Der neue § 15a RVG - eine erste Einschätzung

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 25.04.2009

Die neue Vorschrift des §15a RVG löst zuallererst das von manchen als das Kardinalproblem des RVG bezeichnete Dilemma der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Künftig kann wieder im Kostenfestsetzungsverfahren eine ungeminderte Verfahrensgebühr zur Kostenfestsetzung gegeben werden, auch wenn auf die Verfahrensgebühr eine Geschäftsgebühr anzurechnen ist. Denn nach § 15a Abs. 2 RVG kann ein Dritter - hier der Prozessgegner - sich nur auf die Anrechnung berufen, wenn er entweder den Anspruch auf die Geschäftsgebühr oder die Verfahrensgebühr bereits erfüllt hat, wenn wegen einer der betroffenen Gebühren gegen ihn bereits ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Mit der Regelung des § 15a Abs. 2 RVG hat der Gesetzgeber das bis zum Aufkommen der umstrittenen BGH Rechtsprechung allgemein akzeptierte Grundverständnis ausdrücklich gesetzlich fixiert, dass nämlich zwischen dem Innenverhältnis von Anwalt und Mandant einerseits und dem Außenverhältnis zum Prozessgegner oder zur erstattungspflichtigen Staatskasse andererseits zu unterscheiden ist. Die neue Vorschrift tritt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.

 

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29 Kommentare

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"Die neue Vorschrift tritt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft."

Wann ist /war das? Gild das jetzt bereits?

Das kann noch etwas, vermutlich aber nicht mehr all zu lange dauern bis das Gesetz im BGBl. verkündet wird (vorher geht das Gesetz am 29.04. in den Bundesrat - und wenn es nicht wider Erwarten im Vermittlungsausschuss landet, bedarf es noch einiger Unterschriften).

 

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welche konsequenzen hat das für die geltendmachung der geschäftsgebühr? die ist ja nach BGH einzuklagen, und zwar in voller höhe. wenn nun aber der obsiegende mandant auch noch die volle verfahrensgebühr im kostenfestsetzungsverfahren bekommt, erhält er doch mehr, als er dem anwalt zahlen muss (Geschäftsgebühr + Verfahrensgebühr - Anrechnungsbetrag)?

oder ist 15 a RVG so zu verstehen, dass künftig nur die Geschäftsgebühr - Anrechnungsbetrag eingeklagt werden darf?

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Man kann künftig beides tun;wenn man die volle Geschäftsgebühr einklagt, kann sich der Erstattungspflichtige als " Dritter" nach § 15a Abs 2 RVG auf die Anrechnung berufen, es wird also nur die um die Anrechnung geminderte Verfahrensgebühr festgesetzt. Klagt man nur den nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr ein, kann die volle Verfahrensgebühr festgesetzt werden.

Kollege Dr. Mayer schreibt: "Man kann künftig beides tun;wenn man die volle Geschäftsgebühr einklagt, kann sich der Erstattungspflichtige als 'Dritter' nach § 15a Abs 2 RVG auf die Anrechnung berufen, es wird also nur die um die Anrechnung geminderte Verfahrensgebühr festgesetzt."

M. E. räumt die neue Vorschrift kein solches Wahlrecht ein. § 15 a RVG korrigiert die BGH-Rspr., so dass im Ergebnis die vor den einschlägigen BGH-Entscheidungen geübte Praxis wieder aufleben wird, als Nebenforderung im Erkenntnisverfahren die hälftige vorgerichtliche Gebühr einzuklagen; die Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren kann dann unterbleiben. Für die umgekehrte Vorgehensweise, die volle vorgerichtliche Gebühr einzuklagen und im Festsetzungsverfahren die Anrechnung hinzunehmen, fehlt m. E. seit In-Kraft-Treten des § 15 a RVG das Rechtsschutzbedürfnis: Warum einen Betrag im Erkenntnisverfahren titulieren lassen, für den es die einfachere Möglichkeit der Festsetzung gem. § 104 ZPO gibt?

