Wie zerstörerisch ist die Informationsrevolution? IT schreibt die Spielregeln neu

von Dr. Michael Karger, veröffentlicht am 12.02.2009

Prof. Hoeren hat es mit seinem Vortrag zur dekonstruktiven Macht des Internet (Das Pferd frisst keinen Gurkensalat) schon einmal deutlich auf den Punkt gebracht: Wir müssen uns klarmachen, welche wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Veränderungen von der Informationstechnologie getrieben werden. Ist die Entwicklung überhaupt noch menschengesteuert oder treibt die Technologie die Menschen vor sich her? 

Sehr lesenwert zu diesem Thema: "Mit Hightech in die Krise", ein Beitrag von Kolumnist Thomas Klau in der Financial Times Deutschland. Er schreibt (wohl mit einigem Recht), die Finanzkrise sei primär auch die Folge der Unterschätzung und mangelnden Beherrschung der technologischen Revolution. Nicht nur, dass Finanztransaktionen IT-gestützt in Sekundenschnelle um den Globus gehen und gleichzeitig verfügbare Finanzdaten den Herdentrieb der Investoren noch verstärken, nach Thomas Klau sind es vor allem die IT-gestützten Spekulationsmodelle, die auf statistischen Durchschnittswerten beruhen. 

Die Finanzmärkte sind nicht der einzige Schauplatz. Die nächsten Verwerfungen sind schon im Gange. Klau benennt:

Thomas Klau:"Doch die existenzielle Krise unserer Finanzwirtschaft zeigt: Wir müssen dringend erkennen, dass die technologische Revolution einen viel klareren Blick für die Gefahren erfordert, die aus ihrem noch immer unterschätzten Veränderungspotenzial entstehen können. IT schreibt in Wahrheit die Spielregeln des Lebens und Wirtschaftens neu, und unsere Gesetzgeber und Denker müssen sich jetzt daranmachen, die Folgen zu ermessen und wo nötig Konsequenzen zu ziehen. Es ist höchste Zeit, sich der Informationsrevolution zu stellen."

Was aber können wir Juristen hier tun ?

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8 Kommentare

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Heilige Maria Mutter Gottes! DAS "Ist die Entwicklung überhaupt noch menschengesteuert oder treibt die Technologie die Menschen vor sich her?" ist die Steilste These, die ich seit langem gehört habe. Das Internet hat ganz genau soviel Macht, wie wir ihm zugestehen, wie wir wollen und uns wünschen. Keine einzige Technologie in der gesamten Geschichte der Menschheit hat je von alleine irgendetwas bewirkt. Erst wenn Technologie auf eine gesellschaftlichen Willen und Bedarf trifft befähigt sie Veränderungen. Und bei aller Liebe: Jene destruktive Macht, die sie dem Internet zuschreiben ist nur ein fahlen Abglanz jener Mächte die eigentlich dahinter stehen.

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"Keine einzige Technologie in der gesamten Geschichte der Menschheit hat je von alleine irgendetwas bewirkt."

Das mag man mit dem Blick auf die Dampfmaschine schon bezweifeln, sprengt hier aber den Rahmen der möglichen Auseinandersetzung. Ich denke, "die Geister die ich rief" ist der menschlichen Natur näher als manch einer glaubt oder glauben mag. Es liegt in unserem gemütlichen Naturell, sich in gesellschaftliche Automatismen setzen zu und von diesen treiben zu lassen. Insofern ist es falsch, von dem Internet als "der Technologie" zu sprechen, vielmehr geht es um die mit dem Internet verbundenen sozialen Auswirken, somit auch um das Recht.

Die Frage bei Juristen, und das geht an den Autor des Artikels, ist - wie so oft in der Geschichte - nicht was wir tun können, sondern vielmehr was wir zu tun bereit sind.

Die besonders brennenden Themen aber, und dazu gehört sicherlich eine breite Vermittlung von Medienkompetenz, sind in der Tat keine alleinigen Aufgaben von Juristen, sondern vielmehr gesellschaftspolitische Aufgaben die uns alle betreffen.

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Der Tenor Ihres Beitrags ist von Kulturpessimismus geprägt, wozu wir Deutschen ja gerne neigen. Einmal mehr wird die angeblich dekonstruktive Macht des Internet hervorgehoben, wo man stärker von Chancen und Möglichkeiten sprechen sollte.

Wenn Zeitungen durch Blogs tatsächlich gefährdet wären, dann muss man das nicht als bedenklich einstufen, wenn man nicht gerade Verleger ist.

