Ein internationaler Strafgerichtshof für Piraten?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 07.05.2009

Bemerkenswert für die weitere Entwicklung internationaler Strafgerichte und auch des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ist das schon. Da gehört Russland zu den wenigen Staaten, die - wie etwa die USA, China oder Israel -  das Statut für den Internationalen Strafgerichtshof nicht unterzeichnet haben, doch spricht sich nunmehr der russische Präsident Dimitrij Medwedjew für einen internationalen Strafgerichtshof für Piraten aus. Den russischen Generalstaatsanwalt hat er angewiesen, die Möglichkeiten einer solchen Behörde mit Juristen aus anderen Ländern zu erörtern. Zutreffend ist jedenfalls seine Feststellung: "Wir nehmen diese Piraten fest, müssen aber wissen, was wir  mit ihnen machen wollen. " (Quelle FAZ vom 6.5.2009 S.7).

Ein Forum bei SPIEGEL ONLINE dikutiert darüber, wie die Piraterie-Krise gelöst werden kann. Diese Diskussion können wir doch - zumal unter rechtlichen Gesichtspunkten - hier weiterführen.

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7 Kommentare

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Lieber Prof. von Heintschel-Heinegg,

der Ansatz, ein internationales Problem mit einer internationalen Lösung zu begegnen, scheint mir der einzig effektive zu sein. Bereits jetzt wäre es möglich, durch eine Maßnahme nach Kapitel VII der UN-Charta dem IStGH die Zuständigkeit der strafrechtlichen Verfolgung für internationale Piraterie zu übertragen. Eine solche Verknüpfung ist auch im IStGH-Statut enthalten (Art. 13 lit. B IStGHS).

Nach Art. 39 der UN-Charta stellt der Sicherheitsrat eine Bedrohung des Friedens fest. Die internationale Piraterie ist dies durchaus als solche Bedrohung qualifizierbar. Danach sind Maßnahmen nach Art. 40 und 41 UN-Charta möglich, so auch eine Situationsunterbreitung an den IStGH.

Problematisch wird jedoch sein, ob der Sicherheitsrat überhaupt eine solche Situation überweisen will. Gerade die Staaten des Sicherheitsrats, die dem IStGH nicht beigetreten sind, namentlich China, Russland und die USA, sind auch Vetomächte im Sicherheitsrat. Sie könnten befürchten, indirekt - beispielsweise beim Fehlbeschuss eines harmlosen Fischerboots - vor dem IStGH belangt zu werden. Trotzdem lassen die neue Präsidentschaft der USA und die Aussage des russischen Präsidenten hoffen.

Gerade der derzeitige Zustand, nämlich Verfahren in einem Staat durchführen zu lassen, der es mit Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit nicht so genau nimmt (vlg. taz, 21.04.2009), ist jedenfalls untragbar.

Beste Grüße,

Wolfgang Staudinger

 

Lieber Herr Rechtsreferendar Staudinger,

besten Dank nicht nur für Ihre Zuschrift, sondern auch dafür, dass Sie sich in der Community der Gruppe "Völkerstrafrecht" angeschlossen haben. Ihr ungebrochenes Interesse an völkerstrafrechtlichen Fragen freut mich!

Die Verfahren in Kenia befriedigen nicht. Sollte die Politik einen Internationalen Piraterie-Gerichtshof stemmen, wäre das sicher zu begrüßen. Insoweit stimme ich Ihnen völlig zu.

Was ich allerdings für einen gefährlichen, wenn nicht sogar falschen Weg halte, wäre den Zuständigkeitsbereich des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) über die völkerstrafrechtlichen core crimes hinaus zu erweitern. In diesem Jahr steht die erste Revisionskonferenz zum Satut des IStGH an, Art. 121 I 1 IStGH-StatutG. Weder sollte die Zuständigkeit auf grenzüberschreitenden internationalen Rauschgifthandel noch auf das allgemeine kriminelle Delikt der Piraterie erweitert werden. Das Völkerstrafrecht muss sich auf das Fundament des universellen Völkergewohnheitsrechts gründen.

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

Lieber Prof. v. Heintschel-Heinegg,
lieber Herr Stam,

Sie haben beide Recht damit, dass materiell der IStGH nur für die Core crimes zuständig ist. Das soll er auch meiner Ansicht weiterhin sein. Ihre Einwände gegenüber meinen vorstehenden (unvollständigen) Ausführungen sind richtig.

Mir geht es mehr darum, eine bereits vorhandene gerichtliche Struktur wie eben den IStGH zu nutzen. Das wäre durch die Einführung einer besonderen Instanz -ähnlich beim EuGH- möglich. Dabei sollte diese aber nicht auf Piraterie eingegrenzt sein, sondern auch offen für andere schwere internationale Krimimalität.

Eine weitere Möglichkeit wäre, diese Instanz beim Internationalen Seegerichtshof anzusiedeln. Vor allem aber sollte nicht erst mühsam eine Struktur ausgehandelt und aufgebaut werden müssen.

Viele Grüße
Wolfgang Staudinger

Lieber Herr Staudinger,

sollte sich die Politik für ein weiteres internationales Gericht entscheiden, dann könnte, ja sollte es so kommen, wie von Ihnen vorgeschlagen, um vorhandene Organisationsstrukturen zu nutzen. Denn der IStGH "wartet" noch auf seine Verfahren (nur: es sollte nicht die Zuständigkeit des IStGH begründet werden).

Das erinnert mich ein wenig an das Jahr 1995, als der Jugoslawien-Strafgerichtshof zwei Jahre nach seiner Einrichtung immer noch keinen Angeklagten hatte. Auf das Rechtshilfeersuchen des Präsidenten dieses Gerichts lieferte Deutschland damals Dusko Tadic an den Gerichtshof aus, obwohl das Bayerische Oberste Landesgericht sich bereits anschickte in die Hauptverhandlung gegen Tadic wegen des Vorwurfs Völkermord an bosnischen Muslimen einzutreten.

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

Lieber Herr Kollege v. Heintschel-Heinegg, liebe Mitdiskutierenden,

in Hamburg erfuhren die zum Empfang ins Rathaus geladenen tagenden Strafrechtslehrer vom Justizsenator Till Steffen, dass sich Hamburg in der tat dafür einsetzt, einen Internationalen Strafgerichtshof für Piraterie dem Internationalen Hamburger Seegericht anzugliedern. Tatsächlich gab es bereits Meldungen, man könne Piraterie schon jetzt (also de lege lata) dort verhandeln. Zum rechtlichen Hintergrund kann ich freilich nicht beitragen.  

Beste Grüße

Henning Ernst Müller 

 

Bislang hatte ich nicht die Zeit zu überprüfen, ob der Internationale Seegerichtshof in HH bereits de lege lata für Piraterie eine Zuständigkeit besitzt. So recht kann es mir aber ich nicht vorstellen. Wo ist denn die ermittelnde Anklagebehörde? Warum aus deutscher Sicht gleichsam in letzter Minute, das Abkommen der Eu mit Kenia? So ohne weiteres kann man doch eine bestehende internationale Zuständigkeit nicht aushebeln; für nicht EU-Fälle wäre dann HH schon immer zuständig, obwohl man von dort "nichts" hört. 

Aus meiner beschränkten Sicht der Dinge geht es um eine Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs des Internationalen Seegerichtshofs, wie bereits von Herrn Rechtsreferendar Staudinger in seinem Beitrag vom 8.5.2009 angeregt.

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