Rechtsanwalt M. Bender, Karlsruhe

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Ich stimme dem Kollegen Mayer zu. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung der vollen Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren fehlt nicht. Der Erstattungsanspruch in Bezug auf die Geschäftsgebühr muss dem GRUNDE nach auch dann geprüft werden, wenn nur die halbe Geschäftsgebühr eingeklagt wird. Dann aber bedeutet es in der Regel keinen größeren Mehraufwand, auch die Höhe des Erstattungsanspruchs zu prüfen. Um den Kürzungsbetrag im Außenverhältnis zu prüfen, müsste ohnehin wohl fast immer - auch bei hälftiger Einklagung - im Erkenntnisverfahren inzident die HÖHE des materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs geprüft werden. Denn nur dann kann gesagt werden, was die Hälfte dieses Anspruchs, also der "nicht anzurechnende Teil" ist.

Die Entscheidung des BGH, wonach die volle Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren geltend gemacht werden kann, wird m.E. vom Gesetzgeber weder kritisiert noch durch § 15a RVG korrigiert.

MfG

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Ich sehe auch kein Problem hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses, aber aus einem ganz anderen Grunde:

Materiellrechtlich verbleibt es dabei, daß den (fordernden und später klagenden) Mandanten zunächst die Forderung seines Anwaltes in Höhe der Geschäftsgebühr trifft und diese, soweit der Gegner im Verzug oder sonst (Delikt...) zum Ersatz verpflichtet ist, zu erstatten ist. Klagt er diese volle Geschäftsgebühr mit ein, erhält er sie im Urteil tituliert: gegebenenfalls vorläufig vollstreckbar, jedenfalls tritt Vollstreckbarkeit aber mit Rechtskraft ein.

Will man ihn auf den vermeintlich "einfacheren" Weg des Kostenfestsetzungsverfahrens verweisen, büßt er in der Regel wenigstens Zeit und, im Extremfall bei Insolvenz des erstattungspflichtigen Gegners, auch die Durchsetzbarkeit ein. Es besteht also sehr wohl ein Rechtsschutzbedürfnis.

Das Ergebnis deckt sich dann auch wieder mit der Wertung, die durch den neuen § 15a RVG nicht angegriffen wird: Daß nämlich ein materiellrechtlicher Anspruch des Anwalts auf die Geschäftsgebühr in voller Höhe zunächst besteht und insoweit auch ein Erstattungsanspruch gegen den Gegner entsteht, sofern ein Haftungsgrund hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten vorhanden ist.

MfG Dittrich

 

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§ 15a RVG wurde in Art. 8 des Gesetzes "zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften" vom 30.Juli 2009 im Bundesgesetzblatt 2009 Teil I, S. 2449, 2470 am 04.08.2009 verkündet und trat nach Art. 10 dieses Gesetzes (BGBl 2009 I, S. 2449, 2473) am 05.08.2009 in Kraft.

RA Dr. Johannes Sedlmeier LL.M., München

 

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Die Auffassung von Herrn Bender kann ich ebenfalls nicht teilen. Entscheidend ist aber m.E. der Umstand, dass es aufgrund des unverändert gebliebenen Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG dabei bleibt, dass sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr vermindert, wenn und soweit nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist.

Die frühere Argumentation zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis kam ja gerade daher, dass man die Anrechnung umgekehrt vorgenommen hat - also die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr angerechnet wurde. Hat man dann dennoch den "vollen Betrag" geltend gemacht, war darin inbegriffen auch der Teil der Verfahrensgebühr, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen war/ist.

Mir stellt sich aber noch eine andere Frage: In § 15 a Abs. 2 RVG heißt es, der Dritte könne sich auf die Anrechnung berufen, SOWEIT er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Was passiert, wenn man - wie früher - die Geschäftsgebühr nur hälftig einklagt - kann sich der Prozessgegner dann nicht INSOWEIT auf eine Anrechnung berufen? Wenn dem so wäre, ist es m.E. sogar zwingend, weiterhin die Geschäftsgebühr voll einzuklagen.