Was wir Juristen tun können? Der Jurist tut sich immer schwer mit Veränderung. Denn er hat vorgegebene Regelwerke, in die er neue Lebenssachverhalte presst. Und was nicht passt, wird passend gemacht. Ich habe leider nicht den Eindruck, dass die Juristen in ihrer Ausbildung heute stärker zu eigenständigem und kreativem Denken angehalten werden. Ganz im Gegenteil. Damit gehören sie natürlich auch zu den Berufsgruppen die die größten Probleme haben, mit dem Tempo der Veränderung Schritt zu halten. Und das bremst dann wiederum über Gesetzgebung und Politik die Gesamtentwicklung ab. Wir sollten lernen von der Bremse zu gehen.

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"Was aber können wir Juristen hier tun ?"

Offen und ehrlich mit gutem Beispiel vorangehen und Unterricht in "Lesen und Schreiben" nehmen...

Erkennen das man ohne Papier beides nicht kann. Beides ohne Schreibwerkzeug nicht geht. Man auch wenigstens wissen muss wie dies miteinander zu bedienen ist. "Bei mir kommt das Internet aus der Dose!" sagen 9 von 10 Juristen. Nein das ist nicht lustig. kein bisschen witzig festzustellen: "Wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, darum sollen sich Fachkräfte kümmern.". Um einen Brief zu schreiben braucht ein Jurist auch keine Fachkraft. Und das Ergebnis?

Da lese ich über Leute die virtuell Bilder als ihr Eigentum darstellen, dies von Gerichten durch rechtskräftige Beschlüsse bestätigen lassen. Da gibt es Leute die glauben in digitalen Bildern läge Beweiskraft. Warum lese ich nie von Juristen die laut aufschreien: "Digital kann jeder Manipulieren. Das darf nicht ernst genommen werden!". Weil sie es nicht verstehen. Allein das Wort sollte doch Menschen mit nachgewiesener Studienbefähigung mehr sagen als tausend Worte "Virtuell". Wie lächerlich geht es denn noch? Nehmen wir an morgen würden wir Opfer eines planetenweiten elektromagnetischen Impulses (EMP). Welche Substanz hätten dann all die Urteile, die Millionen Arbeitsstunden die im IT-Bereich investiert wurden? Präzise erkannt, das Ergebnis ist gleich 0.

Fast schlimmer noch all die vielen naiven sog. Datenschützer. Bei denen wage ich die Spekulation das keiner verstanden hat was das OSI-Modell ist und vor allem warum es gerade für sie so wichtig wäre es wirklich zu verstehen. Verstünden sie es, gäbe es zumindest in Deutschland extrem viele der aktuellen Auswüchse der sog. Datensammel- und Auswertungswut nicht einmal. Als damals die Dotcom-Blase geplatzt ist, hat schon kaum Jemand verstanden das dies primär aus mangelnder Substanz geschah. Und nun? 7 Jahre danach kommt immer noch niemand auf die Idee zu fragen "Was kann man damit wirklich besser machen?" und denkt es zu Ende mit "Aber bitte mit allen Haken und Ösen...". Auch kommt niemand auf die billige Idee zu Fragen "Warum?".

Was bitte ist so schwer daran einfach einmal offen einzugestehen: "Ich verstehe nichts von Rechenmaschinen und deren Sprachen." oder: "Mir ist unklar wie diese Geräte miteinander kommunizieren, was der technische Hintergrund ist."
Auf viele Personen die 20 oder mehr Programmiersprachen beherrschen trifft das doch auch zu. Z.B. wenn man sie nach ihren Rechten fragt...

Ich empfinde es nicht als Schande einzugestehen, dass ich nur ein paar Rechnerdialekte verstehe. Ich kann halt andere Dinge besser. Und? Aber ich frage nach. Ich will wissen ob mein Gegenüber wirklich etwas von dem versteht, über das er da herschwätzt. In diesem Sinne suche ich nach wie vor einen Juristen der dem Rest der Gesellschaft erklären kann anhand von was, bzw. unter der Zuhilfenahme von welcher Methode(n) man ein digitales Bild signieren und später wirklich sicher wieder authentisch erkennen kann. Selbiges gilt dann übrigens auch für Übertragungswege von Daten. Sprich wie kann man plastisch beweisen das Daten von einem bestimmten Punkt gesendet, über bestimmbare Punkte weitergeleitet und in ihrer Ursprungsform an einem bestimmbaren Punkt auch tatsächlich eintrafen?

