Das Schulamokveröffentlichungsgesetz - ein Vorschlag

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.03.2009

In dieser Zeit wird viel diskutiert über angebliche Ursachen von Schulamokläufen und deren mögliche Prävention.

Im Vordergrund stehen die „Killerspiele" (Präventionsvorschlag: Verbot), der Zugang zu Schusswaffen (Präventionsvorschlag: Verschärfung des Waffenrechts), das Mobbing bzw. der Schulfrust (Präventionsvorschlag: Schulpsychologen), „Leaking" (Vorschlag: computerunterstützte Individualprognose nach der Methode Jens Hoffmann).

Politiker und Presse haben je nach ihren Vorurteilen und je nach Wähler- bzw. Leserschaft bestimmte Vorschläge unterstützt oder vehement abgelehnt, ein kleiner Ausschnitt der Debatte um die „Killerspiele" ist ja auch hier im beck-blog nachzulesen.

Ich möchte, wider alle Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung, einen anderen Vorschlag machen und einmal zur Debatte stellen (wenn ein solcher Vorschlag schon irgendwo gemacht wurde, beantrage ich natürlich keinen Ideenschutz, sondern will hier diesen Vorschlag unterstützen):
Ein Schulamokveröffentlichungsgesetz. Dieses Gesetz sollte folgenden Inhalt haben:

Im Zusammenhang mit einer (gesetzlich näher zu definierenden) Amok-Tat ist bei Androhung eines Bußgelds für den Verleger/Herausgeber/Content-Verantwortlichen und Androhung einer Strafe für den Autor/Redakteur/presserechtlich Verantwortlichen 10 Jahre nach der Tat bzw. nach Verbüßung einer wegen der Tat verhängten Strafe verboten, den Namen (auch in abgekürzter Form) und Bilder des Täters oder personenbezogene Angaben, die unmittelbar zu dessen Identifizierung führen, in irgendeiner Form zu publizieren.

Begründung: Es ist eine wesentliche Motivation für solche Taten, als (negativer) Held zu erscheinen. Bei den Tätern handelt es sich meist um männl. Personen, die sich für gescheitert halten und für sich selbst keine Erfolgschance im Leben erkennen. Sie sehen ihre Tat (und zwar durchaus realistisch!) als einzige Chance an, sich in ihrem Suizid „unsterblich" zu machen. Selbst ein Gewinn bei DSDS oder bei Wer wird Millionär kann diesen „Ruhm" nicht toppen. Alle bisherigen Taten zeichnen sich dadurch aus, dass sich die Täter mit früheren solchen Vorgängen identifiziert haben. Sie streben zum Teil an, frühere Täter zu übertreffen.

Es sollte daher durch das Schulamokveröffentlichungsgesetz der ernsthafte Versuch gemacht werden, durch eine beschränkte Nachrichtensperre (hinsichtlich der Täteridentität, s.o.)  diese Ursachenkette abzureißen und die Motivation, als Individuum wegen einer solchen Tat besonders herausgestellt zu werden, zu minimieren.

(Anmerkung: Ich habe den Gesetzesvorschlag etwas editiert, 20.03.,15.20 Uhr)

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34 Kommentare

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Genaus wichtig fände ich es, Schüler-Selbstmorde nicht weiter unter den Tisch zu kehren, sondern bspw. verpflichtend in der Gemeine, im Landkreis/der Stadt gemeinsam und öffentlich zu diskutieren, etwa in einem Gremium von Gemeinderat, Lehrern, Eltern und Schülern.

In Bayern hat sich vor 3 Jahren ein 17jähriger vor die S-Bahn gestürzt, weil er schwul war, deshalb in der Schule gemobbt wurde und damit nicht zurecht kam. Sein Vater hat dies öffentlich gemacht und setzt sich für den Abbau von Vorurteilen gegenüber schwulen Jugendlichen ein. Er hat dem Freitod des Sohnes somit vielleicht indirekt noch einen Sinn gegeben.

Von zwei anderen Schüler-Suiziden in meinem Landkreis habe ich nur erfahren, weil ich Schüler kenne, die mir davon berichtet haben. Bei diesen beiden Fällen gab es außer der Traueranzeige keinen einzigen Hinweis in der Presse. Der Amoklauf ist genau das Gegenstück: der junge Mensch will nicht mehr leben, aber die ganze Nation soll davon erfahren.

Ich verstehe, dass Eltern vielleicht nicht wollen, dass der Selbstmord ihres Sohnes (oder ihrer Tochter) öffentlich wird. Vielleicht fühlen sie sich selbst dadurch wie auf einer Anklagebank. Wenn wir aber andererseits am Postulat festhalten, dass Erziehung der Kinder eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein soll, -und auch die erweiterte Gemeinschaft Pflicht und Verantwortung trifft- dann müssen auch die Suizide junger Menschen, bei denen der Selbstmörder "nur" sich selbst in den Tod reißt, eine "öffentliche Sache" werden.
Wie sonst sollte es einen Fortschritt geben.

 

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@ 1

Es ist ja bereits heute in ungeschriebenes Gesetz, dass die Medien ist den meisten Fällen nicht oder nur am Rande über Selbstmorde berichten. Nur bei Prominenten läßt sich das wohl kaum vermeiden.

Der Zweck: Nachahmer sollen nicht animiert werden.

Ich finde daher den Ansatz bzw. die Idee von Herrn Prof. Müller richtig, auch wenn ein Amoklauf natürlich eine vollkommen andere Dimension erreicht.

"Freedom of speech"?

Und was ist mit den Berichten aus dem Ausland (deren Autoren diesem Gesetz wohl kaum unterworfen werden können)? - Muss Frau von der Leyen dann auch z.B. U.S.-Websites filtern lassen, die - warum auch immer - nach diesem Gesetz unzulässige Informationen verbreiten? Es ist ja noch nicht mal erforderlich, dass es sich um eine konkrete Namensnennung handelt; jeder, der in irgendeiner Weise über den Vorfall berichtet, wird sich der Gefahr aussetzen, wegen Verbreitung von "Angaben, die zu dessen Identifizierung führen können", verfolgt zu werden.

Vergessen Sie es. Es wird nicht funktionieren. Und darüber hinaus die Bürgerrechte weiter ramponieren.

So bitter die Erkenntnis insbesondere fuer Hochschullehrer im Jura-Bereich auch sein mag - es gibt Misstände auf dieser Welt, die sich nicht einfach durch ein neues Gesetz beseitigen lassen, wieviel Mühe man sich auch immer geben mag.