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§15a RVG trat am 05.08.2009 in Kraft. Was ist jedoch mit den Kostenfestsetzungsanträgen, die vorher unter Anrechnung der Geschäftsgebühr gestellt wurden, über die jedoch erst nach dem 05.08.2009 entschieden wird? Vergleiche wurden ggf. unter Berechnung und Zugrundelegung der zu ersetzenden Gebühren geschlossen. Durch Zuwarten des Rechtspflegers bis nach dem 05.08.2009 kann eine Anrechnung unterbleiben? 

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Die Frage der sog. Übergangsfälle dürfte mit § 60 RVG zu beantworten sein. Wie die Entscheidung des AG Wesel (Beschl. v. 26.05.2009 - 27 C 125/07) zeigt, ist aber auch das nicht unumstritten ;-)

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Zwischenzeitlich hat das AG Wesel wohl prominente Unterstützung durch das OLG Stuttgart (Beschl. v. 11.08.2009 - 8 W 339/09) erhalten.

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Ich liebe diese Form der Problemlösung: Jetzt ist alles so wunderbar unüberschaubar. Dabei ist der Kern des Problems doch eh ein ganz anderes: Dass außergerichtliche Anwaltskosten als allgemeines Lebensrisiko idR nicht erstattbar sind. Warum setzt man hier nicht an, statt von Regen in die Traufe in Übersichtslosigkeit zu versinken?

mlanghans schrieb:

Ich liebe diese Form der Problemlösung: Jetzt ist alles so wunderbar unüberschaubar. Dabei ist der Kern des Problems doch eh ein ganz anderes: Dass außergerichtliche Anwaltskosten als allgemeines Lebensrisiko idR nicht erstattbar sind. Warum setzt man hier nicht an, statt von Regen in die Traufe in Übersichtslosigkeit zu versinken?

außergerichtliche Anwaltskosten sind als allgemeines Lebensrisiko zu bezeichnen und in der Regel auch nicht erstattbar. Bleibt es nicht bei dem Außergerichtlichen, es folgt ein Verfahren in welchen die obsiegende Partei im Anschluss des rechtskräftigen Urteils ein Kostenfestsetzungsantrag stellt, so findet die Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten keine Berücksichtigung. 

Bei der Kostenfestsetzung können nur durch das gerichtliche Verfahren entstandene Kosten berücksichtigt werden.  In dem Verfahren sind keine Anwaltskosten entstanden. 

Da es über den Kostenfestsetzungsantrag nicht möglich ist, bleibt nur Zahlungsaufforderung dieser vorgerichtlichen Kosten an die unterlegene Partei und bei Nichtregulierung eine erneute Klage. 

Nach diesseitiger Auffassung müssten alle Kosten, welche für diese Prozessführung notwendig geworden sind, über einen Kostenfestsetzungsantrag  auch durchsetzbar sein.

 

Den verehrten Kollegen Langhans bitte ich, zunächst darzulegen, warum "außergerichtliche Anwaltskosten als allgemeines Lebensrisiko idR nicht erstattbar sind"...

Wo wird dies gelehrt?

M.E. kann dies nur für den Anspruchsgegner (und späteren Beklagten) - und auch hier nur mit Einschränkungen - gelten, aber aus einem anderen Grunde:

Der (berechtigte) Anspruchsteller kann doch nichts dafür, daß der Gegner nicht leistet. Ist der Gegner im Verzug und beauftragt der Anspruchsinhaber nun einen Anwalt, stellen die Kosten in der Regel adäquaten Verzugsschaden dar. Fraglich kann allenfalls sein, ob der Anspruchsteller die Kosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und angemessen ansehen durfte.

