem Fall liebend gerne den Betrunkenen zum Blutabzapfen mitnehmen.

Und warum Dinge wie die Gewaltenteilung wichtig ist, kann man ja zuhauf der Stoppschilder-Debatte entnehmen.

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In genau dieser Situation würde ich als Richter die Blutentnahme nicht erlauben

Das verwundert mich.

Ein Autofahrer missachtet das Anhaltezeichen der Polizei und fährt dieser mutmaßlich unter Verletzung weiterer Verkehrsregeln davon.

Der Verdacht, dass der Betrunkene der Fahrer ist (und umgekehrt), ist aufgrund dieses Fahrverhaltens und des bereits zuvor vorliegenden Verdachts auf eine Trunkenheitsfahrt naheliegend (einfacher Verdacht genügt, dringender nicht notwendig)

 Die nüchtere der beiden angetroffenen Personen wird allerdings vor der Anordnung der BE als Zeuge zu befragen sein.

 

@ camino

Der Richtervorbehalt dient dem Schutz des Bürgers vor Willkürakten der Polizei.

Eine willkürliche, das heisst eine aus sachfremden Motiven und ohne jeden Anlass angeordnete Blutprobe ist mir während meiner Dienstzeit noch nicht untergekommen (Löwenpulver würde Prof.Müller sagen). Häufen sich bei dem Polizisten X kostspielige Blutproben mit dem Ergebnis 0,0 wird dies dienstrechtliche Konsequenzen haben.

@Camino: Zu begründen haben die Gegner des Richtervorbehalts. Und das schaffen sie bisher einzig und allein mit ihrer Arbeitsüberlastung. Dass sich diese auch schlicht mit besserer Organisation und Ressourcenausstattung ihres Dienstherren umgehen lassen würde, wollen sie nicht so wirklich annehmen.

@Malte S.: Da habe ich meine Frage wohl etwas unklar ausgedrückt. Mich interessiert einfach ganz persönlich, weshalb die Befürworter so sehr auf dem Richtervorbehalt beharren, was also die Argumente für den Richtervorbehalt sind. Hintergrund ist, dass mir die unbedingte Notwendigkeit (bislang(?)) nicht einleuchtet. Im Kopf hatte ich dabei den Normalfall: Jemand fährt Auto, wird angehalten und zur Alkoholkontrolle aufgefordert. Weshalb muss nun unbedingt ein Richter eingeschaltet werden?

 

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Man muss sich bei der Diskussion um den Richtervorbehalt m.E. deutlich klar machen, wozu dieser dient: nämlich einmal zur Vergrößerung der Rechtssicherheit und besonders zur Vermeidung von Willkürakten der Strafverfolgungsbehörden. Diese zwei Ziele seien nun einmal mit einem bei Aufrechterhaltung des Richtervorbehalts realistischen Verfahren verglichen:

1. Die Polizei verdächtigt einen Autofahrer, im betrunkenen Zustand Auto gefahren zu sein.

2. Sie nimmt ihn mit auf die Wache. Da es wohl unrealistisch ist, einen Richter an jeder Polizeiwache zu stationieren, ruft der feststellende Polizist bei der Staatsanwaltschaft an.

3. Der StA ruft das AG an und wiederholt die Aussage des Polizisten.

Was kann der Amtsrichter hier sagen? Er hat keinen der Beteiligten vor sich und hört nur die (gefilterte) Version des Polizisten Er kann vielleicht den Polizisten oder dessen Kollegen direkt befragen oder auch den Verdächtigen selbst. Aber ein anderer Polizist wird wohl nur die Aussage seines Kollegen bestätigen; und ob sich ein Amtsrichter von einem nur telefonisch wahrgenommenen und unter dem Verdacht des Alkoholabusus stehenden Angeschuldigten tatsächlich überzeugen lässt, eine in aller Regel doch äußerst harmlose Blutprobenentnahme nicht anzuordnen, muss doch bezweifelt werden.

Wo ist bei diesem Ablauf die erhöhte Rechtssicherheit und der Schutz vor Willkür? Das Ergebnis ist für den Betroffenen das Gleiche. Die Gefahr durch Unfähigkeit des Arztes macht der Richtervorbehalt ebenfalls nicht kleiner. Das einzige, was der Richtervorbehalt in diesem Fall ändert, ist die Bezugsperson, also die Person, die "dran" ist, wenn die Anordnung tatsächlich willkürlich war. Aber was hindert daran, den Polizisten in Haftung zu nehmen?

