Keine Streitverkündung an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten möglich

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 28.05.2009

Das OLG München hat sich dem Beschluss vom 14.5.2009 - 1 W 875/09 - mit der Frage befasst, ob eine Streitverkündung an den gegnerischen Rechtsanwalt möglich ist. In dem zu Grunde liegenden Ausgangsverfahren hatte der Kläger dem zu erwartenden Prozessbevollmächtigten des Beklagten den Streit verkündet. Das Oberlandesgericht München hat sich der Vorinstanz angeschlossen, die eine Streitverkündung als unstatthaft angesehen hat. Auch wenn § 72 Abs. 2 S. 2 ZPO ausdrücklich nur eine Zustellung des Schriftsatzes im Falle der Streitverkündung gegenüber dem erkennenden Gericht oder einem gerichtlich bestellten Sachverständigen ausschließe, könne aus dieser Bestimmung der Grundsatz hergeleitet werden, dass eine Zustellung der Streitverkündung ganz unterbleiben habe, wenn die Streitverkündung nicht an einen Dritten, sondern an einen an dem Prozess als Vertreter des Klägers oder Beklagten Beteiligten erfolgt und bereits die Zustellung der Streitverkündung seine ihm kraft Gesetz und Aufgabenstellung zugewiesene Funktion in dem Rechtsstreit beeinträchtigen könne. Die Vorschrift des § 72 Abs. 2 S. 2 ZPO sei dann zumindest analog anzuwenden. Ein Prozessbevollmächtigter sei aufgrund seiner Aufgabenstellung so eng mit der prozessualen Stellung einer Partei verknüpft, dass er als Vertreter dieser Partei in seiner Prozessstellung auch der Partei zugeordnet sei, er könne nicht als unabhängiger Dritter, wie beispielsweise ein Zeuge oder Sachverständiger in dem Prozess tätig sein. Von seinen Berufsgrundsätzen sei der Prozessbevollmächtigte verpflichtet, im Rahmen der Rechtsordnung ausschließlich die Interessen seines Mandaten wahrzunehmen, und es sei ihm untersagt, eigene Interessen in dem Prozess zu verfolgen, die möglicherweise im Widerstreit zu den Interessen seines Mandanten stehen könnten. Die Gefahr eines Interessenkonfliktes besteht nach dem OLG München wegen einer möglichen Interventionswirkung bereits im Falle der Zustellung einer Streitverkündungsschrift.

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5 Kommentare

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ACK. Das ist in der Tat die viel interessantere Frage. Und natürlich, welche prozessualen Nachteile sich daraus für den Kläger ergeben und wie diese abgefedert werden.

Der Autor hätte das Urteil, das ihm ja offenbar (?) vorliegt, einfach mit online stellen oder von woanders verlinken können. Dann hätte man auch nicht soviel in indirekter Rede zitieren müssen.

 

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Die Entscheidung ist zunächst deshalb interessant, weil das Gericht eine "Gesetzeslücke" per Analogie geschlossen hat. Die Streitverkündung an den gegnerischen Anwalt macht unter dem Aspekt der Prozesstaktik Sinn; im entschiedenen Fall sollte wohl eine bestimmte Gegenanwältin verhindert werden, was aber nicht von Erfolg gekrönt war! Das OLG München hat solchen Überlegungen mit überzeugender Begründung einen Riegel vorgeschoben.

Hehe, verstehe ich Sie richtig.

Der Grund für eine Streitverkündung gegenüber dem gegnerischen Anwalt ist, dass dieser bei erfolgreicher Streitverkündung sein Mandat nicht mehr ausüben können soll, weil er nicht mehr ausschließlich im Interesse des Mandanten handeln kann, sondern auch seine eigenen Interessen verfolgt? Und das OLG hat gerade deswegen gesagt, dass dann die Streitverkündung nicht möglich ist.

Was ich aber nicht verstehe. Die Streitverkündung hat doch den Sinn, dass Feststellungen im Prozess ebenso gegenüber dem wirkt, dem der Streit verkündet wurde. Diese Wirkung macht aber nur Sinn, wenn ich einen Anspruch gegen denjenigen habe (hier der Gegenanwalt). Was für ein Anspruch könnte das sein? Besteht kein solcher, besteht auch nicht die Gefahr, dass der Anwalt nicht mehr im Interesse seines Mandanten handelt.

Grüße

 

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Deliktische Ansprüche z. B. § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB sind wohl denkbar - und zum Thema Anspruch besteht nicht: " Vor Gericht und auf hoher See........"

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