Er darf dies in der Regel, da er berechtigterweise erwarten darf, daß der Anspruch auch ohne Anwendung staatlichen Zwanges erfüllt werden wird. Dies ist ja gerade ein Grundsatz unserer Privatrechtsordnung und Grundlage sowohl des materiellrechtlichen wie auch des prozeßrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs. Zudem darf der Anspruchsteller nach der Lebenserfahrung wenigstens hoffen, daß der Gegner sich durch die anwaltlich-fachkundigen Darlegungen von der sachlichen Berechtigung des Anspruchs überzeugen läßt, wenigstens aber die Ernsthaftigkeit des Durchsetzungswillens beim Anspruchsteller erkennt. Der Anspruchsteller genügt durch die vorgerichtliche Beauftragung des Anwaltes außerdem zumeist auch seiner Schadensminderungsobliegenheit.

Der in Anspruch genommene kann dagegen in der Regel für vorgerichtliche Kosten keinen Ersatz verlangen: Niemand "zwingt" ihn, sich zu verteidigen. Tut er nichts, droht ihm keine Unbill. Ist er im Recht, kann er getrost abwarten, bis er verklagt wird.

Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung müssen die Kosten des obsiegenden Beklagten selbstverständlich erstattungsfähig sein. Er muß sich zur Wehr setzen, da ihm ansonsten eine (materiell unrechte) Verurteilung droht (VU).

Im Ausnahmefall kann auch der Anspruchsgegner einen Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten haben. Hierfür bedarf es aber eines Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch erwachsen kann. So ist es z.B. denkbar, daß ein Mieter, der zu Unrecht gekündigt und mit einer Räumungsklage bedroht wird, Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten erlangen kann. Der Erstattungsanspruch ergibt sich dann aber aus der Verletzung von Nebenpflichten des Mietverhältnisses.

Oder ein pactum de non petendo wird vom Anspruchsinhaber gebrochen. Der Anspruchsgegner ist in diesem Fall aber auch Inhaber eines Anspruchs, nämlich darauf, daß der andere Teil die gerichtliche Geltendmachung unterläßt. Droht jener dennoch mit Klage, ergibt sich der Anspruch auf Erstattung auch der vorgerichtlichen Kosten aus dem Vertrag (p.d.n.p).

Daß außergerichtliche Anwaltskosten als allgemeines Lebensrisiko idR nicht erstattbar sind, ist ein Postulat, für welches der Kollege Langhans zunächst jeden Beleg und jegliche Argumentation schuldig bleibt.

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Zu # 16:

Nicht erstattbar sind in der Regel die Kosten der vorgerichtlichen anwaltlichen Vertretung in fachgerichtlichen Verfahren. In Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit mag dies eine Frage des jeweiligen Sachgebietes sein.

 

@ Herr Schmeding

Ich verstehe Ihren Kommentar nicht. Kann es sein, daß Sie die Festsetzbarkeit mit der Erstattungsfähigkeit verwechseln?

Mein Beitrag bezog sich allerdings auf mögliche materielle Kostenerstattungsansprüche. Daß vorgerichtliche Kosten im Regelfall nicht festsetzbar sind, ist mir klar, aber darum ging es hier nicht.

MfG

Dittrich

 

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@RA Dittrich:

Mein Beitrag bezieht sich auf die von Ihnen angesprochene Erstattbarkeit. Selbstredend sind nicht erstattbare Kosten beispielweise der anwaltlichen Vertretung in einem behördlichen Ausgangsverfahren weder erstattungsfähig noch festsetzbar.

Ich greife nochmals meinen Beitrag zum Rechtsschutzbedürfnis beim Einklagen der vollen (nicht angerechneten) Geschäftsgebühr auf.

Eine interessante Entscheidung traf jüngst das Amtsgericht Bensheim in Hessen mit Urteil vom 22.04.2010 (Az.: 6 C 1178/09), die ich mit freundlicher Genehmigung des Urhebers, Herrn Richter am Amtsgericht Dr. Sauer, hier auszugsweise wiedergebe:

