Der Schwacke-Mietpreisspiegel und das Internet - unvereinbar?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.03.2009

Welche Mietpreiskosten können im Rahmen der Schadensersatzberechnung nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden? Hiermit hat sich das LG Kempten in einem Urteil vom 28. 5. 2008 - 5 S 1837/07 = NZV 2009, 82 befasst und ganz nebenbei den Schwackemietpreisspiegel demontiert (hier gekürzt):

"...Der Geschädigte kann nach inzwischen gefestigter BGH-Rechsprechung vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Grundlage für die Feststellung des erforderlichen Schadensbetrages im Sinne von § 249 BGB ist der als „Normaltarif“ bezeichnete regional marktübliche Mietpreis.....Den Normaltarif schätzt das BerGer. vorliegend auf 290,- EUR. Dabei stützt sich das (bei der Schätzung des § 287 ZPO besonders freigestellte) Gericht nicht auf die Vergleichsberechnung nach der Schwackemietpreisliste 2006, sondern auf konkrete Internetangebote.....Das BerGer. setzt sich daher nicht in Widerspruch zur BGH Rechtsprechung, wenn es den erforderlichen Schadensbetrag nicht auf Grundlage der Schwackeliste 2006 schätzt. Zudem hat die Bekl. bereits in erster Instanz ein konkretes Angebot aus dem Internet der FA. E in K für eine ad-hod-Anmietung vorgelegt, woraus sich für die Mietdauer von fünf Tagen ein Mietpreis von insgesamt 258,99 EUR ergibt. Bereits dieses konkrete Angebot gibt vorliegend Anlass zu Zweifeln an der Geeignetheit der Schwackemietpreisliste 2006 als Schätzgrundlage. Auch im Rahmen der eigenen Internet-Recherche des BerGer. bei den in Kempten ansässigen Mietwagenstationen ergaben sich für einen vergleichbaren Mietwagen Mietpreise für fünf Tage zwischen 245,- und 290,- EUR...."

Ausführlich hierzu mit weiteren Tipps: Kuhnert in: Krumm/Kuhnert/Schmidt, Straßenverkehrssachen, 2008, 2. Kapitel Rn. 389 ff.

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3 Kommentare

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Klar, recherchieren kann man viel. Aber hätten die hohen Herren auch den Wagen bekommen ? Eine, zwei Kreditkarten vorgelegt ? Vorkasse gezahlt? Vorbuchungsfrist 1 Woche eingehalten ?

Meines Ermessens "demontiert" man damit Schwacke aber nicht, schon gar nicht so im Vorbeigehen.

Warum muß sich das Gericht wohl so plakativ auf seine besondere Freistellung bei der Schadensschätzung berufen .....

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Auch wenn man ständig Werkstätten vertritt, die auch als Autovermieter auftreten, so wird man doch wohl kaum mehr ernsthaft behaupten können, dass die Schwackeliste Grundlage sein kann. Tatsächlich bekommt man im Ruhrgebiet ohne Kreditkarte, ohne Vorlaufzeit und auch ohne Vorkasse Mietwagen und die grundsätzlich deutlich günstiger als nach Schwackeliste. Wenn man dann noch von Reparaturwerkstätten mietet, bei denen man eine Reparatur in Auftrag gibt, dann sind die bei Selbstzahlern erstaunlich billig.

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Informationen helfen Gerichten, dem Klägervortrag mangelt es oft daran:

1. Laut Vorwort der Schwackeliste (kann das Gericht vom Kläger verlangen!) schließen sich Schwacke-Werte / dortiges Preisniveau und Internetpreise nicht aus. Denn Schwacke berücksichtigt Internetpreise, aber eben nciht nur. Die Bandbreite enthält diese Werte. Der Mittelwert ergibt sich aus allen Werten.

2. Gerichte haben Sachvortrag auf seine Konkretheit hin zu bewerten. Lässt sich aus einem (oder auch mehreren) Angeboten, die die Beklagte irgenwann, unvollständig (noch in keinem Fall mit einer der tatsächlichen Situation vergleichbaren Dienstleistung), unklar (Internetklick 2 von 4, welche Vorbuchungszeit, welche Auslastung hatte der Markt,..) und unverbindlich (wirklich buchbar?) ausgedruckt hat darauf schließen, dass eine Erhebung bei allen Anbietern im regionalen Markt falsch ist? Das ist gar nicht vergleichbar.

3. Viele Internetanbieter haben ein eingeschränktes oder gar kein Angebot, wenn a) kurzfristig Bedarf besteht oder b) bei hoher Auslastung des Vermieters, da hilft auch längerer Vorlaufzeit nicht. Die Preise sind - sofern nicht ausverkauft - dann sehr viel höher, was SV-Gutachten ergeben haben und auch immer wieder zeigen können.

4. Was nützt ein Minimalpreis, wenn der Anbieter keine passende Leistung erbringt? Internetangebote sind  in Bezug auf die Bedürfnisse des Unfallgeschädigten nicht zielführend. Eine akademische Preisdiskussion bringt da niemanden weiter. Voraussetzungen der Vertragsanbahnung sind im Internet zum Beispiel:
- feste Mietdauer
- Vorauszahlung
- Zahlung mit Zahlungssystem (auf Rechnung undenkbar)
- Kaution
- Buchung im Internet ...
Geschädigte können also ihre Mobilität im Internet nicht buchen. Die dortigen Preise vergleichbarer Leistungen sind relevant. Sie sind mal niedriger und mal höher und Schwacke hat Internetpreise berücksichtgt.

@ Steffen:
Wenn der Anwalt schon Werkstattersatz mit Normaltarifen vermischt... Hoffentlich merken die Mandanten nichts.

 

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