Eine Filmempfehlung für sog. Experten (oder jene die es wirklich werden wollen):

http://www.ilmarefilm.org/W_D_1.htm

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Juristen sollten anfangen mittels WWW Gesetze und deren Folgen darzulegen.
"Rechts"fragen lassen sich mittels Präsentationen gut darstellen.
Die Folge ist, "Rechts"wissen wird leichter zugänglich.
Der Nachteil ist, dass das Herrschaftswissen der Juristen schwindet.
Jedoch ruft der Autor des Artikels nach dem Gesetzgeber und Regelungen.
Freiheit, Autonomie, Emanzipation ist verdächtig.
Man merkt, die Ausbildung der Juristen ist auf das Richteramt ausgerichtet und eigentlich verfehlt.

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@ben:
Natürlich hebt eine Technologie nur ab, wenn sie auf Bedarf und Akzeptanz trifft. Das Problem ist aber, ob man Möglichkeiten und Auswirkungen auch versteht. Thomas Klau sagt in seinem Artikel, dass man die Auswirkungen der Rechenmodelle und der schnellen Informationsweitergabe im Finanzbereich nicht ausreichend verstanden oder unterschätzt hat. Das halte ich für richtig. Ich meine auch nicht, dass die Informationstechnologie und das Internet destruktiv sind - sie verändern die Dinge, auch zum Guten. Also eigentlich kein Grund, die himmlischen Mächte anzurufen ...

@Kollege Jens Ferner:
"Die Geister, die ich rief" - kommt der Sache schon näher. Und es geht gar nicht darum, diese Geister wieder loszuwerden, sondern sie - wo erforderlich - etwas zu "domestizieren". Je grösser die Medienkompetenz und die Eigenverantwortung, desto geringer der Bedarf nach rechtlicher Regelung.

@Kollege Stadler:
Ein bisschen Pessimismus schadet nicht, weil er ja die Optimisten herausfordert... Veränderungen im Medienbereich finde ich gut, weil alte Monopole aufgebrochen und Kreativität freigesetzt werden. Aber ist diese neue Welt so selbstregulierend, dass keine anderen, noch viel mächtigere Informationsmonopole entstehen können? Es wäre auch gut, wenn die Zeitschriften (wenn vielleicht auch nicht im Print) überleben, denn die Blogs eignen sich eigentlich nur für Kurzthemen - in die Tiefe gehen sie nicht. Die Seite 3 in der Süddeutschen Zeitung kriegen Sie nicht in einen Blog-Beitrag. Von der Bremse gehen: Grundsätzlich ja. Aber nicht bei Themen wie Kartellrecht, Jugendschutz, Strafrecht und Schutz des einzelnen Autoren.

@Michael Kostic:
Es ist richtig, dass sich die meisten Juristen im Technologiebereich nicht gut auskennen und viele auch Berührungsängste haben. Es ist richtig, dass Juristen nicht gerne einräumen, bestimmte Dinge nicht zu verstehen. Aber tun sich andere Berufsgruppen mit solchen Eingeständnissen denn leichter? Ich glaube auch nicht, dass man von Juristen eine rechtlich-technische Doppelkompetenz verlangen muss. Wichtig ist vielmehr die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wenn ich technisch nicht mehr weiterkomme, frage ich eben Spezialisten (und oft auch gerichtlich bestellte IT-Sachverständige, die an der Schnittstelle zwischen Recht und Technik tätig sind). Das klappt ganz gut.

@Thomas: Der Ruf nach dem Gesetzgeber ist sicherlich nicht der erste und beste Weg, gesellschaftliche Probleme auf internationaler Ebene zu lösen. Manche Dinge sollten aber reguliert werden, weil nur so die Freiheit bewahrt werden kann (Kartellrecht) oder der Einzelne geschützt wird, der sich sonst nicht wehren kann.

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@Michael Karger:

Sie kommunizieren eine Problematik klein deren Auswirkungen jedoch immens sind. Bitte nehmen Sie dies hier zur Kenntnis: http://www.sueddeutsche.de/bayern/788/441529/text/

Natürlich wird unsere kleine Gemeinschaft versuchen Menschen zu helfen die auf der Grundlage von Nichts (Virtualität) verurteilt u./o. zu Strafzahlungen herangezogen werden. Jedoch sei eingestanden das wir nicht nur noch sehr wenige sind, sondern schon Jetzt viele sog. IT-Spezialisten um ihre Reputation fürchten (zu Recht, wenn man den o.g. Artikel und dessen Konsequenzen versteht).