"Bezüglich der klageweisen Geltendmachung der Geschäftsgebühr besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den vollen Betrag. Bei Vorbereitungskosten, die der Abwendung eines Prozesses dienen, besteht in der Regel ein Rechtsschutzbedürfnis, diese Kosten klageweise geltend zu machen [...], da es sich nicht um Kosten im Sinne des § 91 ZPO handelt. Die Geschäftsgebühr ist hier durch die anwaltliche Zahlungsaufforderung [...] angefallen. Solche Zahlungsaufforderungen dienen in der Regel der Abwendung eines Prozesses [...]. Daran hat auch die Einführung des § 15 a RVG nichts geändert [...]. Zwar vermindert sich aufgrund dieser Vorschrift die später festzusetzende Verfahrensgebühr nicht mehr automatisch (BGH NJW 2009, 3101; BGH, Beschl. v. 09.12.2002 - XII ZB 175/07). Eine Entscheidung darüber, dass aufgrund der nun wieder möglichen Nicht-Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr das Rechtsschutzbedürfnis nur für die hälftige Geschäftsgebühr besteht, ist damit jedoch nicht bezweckt. Vielmehr soll mit dieser Vorschrift lediglich der Rechtszustand vor der Entscheidung des BGH vom 30.01.2007 (NJW 2007, 3289) wiederhergestellt werden."

Konsequenterweise judizierte das Amtsgericht Bensheim in derselben Entscheidung, dass vorgerichtliche Kosten für die Einholung einer Gewerbeauskunft nicht zulässigerweise eingeklagt werden können, weil hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die Gewerbeauskunft "nicht mehr bloß die außergerichtliche Streitbeilegung bzw. Vermeidung eines Proezesses bezweckt". Im konkreten Fall hatte der Kläger nach Einholung der Gewerbeauskunft keinen außergerichtlichen Kontakt mit dem bekl. Gewerbetreibenden mehr, sondern die Auskunft zur Ermittlung einer zustellungsfähigen Anschrift benötigt und sodann geklagt. Hier verweist das Amtsgericht Bensheim den Kläger zutreffend auf das Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO.

 

Rechtsanwalt M. Bender, Karlsruhe

 

 

 

 

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@Stefan Schmeding zu #19

Es ging im Ausgangspunkt um die Frage der Geltendmachung der vollen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr als Nebenforderung in der Klage. Diese Frage stellt sich in der Regel im Zivilprozess. Dort hat, wie ich unter #16 dargelegt habe, der Kläger in vielen Fällen einen materiellrechtlichen Anspruch auf Erstattung der Geschäftsgebühr.

In Verfahren gegen Hoheitsträger besteht dagegen in den allermeisten Fällen eine ganz andere Konstellation, die auch eine andere Lösung bedingt: Der Bürger wehrt sich gegen ihn belastendes Verwaltungshandeln. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch ist hier zwar im Rahmen der Amtshaftung denkbar, aber zum einen beständen für solche Amtshaftung ungleich höhere Voraussetzungen als für den Verzugsschadensersatzanspruch gegen einen privaten Schuldner. Zum anderen müßte dann in den meisten Fällen die statthafte Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage noch mit einer Leistungsklage verbunden werden.

Das alles braucht es aber nicht, weil die einschlägigen Verwaltungsverfahrensordnungen eine Erstattungspflicht für den Fall vorsehen, daß die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war. Diese Feststellung ist dann durch Verwaltungsakt (Abhilfebescheid) zu treffen. Trifft die Verwaltung diese nicht, sondern erläßt einen Widerspruchsbescheid, wird der Anspruch auf diese Feststellung mit anhängig gemacht. Hat der Kläger Erfolg, muß die Behörde auch die Kosten der Zuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren erstatten.

Also kostet fehlerhaftes Verwaltungshandeln den Staat auch eine Menge Kohle, wenn es entdeckt und mit anwaltlicher Hilfe eine Korrektur erreicht wird. Gerade die ARGEn sind nach meiner Erfahrung Spitzenreiter in der Produktion solcher Kostenerstattungsansprüche. Das liegt nicht zuletzt daran, daß man dort Sparfuchs spielen will und der gesamte Verwaltungsunterbau mit Menschen besetzt ist, die keine entsprechende Ausbildung haben und oftmals sogar in befristeten Arbeitsverhältnissen stehen. Die Widerspruchsstelle muß es dann richten. Die schiere Zahl der erfolgreichen Widersprüche und Klageverfahren gegen ARGE treibt jedem besonnenen Bürger die Zornesröte ins Gesicht. Hier wird nicht eingespart, sondern Geld aus dem Fenster geworfen. Der einzige positive Effekt ist, daß es weniger arbeitslose Rechtsanwälte gibt.