 

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Sehr geehrter Herr/Frau Code, sehr geehrter Herr Horns,

vielen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen. Es ist mir durchaus bewusst, dass mein Gesetzesvorschlag einen Eingriff in die Pressefreiheit bedeutet. Ich denke aber, dieser ließe sich weit eher legitimieren als manch andere Pressefreiheitsbeschränkung, die der Gesetzgeber erlassen hat oder die Exekutive in der Vergangenheit (insbes. etwa die Nachrichtensperre 1977) durchgesetzt hat.
Es geht ausdrücklich nicht darum, nicht mehr über Amokläufe berichten zu dürfen. Auch ist mein Präventionsansatz überhaupt nicht davon abhängig, dass alle Quellen vollkommen "dicht " gemacht werden. Es handelt sich ja nicht um eine Geheimhaltungsmaßnahme, insofern haben Sie den Ansatz nicht verstanden. Wenn es der deutschen Presse bei Strafe verboten ist, Namen und Bild des Täters zu veröffentlichen, ist die "Berühmtheit" schon soweit reduziert, dass der Zweck erreicht werden kann, auch wenn der Name des Täters irgendwo im internet oder in der lokalen Nachbarschaft verfügbar sein sollte. Es kann aber dann nicht mehr zu einer meines Erachtens amokfördernden personalisierenden Verherrlichung des "Helden" in legalen und weit verbreiteten Medien kommen wie sie in der vergangene Woche z.B. von "Spiegel" und BILD betrieben wurde.
Ich gehe dabei von zwei Annahmen aus: 1. Dass der Wunsch "Bedeutung" und "Berühmtheit" zu erlangen, bei den Schulamokläufern eine wesentliche Motivation ist. 2. Dass die Erfüllung dieses Wunsches durch einen Schulamoklauf erzielt werden kann - da es für einen "Normalmenschen" kaum einen anderen Weg gibt, auf die Titelseiten eines Massenmediums zu gelangen, als mit einer solchen Tat. Der Gesetzgeber kann nicht viel tun, aber er könnte hier tatsächlich diese zweite Annahme "austrocknen".

Anders als Killerspiele verbieten und Waffenrecht verschärfen könnte hier wesentlich direkter angesetzt werden.
Sehr geehrte/r Herr/Frau Gast,
bei Suiziden kann  ein unter-den Teppich-kehren schädlich sein. Es geht mir auch nicht darum, die Tat selbst zu verschweigen. Aber auch bei Suizid ist fraglich, ob man mit einer Namens- und Bildveröffentlichung des Suizidenten jemandem nützt.

Beste Grüße

Ich glaube kaum, dass jemand 15 Menschen und anschließend sich selbst tötet mit der (alleinigen) Motivation, auf der Titelseite des Spiegel zu landen. So eindimensional werden die Ursachen nicht sein. Ob sich ein Täter künftig denkt "Der Spiegel darf kein Foto von mir abdrucken, also lass ich das mit dem Amoklauf doch besser bleiben", kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Und wo zieht man dann die Grenze? Veröffentlichungsverbote auch im Fall von anderen Gewaltdelikten, in denen es um Aufmerksamkeit geht?

Die Presse muss vor allem selbst wissen, was veröffentlichungswürdig ist und was nicht. Der Staat kann das nicht vorschreiben. Anstand lässt sich nicht erzwingen. Und, wie schon mein Mitkommentator gesagt hat, nicht jedes gesellschaftliche Problem lässt sich durch den Erlass eines neuen Gesetzes aus der Welt schaffen.

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Ungeheurer Bullshit! Was für ein Demokratieverständnis! Was für ein Staatsverständnis! Und: Plötzlich die 70er, die RAF-Phase als Vorbild für staatliches Agieren! Un-glaub-lich!

Was haben Sie eigentlich für ein Bürger/Staat-Verständnis? Kein freiheitliches, soviel steht fest.

Außerdem ist der Vorschlag vor dem Hintergrund der aktuellen Medienkultur, insbesondere des "Bürgerjournalismus" (ich paraphrasiere absichtlich), absolut albern.

Armes Deutschland. Ich dachte erst, der Artikel sei als Satire auf die ganze Verbotsdiskussion gemeint. Die Kommentare erschrecken mich dann über alle Maße.

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Sehr geehter Herr/Frau Code,

selbstverständlich sind die Ursachen nicht eindimensional, selbstverständlich ist das Geschilderte nicht die "alleinige" Motivation - so etwas habe ich nicht behauptet und würde es auch nie tun. Und Sie haben Recht, bei den meisten Ursachen wird man mit Gesetzen gar nichts tun können.
Ihr Beispiel soll mein Argument ins Absurde lenken, aber es ist glaube ich, zu kurz gedacht: Die speziellen Taten namens school shooting spielen sich auf dem Hintergrund der Entwicklung moderner Massenmedien (seit ca. 15 Jahren) ab. Viele der anderen Problemlagen Jugendlicher gab es auch schon früher, ohne dass school shootings wahrnehmbar vorkamen (sie sind immer noch sehr selten, aber es gibt eine gewisse Häufung in den letzten 10-20 Jahren).
Der Wunsch, in der Öffentlichkeit Bedeutung zu erlangen, lässt sich durchaus als ein wichtiges Merkmal vergangener Schulamokläufe feststellen. Es gibt leider eine (traurige) Tendenz der school shootings zu einem kulturellen Phänomen (inkl. "High-Score-Cards" der Amokläufe im internet, entspr. Filmen auf you tube etc.) - vielleicht ist es deshalb auch schon zu spät für meinen Vorschlag, das räume ich ein.

"Die Presse muss vor allem selbst wissen, was veröffentlichungswürdig ist" - da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. "Die Presse" gibt es gar nicht, die Presse sind miteinander konkurrierende einzelne Unternehmen und es geht v.a. um Auflage, weniger um Würde. Wenn der Konkurrent Unwürdiges veröffentlicht und damit Kasse macht, muss der andere das auch tun. Ich formuliere einmal provokativ: Ein Gesetz würde es Presseorganen ermöglichen, auf die Identifikation des Täters zu verzichten, ohne wirtschaftlich Schaden zu nehmen.

Ich bin  weder naiv noch gesetzessüchtig, ganz im Gegenteil. Ich habe mich hier im Blog sowohl gegen den Vorschlag, Computerspiele zu verbieten als auch gegen eine Verschärfung des Waffenrechts ausgesprochen. Aber sollte man, wenn man nicht gleich alle Ursachen (und alle gesellschaftlichen Probleme) gesetzlich beseitigen kann, dann lieber gar nichts tun? So pessimistisch verstehe ich Ihren letzten Satz.

Beste Grüße

@Hans-Werner,
ich wüsste nicht, an welcher Stelle ich die RAF-Phase als Vorbild für staatliches Agieren (es war im Übrigen eine "freiwillige" Nachrichtensperre, die weit über das hier vorgeschlagene hinaus ging) herangezogen hätte. Ich habe es doch deutlich als Gegenbeispiel benannt, das sich weit weniger legitimieren ließe, wenn man meinen Vorschlag für verfassungsrechtlich nicht durchführbar hielte.
Mein freiheitliches und demokratisches Verständnis lässt sich aus meinen übrigen Veröffentlichungen hier und anderswo sicherlich ebenfalls beurteilen.

Besten Gruß

Der Vorschlag, durch eine beschränkte Nachrichtensperre, die Ursachenkette zu unterbrechen und damit die Motivation zu minimieren, hat gleichsam auf dem Fuße heftigste Reaktionen hervorgerufen. Scharfe Polemik allein entwertet die Debatte um den Vorschlag völlig. Eine sachlich geführte Argumentation anzustoßen, um die Argumente pro und contra "zu sammeln", dazu soll gerade der Blog dienen. Gerade von denjenigen, die sich so apodiktisch dagegen aussprechen, würde ich gerne wissen, ob aus deren Sicht der angesprochene Hintergrund - Unterbrechen der Kausalkette und Minimieren der Motivation - kein Anliegen ist, das weiter verfolgt werden sollte. Welche Argumente diese Auffassung stützen, würde mich wirklich interessieren; denn noch bin ich da ganz anderer Meinung und würde mit Ihnen auch gerne darüber diskutieren, ob dieser Ansatz auch auf andere Weise noch umgesetzt werden könnte als durch eine beschränkte Nachrichtensperre. Vielleicht ist die Presse von sich bereit so zu verfahren, wenn der Ansatz überzeugt. Dass die Presse durchaus geschlossen verantwortungsvoll agiert, habe ich vor kurzem im Blog (im "Startbeitrag") angesprochen.