Intelligente Menschen lehnen die Todesstrafe ab weil ihnen klar ist das Systeme je komplexe sie sind immer fehleranfälliger werden. Doch nach dem Henker nutzt die Revision recht wenig. Ebenso verhält es sich zunehmend in der IT und dem Recht.

Ihre Aussage:

"Ich glaube auch nicht, dass man von Juristen eine rechtlich-technische Doppelkompetenz verlangen muss"

ist insofern inakzeptabel als das Sie ja durchaus über viele solcher "Doppelkompetenzen" verfügen, welche auch Ihre Arbeit beeinflussen, auch ohne hierzu gewünschten interdisziplinären Austausch. Sie können einen Nagel in die Wand schlagen? Wissen was ein Hammer ein Nagel ist, beides miteinander verwendet wird. Kommt nun Jemand und behauptet z.B. Sie müssten ihm Geld dafür bezahlen, dass Sie einen Nagel in eine Wand einschlagen dürfen, dann erinnern Sie sich doch auch an einen kleine Romanfigur die ihren Freunden Güter für das Bemalen eines Zaunes abnahm. Eine Sinnvolle Doppelkompetenz von der auch Ihre Mandanten profitieren möchte man meinen.

Wir dürfen lernen das IT ebenso wie Lesen und Schreiben eine Kernkompetenz in der westlichen Erwerbsgemeinschaft darstellt. Sie dürfen feststellen, dass wenigstens wir angetreten sind dieses Verstehen in die Öffentlichkeit zu tragen. Sprich: Wer nicht zumindest Grundkenntnisse nachweisen kann, muss zwingend als Analphabet im klassischen Sinn gelten, da helfen auch keine Titel, keine Würden oder ähnliches. Wer nicht Lesen und Schreiben kann, der muss es eben lernen ;-)

Also fangen wir doch hier einmal an: Was ist ein einfacher Schalter? Wie viele Zustände hat dieser? Was kann der Schalter -von sich aus- unternehmen? Kann der Schalter von sich aus von 0 auf 1 schalten, oder bedarf es dafür eines Impulses. Braucht es Vorsatz um einen Schalter umzustellen? Wir beginnen mit der Lektion das Schalter über keinerlei eigene Intension zur Umschaltung verfügen, es benötigt immer eines wie auch immer gearteten Impulses. Womit wir schon bei Lektion 2 angekommen sind. Ganz wenige Impulse, welche physisch existente Schalter umlegen können schweben durch die Luft. Der Impuls muss einen Ursprung haben, ist aber in sich nicht zwingen identifizierbar. Dem (Licht)Schalter in der Küche könnten wir u.U. einen Beweis dafür entnehmen, wer oder was einen Impuls ausgelöst hat. Bei einem (elektronischen)Schalter ergibt sich die Problematik das Elektronen noch nicht als "Täter" identifizierbar sind. Es ist daher absolut unmöglich nachzuweisen wer wann die Umlegung welches (elektronischen)Schalters angeregt hat, ausser man sitzt in dem Moment des "impulsgebens" direkt neben dem Impulsgeber und kann auch nachweisen das man weiss welche Funktion der Impuls tatsächlich ausgelöst hat. Und da aller guten Dinge 3 sind stellen wir fest, dass eine Beweisführung nicht möglich ernsthafte Zweifel zwingend gegeben sind. Wie war das gleich? In dubio pro reo?

Dumm ist eben nur das dann fast diese gesamte sog. Industrie sich nochmals weitestgehend als das bloßstellt was sie oft tatsächlich ist: NICHTS

Derweil festzustellen ist: "Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten!"

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein angenehmes nachdenkliches Wochenende

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@Michael Kostic

Oh wie wahr, wie wahr! Internet wurde geschaffen, um selbsttätig ausgefallene Kommunikationsknoten zu umgehen und neue Routen zu finden, leider haben dazumals die Pandorabüchsenöffner keine Unterscheidung zwischen "guten" und "schlechten" Kommunikationsausfällen vorgesehen...

Auch wundert mich, dass die Zahl, zugegebenermassen eine sehr grosse Zahl, die aus in etwa 9 Mrd. Ziffern in sedezimaler Schreibweise besteht (== Inhalt einer DVD), dass diese Zahl jemanden gehören soll, die Zahl, nicht die Repräsentation auf einer DVD oder ein materieller Ausdruck!

Stuff

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