Die Fragestellung dieser Diskussion zielte aber nicht auf diese spezifisch verwaltungs- bzw. sozialprozeßrechtliche Konstellation, sondern augenscheinlich auf zivilprozessuale Leistungsklagen.

Mit freundlichen Grüßen

Dittrich

 

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Achja, noch eine Ergänzung:

Die anwaltliche Vertretung bereits im Ausgangsverfahren zieht natürlich in der Regel keinen Kostenerstattungsanspruch nach sich. Erst für das Widerspruchsverfahren gilt dies.

Das ist dann ein wenig vergleichbar mit der Situation des privaten Gläaubigers vor bzw. nach Verzugseintritt: beauftragt er den Anwalt mit der Forderungsbeitreibung bereits vor Verzugseintritt und zahlt der Schuldner auf das erste Anwaltsschreiben hin, besteht kein Verzugsschadensersatzanspruch auf Erstattung der Anwaltskosten.

Nimmt der Bürger im Verwaltungsverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch, bevor die Behörde etwas falsch gemacht hat, bekommt er diese Kosten auch nicht ersetzt.

Eigentlich ganz logisch. Da könnte ja jeder kommen. Wo kämen wir denn dann hin? Das haben wir doch schon immer so gemacht...

 

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RADittrich schrieb:

Achja, noch eine Ergänzung:

 

Die anwaltliche Vertretung bereits im Ausgangsverfahren zieht natürlich in der Regel keinen Kostenerstattungsanspruch nach sich. Erst für das Widerspruchsverfahren gilt dies.

 

Das ist dann ein wenig vergleichbar mit der Situation des privaten Gläaubigers vor bzw. nach Verzugseintritt: beauftragt er den Anwalt mit der Forderungsbeitreibung bereits vor Verzugseintritt und zahlt der Schuldner auf das erste Anwaltsschreiben hin, besteht kein Verzugsschadensersatzanspruch auf Erstattung der Anwaltskosten.

 

Nimmt der Bürger im Verwaltungsverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch, bevor die Behörde etwas falsch gemacht hat, bekommt er diese Kosten auch nicht ersetzt.

 

Eigentlich ganz logisch. Da könnte ja jeder kommen. Wo kämen wir denn dann hin? Das haben wir doch schon immer so gemacht...

 

 

@RA Dittrich:

 

Schopenhauer und seine Kunst, Recht zu behalten scheinen Íhnen vertraut.

Über das, was eigentlich ganz logisch sei, könnte man sich im Einzelfall durchaus unterhalten.

 

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Schmeding

Absonderlich erscheint, dass bei vielen Verfassern das Grundverständnis offenbar nicht gegeben ist - Geschäfts- sowie Verfahrensgebühren sind unterschiedliche Tatsbestände und eben nicht identisch oder beliebig auswechselbar, sondern unterliegen lediglich einer evtl. Anrechnung. 

Im Ausgangspunkt völlig richtig ist die Auffassung des Beitrags #11 in Absatz 1.

Die Frage in Absatz 3 beantwortet sich so, daß in diesem Fall die (fälschlich) hälftig miteingeklagte Nr. 2300-Gebühr zur Hälfte auf die Nr. 3100-Gebühr (also rechnerisch mit einem Viertel) angerechnet würde und den festsetzbaren Betrag vermindert.

Auch § 15a RVG wird wieder Abgrenzungsprobleme erzeugen, z.b. wenn die Geschäftsgebühr urspünglich voll mit eingeklagt wurde und im Rahmen des späteren Prozeßvergleichs über eine reduzierte Hauptforderung (inkl. Kostenquotelung) dann - wie so häufig üblich - bei dem allgemeinen Friedensschluß kommentarlos (ohne explizite Regelung diesbezüglich) unter den Tisch fällt.