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

ich glaube, wir haben uns schon gegenseitig richtig verstanden. Dennoch kann ich Ihre Meinung nicht teilen.

Ich verstehe Sie so, dass Sie der Auffassung sind, der Staat müsse "der Presse" (ich verwende den Begriff bewusst verallgemeinernd, den nicht anders müsste ja auch das von Ihnen vorgeschlagene Gesetz gefasst sein, vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG) inhaltliche Vorgaben über Art und Inhalt der Berichterstattung machen, um Amokläufern nicht die Bühne zu geben, die sie suchen und die andere eventuell zur Nachahmung animiert. Sie fordern also staatliche Intervention zur Beseitigung eines vermeintlichen Missstandes.

Mit Ihrem Argument, man müsse zumindest das tun, was möglich ist und möglicherweise einzelne Ursachenstränge ausschließt, könnte man jede Art von Repression rechtfertigen. Für (mit-) kausal für Amokläufe werden gehalten: Musik, Pornographie, Computerspiele, Schützenvereine, Waffen, soziale Ausgrenzung, Horrorfilme usw. Wollen Sie das alles verbieten, weil es möglicherweise künftige Amokläufe mit verursachen könnte? Sie merken sicherlich, dass sich mit Ihrem Argument, man müsse tun, was möglich ist, auch die Einführung des Polizeistaates rechtfertigen ließe. Ihr Argument ist daher zwar eines, das man häufig hört, das aber gerade wegen seiner vermeintlichen Eingängigkeit und inneren Logik besonders gefährlich ist.

Was berichtet werden kann und soll muss die Presse schon nach den Regeln ihrer Eigenrationalität entscheiden. Ich glaube nicht, dass der Staat es besser weiß. Um Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen, ist der Staat in der argumentativen Bringschuld. Die diffuse Vermutung, dass ein inhaltliches Verbot bestimmter Berichterstattung möglicherweise künftige Amoktäter demotivieren könnte, kann in einem der Rationalität verpflichteten Rechtsstaat derart intensive Eingriffe in die Pressefreiheit kaum rechtfertigen.

Ich teile Ihre Auffassung, dass die Medienberichterstattung der letzten Tage nicht besonders gelungen war. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass sie in vielem schlichtweg ungeheuerlich geschmacklos, ja schon fast gewaltpornographisch war. Ich würde mich trotzdem nicht zur Stimme der Vernunft erklären, die anderen vorschreibt, was und wie sie zu berichten haben. Ich kaufe bestimmte Blätter einfach nicht mehr. So sollten sie es auch handhaben - damit werden Sie mehr Erfolg haben, als mit gesetzgeberischen Schnellschüssen.

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Ich denke, Ihr Vorschlag zum Schulamokveröffentlichungsgesetz hat Licht und Schatten.

Was ich für sinnvoll halte, ist eine gewisse "Lenkung" der Medien. Niemand, der die Berichte über die school shootings verfolgt hat, kann behaupten, dass diese nicht auf reiner Sensationsgier beruhten. Durch das Verbot, den Namen zu nennen, kann man wenigstens eine Idolisierung des Täters verhindern- wenigstens seitens der Medien, die leicht zugänglich sind.

Soweit ich Herrn Prof.Dr.Müller richtig verstehe, geht es nicht um das generelle "Verhindern der Pressefreiheit" (ein besserer Ausdruck ist mir leider nicht eingefallen), sondern nur eine Beschränkung hinsichtlich des Täters.

Ob dies allerdings wirklich realisierbar ist, ist eine andere Frage. Könnte es nicht passieren, dass durch die Nicht-Nennung des Namens Jugendliche, die bereits andere Amokläufer "verehren", geradezu zu einem Herausfinden des Namens herausgefordert werden, oder Seiten kreieren, auf denen der Name genannt wird? Es ist doch meistens so, dass etwas, was verboten ist, unglaublichen Reiz ausübt.

Das Verbot zur Namensnennung hat durchaus Sinn, ich würde allerdings versuchen, einen Wandel in den Köpfen der Medien zu erwirken, zwar wahrheitsgemäß, aber weniger reißerisch über solche Taten zu berichten.

Pressefreiheit ja- aber Freiheit muss man auch sinnvoll gebrauchen können, und dies ist derzeit eher selten.

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Ich möchte zunächst für meinen Tonfall oben um Entschuldigung bitten. Man sollte nie überstürzt kommentieren, ich bitte um Verzeihung. Nach erneutem Lesen des Artikels erscheint er schon deutlich "theoretischer". Aber: Ich bin nichtsdestotrotz sehr bestürzt über diesen Vorschlag. Meine polemisch formulierte Kritik halte ich doch für inhaltlich nicht fernliegend.

Solch ein Verbot wird schwerlich durchsetzbar sein. Ausländische Presse wird ebenso wie das Internet solche Versuche ad absurdum führen.

Die Kausalkette ist m.E. rein gar nicht nachgewiesen, sogar mangels entsprechender Häufigkeit nicht einmal wirklich nachweisbar.

Der Eingriff ist durchaus erheblich. Erst recht, wenn man ein abstraktes Gefährdungsdelikt daraus macht.

Verbote sind bei Meinungsäußerungen immer ein Zeichen von Durchsetzung von Moralvorstellungen. Auf rechtlichem Wege kann das nie gut sein. Hier dient es nicht einmal mehr dem Ehrschutz; die Lage bei der Volksverhetzung oder dem Aufruf zu Straftaten sehe ich auch nicht unbedingt als vergleichbar an.

Und kurz zu #12: Wenn der Staat darüber entscheidet, was ein sinnvoller Gebrauch der Freiheit ist und alle anderen Gebrauche kriminalisiert, dann stimmt doch irgendwas nicht. Welcher Freiheiten kann man sich denn dann durch Falschnutzung begeben?

