Kik zahlte sittenwidrige Löhne

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 18.03.2009

5,20 Euro pro Stunde ist zu wenig. Das hat das LAG Hamm in einem von der Gewerkschaft ver.di unterstützten Musterverfahren entschieden und damit den Klagen zweier geringfügig beschäftigter Frauen gegen den Textildiscounter Kik stattgegeben (LAG Hamm vom 18.3.2009, 6 Sa 1284/08; 6 Sa 1372/08). Die Revision wurde nicht zugelassen. Auch die Vorinstanz hatte schon in diesem Sinne entschieden. Das Gericht sah ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und stufte die Vergütung als sittenwidrig ein. Für angemessen hält das Gericht einen Stundenlohn von 8,21 Euro. Für diese Beurteilung zogen die Richter die Tariflöhne im Einzelhandel NRW heran. Kik muss nun den beiden Frauen die Differenzbeträge in Höhe von knapp 10.500 und rund 8.900 Euro nachzahlen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di erwartet nun eine Klagewelle gegen den Textildiscounter. Das Urteil des LAG Hamm schaffe einen Präzedenzfall, sagte ein Sprecher von ver.di. Nach ver.di-Angaben arbeitet etwa jeder zweite der bundesweit 18000 Kik-Beschäftigten für Stundenlöhne zwischen 4,25 Euro und 5,25 Euro. Die Urteile des LAG Hamm könnten also weitreichende Folgen haben. Kämpferisch nahm sich hingegen die Verlautbarung des Discounters aus: Kik verwies darauf, dass das Landesarbeitsgericht lediglich über zwei Einzelfälle entschieden habe. Rechtliche Auswirkungen auf andere Sachverhalte und Arbeitsverhältnisse habe dies nicht. Die beiden Klägerinnen, die als Minijobberinnen gearbeitet und von Kik Nettolöhne erhalten hätten, seien vom Gericht Bruttozahlungen zugesprochen worden. Dies bedeute, dass die Klägerinnen nun auf den vom Gericht zugesprochenen Lohn nachträglich Steuern und Sozialversicherungsabgaben zahlen müssten. Durch das Urteil sinke der Netto-Stundenlohn von zuvor 5,20 Euro auf 3,20 Euro, hieß es. Nach Vorliegen der Urteilsbegründung werde geprüft, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werde.

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8 Kommentare

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Wie bitte, so meine Frage, kann ein Brutto-Studenlohn von 8,21 Euro zu einem Netto-Stundenlohn von 3,20 Euro führen? Das ist evident unzutreffend.

Rechtsarbeiter

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Stoffels,

 

wie der vorherige Kommentar bereits ausfuehrte, ist Ihre Aussage unwahr, durch das Urteil sinke der Netto-Stundenlohn von zuvor 5,20 Euro auf 3,20 Euro.

Davon einmal abgesehen enthaelt Ihr Blog-Beitrag KEINERLEI Stellungnahme. Das ganze liesst sich wie ein Kurzberichtsservice ueber aktuelle Rechtsprechung. Dafuer brauchen wir keinen "blog". Und keine Professoren.

Abschliessend sei bemerkt: Ein wenig Kritik an einer zunehmenden Kultur sittenwidriger Loehne stuende auch einem Arbeitsrechtler gut zu Gesicht! 

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@ ralf:

3,20 Euro (die Herr Stoffels als Aussage von kik im Konjunktiv wiedergegeben hatte) stimmen tatsächlich nicht. Aber das Ergebnis ist gleichwohl erstaunlich. Rechnen Sie mit mir bitte einmal nach:

Bisher erhielt die Klägerin monatlich 400 Euro, musste also bei einem Stundenlohn von 5,20 Euro netto rund 77 Stunden im Monat arbeiten. Für den Arbeitgeber fielen zusätzlich 15% pauschaler Beitrag zur Renten-, 13% zur Krankenversicherung und 2% Pauschalsteuer an, seine Gesamtbelastung belief sich also auf 520 Euro.