Deshalb wäre m.E. eine solche Regelung gut vertretbar: Die Anordnung einer Blutprobenentnahme nach § 81a StPO kann (zumindest) im Rahmen von Straßenverkehrsdelikten auch von der Staatsanwaltschaft oder einer ihrer Hilfspersonen in Gegenzeichnung einer anderen, nicht in der Tatfestellung involvierten Hilfsperson angeordnet werden. Bei der Entscheidung gelten keine dienstbezogenen Rechtsprivilegien. Im Zweifel oder auf Verlangen des Beschuldigten ist ein Richterentscheid herbeizuführen.

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@Camino: In dem von Dir beschriebenen Fall hätte der Polizist gar keinen Grund, eine AAK oder BAK zu fordern. Aber die Fallkonstellation schildert anschaulich, was ein Richtervorbehalt soll: Die Polizei nämlich gerade davon abhalten, in dieser Konstellation selbst die BAK rechtswidrig anzuordnen.

 

@Hr. Burschel: Ich bin sehr verwundert - ich habe ohne juristische Praxiserfahrung schon genug Willkürakte der Exekutivbehörden erlebt, um ihre Aussage glauben zu können. Warum sollte das ausgerechnet bei BAKen anders sein? Oder liegt es an einem sehr weiten Verständnis der polizeilichen Eilkompetenz? Das wird mir auch durch die privaten und durchaus positiven Kontakte zu Polizisten immer wieder bestätigt. Ob nun Polizist A disziplinarisch gemaßregelt wird, ist mir ziemlich egal, wenn der bisher nicht auffällig gewordene B mich contra legem zu einer BAK zwingt.

Warum sollte eigentlich gerade in dem von StudJur geschilderten Situation eine BAK angeordnet werden? Es kann in keiner Form die Fahrereigenschaft bewiesen werden. Die BAK wäre daher nutzlos. Oder lassen Sie aus der BAK nun die Fahrereigenschaft ableiten? Dann diente die BAK aber schon nicht mehr dem reinen Nachweis des alkoholisierten Fahrens, sondern der Identifizierung. Soll hierfür nun auch der RV ab geschafft werden? Hier hat er ja noch mehr Schutzfunktion.

@Jan Philipp Kampman: Aha, und wie sichert dieses beschriebene Verfahren vor polizeilicher Willkür? Es sind immer noch ausschließlich Polizisten involviert. Ob nun nur Polizist A oder auch Polizist B willkürlich handeln, ist dem Betroffenen ziemlich egal. Es geht um den Schutz vor willkürlichem Machtmißbrauch durch die Institution Polizei, welche durch die beteiligten Beamten repräsentiert wird.

Mit der Argumentation könnte man auch zahlreiche Genehmigungsvorbehalte im Verwaltungsrecht abschaffen. Auch die Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht wären ja überflüssig, wenn die einfache Gegenzeichnung eines Kollegen die Rechtssicherheit bewirken könnten. Sicher, eine nachträgliche Kontrolle ist auch eine Kontrolle - aber leider aufgrund der unsäglichen Abwägungslehre bei Beweisverwertungsverboten keine sonderlich effektive.

Was hielten denn die Herren AG-Richter davon, bei Abschaffung des RV ein absolutes Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Proben sowie eine Mindestentschädigung festzulegen?

@ Malte S.: Dieses Verfahren schützt in der Tat nicht vor polizeilicher Willkür. Das Problem ist, dass das Alternativverfahren im Ergebnis genauso wenig vor polizeilicher Willkür schützt. Bei der Anordnung durch den Polizisten zählt nur dessen Ansicht, und bei der Anordnung durch den Richter zählt de facto auch nur seine Ansicht.

Ich muss allerdings im letzten Punkt Recht geben: Als Ausgleich für den Wegfall des Richtervorbehalts müsste ein absolutes Beweisverwertungsverbot und eine Entschädigungsregelung eingeführt werden.

Und ich muss auch bei einem anderen Kritikpunkt Recht geben: Wenn jedes AG einen Schichtdienst außerhalb der Dienstzeiten anbieten könnte, würde sicherlich nicht mit der jetzt erlebten Vehemenz gegen den Richtervorbehalt argumentiert. Es ist allerdings zu fragen, ob es den Bürgern zuzumuten ist, für einen Abnick-August so viel Geld zu bezahlen.

