Gerechtigkeit und Mediation

von Dr. Thomas Lapp, veröffentlicht am 29.04.2009

 Beim deutschen Anwaltstag in diesem Jahr in Braunschweig werde ich am Freitag eine Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Mediation moderieren, bei der wir über das Thema "Mediation und Rechtsstaat" diskutieren.

Spannend ist natürlich auch die Frage, welche Rolle Gerechtigkeit in der Mediation spielt. Dazu lese ich eine Äußerung von Prof. Dr. Jakob Joussen über Mediation im Arbeitsrecht im Deutschlandfunk:

Zweifelhaft wird es nur, wenn ein schlichter Arbeitnehmer beispielsweise schon mit einer geringen Abfindung zufrieden ist, weil er 1000 Euro für viel Geld hält, er hätte aber bei Richterspruch 3000 bekommen können - dann ist es nicht gerecht.

Gerechtigkeit. Unabhängig davon, ob man im normalen gerichtlichen Verfahren Gerechtigkeit erfährt, ist auf jeden Fall festzustellen, dass ein Rechtsstreit, in dem es ausschließlich um die Abfindung geht, kein Fall für Mediation ist, erst recht nicht, wenn ich relativ klar vorhersehen kann, dass ein Richterspruch auf 3.000 € Abfindung lauten würde.

Allerdings sind die Fälle, die ich in der Regel als Anwalt oder Mediator bearbeite, nie so einfach gestrickt. Der Arbeitgeber wird sicherlich eine Reihe mehr oder weniger erheblicher Einwendungen gegen die Abfindung als solche und der Höhe im besonderen vortragen, von denen man erst im Lauf des Prozesses feststellen kann, wie gewichtig sie sind. Insbesondere in den von mir in der Regel bearbeiteten IT-Projekten geht es zudem nie um einen einzigen Punkt. Vielmehr ist eine komplexe Mischung aus unterschiedlichen Problemen zu bearbeiten. Nicht alle davon lassen sich juristisch einordnen. Aber alle sind den Beteiligten wichtig. Dies ist in anderen Rechtsgebieten nach meiner Beobachtung nicht anders.

Dann ist aber in der Mediation nur wichtig, dass die Parteien über ihre Lage informiert sind und verantwortlich entscheiden können. Der Arbeitnehmer im Beispielsfall sollte wissen, welche Abfindung er unter Umständen erlangen kann, auch welche Risiken bestehen (das Urteil könnte auch lauten, dass keine Abfindung geschuldet ist), welchen Aufwand und welche Kosten eine Fortsetzung des Prozesses mit sich bringt. Wenn ich als Mediator den Eindruck habe, dass die Parteien ihre Situation einschätzen können, ist es nicht meine Aufgabe über die Gerechtigkeit einer Lösung zu urteilen. Es ist ja gerade der besondere Reiz einer Mediation, wenn eine Partei auf einen Anspruch verzichtet, der ihr zweifellos zusteht, dafür aber eine Gegenleistung erhält, die ihr geauso zweifelsfrei rechtlich nicht zuzusprechen wäre, die ihr persönlich aber wichtiger ist als der aufgegebene Anspruch. Es ist nicht an mir, diese Gewichtung zu prüfen.

Bei Parteien, die durch Rechtsanwälte in der Mediation vertreten sind, kann ich als Mediator von einer ordentlichen Beratung grundsätzlich ausgehen. Habe ich Zweifel daran, ob die Parteien wirklich ihre Situation einschätzen können, weise ich darauf hin, dass Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt erforderlich ist. Im Extremfall kann auch der Abbruch der Mediation notwendig werden.

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2 Kommentare

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Im Regelfall würde ein mögliches Urteil lauten, dass das die Kündigung unwirksam ist. Auflösungsklagen mit Abfindungsanträgen sind doch die absolute Ausnahme. Dennoch gibt es für die Mehrzahl der Fälle die Abfindungen, obwohl der Klageantrag darauf nicht lautet. Wenn man dies kennt, dann würde man auch verstehen, warum Arbeitsrichter für die Mehrzahl der Fälle Mediation für überflüssig halten.

Ist IT-Recht wegen der problematischen Technik oder wegen der unzureichenden Verträge oder der langwierigen und teueren Gutachtentechnik komplex oder ist die Klientel einfach so gestrickt, dass diese persönliche Befindlichkeiten über  wirschaftlichen Interessen stellen?

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IT-Projekte sind häufig bereits komplex, berühren im Unternehmen oft Kernprozesse, die merere Abteilungen mit entsprechend vielen Mitarbeitern betreffen. Schon die Kommunikation kann schwierig sein, da beispielsweise Fachleute unterschiedlicher Fachrichtungen mit ähnlichen Begriffen oft ganz unterschiedliche Bedeutung verbinden. So verwenden Informatiker und Juristen den Begriff "Prozess" als Fachbegriff, verstehen darunter aber deutlich andere Dinge. Technische Probleme und unterschiedliche Vorstellungen der Parteien sowie wirtschaftliche Zwänge auf beiden Seiten verschärfen die Situation. Unzureichende Verträge können hinzukommen. Allerdings kann ein Vertrag nie alle Probleme in einem Projekt vorhersehen und regeln.

Alle diese Punkte machen IT-Projekte komplex. Gerade für komplexe Projekte ist, solange es nicht um eine Schadensbegrenzung oder -verteilung geht, Mediation sehr gut geeignet. Mediation erlaubt es den Parteien sich durchaus mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, dann aber gemeinsam den Blick in die Zukunft zu richten.

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