BVerfG: Medien dürfen Anwälte im Bild zeigen

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 09.04.2009

Zu leicht hat es sich der Vorsitzende im Prozess um den tödlichen Ausgang des Wetttrinkens in Berlin gemacht, als er dem angeklagten Wirt und seinem Rechtsanwalt gestattete , dass diese erst nach Ende der Fernsehaufnahmen über den Gefangenenaufgang den Sitzungssaal betreten dürfen.

Beschluss des BVerfG vom 3. April 2009 - 1 BvR 654/09 - im einstweiligen Anordnungsverfahren

Anordnungen des Vorsitzenden nach § 176 GVG, mit denen die Anfertigung von Bild- und Fernsehaufnahmen vom Geschehen im Sitzungssaal am Rande der Hauptverhandlung Beschränkungen unterworfen wird, stellen Eingriffe in den Schutzbereich der Rundfunkfreieit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar. Die Öffentlichkeit ist an den Informationen sowohl über den Angeklagten als auch dessen Anwalt interessiert (manche Anwältin/Anwalt wird mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Landshut hierüber nicht begeistert sein). Durch die Anordnung würden Fernsehbilder gezielt verwehrt und bewirken eine gewichtige Beschränkung von Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit. Als Teil der Rechtspflege können Anwälte nicht genauso viel Schutz beanspruchen wie Privatpersonen beanspruchen. Das Gericht dürfe den Verfahrensablauf ordnen, allerdings müssen die Medien Gelegeneit haben, Aufnahmen vom Geschehen im Sitzungssaal grundsätzlich in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten anzufertigen.

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2 Kommentare

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Letztes Jahr beobachtete ich zu diesem Thema einen höchst amüsanten Rechtsstreit in der Pressekammer des Landgerichts Berlin:

Der prominente Presseanwalt E. hatte sich gegen eine Boulevardzeitung gewehrt, welche ihn bei der Begleitung eines Mandanten auf dem Weg zum Gericht zeigte, also bei der Berufsausübung (außerhalb des Gerichtssaals). Das Landgericht Berlin sah ein legitimes Berichtsinteresse und ließ die Bildberichterstattung zu.

Die Ironie an der Geschichte war, dass die Boulevardzeitung von einem ebenfalls sehr bekannten Presserechtler S. vertreten wurde, der sich normalerweise als vehementer Kämpfer für Persönlichkeitsrechte zu inszenieren pflegt und durch konsequente Ausreizung aller prozessualen Möglichkeiten das Recht der Presse und die Ausübung der Meinungsfreiheit massiv erschwert.

Pikanterweise wehrt sich nun ausgerechnet der damals erfolgreiche Anwalt S. gegen die von ihm als "Belästigung" empfundene Berichterstattung über ihn selber durch eine Flut einstweiliger Verfügungen. Dabei wurde er noch nicht einmal fotografiert ...

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Besten Dank für den amüsanten Blick in die Berliner Praxis !

Wenn ich es richtig sehe, ging es in Sachen "Abbildenlassen" vor der eingangs genannten Entscheidung um die RichterInnen; jetzt sind gleichsam die Anwälte "an der Reihe", die vermutlich nicht so klaglos reagieren werden. Mal sehen, wie es weiter geht. Das Problem ist in der Sache jedoch identisch.

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