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Sehr geehrter Herr/Frau code,
mein Vorschalg ist in etwa so gemeint, wie Sie es in Ihrem ersten Absatz sagen. Aber Ihren Gegenargumenten kann ich nicht zustimmen. Sie meinen, wenn man ein Gesetz einführt, um einen Missstand zu beheben, würde dies mittels meiner Argumentation auf direktem Weg in den Polizeistaat führen. Mit diesem Fehlschluss wäre allerdings die ganze bisherige Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland auszuhebeln: selbstverständlich kann der Gesetzgeber sich bemühen einen Missstand per Gesetz zu beheben, genau dazu ist doch u.a. der Gesetzgeber da!
Wenn ich "möglich" schrieb, meinte ich natürlich verfassungsrechtlich möglich, und das bedeutet, der Eingriff in Art. 5 GG muss geeignet, erforderlich und proportional sein. Wie ich an anderer Stelle geschrieben habe, halte ich etwa das Verbot von so genannten Killerspielen weder für geeignet (insbes. da diese Spiele trotzdem besorgt werden können) noch für proportional. Ähnliches gilt etwa für ein vollständiges Verbot privaten Waffenbesitzes. Aber halten Sie es etwa für illegitim, den privaten Waffenbesitz zu beschränken und die Aufbewahrung gesetzlich zu regeln? Ich denke nein. Warum sollte dann ein so begrenzter Vorschlag wie meiner zum Polizeistaat führen?
Worum gestritten werden kann, ist natürlich, ob mein Vorschlag einer sehr begrenzten Nachrichtensperre (nur die Identität des Täters betreffend) geeignet, erforderlich und proportional ist. Das hängt u.a. davon ab, ob man der zugrunde liegenden Annahme folgt, den Schulamoktäter ginge es (u.a.) um Erlangung von "Ruhm" und dieser beruhe auf der Wahrnehmung in verbreiteten Medien.
Mein Gesetzesvorschlag wäre natürlich auch obsolet (mangels Erforderlichkeit), wenn sich die Presse freiwillig zurückhielte und hier ein ungeschriebenes Agreement bestünde, die Täteridentität nicht mehr so herauszustellen. Dies wäre auch mir weit lieber als die Verabschiedung des Gesetzes.

Zu Ihrem Vorschlag, die entspr. Medien nicht mehr zu kaufen. Ich kaufe diese nicht, aber ob ein solcher persönlicher Boykott etwas bringt in Zeiten, in denen sich der hoch geachtete Ex-Bundespräsident Richard v. Weizsäcker nicht schämt, für ein Blatt wie BILD Werbung zu machen?

Sehr geehrte Studentin,
Ihr Einwand, das Verschweigen des Namens könnte dazu führen, den Täter erst Recht namhaft zu machen. Ich habe oben schon zu einem ähnlichen Einwand Stellung genommen. Es geht nicht um strenge Geheimhaltung, m.E. würde es schon etwas bringen, wenn sich die "Berühmtheit" auf einen engeren Kreis beschränken ließe. Aber, da haben Sie recht, das ist vielleicht etwas spekulativ von mir.

Sehr geehrter  Hans-Werner,
ich freue mich, dass Sie sachlich weiter diskutieren. Es ist auch treffend, dass hier noch einiges umstritten ist und man aufgrund der Häufigkeit (Seltenheit) der Amokläufe noch kaum etwas sicheres sagen kann. Ich halte allerdings den vorgeschlagenen Eingriff für nicht übermäßig. Das Gesetz muss natürlich so formuliert werden (das habe ich in meienr ersten version noch nicht geschafft), dass eine Behinderung der Presse in der Aufklärung nicht erfolgt. Über (vermeintliche) Ursachen muss frei dikutiert werden können. Im Vergelich zu anderen Pressebeschränkungen (etwa das von Ihnen angesprochene Persönlichkeitsrecht/Recht am eigenen Bild) ist mein Vorschlag kaum als disproportional einzustufen.

Beste Grüße

Schön, nach anfänglichem Holpern entwickelt sich die Diskussion ja doch noch. Ich halte Herrn Prof. Müllers Vorschlag für Interessant, weil er in eine Richtung geht, in die in letzter Zeit offenbar mehrere Köpfe denken, wenn Sie sich Gedanken um die Pressefreiheit machen. Man muss natürlich anerkennen, dass es gut ist eine unabhängige und weitgehend frei agierende Presse zu haben. Aber wir richtig festgestellt wurde, ist die Presse eine Ansammlung von nicht allein zur Erfüllung des grundrechtlich zugedachten Auftrags agierenden Unternehmen. Um es klar zu sagen: Dem in früherer Zeit bei der Auslegung des Grundgesetzes gemachtem Vorschlag, Begriffe wie Seriösität, Werthaltigkeit, politisch Interessant zur Voraussetzung eines Grundrechtsschutz zu machen, ist sinnvoller Weise eine Absage erteilt worden, weil die Grenzen des Grundrechts schlicht nicht mehr bestimmt wären. Doch höre ich aktuell (von presserechtlichen Urteilen etc.) immer häufiger den Vorschlag, der Presse die Berichterstattung in Fällen, wo Grundrechte anderer durch die Berichterstattung tangiert werden, derart einzuschränken, dass der Vorfall vollumfänglich dargestellt werden darf, aber gewisse individualisierende Details oder Bilder unterbleiben sollen, weil Sie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit keinen Mehrwert bringen. An dieser Argumentation ist schon etwas dran. Ich muss nicht wissen, wie der Selbstmordattentäter aussieht, um die historische Dimension des Vorfalls einordnen zu können und mir über gesellschaftliche oder politische Konsequenzen Gedanken machen zu können. Man muss natürlich vorsichtig vorgehen. Der Grundrechtsschutz der Presse darf nicht "verwischt" werden. Ich betrachte mich übrigens als geradezu leidenschaftlicher Verfechter des Rechtsstaates und bin sonst bei Grundrechtseinschränkungen skeptisch. Aber es ist schon erstaunlich, was wir Journalisten, die auch nur Bürger sind, so alles erlauben. Und der Schluss auf die "Karrieregeilheit" der Amokläufer scheint mir so fernliegend nicht.

Eins noch: Ich kann sie zwar nicht erkennen, aber einer der Autoren hier mag Gründe haben, warum er Musik für einen möglichen Faktor solcher Anschläge hält. Ebenso wie jedoch Herr Prof. Müller kein Presseverbot fordert, wird auch ein Musikverbot nicht sinnvoll sein. Sollten derjenige aber Ansatzpunkte aufzeigen können, wie man also durch Einschränkung der Kunstfreiheit eine zumindest im Bereich des wahrscheinlichen und überzeugbar darstellbaren Kausalverlauf unterbrechen kann, wenn dabei der Grundzweck der Kunstfreiheit nur marginal berührt wird, so kann selbstverständlich auch darüber nachdenken. Doch auch nur dann. Da bei dem hier vorgeschlagenen Gesetz das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nur in einem vergleichsweise irrelevanten Detail gestört wird, der Eingriff in den Kausalverlauf aber keinesfalls fernliegend ist, hat der Vorschlag etwas für sich.

Die meisten Vorschläge zu Grundrechtseinschränkungen in den letzten Jahren fand ich furchtbar und argumentativ mäßig durchdacht. Das heisst aber nicht, dass das Nachdenken über Grundrechte tabu sei. Wer einen schlauen Vorschlag macht, sollte immer gehört werden. Man kann ihn immer noch fortschicken, wenn man bessere Argumente hat. Dazu reicht es aber nicht aus, wenn man nur seiner grundsätzlichen Abneigung gegen Relativierung von Grundrechten Ausdruck verleiht. Da muss schon mehr kommen.

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Ich war in festem Glauben, daß es sich bei obigem Artikel um eine Satire gehandelt hat. Aber Sie meinen das tatsächlich ernst?! 

 

Haben Sie diesen Vorschlag mal in einem Hörsaal getestet? ;) 

 

Viele Grüße

Tom

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Es ist vorlesungsfreie Zeit. Der Hörsaal ist also zur Zeit hier im blog.

