"Wenn es sein muss gehe ich zum Verfassungsgericht" - bei 5 Euro Geldbuße gibt`s da aber nur eine Missbrauchsgebühr!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.03.2009

Man staunt immer wieder, mit welchen Kleinigkeiten sich das BVerfG rumschlagen muss. Selbst über 5 Euro-Knöllchen müssen 3 Verfassungsrichter entscheiden - mehr als einen "Minibeschluss" bekommt man da aber als Beschwerdeführer richtigerweise nicht. Aus einer Pressemeldung des BVerfG vom 27.3. lässt sich entnehmen, dass drei ähnliche Verfassungsbeschwerden wegen kleiner Ordnungswidrigkeiten nicht zur Entscheidung angenommen wurden:

"...Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in drei Verfahren Missbrauchsgebühren in Höhe von 200 € (2 BvR 161/09 und 2 BvR 239/09) bzw. 1.000 € (2 BvR 191/09) gegen die Beschwerdeführer verhängt, weil deren Verfassungsbeschwerden offensichtlich unzulässig waren..."

In der Entscheidung 2 BvR 161/09 ging es um das erwähnte 5-Euro-Köllchen. Die Missbrauchsgebühr wurde hier festgesetzt, weil...

"...die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen ohne jede verfassungsrechtliche Substanz sind, ein besonders schwerer Nachteil bei einer Geldbuße von lediglich 5 € augenscheinlich nicht vorliegt und die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts deshalb für den Beschwerdeführer erkennbar offensichtlich aussichtslos war."

Deutlicher geht es nicht, oder?!

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11 Kommentare

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Nun ja. Der Beschwerdeführer ist ja nicht gehindert, den vorgeworfenen Verstoß immer wieder und lauthals vorsätzlich zu begehen, bis es eben nicht mit "nur" 5 EUR oder 500 EUR sind, sondern ein Fahrverbot oder ähnlich schlimme Strafen verhängt werden ...

Ob's ihm wohl nützt, wenn die Sache dann in rund fünf Jahren vom Senat in Vollbesetzung verhandelt wird? ;-)

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@ Hrn. Burschel

Üblicherweise gibt das BVerfG im Beschluß oder Urteil an, ob es einen Bevollmächtigten gibt und wer dieser Bevollmächtigte des Bf. ist (und das nicht mal anonymisiert).

Also hat es hier wohl keinen Bevollmächtigten gegeben, der seinen Namen auf einem solchen Beschluß lesen wollte. Das kann ich schon verstehen.

Das der Beschluß nun veröffentlicht wurde, dürfte auch etwas über die Arbeitsbelastung durch solche Beschwerden aussagen. Das dient wohl eher der Warnung als der Entwicklung des Verfassungsrechts. Auch die Pressemitteilung dazu weist in diese Richtung.

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Mir scheint die Pressemitteilung des Gerichts gründlich missverstanden. Natürlich kann jedermann auch wegen fünf Euro Belastung eine Verfassungsbeschwerde einlegen. Weder in der Pressemitteilung noch in dem Beschluss steht zu lesen, dass der Beschwerdeführer die Missbrauchsgebühr auferlegt bekommen habe, weil sich das Gericht mit solch einem geringen Wert "rumschlagen" musste.

Die Missbrauchsgebühr gab es vielmehr aus einem ganz anderen Grund:

"eine Verletzung seiner Grundrechte hat der Beschwerdeführer weder vorgetragen noch ist eine solche ersichtlich", heißt es in der PM und

"ohne jede verfassungsrechtliche Substanz" heißt es in dem Beschluss.

Dieser Grund hat aber mit den fünf Euro nichts zu tun. Auch bei einer Fünf-Euro-Sache kann man (gegebenenfalls) mit guten Gründen eine Verletzung der Grundrechte dartun und auch bei einer Milliarden-Sache kann es der Beschwerde an jeder verfassungsrechtlichen Substanz fehlen. Man muss also beides feinsäuberlich auseinanderhalten.