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Das Tragische ist: Wir sollten stolz sein auf die gute Ausbildung der deutschen Juristen, auf deren in aller Regel ausgezeichnete Arbeit. Aber wir lassen zu, dass die Justiz buchstäblich tot-gespart wird. Daher sollte nicht applaudiert werden, wenn meinethalben untragbare Zustände (Richter leisten unbezahlten Quasi-Schichtdienst) beendet werden, indem man die Gesetzeslage anpasst. Das ist der falsche Weg.

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@ Herr Burschel: Ich finde Ihre Beiträge irgendwie erheiternd, andererseits aber auch schon erschreckend:

1. Es ist schon erstaunlich: Merkt die Richterschaft eigentlich gar nicht, dass man sie irgendwann gar nicht mehr braucht. Dann erledigt gleich alles die Polizei. am besten spricht sie auch vor Ort noch das Urteil. Gerichtliche Kontrolle ade! Und: Fängt der Gesetzgeber erst an einer Stelle an, einen Richtervorbehalt abzuschaffen, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis man es auch an anderen Stellen versucht.

2: Und: Welchen Sinn soll eine "außerordentliche Bsechwerde" haben, über die vor der Blutentnahme entschieden werden soll? Der arme Richter. das dauert ja noch länger, bis er wieder ins warme Bettchen kommt. Und bei "Gefahr im Verzug" darf man darauf aber dann sicher verzichten oder es darf nach der Blutentnahme entschieden werden.

3. Erschrocken habe ich mich über die vorgeschlagene "Missbrauchsgebühr"? Der Vergleich mit dem Strafbefehl hinkt ja wohl ganz gewaltig. Denn, wenn der Beschuldigte Einspruch einlegt und damit keinen Erfolg hat = er verurteilt wird, dann hat eine öffentliche Hauptverhandlung stattgefunden, in der die Vorwürfe durch einen Richter geprüft worden sind (hoffentlich musste der nachts nicht immer wegen einer Blutentnahme ans Telefon, so dass er nicht ausgeschlafen ist/war). Dann ist eine Kostentragungspflicht berechtigt. Im Fall der Blutentnahme gilt ja wohl immer noch die Unschuldsvermutung. Oder schaffen wir die gleich mit ab, weil wir schon mal dran sind (siehe Nr. 1).?

Nein, ich bin doch nicht erheitert, sondern mehr als erschrocken: Sowohl über das "Endlich ..... an den Kragen" von Herrn Krumm als auch über Ihre Postings.

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Lieber Herr Burschel,

Zu Ihrer Fallkonstellation mit den beiden im Hause Angetroffenen, einer nüchtern, der andere blau. Was ist, wenn beide behaupten, gefahren zu sein?

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@ Klaus

Ihre Argumentation zu 2. verstehe ich nicht: Einerseits sind sie für die Beibehaltung des Richtervorbehalts, andererseits ziehen Sie das Tätigwerden des Richters zur Nachtzeit ins Lächerliche.

zu 3.: Dass bei einem erfolglosen Rechtsmittel der Rechtsmittelführer die Kosten zu tragen hat, ist ein alter Hut und hat mit Missbrauchsgebühr nicht das Geringste zu tun. Unverständlich sind auch Ihre Ausführungen zur Verletzung der Unschuldsvermutung:Ich schrieb, dass die Gebühr nur bei späterer rechtskräftiger Verurteilung anfallen soll - genau wie er schon bisher selbstverständlich nur in diesen Fällen die Kosten der Blutentnahme und Untersuchung zu tragen hat.

@ ra.stroecker

Wenn der erkennbar Betrunkene behauptet gefahren zu sein, wird eine BE bei ihm unvermeidlich sein. Bei dem Nüchternen besteht kein Anlass

Ich warte seit jeher noch auf Argumente für die Abschaffung des Vorbehalts. Nur weil er - angeblich - nicht verfassungsrechtlich gefordert ist, muss er ja noch lange nicht abgeschafft werden. Die personelle Überlastung ließe sich auch anders korrigieren, wenn sie wirklich so extrem sein sollte.

Ein weiterer Vorteil eines RV i.Ü.: Man hätte die Polizisten idR wegen einer mittelbaren Straftat dran, wenn sie dem Richter vorsätzlich fehlerhafte Informationen mitteilen. Dürfen sie selbst entscheiden steht ein rechtswidriger, aber regelmäßig eben nicht nichtiger VA als Rechtfertigung in der Welt.

@Hr. Burschel: Wollen Sie den RV auch dann abschaffen, wenn es nicht ausschließlich um den reinen Nachweis der Trunkenheit geht?