Jetzt bekommt die Klägerin 8,21 Euro brutto, macht bei 77 Stunden einen Monatslohn von 632 Euro brutto. Darauf fallen - in der sog. Gleitzone (§ 20 Abs. 2 SGB IV) - 131,29 Euro Sozialabgaben an. Unterstellt man, dass die Klägerin ohne Steuerkarte gearbeitet hat, also jetzt nach Steuerklasse VI veranlagt wird, muss der Arbeitgeber für sie zusätzlich 101,31 Euro Steuern (inkl. Kirchensteuer und SoliZ) abführen (nachzurechnen über http://www.banktip.de/Gehaltsrechner.html). Als Nettolohn bleibt: 399,40 Euro monatlich, also ein Stundenlohn von 5,18 Euro netto !!! Das ist - wenn auch nur geringfügig - weniger als bisher. Nur die Gesamtbelastung des Arbeitgebers steigt durch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung auf 756,03 Euro.

Netto gewinnt die Klägerin also gar nichts. Gewinner sind der Fiskus und die Sozialversicherungsträger (also letztlich wir alle, was ja auch nicht schlecht ist).

Besser sieht es für die Klägerin erst aus, wenn sie mit Steuerkarte arbeitet. Dann steigt auch ihr Nettoeinkommen (z.B. entfällt bei Steuerklasse I/0 die Lohnsteuerpflicht wegen des Grundfreibetrages vollständig, sodass der Klägerin dann 500,71 Euro netto verbleiben, entspricht 6,50 Euro netto je Stunde).

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Rolfs,

 

herzlichen Glückwunsch zu Ihren Rechenkünsten und profunden Kenntnissen der schwindelerregenden Abgründe des deutschen Sozialabgaben- und Steuerrechts.

Aber was bitte wollen Sie uns mit dem Beitrag sagen? Dass die Richter erst einmal den Rechenschieber rausholen sollen, bevor sie einen Bruttostundenlohn als sittenwidrig einstufen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Gefordert ist die Politik, bei den unteren Einkommen (und dazu zählen für mich die bis ca. 1300 € brutto!) deutlichere Entlastungen herbeizuführen, insbesondere, was die Sozialabgaben betrifft.

Nachdenken sollten wir endlich einmal über den Vorschlag des Wirtschaftsprofessors Bofinger, eine negative Einkommenssteuer einzuführen. Bis 750 € sollte Brutto = Netto sein.

Aber nein, der Staat haut auch bei Leuten mit Geringeinkommen voll rein bei den Sozialabgaben. Dann muss Papa schwarz was machen, weil er gar nicht anders kann. Und wenn er erwischt wird, steht er vor Richtern, die vom Elend da unten keine Ahnung haben. Klasse und Recht? Eine Disziplin, derer man sich wieder annehmen sollte!

 

Grüße,

Ralf

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In den Arbeitsverträgen könnte sich durchaus die Vereinbarung finden, dass die Parteien gerade eine sog. Beschäftigung auf 400 Euro Basis wollten. Ich halte das sogar für sehr wahrscheinlich. In diesem Fall bräuchten die Betroffenen für die 400 Euro statt bisher 77 h nur noch knapp 49 h im Monat arbeiten. Und das ist schon mal ein klarer Vorteil.

KiK müsste im entsprechenden Verhältnis mehr Arbeitsplätze schaffen und auch das ist gesellschaftlich durchaus positiv.

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Was die Vergangenheit der Kik-Knechtarbeiter anbelangt mögen die einen oder anderen Rechenbeispiele zutreffend sein.

In Zukunft muß es doch aber heißen,nun müssen die Mini-Jobber für ihre 400,- weit weniger als die 77 std. arbeiten !

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#3: Zitat "Netto gewinnt die Klägerin also gar nichts"

- wirklich ?

Naja, nicht direkt, aber doch wohl indirekt, indem sich ihre Rentenanwartschaft verbessert, also ihre Renter höher ausfallen wird.

Oder irre ich mich hier etwa?

(bin kein Arbeitsrechtler oder Sozialversicherungsrechtler)

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