M.E. kann sich der Beklagte in diesem Fall im Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO nicht auf die Anrechnung berufen, so daß die Nr. 3100-Gebühr voll in die Kostenausgleichung hineinzunehmen ist. 

 

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Wird nur die halbe Geschäftsgebühr eingeklagt, so kann - unabhängig davon, ob sie im Erkenntnisverfahren zugesprochen wird - die volle Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldet werden. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 15a II RVG ist, dass die Gebühr in einem DEN ANRECHNUNGSFREIEN TEIL ÜBERSTEIGENDEN BETRAG vom Dritten erfüllt wurde, tituliert wurde etc. Nur in diesem Umfang kann sich der Dritte auf die Anrechnung berufen. Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ergibt sich doch ziemlich deutlich aus Sinn und Zweck der Norm sowie der Gesetzesgeschichte. 

Die vom Kollegen Wilbrand (Beitrag 24, 3. Absatz) geäußerte Ansicht scheint mir daher mit dem Gesetz nicht in Einklang zu stehen. Das "Grundverständnis" für das Gebührenrecht vermisse ich im Übrigen bei den hier diskutierenden Personen nicht.

Beim Vergleich kommt es auf die Formulierung an. Wird im Prozessvergleich formuliert: "Zur Abgeltung der Klageforderung" und war die Geschäftsgebühr voll mit eingeklagt, so gilt sie auch in voller Höhe als "erfüllt" bzw. "tituliert" i.S.d. § 15a II RVG. Nicht anders dürfte es liegen bei der üblichen Formulierung: "zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche aus dem Vertrag/Ereignis vom ...".  Auch zur Vermeidung der Anwaltshaftung muss daher stets klargestellt werden: "Die Parteien sind sich darüber einig, dass durch den Vergleich auf Klägerseite nur der anrechnungsfreie Teil der vorprozessualen Geschäftsgebühr abgegolten ist und der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren eine volle Verfahrensgebühr anmelden darf".

 

MfG

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Also ich handhabe das inzwischen so, dass ich die außergerichtliche Geebühr als Nebenforderung nur in Höhe des nach Anrechnung verbleibenden Teils (idR 0,65 Gebühr) einklage und die volle Verfahrensgebühr festsetzen lasse. Für die außergerichtlichen Gebühren braucht es halt eine materiell - rechtliche Anspruchsgrundlage. Ich war mir bis vor etwa einem halben Jahr auch sicher, dass das uneingeschränkt gilt.

 

Dann ist mir aber aufgefallen, dass das bei vorangegangenem Mahnverfahren dazu führt, dass ich tatsächlich Gebühren verliere, wenn ein MB vorausgegangen ist. Der Grund liegt darin, dass die Gebühr für das Mahnverfahren (1.0) voll auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird. Wenn ich die volle Verfahrensgebühr geltend mache, geht die Gebühr fürs Mahnverfahren komplett drauf. Wenn ich aber nur die halbe Verfahrensgebühr geltend mache und die Geschäftsgebühr voll, kann ich auch die Gebühr für das Mahnverfahren nur noch in Höhe der halben Verfahrensgebühr auf dieselbe (0,65) anrechnen, der Rest der Gebühr für das Mahnverfahren (0,35) bleibt nach meinem Dafürhalten in der Welt. Mir verbleiben also mehr Gebühren, nämlich der nicht anrechenbare Teil der Gebühr für das Mahnverfahren.

 

Kann das mal bitte einer überprüfen? Liege ich da falsch? Ist das Allgemeinwissen und ich habe es jetzt erst gemerkt? ...

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Dominik Weiser schrieb:
 

Kann das mal bitte einer überprüfen? Liege ich da falsch? Ist das Allgemeinwissen und ich habe es jetzt erst gemerkt? ...

Vgl. BGH, B. v. 28.10.2010 in VII ZB 116/09 sowie u.a. Diskussionen zum Thema im rechtspflegerforum.

 

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