Es ist also zu billig und allenfalls dpa-Niveau, hier so auf der hohen Zahl eingehender Verfassungsbeschwerden herumzureiten und mit assoziativ fehlgeleiteten "Lasst uns bloß mit sowas in Ruhe!"-Rufen an der Sache vorbei zu reden. Mit solchen "Mini-Beschlüssen" werden übrigens allzu oft auch Beschwerdeführer abgespeist, die viel verfassungsrechtliche Substanz vortragen und sich dabei mit den über hundert Bänden BVerfG-Rspr auseinandergesetzt haben. Auch das hat mit der Sache nichts zu tun. Gut, wir sind hier im Verkehrsrechtsblog und haben hier (keinen Europarechtsxperten und keinen Verwaltungsrechtsexperten und) keinen Verfassungsrechtsexperten, aber "ein Blick in´s Gesetz hilft ungemein" haben wir doch alle mal gelernt?

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@Dietmar Kettler

1. Jede Verfassungsbeschwerde gegen einen Bußgeldbescheid in Straßenverkehrssachen ohne Eintragung im Verkehrszentralregister (was bei kommentarloser Zahlung nur eine Verwarnung wäre) ist spätestens seit dem Nichtannahmebeschluß des BVerfG vom 30.06.1976 - 2 BvR 435/76 offensichtlich "ohne jede verfassungsrechtliche Substanz" ("Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten, die 40 DM nicht überschreiten, stellen in aller Regel keinen schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne des BVerfGG § 93a Abs 4 dar."; fortgeführt durch den Nichtannahmebeschluß vom 21.02.1984 - 2 BvR 1244/83 zur 80 DM-Grenze). Entsprechende Verfassungsbeschwerden sind quasi unbegründbar.

Seither werden wohl wegen dieser eindeutigen Beurteilung durch das BVerfG öfter Mißbrauchsgebühren gegen die Beschwerdeführer festgesetzt. Vielleicht wäre es ganz hilfreich, die o.a. Beschlüsse dabei immer und immer wieder zu zitieren.

2. Die Zusammenstellung dreier Gebührenfestsetzungen mit verschiedenem Hintergrund zu einer Pressemitteilung kann man doch nur als Warnung für "Nachahmungstäter" verstehen.

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@DrFB

Dass es sehr schwer ist, einer solchen Beschwerde wegen eines 5-Euro-Knöllchens "verfassungsrechtliche Substanz" zu geben, die das BVerfG gelten lässt, steht außer Frage. Für gänzlich "unbegründbar" muss man sie aber nicht halten, solange im Gesetz keine 6-Euro-Regel steht und auch das BVerfG die Formulierung "in aller Regel" verwendet.

Die PM hat kann man natürlich als Warnung an "Nachahmungstäter" verstehen. Es bleibt zu hoffen, dass die sie auch lesen. Aber man muss ja zugeben, dass es den Beschwerdeführer idR billiger kommt, die Mißbrauchsgebühr zu bezahlen, als einen Anwalt mit der Prüfung der Erfolgsaussichten und der Einlegung einer Beschwerde zu beauftragen...

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Die Wendung "in aller Regel" wird in den o.a. Entscheidungen noch ein wenig erläutert. So könnte ja der Bürger bei mehreren Verwarnungen in wirtschatliche Not geraten. Und dann könnte ja vielleicht die Verfassungsbeschwerde doch verfassungsrechtliche Substanz haben. Oder nach 60 Knöllchen für Falschparken in einem halben Jahr ist der Lappen mangels Eignung weg (das gibt es in Berlin, aber leider nicht in Hamburg).

Im Ergebnis ist aber ein 5 EUR-Ticket weit entfernt davon, die Richter des BVerfG zu Tränen zu rühren.

Richtig ist natürlich, daß es nicht nur am Betrag hängt. Sonst wäre der überaus lange und für die Kläger bzw. Beschwerdeführer erfreuliche Beschluß gegen die Feuerwehrabgabe nicht zu erklären (BVerfGE 92, 91). Aber für Verfassungsbeschwerde bei Verwarnungen kann man sich wohl merken, daß man höchstens den Tipp bekommt, es zukünftig zu vermeiden, erstens überhaupt eine Verwarnung zu bekommen und zweitens das BVerfG damit zu behelligen.

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Ich sehe das ganz wie Sie. Mich würde aber auch mal interessieren, wie überhaupt in diesem Bereich eine Verfassungsbeschwerde begründet wird. Und: Gibt es vielleicht einen Leser des Blogs, der selbst Erfahrungen mit solchen Verfassungsbeschwerden im VerkehrsOWi-Bereich hat?

@Carsten Krumm # 10

Ja, wir haben in unserer Bürgerinitiative einen solchen Fall.

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