Der Eindruck einer Satire mag sich daraus ergeben, dass ich einen Eingriff in die Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG) vorschlage. Da reagieren Viele empfindlich und meinen, man könne das wohl nicht ernsthaft vertreten. Aber ich denke, der Eingriff, den ich vorschlage, ist weit weniger umfangreich als § 130a StGB, er ist auch ein geringerer Eingriff als etwa § 48 JGG. Er ist in der Proportion vergelichbar mit  § 353d StGB oder mit § 22 KunstUrhG. Bei all diesen Normen denkt niemand, der Gesetzgeber  habe den Polizeistaat vorbereitet oder die Parteien oder Abgeordneten, die dies einmal vorgeschlagen haben, hätten das satirisch gemeint. Die diesen Gesetzen zugrundeliegenden Annahmen der Wirksamkeit sind keineswegs weniger diffus als meine Annahme die Motivation der Amokläufe betreffend.

Henning Ernst Müller schrieb:

Es ist vorlesungsfreie Zeit. Der Hörsaal ist also zur Zeit hier im blog.

Der Eindruck einer Satire mag sich daraus ergeben, dass ich einen Eingriff in die Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG) vorschlage. Da reagieren Viele empfindlich und meinen, man könne das wohl nicht ernsthaft vertreten. Aber ich denke, der Eingriff, den ich vorschlage, ist weit weniger umfangreich als § 130a StGB, er ist auch ein geringerer Eingriff als etwa § 48 JGG. Er ist in der Proportion vergelichbar mit  § 353d StGB oder mit § 22 KunstUrhG. Bei all diesen Normen denkt niemand, der Gesetzgeber  habe den Polizeistaat vorbereitet oder die Parteien oder Abgeordneten, die dies einmal vorgeschlagen haben, hätten das satirisch gemeint. Die diesen Gesetzen zugrundeliegenden Annahmen der Wirksamkeit sind keineswegs weniger diffus als meine Annahme die Motivation der Amokläufe betreffend.

Angesichts der Tatsache, dass viele Medien mit der Winnenden-Berichtserstattung nur Kasse machen wollen, sollte auch die Frage diskutiert werden, ob anstatt Art. 5 nicht Art. 12 GG betroffen ist.
Und sonst: Was interessiert eigentlich der Name oder das Bild des Täters? Ich kann da wahrlich kein schützenswertes Informationsinteresse erkennen.

Ich halte den Vorschlag für überaus diskussionswürdig. Dass er nicht unsinnig ist, zeigt sich schon daran, wie schwer es denjenigen, die dagegen sind, fällt, eine substantiierte Gegenargumentation vorzutragen. "Polizeistaat" ist ein Totschlagsargument, zumal das Gesetz einen mimimalen Anwedungsbereich hätte.

An der unglücklichen Berichterstattung sind aber nicht nur die Medien schuld. Auch Herr Innenminister Rech und seine Mitarbeiter sollten sich einmal selbstkritisch hinterfragen. Unabhängig davon, dass die Information, der Täter habe die Tat im Internet angekündigt, falsch war: Warum muss eine solche Information sofort weitergegeben werden? Ich verstehe das wirklich nicht.

In der Hauptsache muss aber mit Blick auf die Medien etwas passieren. Zwar hat sich seit der Geiselnahme von Gladbeck schon einiges getan. In den letzten zwanzig Jahren hätte aber durchaus mehr passieren können und müssen.

Neben der Frage nach dem künftigen Umgang der Medien mit solchen Taten ist für mich auch die Frage zentral, ob man die Lagerung von Waffen in Privathaushalten verbieten sollte. Bezüglich dessen muss ich mich wiederholen: Auch hier ist wahrlich kein schützenswertes Interesse zu erkennen.

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Ein Vorschlag, der in die richtige Richtung geht. Früher wurde in den Medien auch nicht über Suizide auf den Bahngleisen berichtet, um keine Nachahmer anzuregen.

 

Wer so "glorifiziert" wird, als Killer als Titelseiten von großen Magazinen auftaucht, der regt andere zur Nachahmung an, weil diese so auch eine Möglichkeit sehen, ihre mickrige Existenz auf einen Schlag aufzuwerten

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Lieber Prof. Müller,

 

Ihre Initiative ist begrüßenswert! Auch ich hatte den Eindruck, dass ein Teil der Medien kommerzielle Interessen über ihre journalistische Verantwortung gestellt hat. Wenn diese Medien, die vom Gesetzgeber eingeräumten weiten Freiheiten nicht verantwortungsbewusst wahrnehmen und dadurch erheblichen Schaden anrichten, ist die Diskussion einer Einschränkung angebracht.

Bedenken bei einem staatlichen Verbot habe ich aber aus zwei Gründen. Ganz allgemein sollte ein Verbot, das im Zweifel noch strafrechtlich sanktioniert ist, das letzte Mittel darstellen. Ich möchte hier nicht ausufernde rechtshistorische Argumentationen führen, da die Gründe allgemein bekannt sind und von Ihnen bei der Ersinnung Ihres Vorschlages sicherlich ausführlich gewürdigt wurden.

Zum anderen ruft gerade Ihr Verweis auf § 22 KunstUrhG Bedenken bei mir hervor. Mir fallen dazu viele Beispiele bei einer Zeitung mit wenigen großen Buchstaben ein, die belegen, dass diese Norm wenig Durchsetzungskraft hat.

Meines Erachtens sollten Bekämpfungsmaßnahmen an die mit der unangemessenen Berichterstattung verbundenen wirtschaftlichen Interessen anknüpfen. Die aus der Berichterstattung geschöpften wirtschaftlichen Vorteile sollten dem Medium genommen werden können. Um der Missbrauchsgefahr durch den Staat vorzubeugen, sollte diese Möglichkeit aber nicht dem Staat, sondern den Opfern der Berichterstattung eröffnet werden. Ich könnte mir ein Gesetz vorstellen, dass den Opfern (bzw. den Angehörigen) die Möglichkeit bietet, als Schadensersatz den durch die Berichterstattung erzielten Gewinn einzuklagen. Natürlich sind damit erhebliche Beweisschwierigkeiten verbunden. Vielleicht müsste man sogar mit ein Gewinnvermutung und richterlichem Ermessen bei der Gewinnschätzung sowie der Schätzung des Beitrags des betroffenen Berichts zum Gewinn operieren.

Wichtig sind mir dabei nur zwei grundlegende Punkte. Der Staat sollte bei solchen Maßnahmen nicht das Heft in der Hand haben, um Missbrauch vorzubeugen und die betroffenen Medien sollten dort gepackt werden, wo es ihnen weh tut, bei ihren wirtschaftlichen Interessen.

Unabhängig davon sollten die Behörden - soweit das nicht bereits der Fall ist - ihre Opferberatung und -unterstützung auch auf die Beratung bei rechtlichen Maßnahmen gegen rechtswidrige Medienberichterstattung erstrecken, soll heißen, auf die Möglichkeit, mit Hilfe eines Anwalts dagegen vorzugehen, aufmerksam machen usw.

 

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Eine Regelung zur Einschränkung der Berichterstattung bei Amokläufen ist richtig. Eine Einschränkung der Berichterstattung kann aber auch ohne Gesetz erreicht werden.

Eine freiwillige Berichterstattung ohne Tätergesicht und ohne vollständige Namensangabe (Beschränkung der Berichterstattung) würde dem Zweck des vorgeschlagenen Amokgesetzes nahe kommen.

