Glücksspiel = Glücksspiel !?

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 27.05.2009

Entspricht der seit Jahrzehnten im Strafrecht geregelte Begriff "Glücksspiel" gemäß § 284 StGB eigentlich dem Glücksspielbegriff des vergleichsweise neuen Glücksspielstaatsvertrages der Länder? Angesichts des identischen Wortlauts erscheint die Frage zunächst banal. Immerhin aber soll nach § 3 Abs. 1 GlüStV ein Glücksspiel schon immer dann vorliegen, wenn im Rahmen des Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance "ein Entgelt verlangt" wird. Eine Geringwertigkeitsgrenze, wie sie zum Ausschluss des strafrechtlichen Glücksspiels seit jeher anerkannt ist, sieht die Legaldefinition im Landesglücksspielrecht nicht vor.

Die Frage des Gleichlaufs bzw. der Identität des Glücksspielbegriffs ist in der Praxis von ganz erheblicher Bedeutung. Dies gilt vor allem für die so genannten 50 Cent Gewinnspiele. Ist bei diesen der Gewinneintritt überwiegend vom Zufall abhängig, stellt sich für die Anbieter die Frage, ob ein Teilnahmebetrag von 0,50 Euro nicht auch nach § 3 Abs. 1 GlüStV als unbeachtlich anzusehen ist. Hierfür sprechen zunächst die seit langem geduldete Praxis von Call-In-TV-Gewinnshows unter Einsatz von Mehrwertdiensten und auch die Neuregelungen in § 8a RStV, welche ein Entgelt für - auch zufallsabhängige - Gewinnspiele bis zu einer Höhe von 50 Cent grundsätzlich als zulässig deklarieren.

Anderer Auffassung sind aber nach wie vor einige Glücksspielbehörden der Länder und auch in der Rechtsliteratur wird vereinzelt vertreten, der Glücksspielbegriff des GlüStV weiche von dem des § 284 StGB insbesondere deshalb ab, da jedes - auch noch so geringfügige - Entgelt zur Annahme eines Glücksspiels nach § 3 GlüStV führen müsse (vgl. Dietlein in: Dietlein/Hecker/Ruttig, § 3 GlüStV Rn. 6).

Dem sind die Oberverwaltungsgerichte bislang nicht gefolgt. Zuletzt hat das OVG Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 20.04.2009 (Az.: OVG 1 S 203.08) sich der Rechtsprechung des OVG Münster (ZfWG 2008, 204, 205) und des OVG Koblenz angeschlossen und eine Identität der Glücksspielbegriffe in GlüStV und § 284 StGB bejaht. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit dem „im Wortlaut identischen Begriff" des Glücksspiels, der in einer „verwaltungsakzessorischen, auf das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis abstellenden Strafnorm verwendet" werde. Die in § 3 Abs. 1 GlüStV verwendete Formulierung mit dem Begriff „Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance" bezwecke nach Ansicht des OVG Berlin-Brandenburg lediglich, die strafrechtlich vom Begriff des Einsatzes umfassten Formen versteckter Einsätze unabhängig von ihrer jeweiligen Bezeichnung zu erfassen.

Meines Erachtens ist der Rechtsprechung der Obergerichte zu folgen, zumal sich aus den Gesetzesmaterialien zum GlüStV nichts Gegenteiliges ergibt. Angesichts des identischen Wortlauts des Glücksspielbegriffs hätte aber doch erheblicher Erläuterungsbedarf bestanden, sofern die Landesgesetzgeber tatsächlich einen im Anwendungsbereich gegenüber § 284 StGB abweichenden Rechtsterminus hättes setzen wollen. Aber die Legaldefinition des § 3 Abs. 1 GlüStV lässt zumindest Raum für Diskussion.

Glückspiel = Glücksspiel?

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