Unfallflucht: Unvorsätzliches Entfernen - spätere Kenntniserlangung - Wegfahren...aber wo ist der Unfallort?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 27.04.2009

Noch immer ringen die Gerichte um die Frage, wie mit unvorsätzlichem Entfernen vom Unfallort umzugehen ist, wenn nachträglich nach einem unbemerkten Unfall der Fahrer auf das Schadensereignis hingewiesen wird, er dann jedoch weiter fährt. Jetzt hat sich das OLG Hamburg mit diesem Problem befasst (OLG Hamburg, Beschl. v. 27.3.09, AZ: 3 - 13/09).

Aus dem Sachverhalt:

"...Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 6. Mai 2008 gegen 13.45 Uhr mit einem LKW in Hamburg die Straße Neue Elbbrücken stadteinwärts und streifte dabei unbemerkt mit seinem rechten Außenspiegel den linken Außenspiegel eines auf der rechten Nebenspur fahrenden anderen Lkw, der dabei beschädigt wurde. Der Angeklagte passierte daraufhin mehrere Lichtzeichenanlagen, bog in die Billstraße ab und kam dort an einer Lichtzeichenanlage etwa 1,5 Kilometer vom Ort des Unfallereignisses entfernt, zum stehen. Vom Geschädigten verfolgt und nunmehr auf den Unfall aufmerksam gemacht, setzte der Angeklagte seine Fahrt fort, wobei er billigend in Kauf nahm, sich so möglicherweise Unfallfeststellungen zu entziehen. Erst an einer weiteren Kreuzung konnte der Geschädigte den Angeklagten stoppen, indem er sich mit seinem Fahrzeug vor das Fahrzeug des Angeklagten stellte. Das Landgericht hat dieses Verhalten des Angeklagten unter Berufung auf Beschlüsse des OLG Düsseldorf (NStZ-RR 2008, 88) und BVerfG (NJW 2007, 1666, 1668) als unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 StGB bewertet...."

 

Aus der Begründung des OLG:

"...Nach den Feststellungen des Landgerichts erhielt der Angeklagte Kenntnis von seiner Unfallbeteiligung erst, nachdem er im innerstädtischen Verkehr nach Passieren mehrerer Ampeln und Abbiegen in eine andere Straße 1,5 km weitergefahren war und somit den Unfallort längst verlassen hatte. Eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 StGB ist ausgeschlossen, wenn der Täter erst an einem anderen als dem Unfallort vom Unfall erfahren hat (BGHSt 28, 130, 131; Burmann in: Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008, § 142 StGB Rn. 12 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts wurde der 1,5 km vom Unfallpunkt entfernte Anhalteort auch nicht etwa dadurch zum Unfallort, dass der Unfall im fließenden Verkehr geschah und der Geschädigte als eine feststellungbereite Person, den Angeklagten verfolgt hatte. Für die Bestimmung der räumlichen Grenze des Unfallortes kommt es auf die Sicht feststellungsbereiter Personen an, die am Ort des Geschehens bleiben und nicht etwa die Verfolgung des Täters aufnehmen...."

 

Ich meine: Richtig, oder?! Es kommt doch auf das Entfernen vom Unfallort an und nicht von einem anderen Ort, an dem man angetroffen wurde...

zum Unfallort (Vorsicht: Werbung folgt): Himmelreich/Bücken/Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Aufl. 09, Rn. 202 ff.; Krumm in: Krumm/Kuhnert/Schmidt, Straßenverkehrssachen, 2008, 3. Kap. Rn. 35

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3 Kommentare

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Vielleicht könnte man hier eine ähnliche Abgrenzung wie sie zwischen Vollendung und Beendigung etwa eines Diebstahls gezogen wird nutzbar machen. Danach kommt es ja darauf an, ob der Täter mit der Beute vom Tatort weg in eine gesicherte Sphäre kommt, wo er mit unmittelbarer Verfolgung nicht mehr rechnen muss.

Daher wird man meines Erachtens spätestens beim Abbiegen davon ausgehen müssen, dass man nicht mehr von Zeugen des unmittelbaren Unfalls zu sehen ist und daher vom Verlassen des Unfallortes ausgehen können. 

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Jau, der "Rufer in der Wüste" sieht das schon ganz richtig: Auch sonst wird angenommen, dass das, was nicht mehr vom eigentlichen Schadensort aus sichtbar ist nicht mehr zum Unfallort gehört (findet man natürlich auch in der zitierten Literatur :-))))

Zwar ist die Entscheidung nun schon etwas länger her, jedoch bin ich im Rahmen der Examensvorbereitung auf das Problem und die widersprechenden OLG-Entscheidungen getroffen.

Die Frage die ich mir schon beim Lesen des Leitsatzes der Entscheidung des Hanseatischen OLG stellte lautet: Warum hat dieses die Rechtsfrage nicht dem BGH gemäß § 121 II GVG vorgelegt?

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