Bei Selbstmördern gibt es eine freiwillig Pressebeschränkung, gerade wegen der  Nachahmungsgefahr von selbstmordgefährdeten Personen.

Zwar hat eine Amoktat eine ganz andere öffentliche Dimension (daher größeres Informationsinteresse), aber gerade wegen den Folgen einer Amoktat ist eine amoklaufgefährdete Person für die Allgemeinheit auch viel gefährlicher und rechtfertigt eine Berichtersattung ohne Tätergesicht (z.B. auf der Titelseite) und vollständiger Namensnennung.

 

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sehr geehrte mitstreiter;-)

es wäre interessant zu wissen, ob die polizei nach der tat in winnenden vermehrt mit "vermeintlichen" amokläufen an schulen konfrontiert war/ist. gibt es hierzu untersuchungen nach der tat in erfurt?

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Sehr geehrte/r Herr/Frau Gast,
googeln Sie einfach einmal "Winnenden Nachahmung" oder eine ähnliche Kombination, Sie werden überrascht sein. Das sind natürlich alles keine ernstgemeinten Drohungen, die aber trotzdem ernst genommen werden müssen, um nichts zu riskieren. Mir geht es um die tatsächliche Nachahmung, die sich insbes. nach dem school shooting von Columbine weltweit in einigen Ländern ergeben hat.

Sehr geehrte/r Frau/Herr Gast,

nach Winnenden scheint mir die Zahl der "Trittbrettfahrer" aus örtlicher Sicht besonders hoch zu sein. Mittlerweile untersucht die Polizeidirektion Straubing in ihrem Zuständigkeitsbereich Straubing sowie den Landkreisen Straubing-Bogen, Deggendorf und Regen insgesamt neun Fälle, in denen Schüler Straftaten androhten. Der Polizeisprecher sagte dazu: "In einigen Fällen steckt Blödsinn dahinter. Einige Schüler haben aber einen problematischen polizeilichen oder familiären Hintergrund." Gegen zwei 14-und 15-jährige Mädchen, dabei soll es sich um den gravierendsten Fall handeln, ist ein Haftbefehl nur unter Auflagen außer Vollzug gesetzt worden (Quelle: Straubinger Tagblatt  vom 211.3.2009 S.33).

Mit freundlichen Grüssen

Bernd von heintschel-Heinegg 

 

 

Hier überwiegen die kritischen Kommentare; ich finde die Idee von Herrn Prof. Müller toll. Habe diesen Beitrag viel rumgemailt, viele waren angetan. Überhaupt, Herr Prof. Müller ist eine große Bereicherung für den beckblog.

Endlich mal eine neue Idee jenseits des üblichen Killerspiel-/Waffenverbots. Eine Idee, die meines Erachtens auch viel weniger als vorgennante Vorschläge in Freiheiten von Unbeteiligten eingreift: Mir und schlichtweg jedem Vernünftigen ist der Name des Attentäters egal (auch wenn man diesen Punkt nicht ganz verallgemeinern kann, vgl. #15), hingegen ist es mir wichtig, mich jede Woche mehrere Stunden an meinem Hobby Counterstrike/Waffen zu ergötzen. Hundertausende andere würden zustimmen.

Ansonsten kommt man hier schnell ins Grundsätzliche: das Verhältnis individueller Freiheit zu staatlicher Regulierung (Stichwort Polizeistaat); in welchem Umfang das moralisch wünschenswerte rechtlich hergestellt werden sollte (wäre nicht eine Selbstverpflichtung besser?); inwieweit man in der Politik geordnete Experimente einsetzen sollte usw. Ein endloses Thema, wo jeder seine Standardansicht & -argumente auspacken kann. Was nichts bringt, weil praktisch nie was neues geäußert wird und man sich eh nicht überzeugen lässt. Was aber schön ist und Spaß macht: Mich juckt es auch in den Fingern, vgl mein Nachtrag im post scriputm.

Am interssantesten in den Kommentaren fand ich in #2 den Hinweis auf Selbstmorde. Sie sind eine Epidemie, von der ständig nur so wenige Menschen betroffen sind, dass es sich nicht lohnt über sie zu berichten.

[Im Folgenden also eine – OT (off-topice,?) - allgemeine Medien-/Gesellschaftskritik.]

Selbstmorde sind ein wirkliches Gesellschaftsproblem, bei dem es für die Politik/Gesellschaft noch etwas zu tun gibt. Bei den extrem selten, viel Schaden verursachenden Amokläufen kann man nichts großes mehr tun: Erstens dürften sie etwas von „Schwarzen Schwänen“ anhaben: der nächste Attentäter hat unvorgesehen sich mit Sachen aus der Apotheke Handgranaten gebaut; der nächste aus Handybatterien einen tödlichen Taser usw. Wir wissen noch gar nicht, was man alles verbieten sollte. Amokläufe sind so extrem selten, dass jede wirklich wirksame Maßnahme dagegen (wie ein absolutes Waffenverbot, permanente Waffenkontrollen an Schulen) exorbitant hohe Kosten/Aufwand verursachen würde. Kosten sind nicht nur unmittelbare €-Verlust, sondern wären auch der Verlust eines freiheitlichen Gemeinwesens. Meine Überzeugung: In einer freien Gesellschaft ist ein gewisses Niveau an Amokläufen, Mord usw unvermeidbar; die Frage ist nur, wie viele man hinnehmen will. Ich glaube, wir vertragen noch ein paar mehr Amokläufe.
Zu den Kosten: Deshalb finde ich Prof Müllers Vorschlag auch noch bedenkenswert, als er wenig aufwendig ist. Was wir ansonsten haben, sollte ausreichen: Hätte der Vater sich ordnungsgemäß verhalten, hätte der Sohn nie die Pistole im Schlafzimmer finden können. Es ist hier genau wie bei Flugzeugentführungen. Dass zB 4 Entschlossene mit Nagelfeile, einer zerbrochenen CD und einer Häckelnadel aktiv werden, wird man nie verhindern können, denn normale Einlasskontrollen an Flughäfen produzieren viel zu viele falschpositive Treffer bzw. bei wem ein Messer gefunden wird, kann gehen und es demnächst nochmal versuchen. Und selbst eigentlich viel stärker geschützte Gefägnisse kriegt man schwerlich waffenfrei. Was nützt - gute Cockpittüren einbauen - wurde bereits getan. (zu Sicherheitsdesign hochinteressant: schneier.com) Ähnlich mit den Waffenrechtsverschärfungen nach 2002. Will man zB jetzt jeden, der seine Waffe nicht weggeschlossen hat, obwohl nichts passiert ist, für 2 Jahre wegsperren. Nur dann hätten wir eine gute Abschreckung, aber das wäre offensichtlich unverhältnismäßig.
Anders bei den Selbstmorden: Die Ursachen sind fast immer die gleichen, sie zu bekämpfen ist weniger aufwendig und verursacht weniger Belastungen: und wenn man mal jemand erwischt, der nicht selbstmordgefährdet, sondern nur regulär depressiv ist, ist auch dies eine gute Tat.
Zu Amokläufen: Die allgemeine Betroffenheit in der normalen Bevölkerung über den Amoklauf ist natürlich auch ein Leid, das man verhindern sollte. Das wahre Leid liegt aber nur bei den Angehörigen. In Winninden sind es nur 15 Familien. Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 10 000 Menschen durch Selbstmord. Viele davon gut vermeidbar, und ohne [guten] Grund. Auch wenn ein Tod durch Amoklauf/Mord schlimmer ist, als ein "freiwilliger" durch Suizid. Das Zahlenverhältnis bleibt erschreckend. Gut, letzteres geht ein bißchen in die Richtung, den Wert, den wir dem Leben zuschreiben, explizit zu quantifizieren, was wir hier in Deutschland böse finden (was auch für das gesellschaftliche Klimna vielleicht gut ist); implizit quantifizieren wir es doch aber immer wieder....