Das hatte ich schon befürchtet. Konkreter: Wollen Sie bei Abschaffung des RV diesen nur für Blutentnahmen zum Nachweis der Trunkenheit selbst oder insgesamt (z.B. im o.g. zu Identifizierung) abschaffen?

oder insgesamt (z.B. im o.g. zu Identifizierung)

Richtervorbehalt bei Identifizierung ???

Sie sprechen in Rätseln.

Meinen Sie die richterliche Überzeugungsbildung, ob die (später) angeklagte Person der Fahrer des Fahrzeugs gewesen ist ?

Das ist der Kernbereich richterlicher Tätigkeit, den ich ganz gewiss nicht abschaffen will

Das Rätsel sollte eigentlich recht leicht zu lösen sein. Eine BAK dient nicht zwangsläufig nur dem Nachweis der Trunkenheit, sondern kann wie im mittlerweile viel weiter oben aufgezeigten Beispiel auch einem anderen Zweck dienen. Wir hatten zuletzt ein Beispiel, bei dem gerade Sie die BAK als Anhaltspunkt auf die Fahrereigenschaft verwenden wollten. Das bedeutet, dass sie eben nicht mehr als reiner Nachweis der Trunkenheit, sondern auch bzw. sogar primär als Identifizierungsmethode verwendet wird.

Die Quizfrage ist im Grunde sehr einfach: Gar kein RV mehr bei BAKen oder nur bei verkehrsbedingten BAKen?

Also nachdem ich nun die Diskussion überflogen habe, bin ich für die Abschaffung des Richtervorbehalts. Der Polizeibeamte wird schon wissen, was er macht. Der Richter würde nur zu einer Marionette, die das abwinken müßte. Machen die Richter bei vielen Anträgen zum Abhören und Durchsuchen doch sowieso. Dafür sollte dann auch der Richtervorbehalt abgeschafft werden. Selbstverständlich sollte auch wieder abgeschafft werden der Richter Notdienst. Über freiheitsentziehende Maßnahmen kann - wie früher auch - noch am nächsten Tag ausgeschlafen und in Ruhe entschieden werden.

Letztlich sollte bei einfachen Alkoholfahrten die Sanktion von der Polizeibehörde ausgesprochen werden. Ist doch - wie bei Strafbefehlen - eh Schema F. Rechtsmittelmöglichkeit kann man ja immer noch vorsehen. Das kann man dann zumindest auf Ladendiebe u. ä. ausgedehnt werden. Gewaltteilung muss man sich auch leisten können und wir müssen sparen und bei Richtergehältern kann man gut sparen, die überflüssigen Richter können dann auch meinetwegen die ganze Woche durchschlafen.

Der ein oder andere Polizeibeamte sollte dann aber auch Verständnis dafür haben, wenn sich der Bürger selbst seine körperliche Unversehrtheit bewahren will, auch wenn er dafür die des Polizeibeamten etwas versehrt. Mangelnde Gewaltenteilung verführt zum Machtmißbrauch (oder zumindest zum Ohnmachtsgefühl) und dies provoziert dann gern mal Gegenwehr..

Falls ich mal gebeten werden sollte, an einer Bestimmung meines Atemalkohols mitzuwirken, werde ich dies ablehnen und an mein Blut wird dann auch keiner freiwillig kommen. Wohlgemerkt - fahre grds. nur nüchtern.

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Sehr geehrter Herr Burschel,

Ihr Vorschlag eines im Unterliegensfall kostenpflichtigen Rechtsmittels wahrt zwar vordergründig die Ordnung der Gewaltenteilung, führt aber zu mittelbaren Folgeproblemen. Praktisch verlangen Sie nämlich vom Betroffenen binnen sehr kurzer Zeit und i.d.R. ohne jede Rechtskenntnisse die Entscheidung über die Einlegung des Rechtsmittels. Man müsste dem Betroffenen zumindest die Möglichkeit einer Rechtsberatung zu dieser Frage lassen. Hierbei müsste der Betroffene auch einen Anwalt seiner Wahl konsultieren dürfen. Wie lange wollen Sie denn auf den Anwalt warten? Und wie soll der Anwalt diese Frage ohne Kenntnis aller Umstände und einem ausführlichen Mandantengespräch haftungssicher beurteilen?

Bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit sollten wir die Anforderungen von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung schon einhalten, auch wenn es viel zu häufig nur Formalien sein mögen...

 

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