EU: Telecoms-Paket fällt in Brüssel durch

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 06.05.2009

Entgegen aller Erwartungen hat das Europäische Parlament heute den neuen Rechtsrahmen für den EU-Telekommunikationsmarkt vorerst blockiert. Ein Antrag der Grünen und Liberalen, die Nutzung des Internets bei Urheberrechtsverletzungen nur nach richterlicher Anordnung zu sperren, fand überraschend eine Mehrheit. Der zuvor mit dem Rat ausgehandelte Kompromiss sah vor, dass eine Sperrung von Internet-Anschlüssen durch "unabhängige Tribunale" - nicht ordentliche Gerichte - europaweit erlaubt werden könne, die Rechte von Internetnutzern jedoch nur in Ausnahmefällen beschnitten werden. Die Abgeordneten hatten nun aber dem ursprünglichen Text des Änderungsantrags 138 aus 1. Lesung mit einer großen Mehrheit von 407 Stimmen bei 57 Ablehnungen und 171 Enthaltungen angenommen, der ausdrücklich einen Richterbeschluss vorsieht.

Damit muss das Telekompaket ins Vermittlungsverfahren und kann nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden.

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3 Kommentare

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Herr Spies, liebe Mitleser,

bedeutet der Wortlaut des vom EP angenommenen Amendement 138 - einmal angenommen er findet sich später so im Richtlinientext wieder - nicht auch, dass über die Aufnahme eines Internet-Angebots in eine vom BKA herauszugebende Sperrliste (nach dem heute in erster Lesung beratenen Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen) einer vorhergehenden richterlichen Entscheidung bedarf?

Ihre Meinungen würden mich interessieren.

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Vielen Dank Frau Strasser,

Das ist ein guter Hinweis, aber cih denke, wir müssen erst einmal warten, was bei den EU-Beratungen rauskommt. Wenn das Paket das EU-Parlament nicht mehr vor den Wahlen passiert, wonach es aussieht, dann werden die Karten ohnehin neu gemischt. Wie dem auch sei, vermutlich gilt in Ihrem Fall das "Erst-Recht-"Argument". Was meinen die anderen? 

Es ist sehr zu begrüßen, dass das Europäische Parlament an seine jungen Wähler denkt und den populistischen Vorschlag der Verwerterlobby ins Abseits schiebt. Den Sinn von Sondertribunalen hat man mir noch nicht erklären können. "Inquisition", Willkür und Schauprozesse wären eine vorstellbare gewollte Folge, um die schlimmen "Raubkopierer" öffentlich bloßzustellen. Ein echter Schabernack also, von der Missbrauchsgefahr solcher "unabhägiger Tribunale" durch Denunzianten einmal ganz abgesehen. Motto: "Geht ihr Online-Banking noch, oder hat ihr Nachbar sie schon verpetzt?"

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