PS (zum Verhältnis Freiheit - staatliche Regulierung): Oben wird hier eine Form des Arguments der schiefen Ebene herausgeholt: Das hier vorgetragene Argument "(mögliche) Kausalität + kleiner Freiheitseingriff = also kann ich gesetzlich regulieren" kann von der logischen Struktur zur Rechtfertigung aller staatlicher Kontrolle/Übel herangezogen werden, wenn man nur den kleinen Freiheitseingriff entsprechend definiert. Ja, das stimmt. Allein nach dem äußeren wird aber nur der (gedankliche) "Extremist" (hier zB ein maximal libertärer) urteilen können. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, ein unabänderliches Moral-/Richtigkeitskrierium anzuwenden (nach dem Motto, es gilt nur der Utilitarismus usw.), sondern alles kann je nach Situation eingeschränkt werden müssen. Das Leben ist nunmal ein einziges Grau. Dem Abwägen hängt nunmal immer ein gewisses willkürliches Element an, es besteht also auch immer die Gefahr, dass wir als Gesellschaft dann falsch abwägen. Aber klare Regeln helfen meines Erachtens auch nicht: Wenn wir etwas nur schlimm genug finden, werfen wir alle Regeln über Bord, vgl. die Rhetorik, das nach 9/11 alles anders sei und was dann alles vorher undenkbare passiert ist.

Zwei Assoziationen zum Thema "wegen ungesicherter Erkenntnisse sicher die Freiheit einschränken":

Mir fällt spontan noch ein Verweis auf das Vorsichtsprinzip/precautionary principle ein: Monsantos Freiheit, sein Hauptprodukt - gentechnisch veränderten Samen - zu vermarkten, wird verboten, weil möglicherweise Schäden für die Gemeinschaft/Freiheiten anderer entstehen. Wie Schäden entstehen sollen, ist nicht belegt. Also liebe Freiheitsfreunde, ihr wollt das erlauben oder wo ist der Unterschied?

Eine weitere Frage an alle absoluten Freiheitsverfechter: Das Unternehmensdelikt des Sich-Verschaffens von Kinderpornographie, 184b IV 1 StGB, ist böse, oder? Da ist ebenso, wenn auch häufig kritisiert, die nicht auszuschließende Mitverusachung echten Kindesmißbrauchs die herrschende Rechtfertigung. Und wir sind uns ja alle einig, dass ein dem freiheitlichen Rechtsstaat angemessenes Strafrecht nur dem Rechtsgüterschutz dienen darf. Das kann man hier sehr gut verneinen. Also Freiheit auch für Kinderpornokonsumenten? Oder ist die These vom Rechtsgüterschutz als einzige Daseinsberechtigung des Strafrechts nur "Heuchelei" (vgl. Inzestparagraph)? Gut das strafrecthliche Verbot des Besitzsverschaffens von medialen Reproduktionen eines Kindesmißbrauches könnte man noch mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Kinder zu rechtfertigen versuchen. Wie sieht es dann aber mit dem kategorischen strafrechtlichen Verbot von Gewaltpornographie aus?

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Heute wird auf Spiegel-Online ein Brief der Angehörigen der Opfer von Winnenden dokumentiert. Unter anderem finden sich dort diese Äußerungen:
"Auf nahezu jeder Titelseite finden wir Namen und Bild des Attentäters. Diese werden Einzug finden in unzählige Chatrooms und Internet-Foren. Eine Heroisierung des Täters ist die Folge", hieß es in den Schreiben. Die Unterzeichner forderten, dass bei Gewaltexzessen wie in Winnenden die Medien dazu verpflichtet werden müssen, den Täter zu anonymisieren. "Dies ist eine zentrale Komponente zur Verhinderung von Nachahmungstaten."

Nachdem diese Forderung nun sogar auf Bild.de erwähnt wird (im Artikel ganz am Ende), räume ich meinem  Vorschlag einer gesetzlichen Regelung sogar eine gewisse Chance auf Verwirklichung ein.

Zur Diskussion über die Pressefreiheit.
Es ging seit jeher weder mit meinem persönlichen Verständnis noch mit meinem Rechtsverständnis einher dass man das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Pressefreiheit vor absolut alle anderen Güter stellt. Es kann nicht sein, dass ich jemanden einfach beleidige und sage es wäre freie Meinungsäußerung oder dass die Presse auf eigene Faust ermittelt, observiert, Meinung macht und verzerrt. Selbst das Grundgesetz an sich sieht in Artikel 5 (2) die Einschänkung vor: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre."
Insofern finde ich den Vorschlag im Blogartikel aus eigener Sicht gerechtfertigt. Er verbietet keine Pressefreiheit, sondern schützt höhere Güter. Aussagen über eine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit einer solchen Ansicht sind natürlich ein Streitthema, bei dem ich jetzt nicht den Versuch starte eine Argumentation dafür zu führen, auch wenn es meiner Überzeugung dafür sprechen würde.

Zum Begründungsabsatz des Artikels.
Ich folge der Argumentation dass eine Motivation für eine solche Tat das Interesse sein kann, als Held darzustehen. Allerdings bezweifle ich, dass dies auf einer personifizierten Ebene passiert. Wenn jemand eine Tat mit seinem Namen verbinden will, stehen ihm andere, weitaus (für seine Zwecke) sichere Wege zur Verfügung um dies sicherzustellen als auf eine "aufdeckende" Berichterstattung zu hoffen. Öffentliche Bekennerschreiben, Kommunikation mit seinen Opfern darüber dass er der "Held" ist, usw.
Sprich es ist eher der ureigene Wunsch nach Aufmerksamkeit, der Welt zeigen was man selbst kann, im Gespräch sein, in der Zeitung sein, selbst das Gewissen zu haben, das man wichtig ist. Ob dabei der eigene Namen steht, ist für die Gewissheit dass man "in aller Munde" ist, für einen selbst nicht relevant. Letztendlich könnte man sogar argumentieren dass die Presseaufmerksamkeit selbst nicht interessant ist, primär wird der Wunsch nach Aufmerksamkeit sich an das Umfeld richten und durch solch eine Tat im Umfeld befriedigt werden.
Wie anfangs genannt, möchte ich aber betonen dass dies eine Motivation sein kann, weder muss es eine sein, noch muss es die einzige sein.

Interessant wären in einer Nachbereitung vielleicht auch Aussagen und Meinungen des Fahrers, welcher vom Täter zum Schluß über eine längere Zeit gezwungen wurde ihn quer durch BaWü zu fahren. Dazu habe ich bisher nocht nichts gelesen ob in die Richtung nach Gründen geforscht wird.

Thomas Bach

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Auf FAZ.net von heute wird ein inhaltlich entsprechender Vorscahlg gemacht: "Sein Name sei nicht mehr genannt"

Die SPD-Fraktion im Bundestag denkt auch über Konsequenzen zur Berichterstattung über Schulamokläufe nach, siehe Pressemitteilung. Von einem Gesetzentwurf ist aber noch nicht die Rede.

Der Vorschlag geht in eine ähnliche Richtung wie seinerzeit derjenige von Aden, ZRP 2007, 265, über ein "Gesetz über die Nutzung des geistigen Eigentums an Straftaten''. Ging davon eine gewisse Inspriation aus?

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Sie nennen einen ebenfalls interessanten Vorschlag v.a. die "Vermarktung" von Straftaten betreffend, den ich bislang nicht kannte. Jedoch geht mein Ansatz wesentlich weniger weit und auch in eine andere Richtung. Ein "geistiges Eigentum an Straftaten" halte ich auch für eher befremdlich.

Vielen Dank für diese Hinweise. M.E. belegen die Rügen des Presserats, die die Bild-Zeitung ja nicht zum ersten Mal in diesen und ähnlichen Zusammenhängen bekommen hat, dass die Selbstkontrolle der Presse nur unzureichend funktioniert: Das Geschäft mit dieser Art Berichterstattung ist längst gemacht und Herr Diekmann (Chef"redakteur") lacht nur über solche Rügen und freut sich stattdessen über die Werbung, die unser ehemaliger Bundespräsident Richard v. Weizsäcker trotzdem für sein "Produkt" macht.

Ich halte so ein Gesetz auch für wenig erfolgversprechend und auch schon gar nicht notwendig. Die Annahme, dass sich Amokläufer 'unsterblich' und 'berühmt' machen wollen, mag aus einigen Amoktaten herauszulesen sein, würde ich aber keinesfalls verallgemeinern. Ich halte sie für nicht hinreichend fundiert. So ist im Fall von Winnenden m.E. auch nicht nachgewiesen, dass es dem Täter darauf ankam. Dass er sich über andere Amoktaten informierte, lässt so einen Schluss nicht zu. Es gibt natürlich ein solches Klischee - die Fälschung eines Täter-Forumpostings, das ernst genommen und auf der Pressekonferenz am 12.3. verlesen wurde, führt es als Irrglauben teils vor. Nach meiner Einschätzung wurde mit diesem Klischee bewusst gespielt und die Fälschung entsprechend verfasst. Ich hatte die Pressekonferenz live verfolgt und glauben Sie mir, beim Vorlesen des Postings war ich von Anfang an misstrauisch: das Klischee war zu offensichtlich. (Beim Lesen des Screenshots dann war mir klar, dass Ausdrucksweise und Rechtschreibung nicht zu dem Täter passen konnten.) So hat man sich dann ja auch über diese Panne lustig gemacht ... und man konnte die Häme herauslesen über die Gedankenmuster und das Schubladendenken bei Polizei und Bevölkerung.

Weiß man denn, wieviele potentielle Täter überhaupt erst abgehalten werden - wegen der großen Presse, des Verlusts der Anonymität und der Folgen für die Familie? Ich würde das nicht unterschätzen. Ich gehe davon aus, dass Ausgangspunkt für Amoktaten Frust und Erniedrigungen im unmittelbaren Umfeld sind - dafür will man sich rächen. Eine darüber hinausreichende Motivation, sich unsterblich machen zu wollen und "einmal Anerkennung zu bekommen", kann man nicht zwingend begründen - im Gegenteil, so eine Annahme wirkt auf mich absurd. So eine Motivation gibt es bei Gewaltverbrechen in der Regel nicht. (Ich erkenne durchaus den Einwand, dass Amoktaten nicht mit einfachem Totschlag gleichzusetzen sind.)

Daneben wurden hier schon praktische Erwägungen angestellt ... ausländische Medien werden umfassend berichten, unabhängig von deutschen Medien. Schon aktuell hat sich etwa die deutsche wikipedia-Seite eine Zensur über Informationen zum Täter auferlegt: kein Bild, keinen vollständigen Namen. Anders auf der englischen wikipedia-Seite: dort wird informiert.

Was ich für viel dringender halte, ist die Frage nach dem Schutz der Identität der Opfer und deren Angehörigen. So ging ich beim ersten Lesen auch davon aus, dass dies hier behandelt wird. Das Problem ist akut: ausführliche Beiträge in der Presse über Opfer unter Verletzung von Persönlichkeitsrechten, gestohlene Bilder aus Community-Seiten, Berichterstattung über Gaby Köster oder der No Angels-Sängerin usw. Ständig gibt es derartige Streits und Diskussionen. (Ich sage ganz offen, dass ich sehr freiheitsorientierte Grundvorstellungen habe und starker Kritiker der deutschen Rechtslage etwa zu Persönlichkeitsrechten und Urheberrechtsschutz bin. Ich bin einer derjenigen, der das deutsche Recht nicht für geeignet hält das Internet zu regulieren. Es brennt an allen Ecken und unsere Lösungen sind unbrauchbar, zuweilen verherend und absurd. Ein spannendes Thema, Prof. Hoeren beschäftigt sich mit diesem Kernproblem, ich lese seine Beiträge sehr interessiert. Auch Prof. Müller hat sich schon einmal nebenbei in einem Posting grundsätzlich dazu geäußert, er vertritt sicher mehr die Gegenposition.) Was ich aber sagen wollte: will man den derzeitigen Zustand von ständigen Persönlichkeitsverletzungen nicht hinnehmen, muss man doch handeln: hier wären klare presserechtliche Regelungen/Verhaltenskodizes und strenge/re Sanktionen anzudenken. Ich begrüße solche Regulierungen nicht, aber sie wären die leidige Konsequenz aus dem engen deutschen Rechtskorsett.

Viele Grüße

Sehr geehrter Herr Fuentes,

vielen Dank für Ihre detaillierten Überlegungen. Ich halte meine Ausgangsbasis natürlich nicht für ein bloßes Klischee, auch wenn dieses in dem Winnenden-Fall zur Ursache einer Fehlinformation wurde. Es gibt aber kaum einen anderen Aspekt, in dem mehrere Schulmassaker (als "Mode"-Erscheinung) übereinstimmen.

Ich habe meinen Standpunkt nun in NJW-aktuell auch einem weiteren Publikum dargelegt, Reaktionen darauf habe ich allerdings nicht bekommen, hier mein Beitrag.

Zum allgemeinen Persönlichkeitsschutz sehe ich die Sache differenziert: Soweit Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden aus laufenden Ermittlungsverfahren die Presse mit personenbezogenen Daten informieren, halte ich dies mangels Rechtsgrundlage für oftmals rechtswidrig, und im Sinne des § 203 StGB auch für teilweise straftatbestandsmäßig (siehe auch hier).

Etwas anderes sind natürlich Persönlichkeitsverletzungen durch Presseorgane, wie Sie sie schildern und wie sie auch im Umfeld der Schulmassaker vorgekommen sind.

Für Sie und andere Leser, es gibt auch noch eine neuere Blog-Diskussion zum Thema - dort habe ich auch noch weitere Quellen benannt.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

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